(Luft) Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger
#91
(25.03.2023, 08:33)Fox1 schrieb: Der AH1 wurde ja ursprünglich aus der UH1 entwickelt, weil man eben für den Kampfhubschrauber die schmalere Silhouette wollte - für verringerten Luftwiderstand/erhöhte Flugleistungen und geringere Sichtbarkeit, vielleicht auch mehr Treibstoffvolumen.

Wäre es nicht vorstellbar, diesen Weg auch bei der H145 M zu gehen, Avionik, etc. aber gleich zu lassen ? Ob man dann eine Kanone integrieren sollte, wäre unabhängig zu beantworten, aus meiner Sicht nach der Diskussion bei Tiger aber zu bejahen.

Das war die ursprüngliche Idee des Tigers. Nimm einen PAH1 und setz die Piloten hintereinander. Das jetzt nochmals versuchen, wird an den gleichen Problemen scheitern wie der Tiger.

@Kopernikus
Blackhawk und Apache hätten ähnliche Verfügbarkeiten, weil ohne Ersatzteile fliegen die auch nicht. Nicht vergessen, die Misere begann als man in den 10er Jahren den Afghanistan Einsatz aus dem laufenden Haushalt finanzieren musste. Da wurden Ersatzteilverträge gekündigt, bzw. nicht abgeschlossen und das beißt bis heute.
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#92
(25.03.2023, 09:49)Kopernikus schrieb: Wir haben ja hier zwei Probleme zu lösen.

Wie wir im letzten Jahr in diesem unsäglichen Krieg in der Ukraine gesehen haben hat sich die Art Krieg in diesem Umfang zu führen gewaltig verändert.
Auch wenn einige berechtigter Weise anführen, dass die NATO mit Ihren Luftwaffen und ihren modernen Panzerarmeeen sicher einen anderen Verlauf des Krieges herbeigeführt hätten.

Der Tiger hat sich aufgrund einer unheilvollen Kombination von politischen, militärischen und industriellen Einflüssen ohne irgendwann mal mit Leistung geglänzt zu haben nun in den Ruhestand verabschiedet.

Es gibt nun die üblichen kampferprobten und bewährten AH-64 und AH-1Z die man jetzt bestellen kann und die aufgrund der deutschen Trägheit dann in 12 Jahren mit ausreichend Maschinen auf dem Hof stehen.
Und das wäre fast so wie statt F-35 die F-18 am Ende ihrer 20 jährigen Produktions-Karriere zu kaufen.

Der hoffentlich nur kalte Krieg 2.0 läuft aber heute.

Als Überbrückung und als Ersatz für die Bo-105 beschafft man ausreichend H-145 und klemmt da Sensoren und fire-and-forget ATGW dran.
Das verlangsamt einen anrollenden feindlichen Panzerverband und kann zur Aufklärung und als Utility-Heli verwendet werden.
Man kann dann die Tiger auslaufen lassen und sich in 5-8 Jahren nach einem neuen Hubschrauber bei den Amerikanern umschauen.

Aber bitte NICHT selber entwickeln!
Die Politik wird in ein paar Jahren wieder in ihren Spar- und Ist-mir-egal-Trott zurückfallen.
Die Industrie kann Zivil-Hubschrauber aber kann und oder will keine Militär-Hubschrauber bauen.
Und die Bundeswehr mit ihren überzogenen Forderungen ist jetzt nicht der Auftraggeber dem ich ein straffes und gut gemanagtes Projet-Management zutraue.

Und in Sachen Industrie und Fähigkeitserhalt-NEIN!
Da halte ich es als Steuerzahler für besser wenn man woanders leistungsfähige Produkte einkauft und den Herren von der industrie pauschal ne Milliarde überweist.
Dann hat man leistungsfähige Hubschrauber und die Industrie ist ruhig.

Hätte man statt Tiger/NH90 AH-647Blackhawk bzw. AH-1Z /Uh-1Y gekauft dann hätte man seit 20 Jahren fliegende einsatzbereite Verbände mit zuverlässigen Maschinen.
Ja, man hätte nur 90% des anforderungskataloges der BW erfüllt, aber idese "minderwertigen" Helikopter fliegen und kämpfen.
Ach ja, und Airbus würde immer noch Zivil-Hubschrauber bauen!

(Und ja, auch andere Hersteller und andere Armeen haben Probleme mit Konstruktionsfehlern und Einsatzbereitschaft, habe nur den Eindruck dass bei uns das alles noch was schlimmer ist.)

Einige deiner Thesen kann man so nicht stehen lassen. Airbus hat oft genug (auch öffentlichkeitswirksam) den Beschaffer darum gebeten den Hubschrauber in einem Konstruktionsstand umzurüsten als es noch möglich war. Die Politik und die Bw tragen hier die Hauptschuld. Die andauernden Nachforderungen der Bundeswehr haben es da nicht besser gemacht. Es wäre damals besser gewesen wenn Die beiden Unternehmen VFW Focke-Wulf und MBB als rein deutsches Unternehmen bestehen geblieben wäre.

Helios hat es oben erwähnt. VFW Focke-Wulf und Westland haben damals ebenfalls an einem Entwurf gearbeitet. P277 Fledermaus. Insofern kannst du nicht einfach sagen das unsere Industrie hier keine Lösungsoption gewesen wäre. MBB hat auch damals einen eigenen Entwurf vorgelegt. Und damit dürftest du die Hauptschuldigen erkennen. Und da Bundeswehr und Politik Hand in Hand umherwandeln, bleiben nur diese beiden übrig. Airbus hat dies seiner Zeit auch deutlich und öffentlich kommuniziert.

Die Frage welche bleibt ist folgende. Kann die H145M als Brückenlösung soviel Luft und Zeit verschaffen etwas eigenes zu entwickeln? Und wenn ja was? Und jetzt soll mir keiner daherkommen und sagen das Deutschland dies finanziell alleine nicht kann. Italien zeigt uns nämlich eindrucksvoll das es durchaus möglich ist! Das sind alles vorgeschobene Floskeln. Eine Möglichkeit wäre es industriepolitisch den Schulterschluss zw. Bell und Airbus beim Projekt Invictus zu schaffen. Allerdings ist dieses Projekt bereits zu fortgeschritten. Also könnte dies schon flachfallen. Ein Punkt der aber wieder dafürstehen könnte, ist dass Bell bereits mehrfach in wichtigen Bereichen eine offene Systemarchitektur erwähnte. Dies stellt auch eine Einladung an ausländische Verbündete dar. Hier hätte man dann genug Möglichkeiten von der Kommunikation, bis zur Optronik und Bewaffnung eigene Produkte zu wählen. Als Partner würden sich hier in Deutschland Rheinmetall und Airbus helicopters Deutschland in Donauwörth anbieten. Auch Diehl defence und Hensoldt.

Eine weitere Lösung könnte der Einstieg in das italienische Projekt AW249-Kampfhubschrauber bieten. Allerdings handelt es sich hier um ein älteres Konzept welches aus meiner Sicht wenig zukunftsfähig ist und nicht genug Innovation bietet.

Wir dürfen den H145M wirklich nur als Platzhalter betrachten. Als Platzhalter welcher der Bw Zeit verschafft sich neu zu orientieren. Und da die Bw bereits kommuniziert hat das ein Kampfhubschrauber weiterhin in der Bw gebraucht wird und man auf diese Fähigkeit nicht verzichten möchte, wir auch sicherlich ein neues Modell erhalten werden. Die Zukunft wird es zeigen.
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#93
(24.03.2023, 14:34)FJ730 schrieb: Das wäre auch politisch der einzig gangbare Weg (allenfalls noch die AW 249) gewesen, sofern man die Fähigkeit hätte aufrecht erhalten wollen.

Es hätte durchaus auch noch andere Wege gegeben, etwa in dem man gemeinsam eine reine Obsoleszenzbeseitigung beim Tiger beschlossen und gleichzeitig ein Nachfolgeprogramm aufgelegt hätte, dass die elementaren Problemfelder angeht. Das mag zwar aufgrund der industriepolitischen Dimensionen und dem fehlenden Vertrauen unrealistisch sein, aber so ein Programm hätte man durchaus bis zum Ende des Jahrzehnts realisieren und zu einem guten Ergebnis bringen können. Man hätte auch aus dem AW249 ein solches Projekt machen können, Italien hat aktiv nach Partnern gesucht die sich auch an Entwicklung und Fertigung beteiligen. Das hätte natürlich bedeutet, dass man sowohl in Deutschland wie Frankreich einen relevanten Teil der nationalen Forderungen aufgibt und die bisherige Auslegung akzeptiert. Das klingt auch unrealistisch, aber durch entsprechende industrielle Anteile hätte man das kompensieren können. Aber hätte hätte hätte. Die Frage ist halt, wie es jetzt weitergehen soll. Um da zu einem sinnvollen Ergebnis zu kommen müssten erstmal alle verstehen, wo die Probleme liegen. Und daran hakt es ja schon beiderseits des Rheins.

Zitat:Bei der Entscheidung für oder gegen ein Muster sind also immer drei Dimensionen zu beachten.
Politische, militärisch sinnvolle und wirtschaftliche.

