@ThomasWach
Zitat:Die Grenzverschiebungen in Ostmitteleuropa sind
keine polnische Erfindung gewesen, sondern eine sowjetische.
Ja und nein.
Es gab ab den 1830ern seitens polnischer Nationalisten Bestrebungen, einen noch zu schaffenden polnischen Staat auf Schlesien auszudehnen.
Hier sei angemerkt, das es zwei Denkschulen des polnischen Nationalismus gibt: Die
piastische, die einen polnischen Staat etwa in den Grenzen zur Zeit der Piasten-Dynastie fordert, und die
jagiellonische, die einen polnischen Staat etwa in den Grenzen von vor dem 2.Weltkrieg wünscht.
Die Westverschiebung der polnischen Grenzen nach dem 2.Weltkrieg hat ihren Ursprung vielleicht ebenfalls bei der piastischen Denkschule.
Großbritannien und die USA lehnten territoriale Veränderungen gegen den Willen der betreffenden Völker ab - diese Regelung wurde Teil der Atlantik-Charta und somit Grundlage der NATO - und auch Stalin lehnte zunächst Annektionen ab. Die polnische Seite forderte dagegen immer mehr eine "unbedingt notwendige" Verschiebung der polnischen Grenze nach Westen. Doch auch von polnischer Seite gab es Gegenstimmen, etwa von Mikolajczyk und General Kukiel.
Letztlich kam die Westverschiebung des polnischen Territoriums dadurch zustande, das Stalin Königsberg - seit jeher ein Fernziel der russischen Expansionspolitik - und seine territorialen Gewinne von 1939 behalten wollte.
Ein Link zur Westverschiebung:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://potsdamer-konferenz.de/geschichte/kompensations_theorie.php">http://potsdamer-konferenz.de/geschicht ... heorie.php</a><!-- m -->
Zitat:Die Gebiete, in denen Deutsche gelebt hatten, blieben ja nicht leer oder wurden mit Polen aus anderen "polnischen Städten" besiedelt, sondern den Platz der Deutschen nahmen Polen ein, die aus dem damaligen Ostpolen vertrieben worden waren
Es wurden aber auch viele Siedler aus Zentralpolen dort angesiedelt, was übrigens wenig bekannt ist.
Zitat:Und die Vertreibung von Deutschen war auch kein rein polnisches Phänomen, sondern gab es überall in Osteuropa.
Stimmt, diese "Vertreibungen" - bei denen über 3 Millionen Deutsche ihr Leben verloren - ereigneten sich auch z.B. in Jugoslawien und Ungarn.
Es waren aber nicht nur Polen und Deutsche betroffen...
Zitat:Weiterhin hatten die Polen auch nicht damit begonnen, sondern schon während des Krieges begannen die Deutschen Polen aus bestimmten Provinzen (Westpreußen, Warthegau) zu vertreiben und dort Deutsche aus Bessarabien und der Sowjetunion anzusiedeln.
Schwer getroffen von der Vertreibung von Polen, wie auch von anderen Terrormaßnahmen des NS-Regimes, wurde auch Posen, wo Greiser - der mit Forster und Hanke, dem "Schlächter von Breslau" - offenbar um die Nachfolge von Himmler rivalisierte, wütete.
Aber es stimmt, die Nazis haben im Rahmen ihre wahnsinnigen Politik auch vielfach Deutsche vertrieben...
Zitat:Im Übrigen ist der Begriff Genozid für die Vertreibungen ein schamloser Missgriff,
Bei dieser "Vertreibung", für die du den Begriff Genozid als schamlosen Missgriff ablehnst, sind von etwa 8 Millionen deutschen und schlesischen Einwohnern der an Polen gefallenen deutschen Ostgebiete mindestens 800.000, wahrscheinlich sogar 2 Millionen Menschen umgekommen.
Ziel war auch nicht die bloße Vertreibung, sondern auch die Eliminierung der betroffenen Bevölkerungsteile. Dies geschah etwa durch Einrichtung von mehreren KZs, in denen Zehntausende durch die Willkür der Wärter und ein "Vernichtung durch Arbeit"-Prinzip - schwerste körperliche Arbeit bei völlig unzureichender Ernährung - umkamen. Lamsdorf war nur das berüchtigste von diesen KZs.