Diese lassen sich aber nicht isoliert für sich betrachten, sondern sind auch immer miteinander verflochten und wirken sich über unterschiedliche Zeiträume auch unterschiedlich aus. Ohne das jetzt hier groß ausdiskutieren zu wollen, aber wer da auf einfache Antworten kommt, der liegt vermutlich falsch.

Zitat:Für das Ministerium haben offenbar politische und wirtschaftliche Argumente überwogen, die Fähigkeit de facto aufzugeben, das offiziell (typisch deutsch) jedoch nicht zuzugeben. Man versucht sich mal wieder irgendwie durchzuhangeln und einer konsequenten Entscheidung aus dem Weg zu gehen.

Es hat den Anschein, aber ob es so stimmt ist natürlich die wichtige Frage. Denn die Beschaffung einer größeren Zahl an H145M war ja bereits seit einiger Zeit geplant, ebenso wurden damals neben den Ausbildungs- und Betriebsaspekten zusätzliche Rollen angeführt, die wie hier schon mehrfach erwähnt ja auch durchaus Sinn ergeben. Die Entscheidung ist im Zuge der Entwicklungen des letzten Jahres nach hinten gerückt, was auch verständlich ist, die grundlegende Problematik besteht aber weiter fort. Ohne einen Plan für den Tiger bzw. dessen Nachfolge ist es natürlich nur ein Verschieben des Unausweichlichen, aber das eine muss aktuell nicht zwingend etwas mit dem anderen zu tun haben. Nur um hier mal den Advocatus Diaboli zu spielen. Wink

Zitat:Die Administratoren mögen es mir nachsehen, verschieben oder mich gerne rüffeln - wenn sie das für unpassend in diesem Strang erachten, jedoch halte ich die grundsätzliche Frage nach Einsatzmöglichkeiten für moderne Kampfhubschrauber im Zusammenhang mit einem Tiger Nachfolger für wichtig.

Die Frage ist elementar wichtig und wurde von mir hier ja auch schon gestellt, hier sollte sie halt im engen Kontext diskutiert werden. Was deine Beobachtungen zum Einsatz von Hubschraubern in der Ukraine angeht, kann ich dir allerdings nur bedingt zustimmen. So ist etwa die gern gezeigte Angriffstaktik aus dem Tiefflug aufzusteigen und ungelenkte Raketen ballistisch zu nutzen nicht neu entstanden, sondern ein seit gut 40 Jahren eine übliche ehemals sowjetische, nun eben russische bzw. ukrainische Taktik. Davor hat man diese Angriffe aus mittleren Höhen begonnen und im leichten Sinkflug durchgeführt, was in Afghanistan durch schultergestützte Flugabwehrraketen zu einem Fiasko wurde. Ebenso muss man bedenken, dass schon für die Sowjets die Panzerjagd nicht das oberste Ziel beim Einsatz von Kampfhubschraubern lag und man tatsächlich dieser Rolle immer nur ein Nischendasein gestattete. Zwar ging es bei der Ausschreibung, die zu Mi-28 und Ka-50 führte tatsächlich um einen dedizierten Panzerabwehrhubschrauber, beide Muster wurden aber trotzdem auch in die klassischen Rollen als Schlachthubschrauber (so würde ich das nun bezeichnen) gepresst. Daraus entstand dann ein Ka-52, der in der Ukraine vor allem deshalb sein Desaster erlebte, weil man so einen Hubschrauber in einem symmetrischen Krieg tatsächlich nicht einsetzen kann. Die Verlustquote des Mi-28 soll deutlich geringer sein (genaue Zahlen gibt es ja nicht, nur anhand der absoluten Verlustzahlen lässt sich nichts beweisen), auch weil dieser weitaus moderner verwendet wird (also aus der Deckung bzw. dem dauerhaften Tiefflug agierend aus der Distanz).
Was sich im Krieg geändert hat sind die Einsatzräume, während man Anfangs die Kampfhubschrauber noch klassisch als Speerspitze für tiefe Vorstöße verwendet und deutliche Verluste erlitten hat, agieren diese nun deutlich näher zur Front. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass schon vor dem Krieg entsprechende Diskussionen in den USA geführt wurden, mit dem Ergebnis, dass der Apache in seiner klassischen Verwendung (also ebenfalls als hinter der Front agierender Vorschlaghammer) der letzten Jahrzehnte auf einem modernen Schlachtfeld nicht mehr eingesetzt werden kann. Sowohl die theoretischen Überlegungen der USA (die hier im FARA im übrigen die Lösung für derartige Einsätze sehen) als auch die praktischen Erfahrungen aus dem aktuellen Krieg decken sich zumindest in diesem Punkt.

Eine wichtige Frage ist also, erwartet man in Zukunft wieder russische Panzerhorden, oder geht es eher um die flexible Unterstützung einer aufgrund der geringen Quantität punktuellen, frontlosen Kriegsführung? Und welche Möglichkeiten werden sich realistisch aus dem Einsatz von UCAVs ergeben? Zumindest letzteres muss man losgelöst vom immer noch vorhandenen Hype betrachten. In den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren werden wir vermutlich keine autonomen VTOL-UCAVs an der Front erleben, wir werden auch nur begrenzte größere Aufklärungsmittel dieser Art dort antreffen, selbst wenn die Entwicklung nun beschleunigt werden sollte.
Gelenkte Leichtraketen sowie Lenkwaffen mit größeren Reichweiten werden immer wichtiger, das erfordert Einsatzmittel, die mit geringer Signatur und aus der Deckung heraus operieren können. In diesem Bereich werden Hubschrauber rein aufgrund der Topographie auch in zwanzig Jahren noch sinnvoll verwendbar sein, selbst über feindlichem Gebiet, sofern sie über einen ballistischen Schutz, eine geringe Signatur und eine hohe Mobilität verfügen und hinreichende Aufklärungsfähigkeiten mitbringen, um sich den größeren Gefahrenquellen zu entziehen.

Ein umgebauter Zivilhubschrauber könnte für Einsätze auf größere Distanzen unter Nutzung von modernen Lenkwaffen durchaus einen sinnvollen Nutzen haben, insbesondere aufgrund der Flexibilität und Mobilität und den vermutlich geringen Kosten im Vergleich zu dedizierten Kampfhubschraubern. Er braucht aber zwingend eine ausreichende Ausdauer und Zuladung, und entsprechende Aufklärungsmittel. Also entweder die Vernetzung mit externen Aufklärungsquellen (so wie es aktuell beispielsweise der Apache mit MUM-T betreiben kann), oder das mitbringen eigener "teilautonomer" Aufklärungsquellen, also in Form eines Drohnenmutterschiffs, oder durch eine leistungsfähige integrierte Sensorik. Ersteres erfordert eine entsprechende Infrastruktur drum herum, die es aktuell in der Bundeswehr in der Ausprägung nicht gibt. Zweiteres hingegen benötigt ein größeres Muster oder die Verteilung der verschiedenen Rollen auf unterschiedliche Muster, oder den größeren Einsatz von Loitering Munition. Letzteres hingegen muss aus der Deckung heraus funktionieren, wir sprechen also über Sensoranlagen auf dem Rotorkopf. Jetzt kann sich jeder überlegen, wie da der H145M wirklich ins Bild passt.

Für den Einsatz deutlich näher zur Front oder auch hinter den feindlichen Linien braucht es dann wirklich ein dediziertes Muster mit hoher Mobilität, geringer Signatur, hinreichendem Schutz und guter Sensorik. Sowas ist nicht auf ziviler Basis realisierbar, zumindest nicht ohne massive Umbauten.

(25.03.2023, 08:33)Fox1 schrieb: Der AH1 wurde ja ursprünglich aus der UH1 entwickelt, weil man eben für den Kampfhubschrauber die schmalere Silhouette wollte - für verringerten Luftwiderstand/erhöhte Flugleistungen und geringere Sichtbarkeit, vielleicht auch mehr Treibstoffvolumen.

Wäre es nicht vorstellbar, diesen Weg auch bei der H145 M zu gehen, Avionik, etc. aber gleich zu lassen ? Ob man dann eine Kanone integrieren sollte, wäre unabhängig zu beantworten, aus meiner Sicht nach der Diskussion bei Tiger aber zu bejahen.

Das haben wir hier in den letzten Tagen schon angesprochen und auch früher bereits im Forum diskutiert, das große Problem dabei ist, dass die Grundvoraussetzungen deutlich andere sind. Anders als der UH-1 ist der H145 auf Ökonomie optimiert, aerodynamisch deutlich besser und besitzt mit einer Leichtbauzelle bereits ein geringes Gewicht. Das Gewinnpotenzial wäre entsprechend gering, der ballistische Schutz etwa würde jede Gewichtsersparnis wieder auffressen, der Gewinn an Maximalgeschwindigkeit ist nicht entscheidend. Die Kritikpunkte liegen im Bereich der Mobilität bei hoher Zuladung, welche Flugleistungen bietet der Hubschrauber mit einer einsatzangemessenen Waffenlast? Und welche Sensorik könnte wie ins Feld geführt werden? Daran würde ein Hubschrauber mit neuer Zelle genauso kranken wie der H145M jetzt. Wenn man einen solchen Umbau plant, sollte man eher ein anderes, leistungsfähigeres Basismuster wählen. Die Wertschöpfung könnte dabei ja trotzdem noch in Deutschland entstehen.
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#94
(25.03.2023, 09:49)Kopernikus schrieb: Als Überbrückung und als Ersatz für die Bo-105 beschafft man ausreichend H-145 und ... Man kann dann die Tiger auslaufen lassen und sich in 5-8 Jahren nach einem neuen Hubschrauber bei den Amerikanern umschauen.
Man darf ihn mMn eben nicht als Überbrückung betrachten, sondern als Ergänzung und Ersatz in Teilbereichen. Wir haben bisher nur einen bewaffneten Hubschraubertyp in der BW. (Von Tür-MG mal abgesehen.) Mit einem zweiten Muster als LUH/Scout kann das Aufgabenspektrum des Tigers entsprechend reduziert werden. Das entlastet diesen auch im Hinblick auf die Verfügbarkeit und für ein Nachfolgemuster kann das Aufgabenspektrum klarer definiert werden.

Mit "buy american" hab' ich immer so meine Schwierigkeiten. Ich bin der Meinung, Europa sollte alles das selbst entwickeln und bauen können, worauf man nicht verzichten kann. Und das ist nur dann gegeben, wenn man auch auch immer wieder entsprechend neue Systeme bei der eigenen Industrie bestellt.
Beim STH bspw. halte ich es für vertretbar, diesen in den USA zu kaufen, weil man notfalls auch ohne klar käme. Das wäre kein großer Fähigkeitsverlust mit Blick auf LV/BV. Ob das auch auf Kampfhubschrauber zutrifft, müsste man diskutieren.

(25.03.2023, 10:48)WideMasta schrieb: Kann die H145M als Brückenlösung soviel Luft und Zeit verschaffen etwas eigenes zu entwickeln? Und wenn ja was? Und jetzt soll mir keiner daherkommen und sagen das Deutschland dies finanziell alleine nicht kann. Italien zeigt uns nämlich eindrucksvoll das es durchaus möglich ist! Das sind alles vorgeschobene Floskeln.
Ich höre gar nicht, dass (relevante) Stimmen das behaupten würden. Die Argumente sind da andere:
1. Politisches Signal
2. Europäische Vereinheitlichung
3. Unzureichender Mehrwert bei rein nationaler Lösung
4. Vermeintlich hoher Stückpreis wg. Kleinserie
Ich habe die Argumente mal danach sortiert, für wie gerechtfertigt ich sie halte. Natürlich wäre es politisch kein gutes Signal, aber das hat sich mit der Absage an Mk.III eh erledigt. Und rein finanziell auf lange Sicht wäre es wahrscheinlich der bessere Deal, eine funktionierende nationale Lösung zu bauen, die sich dann auch in der NATO exportieren lässt. Da dürfte halt nur kein fliegender SPz PUMA draus werden.

Zitat:Eine Möglichkeit wäre es industriepolitisch den Schulterschluss zw. Bell und Airbus beim Projekt Invictus zu schaffen. Allerdings ist dieses Projekt bereits zu fortgeschritten.
Es muss ja nicht das gleiche Produkt sein. Das OMFV z.B. könnte auch auf dem LYNX aufbauen, dabei aber in großen Teilen ein US-System werden. Und es gab ja umgekehrt auch schon die Kooperation Bell/Augusta BA-609. Es gibt also grundsätzlich die Bereitschaft seitens Bell, die Technologie mit europäischen Partnern zu teilen. Entsprechend könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass eine Kooperation von Airbus und Leonardo mit Bell die Grundlage für das NGRC darstellen könnte. Und daraus abgeleitet kann es dann auch einen schweren bewaffneten Hubschrauber geben, der ergänzt durch einen leichten Scout/LUH die Nachfolge des Tigers antritt.
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#95
(25.03.2023, 11:02)Helios schrieb: Die Frage ist elementar wichtig und wurde von mir hier ja auch schon gestellt, hier sollte sie halt im engen Kontext diskutiert werden.

Ich würde insgesamt gerne mal als Grundlage für diese Diskussion eine wertneutrale Aufstellung entwickeln, welche Aufgaben von bewaffneten Hubschraubern zu leisten sein können, um daraus ein bessere Beurteilungsgrundlage abzuleiten. Es scheint mir so, dass vielen -inkl. mir selbst- da teilweise das Wissen fehlt, wodurch es zu Fehleinschätzungen kommt. Ich versuche mal, das zusammenzufassen, was ich dazu zu wissen glaube und würde um Korrekturen bitten, wenn ich dabei Blödsinn erzähle.

Helios letzter Beitrag hat da schon einiges zu abgeliefert:
Zitat:Angriffstaktik aus dem Tiefflug aufzusteigen und ungelenkte Raketen ballistisch zu nutzen ... die klassischen Rollen als Schlachthubschrauber ... Einsätze auf größere Distanzen unter Nutzung von modernen Lenkwaffen
Das umfasst im Endeffekt alles den gleichen Zweck, nämlich den Einsatz weitreichender NLOS-Waffen von einer fliegenden Plattform aus, ohne diese zu stark zu exponieren. >> A. "fliegende Artillerie"

Zitat:dedizierten Panzerabwehrhubschrauber
Das ist quasi die Spezialisierung des vorgenannten zur Panzerjagd auch im LOS-Bereich. Dafür bedarf es einer erhöhten Überlebensfähigkeit und geeigneter Aufklärungsmittel. >> B. "Panzerabwehr"

Zitat:Kampfhubschrauber noch klassisch als Speerspitze für tiefe Vorstöße ... als hinter der Front agierender Vorschlaghammer ... Für den Einsatz deutlich näher zur Front oder auch hinter den feindlichen Linien
Das umfasst für mich auch den Bereich CAS/Gunship und erfordert dementsprechend Schutz und eine LOS-Bewaffnung. >> C. "Angriff"

Dabei kann es im IKM/StabOp-Umfeld durchaus deutlich geringere Anforderungen geben für den gleichen Zweck, so dass diese Aufgabe je nach Einsatzform von unterschiedlichen Mustern erbracht werden könnte.

Zitat:flexible Unterstützung einer aufgrund der geringen Quantität punktuellen, frontlosen Kriegsführung
Das ist für mich schwer zu greifen, da diese Aufgaben sowohl NLOS-Panzerabwehr (A./B.) als auch CAS mit Rohrwaffen (C.) umfassen kann. Daher würde ich das eher als Aspekt in der Entwicklung einer Einsatzdoktrin verstehen und weniger als konkrete Aufgabe.

Zitat:Drohnenmutterschiff
Ein solches stellt zusammen mit den verwendeten Drohnen ein System (of systems) dar, das wiederum unter eine der o.g. Einsatzformen einzuordnen wäre. Das kann natürlich dazu führen, dass bestimmte Aspekte dann nicht vom Mutterschiff erfüllt werden müssen, weil dies die eingesetzten Drohnen übernehmen. Dadurch kann bspw. eine ungepanzerte Plattform für CAS geeignet sein, wenn sie dazu unbemannte Waffenträger einsetzt. Oder ein Hubschrauber ohne weitreichende Sensoren kann Panzerjagd betreiben, wenn er für die erforderliche Aufklärung entsprechende Drohnen verwendet.


Außerdem bleibt noch anzuführen:

- D. Bewaffnete Aufklärung. Kann auch mit anderen Aufgaben kombiniert werden, bietet aber zugleich relativ geringe Anforderungen an das Schutzniveau, wodurch leichte Muster infrage kommen.

- E. Geleitschutz für Transporthubschrauber. Die Anforderungen daran richten sich mMn nach dem Einsatzumfeld, entsprechen aber weitestgehend dem Punkt C/Angriff.

- F. Luftkampf, also die Abwehr gegnerischer Hubschrauber. Eine Rolle, deren Relevanz und Anforderungen ich nur schwer einordnen kann.

- G. Fliegender Schützenpanzer. Der Mi-24 ist da ein Exot, für gewöhnlich werden dazu mehrere Muster kombiniert eingesetzt, wodurch die Anforderungen dem des Geleitschutzes und des Transporters entsprechen.


Habe ich das halbwegs sinnvoll zusammengefasst, oder sind da relevante Fehler drin? Habe ich etwas vergessen?

Ich selbst bin mir relativ unsicher bezüglich des Punktes C/Angriff. Hier müsste es eigentlich noch weitere Unterscheidungen geben, die sich mir noch nicht erschlossen haben, aber vermutlich großen Einfluss auf die Auslegung haben dürften.

Außerdem gibt es beim Punkt B/Panzerabwehr auch eine Diskrepanz zwischen dem Leistungsniveau eines BO105/H145M PAH und dem des Tigers in der ursprünglich geplanten Panzerabwehrversion PAH2. Liegt dieser nur in der Unterscheidung eines dezidierten von einem dedizierten PAH?