Ebenso kamen viele beim Transport in Viehwaggons - woher kennen wir das? - ums Leben, und es ist durch Flüchtlinge wie auch durch Personal der sowjetischen Streitkräfte bestätigt worden, das es zu zahlreichen Vergewaltigungen kam.
Darüber hinaus wurde jeglicher Versuch unternommen, die schlesische Kultur - die Schlesier sahen sich primär als Schlesier, nicht als Deutsche oder Polen - zu vernichten.
Vor allem Großbritannien - und hier besonders Anthony Eden - hat sehr scharf gegen diese polnische "Vertreibungs"-/Völkermord-Politik protestiert.
Eine Definition für Völkermord findest du übrigens hier:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://potsdamer-konferenz.de/voelkerrecht/lex_lata.php">http://potsdamer-konferenz.de/voelkerrecht/lex_lata.php</a><!-- m -->
Wie du sicher merkst, deckt sich das damals geschehene stark mit dieser Definition.
Übrigens bezeichnet auch z.B. de Zayas die "Vertreibung" der Deutschen als Völkermord:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://alfreddezayas.com/Lectures/Schlesiertreffen_de.shtml">http://alfreddezayas.com/Lectures/Schle ... n_de.shtml</a><!-- m -->
<!-- m --><a class="postlink" href="http://alfreddezayas.com/Law_history/ThesenzurVertreibung_de.shtml">http://alfreddezayas.com/Law_history/Th ... g_de.shtml</a><!-- m -->
Allmählich kommen auch wieder die Opfer des Völkermords ans Licht:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://polskaweb.eu/massengrab-marienburg-45677.html">http://polskaweb.eu/massengrab-marienburg-45677.html</a><!-- m -->
<!-- m --><a class="postlink" href="http://polskaweb.eu/ziviles-massengrab-polen-mit-1500-zivilisten-45677.html">http://polskaweb.eu/ziviles-massengrab- ... 45677.html</a><!-- m -->
Die Existenz der damaligen polnischen KZs ist heute in Polen nur wenig bekannt oder wird beschönigt, daher will ich dir mildernde Umstände gewähren.
Zitat:den ich von Rechtsradikalen erwarte würde, aber nicht von Usern dieses Forums.
Das man Thema wie dieses den Rechtsextremen überlässt halte ich für
sehr gefährlich. Es schadet nur der Demokratie.
Gerade auch bei diesem Themenkomplex gilt:
"Kein Fußbreit den Faschisten".
Genau aus diesem Grund sollte man den Genozid und andere verwandte Themen öffentlich, schonungs- und tabulos ansprechen!
Zitat:Es kam wohl definitiv als Folge des Krieges zu Massakern
Für das Sudetenland ist das Massaker von Aussig mit ca. 800-1000 Toten belegt.
Zitat: und sicherlich wurden dem Wohlergehen und der Versorgung der deutschen Bevölkerung während ihres Abtransports auch im Winter keine besondere Sorgfalt gewidmet.
Klingt das nicht beschönigend? :x
Zitat:Aber ein Genozid ist dann doch etwas anderes und trifft eher auf das deutsche Vorgehen im Krieg zu....
Wie sieht - oder sah - denn deine Definition von Völkermord aus.
Zudem: Wer hat sich denn jetzt einen "schamlosen Missgriff" geleistet?
Anbei noch ein sehr guter Link:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://webird.tcd.ie/bitstream/2262/15298/1/Dynamics+of+Ethnic+Cleansing.pdf">http://webird.tcd.ie/bitstream/2262/152 ... ansing.pdf</a><!-- m -->
Auf Seite 178 wird auf die Bestrebungen polnischer Nationalisten in Bezug auf Schlesien eingegangen.
Ab Seite 646 wird dagegen detailliert auf die "Vertreibung" der deutschen und schlesischen Bevölkerung aus Schlesien eingegangen.
Ich schätze diese Quelle übrigens sehr, weil recht umfassend und dabei schonungslos.