Bei all dem bleibt noch zu beachten, dass der Tiger ja grundsätzlich für alle diese Aufgaben gedacht war, wurde er doch als Mehrzweck-Kampfhubschrauber geplant, auf dem basierende Untervarianten aufbauten:
- HAP: Unterstützungs- und Begleithubschrauber (Luftkampf+CAS)
- ARH: Bewaffnete Aufklärung (inkl. Panzerabwehr)
- PAH: Panzerabwehrhubschrauber (eingestellt zugunsten UHT)
- UHT: Mehrzweckvariante, die alle drei vorgenannten in sich vereinen sollte.
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#96
(25.03.2023, 16:31)Broensen schrieb: .... >> A. "fliegende Artillerie"

.... >> B. "Panzerabwehr"

Das umfasst für mich auch den Bereich CAS/Gunship und erfordert dementsprechend Schutz und eine LOS-Bewaffnung. >> C. "Angriff"

Dabei kann es im IKM/StabOp-Umfeld durchaus deutlich geringere Anforderungen geben für den gleichen Zweck, so dass diese Aufgabe je nach Einsatzform von unterschiedlichen Mustern erbracht werden könnte.

flexible Unterstützung einer aufgrund der geringen Quantität punktuellen, frontlosen Kriegsführung

Das ist für mich schwer zu greifen, da diese Aufgaben sowohl NLOS-Panzerabwehr (A./B.) als auch CAS mit Rohrwaffen (C.) umfassen kann. Daher würde ich das eher als Aspekt in der Entwicklung einer Einsatzdoktrin verstehen und weniger als konkrete Aufgabe.

Drohnenmutterschiff

... unbemannte Waffenträger einsetzt. Oder ein Hubschrauber ohne weitreichende Sensoren kann Panzerjagd betreiben, ...

Außerdem bleibt noch anzuführen:

- D. Bewaffnete Aufklärung. Kann auch mit anderen Aufgaben kombiniert werden, bietet aber zugleich relativ geringe Anforderungen an das Schutzniveau, wodurch leichte Muster infrage kommen.

- E. Geleitschutz für Transporthubschrauber. Die Anforderungen daran richten sich mMn nach dem Einsatzumfeld, entsprechen aber weitestgehend dem Punkt C/Angriff.

- F. Luftkampf, also die Abwehr gegnerischer Hubschrauber. Eine Rolle, deren Relevanz und Anforderungen ich nur schwer einordnen kann.

- G. Fliegender Schützenpanzer. Der Mi-24 ist da ein Exot, für gewöhnlich werden dazu mehrere Muster kombiniert eingesetzt, wodurch die Anforderungen dem des Geleitschutzes und des Transporters entsprechen.


Habe ich das halbwegs sinnvoll zusammengefasst, oder sind da relevante Fehler drin? Habe ich etwas vergessen?

A benötigt lediglich ein mit ach und krach flugfähiges Helikoptermodell, präzises feuern mit Rohrwaffen ist nicht möglich da nicht ausreichend stabilisierbar, bleiben Raketen, gelenkt immer noch ineffektiv da zu niedrige Munitiosmenge pro Flug. Bleiben ungelenkte Raketen für den Zweck, welche kleiner, mehr Quantität erlauben und zum bestreichen eines Bereiches ausreichen.

B auch hier ist ein mit ach und krach flugfähiges Modell ausreichend, da die nötigen Waffen von der Infanterie entlehnt sind können gleiche Zielgeräte verwendet werden, Umbau Aufwand marginal (z.B. Spike, Kabel vom Werfer außen zum Kopilotensitz innen wo das Zielgerät angebracht ist, komplett NLOS). Die erforderliche Aufklärung erfolgt durch Aufklärungs-/Kampfeinheiten und wird via Funk mitgeteilt (Gefecht der verbunden Waffen).
Benefit zu Infanterie gebundener Panzerabwehr ist das schnellere Verlegen und Schwerpunkte bilden auf 100km breiten Frontabschnitten.

C1 CAS hoher Panzerungsbedarf aber LOS sind ausreichend um Züge, Stellungen, Konvois im Überflug zu bestreichen. Die Panzerung wird nur im Nahbereich zum Ziel benötigt, der Rest wird durch die nie stoppende Flugbewegung im Tiefflug erledigt, schlechteres Flugverhalten ist vertretbar da bei 5m über Boden Reiseflughöhe eh kein Kunstfliegerblumentopf zu holen ist.
G gleiches CAS vorgehen nur als Drohnenmutterschiff, nach 1-2 LOS Überflügen werden Drohnen/Infanterie zum aufwischen abgesetzt, im symmetrischen Krieg nur für Anlandungsmanöver zu gebrauchen durch die Verweilzeit vor Ort, im asymmetrischen Konflikt ist mangels vollwertiger AA die Panzerung ausreichend um verweilen zu können.

C2 Gunship, IKM, StabOp benötigt eine breite Waffenpalette, Sensorik für sehr hohe Präzision (ich kann keinen Straßenzug einebnen wen ich nur Karim in seinem Fiat Panda an der Ampel ausschalten oder Escobar mit der Kaffeetasse in der Hand auf den Balkon erledigen will), dafür ist Panzerung uninteressant weil auf max. Waffenreichweite im Schwebeflug agiert wird, möglichst Hoher Operationbereich für ballistische Synergie, kein Konzept für die symmetrische Kriegsführung, keine Panzerung ermöglicht längere Operationsdauer oder bessere Tarnung durch kleinere Modelle.
D kann mit erledigt werden (Verlustrate muss berücksichtigt werden), E ist nur eine Abwandlung mit konsequent bewegendem Zielgebiet, F benötigt die gleich Sensorqualität bei max Waffenreichweite aber der Operationsbereich ist auf niedriger bis mittlerer Höhe.

Beide C Varianten können A mitmachen.
C1 nur mäßig für B geeignet da es eine unnötige Überzüchtung der zweckmäßigen LOS Sensorik bedeutet und die Waffenzuladung für die Hauptaufgabe reduziert.
C2 bietet sich bei B für eine Drohnennutzung an, die Drohnen werden dabei als Maultiere ausschließlich zum Munitions-/Treibstofftransport verwendet, falls eine abgeschossen wird, wird der Königin eine neu Drohne zugewiesen welche die Position des Verlustes einnimmt.
Ebenso kehren leer geschossene Drohnen zum auf munitionieren autonom zurück während neu auf munitionierte Drohnen sie ersetzen ohne das die Königin den Operationsbereich verlassen muss (maximale Operationsdauer bei allen Reichweiten).
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#97
Das ist ja genau das, was ich in diesem Kontext nicht wollte - eine allgemeine Diskussion zum Thema Kampfhubschrauber bzw. bewaffneten Hubschraubern. Wink Deshalb nur ganz allgemein, deine "fliegende Artillerie" muss man differenzierter und gleichzeitig ganzheitlicher sehen, ursprünglich ging es bei den Verfahren eher um ein "fliegendes Sturmgeschütz", halt klassische Schlachtfliegerei mit Drehflüglern. Ich glaube, mit deinem Begriff kann der "weitreichenden NLOS-Waffen" kann da schnell der falsche Eindruck entstehen. Was sich daraus entwickelt hat sind letztlich komplett unterschiedliche Einsatzverfahren, das ist ein weites Feld, dass je nach Ausprägung durchaus in deinen Punkt "Angriff" über geht. Den muss man ja ähnlich differenziert und ganzheitlich gleichzeitig betrachten, in der westlichen Strategie eher das Skalpell gegen nur unmittelbar aufklärbare Ziele, in der sowjetischen Strategie eher als Vorbereitung eigener offensiver Luftlandungen. Aus dem Grund hängt dieser Punkt "Angriff" zum Teil sehr stark mit "Aufklärung" zusammen, zum Teil eher mit der Schlachtfliegerei und erweitert noch einem "Geleitschutz". Wobei dieses Aufgabenfeld auch weit gefächert ist, denn bei den deutschen Forderungen nach einem "Begleithubschrauber" ging es um eine ganz andere Richtung. Um das alles ins reine zu schreiben bräuchte man sehr viel Zeit und Worte. Wink

Mal auf Deutschland herunter gebrochen, ursprünglich ging es um einen Panzerabwehrhubschrauber. Das war der Ausgangspunkt aller Planungen in den siebziger Jahren. Schon zum Ende der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Panzerjagd bei jedem Wetter zu jeder Zeit deutlich komplexer werden wird, weshalb man parallel zum Panzerabwehrhubschrauber einen Aufklärungshubschrauber (wie der Name schon sagt zur Zielaufklärung und Situationsüberwachung) sowie einen Begleithubschrauber (zur Koordination der Einsatz vor Ort) forderte. Mitte der achtziger Jahre kam zudem die Erkenntnis hinzu, dass auf dem Gefechtsfeld eine große Gefahr von feindlichen Hubschraubern ausgehen wird, so dass eine eigenen Flugabwehrbewaffnung bei allen drei Mustern notwendig sei. Ende der achtziger bis Anfang der neunziger Jahre wurden die Aufgaben verschmolzen, der Panzerabwehrhubschrauber sollte zu allen drei Aufgaben plus der Bekämpfung von Hubschraubern befähigt sein, die Spezialisierung erfolgt technisch unabhängig über entsprechende Zuweisungen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion rückte die Panzerabwehr in den Hintergrund, dafür musste man die Luftnahunterstützung aufgrund der Ausmusterung der Alpha Jets zusätzlich übernehmen. Erst zu dem Zeitpunkt kam die Forderung nach einer eigenen, beweglichen Rohrbewaffnung auf. Geleitaufgaben von Transporthubschraubern sind erst durch die Einsätze in Afghanistan hinzu gekommen, der Einsatz als fliegende Artillerie oder für Vorstöße hinter die feindlichen Linien waren hingegen nie vorgesehen.
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#98
(26.03.2023, 15:08)Helios schrieb: Das ist ja genau das, was ich in diesem Kontext nicht wollte - eine allgemeine Diskussion zum Thema Kampfhubschrauber bzw. bewaffneten Hubschraubern. Wink
Sorry, aber wie soll man ein Nachfolgemodell für den Tiger in der BW sinnvoll diskutieren, ohne dass die davon zu übernehmenden Aufgaben wirklich klar sind? Und für mich hat es den Eindruck, dass ich da nicht der Einzige hier bin, bei dem das nicht der Fall ist. Auch wenn das vielleicht nicht jeder selbstkritisch erkennen mag. Denn sonst gäbe es ja z.B. nicht die Aussagen, dass der H145M als Übergangslösung fungieren kann. Man könnte diese "Vorab"-Diskussion natürlich auslagern (fühl dich frei, ist dein Forum Tongue ), aber mir geht es ja gerade darum, für die Fragestellung dieses Strangs eine Entscheidungsgrundlage zu finden.

Zitat:"fliegende Artillerie" muss man differenzierter sehen
Natürlich geht das Spektrum da weit auseinander und hat "nach unten" einen fließenden Übergang zum CAS, aber im Endeffekt geht es doch immer darum, eine Abstandswaffe schnell und flexibel über dem Schlachtfeld verlegen zu können. Also dient der Hubschrauber primär als Startplattform für eine NLOS Waffe, egal ob diese nun stumpf einen Bogen fliegt oder hochpräzise Schläge ermöglicht, auch wenn das natürlich Einfluss auf die Wahl des Musters haben muss.

Da es hier um die konkrete Tiger-Nachfolge geht, kommt natürlich nur die Präzisionswirkung infrage, sofern diese Zielsetzung "A" überhaupt berücksichtigt werden sollte.

Zitat:"Angriff" ... Den muss man ja ähnlich differenziert betrachten, in der westlichen Strategie eher das Skalpell gegen nur unmittelbar aufklärbare Ziele, in der sowjetischen Strategie eher als Vorbereitung eigener offensiver Luftlandungen. Aus dem Grund hängt dieser Punkt "Angriff" zum Teil sehr stark mit "Aufklärung" zusammen, zum Teil eher mit der Schlachtfliegerei
Ebenso: Für die Tiger-Nachfolge ist die sowjetische Strategie irrelevant. Insofern verstehe ich deine Ausführung so, dass es in der Kategorie C/Angriff zum einen die Präzisionswirkung (vgl. A) gibt und zum anderen dann eben die Schlachtfliegerei, sprich CAS. Das entspricht auch der Unterscheidung, die Schaddedanz -wenn auch anders hergeleitet- vorgenommen hat.

Zitat:und erweitert noch einem "Geleitschutz". Wobei dieses Aufgabenfeld auch weit gefächert ist
Hier interpretiere ich das derart, dass es zum einen den begleitenden Schutz andere Helikopter oder auch eines Konvois am Boden gibt, der das Umfeld überwachen und etwaige Bedrohungen ausschalten soll. Somit ist diese Aufgabe auch wieder mit einer starken Aufklärungskomponente und Präzisionswirkung verbunden.
Zum Anderen gibt es dann aber auch noch die -vereinfacht dargestellt- Luftlandungs-begleitende Feuerunterstützung, die das vorgenannte mit Elementen des CAS verbindet.

Oder gibt es für einen deutschen Kampfhubschrauber noch andere Formen von Begleitschutzaufgaben?

Zitat:Begleithubschrauber (zur Koordination der Einsatz vor Ort)
Diese Funktion "Begleithubschrauber" erschließt sich mir noch nicht ganz. Was ist darunter zu verstehen und welche Anforderungen bringt das für einen Tiger-Nachfolger mit sich? Und inwieweit ist das durch einen LUH oder dessen Ableitung leistbar?

Zitat:Vorstöße hinter die feindlichen Linien waren hingegen nie vorgesehen.
Wie ist das denn aktuell zu bewerten? Sollte das für einen Tiger-Nachfolger eine Rolle spielen, wenn man sich mal von der bloßen Erfüllung aktuell definierter Anforderungen/Doktrin löst? Ein Gefecht in Osteuropa ggf. inkl. Befreiung zuvor besetzter Gebiete dürfte doch diesbezüglich andere Anforderungen mit sich bringen als die Verteidigung der norddeutschen Tiefebene.

(26.03.2023, 15:06)Schaddedanz schrieb: A ... Raketen, gelenkt immer noch ineffektiv da zu niedrige Munitiosmenge pro Flug.
Das gilt aber nur, wenn man "Artillerie" klassisch interpretiert und Präzisionsschläge außen vor lässt. Gerade die würde ich aber für einen deutschen Kampfhubschrauber viel eher sehen. Denn größere Fernwirkung kommt bei uns dann von Flächenflugzeugen, sollte man wirklich außerhalb der Reichweite von bodengebundener (Raketen-)Artillerie agieren.

Zitat:B auch hier ist ein mit ach und krach flugfähiges Modell ausreichend... Die erforderliche Aufklärung erfolgt durch Aufklärungs-/Kampfeinheiten und wird via Funk mitgeteilt (Gefecht der verbunden Waffen).
Das ist dann aber die BO105-Neuauflage und m.E. eben gerade nicht das, was der Tiger als PAH2 ursprünglich mal werden sollte. Da halte ich die Frage für angebracht, inwieweit dieses Konzept in einem LV/BV-Szenario noch tragfähig sein kann. Kann ein H145M -denn der wäre das ja bei uns- so nah an der Frontlinie agieren, dass er effektiv Panzerabwehr betreiben kann, ohne der gegnerischen Flugabwehr zum Opfer zu fallen? Falls ja: Gut, dann können wir hinter die Panzerabwehr einen Haken machen und brauchen sie nicht weiter betrachten. Falls nein, ergibt aber ein H145M-PAH gar keinen Sinn, denn Panzerabwehr erfolgt nun mal immer an der Kontaktlinie. Oder maximal gegen Durchbrüche/Vorstöße, aber auch dabei muss von Flugabwehr oder auch gegnerischen Kampfhubschraubern ausgegangen werden.

Zitat:C1 CAS ... schlechteres Flugverhalten ist vertretbar da bei 5m über Boden Reiseflughöhe eh kein Kunstfliegerblumentopf zu holen ist.
Das würde ich in Frage stellen wollen. Ist nicht gerade bei Feind auf Sichtkontakt und extrem geringen Flughöhen, auch im konstanten Überflug, ein besonders gutes Flugverhalten und eine hohe Manövrierfähigkeit erforderlich?

Zitat:C2 Gunship, IKM, StabOp benötigt eine breite Waffenpalette, Sensorik für sehr hohe Präzision ..., kein Konzept für die symmetrische Kriegsführung, keine Panzerung ermöglicht längere Operationsdauer oder bessere Tarnung durch kleinere Modelle.
Was im Endeffekt auf das gleiche hinausläuft wie die für diese Beurteilung relevanten Aspekte von "A.", also Präzisionswirkung durch Aufklärung.

Zitat:D kann mit erledigt werden
Da hier LV/BV in den Vordergrund gestellt werden muss, würde ich das umkehren wollen und somit als Fazit mitnehmen, dass als Kampfhubschrauber für IKM/StabOp Präzisions-bewaffnete Aufklärer eingesetzt werden sollten.

Zitat:Beide C Varianten können A mitmachen.
Meine Schlussfolgerung dazu: "C1" würde eher den für uns irrelevanten Teil von "A." leisten, während "C2" im Prinzip genau das gleiche ist wie der für uns relevante Teil von "A.", nämlich Aufklärungs-basierte Präzisionswirkung auf Distanz.

Zitat:C2 bietet sich bei B für eine Drohnennutzung an
Dem könnte ich grundsätzlich zwar zustimmen, allerdings ist das mMn abhängig vom Muster. Denn "C2" wäre -zugespitzt formuliert- ja gleichermaßen zu leisten von einem H145M "Little Bird", wie auch von einem Tiger 2 "Invictus". Ersterem würde ich aber unterstellen, nicht die erforderliche Ausdauer und Überlebensfähigkeit zu besitzen, in einem Einsatzraum entsprechend lange agieren zu können, um dieses Konzept sinnvoll umzusetzen.


Um nun wieder etwas näher an die Tiger-Nachfolge heran zu kommen, möchte ich dafür als erstes einmal prüfen, welche der Aufgaben vom H145M übernommen werden können, da die zusätzliche Einführung dieses Musters als LUH wohl als gesetzt anzusehen ist.
Ich würde nun festhalten, dass dieser in der Lage sein sollte, die Aufgaben A und C2 zu erfüllen, während ich hinter B noch ein Fragezeichen setzen würde, da ihm mMn dafür sowohl die eigenen Aufklärungsmittel fehlen, als auch die notwendige Überlebensfähigkeit und Ausdauer. Gleiches gilt für eine ernsthafte Verwendung als Aufklärer D, zumindest in der bisher real verfügbaren Form. Inwieweit hier eine Weiterentwicklung in der Art von Little Bird und Kiowa Sinn ergibt, kann ich leider nicht beurteilen, aber Airbus hatte offenbar entsprechendes schon mal der U.S. Army als Kiowa-Nachfolger angeboten.

Zudem frage ich mich, ob eine zusätzliche Befähigung zur Luft/Luft-Wirkung dieses Muster nicht überfordern würde, so dass alle vorgenannten Aufgaben nur entweder mit einem reduziertem Selbstschutz oder zu geringer Waffenzuladung möglich wären und daher das Einsatzfeld zusätzlich einschränken.
Daher schließe ich mich dem Urteil von Helios u.a. an, dass der H145M nur als LUH zusätzlich entlasten, die eigentlichen Aufgaben des Tigers jedoch nicht übernehmen kann.
Etwas anderes ist die Frage des Fähigkeitserhalts. Hier muss man mMn unterscheiden, zwischen dem echten Erhalt einer Fähigkeit und dem bloßen Festhalten an dieser zu Übungszwecken ohne realen Gefechtswert. Der H145M kann sicherlich die meisten Aufgaben des Tigers in Übungen simulieren. Er kann z.B. problemlos CAS und Panzerabwehr leisten, solange er nicht beschossen wird und nur in einem begrenzten Aktionsraum agieren muss. Insofern kann ich nachvollziehen, wenn man hier von einer Brückenlösung spricht. Das kann der H145M in weiten Teilen sein, wenn man ihn nur als Trainingsgerät betrachtet und nicht eine echte Fähigkeit erwartet. Wie sinnvoll das dann ist, muss jeder für sich entscheiden, meine persönliche Ansicht ist, dass der Tiger erhalten bleiben sollte, bis ein endgültiger, vollwertiger Nachfolger gefunden wird. Die Brückenlösung H145M sollte entsprechend nur durch Ergänzung und Entlastung das Problem des mangelnden Klarstands reduzieren.

Für eine langfristige Lösung sind dann mMn zwei Aufgabenfelder unabhängig zu betrachten:
1. bewaffnete Aufklärung inkl. Präzisionswirkung auf Distanz
2. CAS im gefährdeten Luftraum.
Alle anderen Punkte sollten sich diesen beiden Basisaufgaben unterordnen können.

Die nächste zu klärende Frage wäre für mich dann jetzt die nach dem Potential des "Armed Scout 645", also des bewaffneten Aufklärers auf H145M-Basis. Kann dieser eine ausreichende Leistungsfähigkeit liefern, um den eigentlichen Tiger-Nachfolger von diesen Aufgaben zu entledigen? Sollte er das nicht leisten können, stehen wir wieder vor der Frage, ob alle Aufgaben eines deutschen Kampfhubschraubers von nur einem Muster erfüllt werden können, oder ob das dann ins nächste Desaster münden würde.
Um es auf die bisherigen Tiger-Varianten zurück zu führen: Kann der LUH die Aufgaben von ARH+PAH übernehmen, so dass darüber hinaus nur noch ein HAP benötigt wird statt dem semi-optimalen UHT oder gar zwei ganz verschiedenen "schweren" Mustern? In der Folge kann man dann darüber nachdenken, inwieweit Drohnen oder ggf. auch eine Reduzierung der Ambitionen und dementsprechende Änderung der Doktrinen diese Entscheidungen beeinflussen können.
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#99
Ich sehe es schon kommen, wenn ich die Diskussion hier verfolge...

1. Wir beschaffen weiterhin den guten H145M als leichten Fire-Support-, Special Forces- und Logistik-Utility-Helikopter. (Das meine ich ernsthaft.)
2. Und wir beschaffen zudem die A10, damit wir endlich ein fliegendes Schlachtschiff haben, das Breschen in Wälder und Panzerrudel holzen kann. (Das mag dezidiert leicht provokant sein.) Wink
3. Kampfhubschrauber im Stile des Apache werden wir keine mehr anschaffen. (Da wir uns eh nicht darauf einigen könnten, was für ein Modell es wäre, und dann letztlich ohne irgendetwas dastehen würden.)

Schneemann
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(26.03.2023, 19:56)Schneemann schrieb: Und wir beschaffen zudem die A10, damit wir endlich ein fliegendes Schlachtschiff haben, das Breschen in Wälder und Panzerrudel holzen kann.

Dazu hatten wir ja auch schonmal Diskussionen, inwieweit das ganze Thema der Luftnahunterstützung zukünftig überhaupt eins für Kampfhubschrauber sein sollte. Aber auch das ist für mich eine Überlegung, die ich hinter die Klärung der Frage nach einem geeigneten bewaffneten Aufklärungshubschraubers zurückstellen würde. Denn aus dieser Frage heraus ergibt sich dann für mich erst das tatsächliche Aufgabenspektrum für einen "echten" Kampfhubschrauber in der Nachfolge des Tigers bei der BW. Bleibt dafür dann nur noch CAS übrig, weil alles andere bereits der Scout erledigen kann, dann ist zwar nicht die unbedingt die A10, aber vielleicht eine andere Lösung als ein Kampfhubschrauber durchaus denkbar. Sein es Drohnen im MUM-T mit dem Scout oder eben ein echtes Erdkampf-/Schlachtflugzeug.

Obwohl das Warzenschwein ja demnächst dann doch endlich mal auf dem Gebrauchtmarkt zu bekommen sein könnte. Big Grin
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Ich denke viele Leute denken verkehrt herum. Nicht das 'wünsch dir was' bestimmt was ein Hubschrauber leisten muss sondern die konkreten Bedrohungsszenarios - insbesonders die gegen Hubschrauber selbst, werden die entscheidenden Faktoren sein.
Wir sind an dem Punk angekommen, dass selbst die kleinste militärische Teileinheit über effektive Mittel um Hubschrauber zu bekämpfen verfügen, daher werden solche Hubschrauber mehr und mehr zu Waffenträgern die aus großer Entfernung wirken und Zielaufklärung entweder vom Boden oder durch Drohnen geschehen werden.

Ein entsprechend ausgerüsteter Utility Helikopter wird dann die Aufgabe genauso erfüllen wie ein Tiger.
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(26.03.2023, 18:42)Broensen schrieb: Sorry, aber wie soll man ein Nachfolgemodell für den Tiger in der BW sinnvoll diskutieren, ohne dass die davon zu übernehmenden Aufgaben wirklich klar sind? Und für mich hat es den Eindruck, dass ich da nicht der Einzige hier bin, bei dem das nicht der Fall ist. Auch wenn das vielleicht nicht jeder selbstkritisch erkennen mag.

Ich habe nicht umsonst bereits recht früh hier angemerkt, dass wir vielleicht erst über die Aufgaben statt über die Lösungen diskutieren sollten. Mir geht es nur darum, eine grundsätzliche Diskussion über die Fähigkeiten von bewaffneten Hubschraubern zu vermeiden und den Kontext auf das zu richten, was die Bundeswehr fordert, benötigt und was Sinn ergeben könnte.

Die ganze Diskussion über den Einsatz von Hubschraubern im Ukrainekrieg ergab sich ja nur aus der Fragestellung, ob derlei Einsätze repräsentativ sind und ob man aus diesen Lehren für die Bundeswehr ziehen kann. Denn allzu leicht werden aus Beobachtungen (hohe Verlustraten an Kampfhubschraubern) und Entwicklungen (Verwendung anderer Taktiken) die falschen Schlüsse gezogen (klassische Kampfhubschrauber können effektiv gar nicht mehr in einem symmetrischen Konflikt agieren). Deshalb lohnt sich eine generelle Betrachtung, wie es zu den Beobachtungen kommt, was für Entwicklungen es gab und welche Konsequenzen das bedeutet. Kurz gesagt hat im Ukrainekrieg eine Einsatzart von Hubschraubern nicht funktioniert, die in der Bundeswehr nie praktiziert werden sollte und schon seit Jahrzehnten als wenig zielführend abgelehnt wurde.

Zitat:Natürlich geht das Spektrum da weit auseinander und hat "nach unten" einen fließenden Übergang zum CAS, aber im Endeffekt geht es doch immer darum, eine Abstandswaffe schnell und flexibel über dem Schlachtfeld verlegen zu können. Also dient der Hubschrauber primär als Startplattform für eine NLOS Waffe (...)

Ungelenkte Raketen sind genauso wie Kurzstrecken-NLOS-Systeme für mich keine Abstandswaffen, und mit fließendem Übergang meine ich nicht nur das Verschwimmen von Grenzen der Zuordnung, sondern auch die Schwierigkeiten des Auseinanderdividierens der Fähigkeiten. In vielen westlichen Streitkräften (nicht der USA, die Gründe liegen im Vietnamkrieg), hier relevant aber explizit in der Bundeswehr, hat sich das Konzept Kampfhubschrauber aus einem Spezialisten über einem System von Spezialisten zu einem Generalisten entwickelt (wobei der mittlere Schritt so nie praktiziert sondern nur geplant wurde).

Insofern nein, der Hubschrauber dient in den genannten Angriffsszenarien nicht primär als Startplattform für eine NLOS-Waffe, sondern gleichermaßen als Aufklärer, Koordinator und Exekutor des Angriffs auf verschiedene Zieltypen unter Einbeziehung von unmittelbaren (selbst erhobenen) und mittelbaren (fremderhobenen) Informationen. Es gibt auch keinen elementaren Unterschied in den Anforderungen zur Panzerjagd, zum "artilleristischen Einsatz" oder zum CAS, sondern nur in den Vorgehensweisen, vor allem in dem Grad der Autonomie und der damit einhergehenden Gefährdungssituation sowie letztlich dem Erfolgspotenzial abhängig von der Einsatzsituation. Es ergibt beispielsweise gar keinen Sinn, einen modernen Kampfhubschrauber tatsächlich als Schlachtflieger einzusetzen, auch wenn das anderswo so praktiziert wird. Ebenso unterscheidet sich der Angriff auf bewegliche Ziele nicht von jenem auf statische Ziele.

In einem symmetrischen Konflikt erfolgen die Einsätze entweder dynamisch im extremen Tiefflug oder statisch aus der Deckung heraus (mit anschließendem Positionwechsel), beide Verfahren erfordern eine hohe Beweglichkeit, weil sie kontinuierlich oder periodisch im Grenzbereich des Flugleistungsbereichs erfolgen, und eine ausgeprägte unmittelbare Situationswahrnehmung, also die Fähigkeit, sich ein eigenes Lagebild zur unmittelbaren Gefährdungslage zu erstellen.
Umso besser letzteres funktioniert, umso geringer ist der Gefährdungsgrad und umso höher sind die Möglichkeiten zum autonomen Einsatz. Das klassische Beispiel der Bo 105 beispielsweise besitzt quasi keine technischen Fähigkeiten zur Situationswahrnehmung und war in der Einsatzführung immer von externen Informationen abhängig, ein Szenario, dass schon in den achtziger Jahren nicht mehr zeitgemäß war und aufgrund der deutlich verbesserten Sensorik in den letzten dreißig Jahren heute absolut nicht mehr sinnvoll erscheint. Demgegenüber steht ein moderner Kampfhubschrauber, womöglich mit Mastvisier für die verdeckte Informationsgewinnung aus der Deckung heraus, mit unterschiedlichen aktiven und passiven Sensoren für Aufklärung und Waffeneinsatz und einer Vernetzung untereinander zu einem Systemverbund. Ein solcher wäre auch in einem symmetrischen Szenario völlig ohne externe Informationen einsatzfähig.

Deine Interpretationen meiner Aussagen zu den verschiedenen von dir aufgezählten Varianten müssen immer in diesem Kontext gesehen werden. Die Aufklärungsfähigkeiten eines modernen Kampfhubschraubers müssen ausgeprägt sein, um einen maximal unabhängigen Einsatz zu ermöglichen. Denn wenn dieser nicht notwendig ist, gibt es mit modernen Abstandswaffen (egal ob von Flugzeugen oder Fahrzeugen aus eingesetzt) effektivere Wirkmittel. Selbst CAS im symmetrischen Konflikt unterliegt ja dieser Grundvoraussetzung, denn um in die Notwendigkeit zu geraten müssen die vorhandenen Aufklärungsmöglichkeiten eingeschränkt sein - ansonsten gäbe es auch da frühzeitiger effektivere Mittel.

Zitat:Hier interpretiere ich das derart, dass es zum einen den begleitenden Schutz andere Helikopter oder auch eines Konvois am Boden gibt, der das Umfeld überwachen und etwaige Bedrohungen ausschalten soll. Somit ist diese Aufgabe auch wieder mit einer starken Aufklärungskomponente und Präzisionswirkung verbunden.
Zum Anderen gibt es dann aber auch noch die -vereinfacht dargestellt- Luftlandungs-begleitende Feuerunterstützung, die das vorgenannte mit Elementen des CAS verbindet.

Die erste Form der begleitenden Aufgaben gibt es in einem symmetrischen Konflikt faktisch nicht, das beschränkt sich rein auf IKM und bietet prinzipiell andere Grundvoraussetzungen, beispielsweise was die Einsatzhöhe angeht. Das hat auch Auswirkungen auf die technische Auslegung, auf mittleren Höhen ergibt eine Sensorik auf dem Dach oder dem Rotorkopf wenig Sinn, hier ist die Kinn- oder Rumpfsensorik überlegen. Gleichzeitig überwiegen ökonomische Aspekte des Flugleistungsbereichs gegenüber der Beweglichkeit, genau deshalb waren umgebaute Zivilhubschrauber in solchen Szenarien bisher auch relativ erfolgreich und werden es voraussichtlich auch in Zukunft sein. Für die zweite Variante gilt in asymmetrischen Konflikten das gleiche, in symmetrischen hingegen folgt auch hier das Einsatzverfahren dem zuvor geschriebene, inklusive der Relevanz eigener Aufklärungsfähigkeiten. Letztlich ist eine solche Aufgabe gar kein typischer Geleitschutz mehr.
Was andere Formen angeht sei noch explizit der Kampf gegen feindliche Hubschrauber erwähnt, der in symmetrischen Szenarien durchaus eine Relevanz besitzt. Denn man agiert ja insbesondere bei Luftlandeoperationen nicht unter Deckung durch die eigene Flugabwehr.

Zitat:Diese Funktion "Begleithubschrauber" erschließt sich mir noch nicht ganz. Was ist darunter zu verstehen und welche Anforderungen bringt das für einen Tiger-Nachfolger mit sich? Und inwieweit ist das durch einen LUH oder dessen Ableitung leistbar?

Dieser Begleithubschrauber war ein früheres Konzept, weil den tatsächlichen Kampfhubschraubern (damals Panzerabwehrhubschraubern) das technische Situationsbewusstsein fehlte und es daher an Fähigkeiten zur Eigenkoordination mangelte. Vereinfacht gesagt ging es dabei um einen leichten unbewaffneten Transporthubschrauber, in dem Funker, Kommandant und Pilot hockten und als Schnittstelle zwischen den Leitstellen und den Hubschraubern fungierten. Wie schon erwähnt hat sich das System mit den integrierten Lösungen überlebt, heute übernimmt ein Kampfhubschrauber die Einsatzkoordination mit Bordmitteln.

Zitat:Wie ist das denn aktuell zu bewerten? Sollte das für einen Tiger-Nachfolger eine Rolle spielen, wenn man sich mal von der bloßen Erfüllung aktuell definierter Anforderungen/Doktrin löst? Ein Gefecht in Osteuropa ggf. inkl. Befreiung zuvor besetzter Gebiete dürfte doch diesbezüglich andere Anforderungen mit sich bringen als die Verteidigung der norddeutschen Tiefebene.

Schon der Kosovokrieg hat gezeigt, dass es hier tatsächlich eine eklatante Fähigkeitslücke gibt, wenn man in Gebieten ohne Unterstützung von Bodentruppen gegen feindliche Kräfte am Boden aus der Luft agieren soll und sich durchaus symmetrisch zu bezeichnenden Bedrohungen gegenüber sieht. Das bisherige Problem der deutlich ansteigenden Gefährdungslage existiert allerdings fort und muss irgendwie kompensiert werden, während gleichzeitig die Frage gestellt werden muss, in wie weit man überhaupt in zukünftigen Szenarien von welchen Truppenkonzentrationen ausgeht und was die genauen Ziele sein sollen. Denn wir sprechen ja aktuell nicht mehr über Quantitäten wie zu Zeiten des Kalten Krieges, das schafft Räume, die das Risiko senken und zu Einsatzmöglichkeiten führen, wenn man entsprechend ausgelegte Muster hat. Die USA richten FARA durchaus auch auf solche Einsätze aus, wobei die Eingangs erwähnten Erfahrungen der neunziger Jahre hier noch sehr stark Nachwirken.
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(26.03.2023, 21:45)Helios schrieb: Mir geht es nur darum,... den Kontext auf das zu richten, was die Bundeswehr fordert, benötigt und was Sinn ergeben könnte.
Damit tue ich mich immer recht schwer, zum einen weil das meist sehr abstrakt verklausuliert, oder wiederum sehr konkret in Zahlen gefasst erfolgt. Das lässt wenig Spielraum für Außenstehende, diese Angaben auch einzuordnen und ggf. fundiert in Frage zu stellen.

Zitat:in der Bundeswehr, hat sich das Konzept Kampfhubschrauber aus einem Spezialisten über einem System von Spezialisten zu einem Generalisten entwickelt (wobei der mittlere Schritt so nie praktiziert sondern nur geplant wurde).
Hier sehe ich persönlich eigentlich den wichtigsten Ansetzpunkt, um zu einer Neubewertung zu kommen: Diesen Zwischenschritt aufgreifen und die Aufgaben für sich betrachten. Konkret eben den Aufklärer und die Möglichkeiten, diesen aus einem vorhandenen Muster abzuleiten, anstatt jetzt wieder einen Generalisten mit Aufgaben zu überfrachten.

Zitat:Insofern nein, der Hubschrauber dient in den genannten Angriffsszenarien nicht primär als Startplattform für eine NLOS-Waffe, sondern gleichermaßen als Aufklärer, Koordinator und Exekutor des Angriffs auf verschiedene Zieltypen unter Einbeziehung von unmittelbaren (selbst erhobenen) und mittelbaren (fremderhobenen) Informationen.
Okay, ja. Trotzdem ist das Ziel ja die Waffenwirkung. Die Aufklärung ist der Weg dahin. Aber ich möchte mich auch gar nicht daran aufhalten, denn ich stimme dir ja zu.

Zitat:Es gibt auch keinen elementaren Unterschied in den Anforderungen zur Panzerjagd, zum "artilleristischen Einsatz" oder zum CAS, sondern nur in den Vorgehensweisen, vor allem in dem Grad der Autonomie und der damit einhergehenden Gefährdungssituation sowie letztlich dem Erfolgspotenzial abhängig von der Einsatzsituation.
Aber genau diese Kriterien sind es ja, von denen die Grundauslegung des Hubschraubers bestimmt wird. Dementsprechend halte ich es für angebracht, zu überprüfen, welche Einsatzziele unter welchen Umständen im Rahmen der BW-spezifischen Szenarien tatsächlich relevant sein können. Denn wenn es Aufgaben gibt, die in der Realität weder Schutz noch Ausdauer in erhöhtem Maße erfordern, dann können diese eben von leichteren, deutlich günstigeren Generalisten wie einem LUH übernommen werden, wodurch das Aufgabenspektrum des eigentlichen Kampfhubschraubers reduziert und dieser spezialisierter ausgelegt werden kann.

Zitat:Die Aufklärungsfähigkeiten eines modernen Kampfhubschraubers müssen ausgeprägt sein, um einen maximal unabhängigen Einsatz zu ermöglichen. Denn wenn dieser nicht notwendig ist, gibt es mit modernen Abstandswaffen (egal ob von Flugzeugen oder Fahrzeugen aus eingesetzt) effektivere Wirkmittel.
Sehe ich auch so, dementsprechend müsste mMn auch ein "leichter Kampfhubschrauber" bzw. bewaffneter Aufklärer auf Basis H145M mit entsprechender Technik ausgestattet werden, was real einer umfangreichen Weiterentwicklung zu einem separaten Muster entsprechen dürfte. Und genau das ist ja gerade meine Fragestellung: Wie leistungsfähig kann so ein H145M-Derivat werden und würde das den Anforderungen an solch einen Scout genügen? Oder ist es erforderlich, eine leistungsstärkere Basis zu verwenden?

Zitat:Dieser Begleithubschrauber .... Wie schon erwähnt hat sich das System mit den integrierten Lösungen überlebt, heute übernimmt ein Kampfhubschrauber die Einsatzkoordination mit Bordmitteln.
Theoretisch könnte das Konzept noch abgewandelt als Drohnenführer zurückkehren.

Zitat:Schon der Kosovokrieg hat gezeigt, dass es hier tatsächlich eine eklatante Fähigkeitslücke gibt... Die USA richten FARA durchaus auch auf solche Einsätze aus
Mit den hohen Reichweiten- und Geschwindigkeits-Forderungen sind diese Aspekte dort ja sogar Design-prägend. Ich persönlich bin aber nicht überzeugt davon, dass wir uns diesem Thema annehmen, oder zumindest nicht unsere Beschaffung davon beeinflussen lassen sollten.
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(26.03.2023, 23:37)Broensen schrieb: Hier sehe ich persönlich eigentlich den wichtigsten Ansetzpunkt, um zu einer Neubewertung zu kommen: Diesen Zwischenschritt aufgreifen und die Aufgaben für sich betrachten. Konkret eben den Aufklärer und die Möglichkeiten, diesen aus einem vorhandenen Muster abzuleiten, anstatt jetzt wieder einen Generalisten mit Aufgaben zu überfrachten.

Wenn wir von der Fortschreibung der damaligen Aufgaben ausgehen und keine neuen hinzu nehmen (also auch nicht jene, die später dann tatsächlich hinzu gekommen sind), dann bedeutet eine solche Neubewertung schlicht nur die Trennung von Aufklärung und Wirkung bei ansonsten gleichen Grundauslegungen und Flugleistungsbereichen. Denn zum einen ist die Art der Wirkung in diesem Rahmen wie dargestellt erstmal egal, zum anderen ist die Bedrohungslage jeweils identisch. Dadurch lassen sich im Bereich der Beschaffung sicherlich kosten sparen, gleichzeitig reduziert man die Redundanzen und verringert die Einsatzflexibilität.

Die US-Erfahrungen mit dieser Problematik sollte durchaus berücksichtigt werden. Der Kiowa war das Aufklärungselement, konnte aber schon in den neunziger Jahren aufgrund seiner Auslegung nur noch bedingt eingesetzt werden. Das frühzeitig eingeleitete Ersatzprogramm (Comanche) wurde gestrichen, was dann in den 2000er Jahren zu einem echten Problem wurde. Denn entweder erlitten die eingesetzten Maschinen unnötig hohe Verlustzahlen, oder man verzichtete auf eine Verwendung und operierte mit mangelhafter Aufklärung. Letzteres führte dann beim Angriff auf Kerbela im Irakkrieg zu ernüchternden Ergebnissen. In der Folge wurde zwei mal versucht, einen Kiowa-Ersatz basierend auf zivilen Mustern zu beschaffen, und zwei Mal das Programm aufgrund der zu erwartenden Ergebnisse abgebrochen. Von daher kann man durchaus beide Aufgaben trennen, muss dann aber für beide Aufgaben entsprechend leistungsfähige Hubschrauber vorsehen. Der übliche Vorschlag, die Aufklärungskomponente auf Basis eines unbemannten Typs aufzubauen wird wie erwähnt in den kommenden Jahren schlicht an den Fähigkeiten derartiger Muster scheitern. Denn ob bemannt oder unbemannt, die Durchführung des Einsatzes wäre prinzipiell identisch, so dass die gleichen Anforderungen an das Muster gelegt werden. Prognosen sind ja immer schwierig, aber ich befürchte, wir sind deutlich mehr als nur ein paar Jahre von einer einsatzfähigen Lösung entfernt.

Ich persönlich würde im übrigen Aufklärung und Wirkung nicht trennen, sondern ein komplementäres System durch unterschiedliche Sensorikpakete aufbauen (bspw. Versionen mit Optronik- und Radarmast).

Zitat:Aber genau diese Kriterien sind es ja, von denen die Grundauslegung des Hubschraubers bestimmt wird. Dementsprechend halte ich es für angebracht, zu überprüfen, welche Einsatzziele unter welchen Umständen im Rahmen der BW-spezifischen Szenarien tatsächlich relevant sein können. Denn wenn es Aufgaben gibt, die in der Realität weder Schutz noch Ausdauer in erhöhtem Maße erfordern, dann können diese eben von leichteren, deutlich günstigeren Generalisten wie einem LUH übernommen werden, wodurch das Aufgabenspektrum des eigentlichen Kampfhubschraubers reduziert und dieser spezialisierter ausgelegt werden kann.

Wenn die Anforderungen an die verschiedenen Aufgaben sich nicht unterscheiden, wie sollte eine Spezialisierung dann sinnvollerweise aussehen? Die Problematik der Betrachtung liegt darin, dass das entscheidende Differenzierungskriterium beim bisher geplanten Aufgabenspektrum eben nicht die tatsächliche Aufgabe ist, sondern das jeweilige Einsatzszenario. Die Entscheidung liegt also darin, ob man in einem symmetrischen Szenario frontnah agieren will oder nicht, welche Autonomie die Hubschrauberkomponente haben soll, ob man hinreichend asymmetrische Einsätze zu bewältigen hat und daher eine Entlastungskomponente lohnt, usw..

Zitat:Und genau das ist ja gerade meine Fragestellung: Wie leistungsfähig kann so ein H145M-Derivat werden und würde das den Anforderungen an solch einen Scout genügen?
Oder ist es erforderlich, eine leistungsstärkere Basis zu verwenden?

Mit der umfangreichen Modifikation des H145M zu einem Scout hätte man zumindest überhaupt mal die Möglichkeit, als Hubschrauberkomponente autonom zu wirken. Es wäre in symmetrischen Einsatzszenarien aber trotzdem nur ein Ergänzungsmittel für die Distanz, weil für mehr schlicht die elementaren Fähigkeiten fehlen (Schutz, Mobilität, Signatur). Eine leistungsstärkere Basis würde daran prinzipiell auch nichts ändern, könnte aber zumindest die Leistungsfähigkeit generell erhöhen. Gleichzeitig würde das noch umfangreichere Arbeiten nach sich ziehen, weil bei zivilen Basismustern die Zellengröße ein bestimmendes Entscheidungsmerkmal ist.
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