Afghanistan
Der Obernichtsnutz hat sich wie erwartet schon verkrümelt.
https://www.welt.de/politik/ausland/arti...assen.html
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Ich finde das etwas zu einfach, denn als afghanischer Präsident kann man letztlich nur scheitern.
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Die Botschaft wurde schon geräumt und alle an den Flughafen verlegt. Zudem haben die Taliban den Präsidentenpalast de facto kampflos besetzt. Auch andere Länder haben bereits heute alles an den Flughafen Kabul verlegt der anscheinend von US Marines gesichert wird. Aktuell wurde der zivile Flugverkehr eingestellt und es werden nur noch Militärflüge durchgeführt.

Die Taliban auf ihren eigenen Seiten verkündet zeitnah im Präsidentenpalast die Wiedererrichtung des Islamischen Emirates Afghanistan zu verkünden.
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Ausführlicher zum de facto Fall von Kabul:

https://www.thedrive.com/the-war-zone/42...people-out

Wenn man sich mal vor Augen hält, dass die afghanische Nationalarmee Ende 2019 noch bei 200.000 Mann stand, wozu man noch 100.000 Mann weitere Sicherheitskräfte, Milizen usw rechnen kann - und die Taliban damit in derart rasanter Weise bei nur ungefähr 60.000 eigenen bewaffneten Kräften einen Quantiativ 5-fach ! überlegenen Gegner dazu gebracht haben einfach aufzugeben - und dass in einem Gelände welches sich besser als jedes andere für die Verteidigung anbietet und in welchem die Taliban mangels entsprechender Waffensysteme eigentlich überhaupt gar nicht voran kommen dürften (rein militärtheoretisch), dann zeigt allein das klar auf, dass die absolute Mehrheit der Afghanen die Herrschaft der Taliban will. Und damit auch die Mehrheit der afghanischen Regierungstruppen.

Und trotz all dieser Überläufer, Auflösungerscheinungen und absoluten Verweigerung für den eigenen Staat zu kämpfen ist der Vormarsch der Taliban einfach nur spektakulär. Militärisch wirklich eine herausragende Leistung und ich hoffe sehr dass es irgendwann detailliertere Analysen dazu geben wird, welche diese glänzende Leistung der Taliban genauer beleuchten. Denn selbst wenn man de facto keinen Gegner hat muss man ja trotzdem erstmal dass alles besetzen und sichern. Beeindruckend!

Rein theoretisch hätte es genügt wenn Teile der Regierungsarmee ernsthaften Widerstand geleistet hätten, selbst dann hätten die Taliban noch deutlich mehr Zeit benötigt. Aber anscheinend will es die absolute Mehrheit der Menschen in Afghanistan so, anders ist ein derartiger Vormarsch nicht erklärbar.

Auch interessant ist die Frage, wieviel westliches Kriegsgerät den Taliban jetzt in die Hände fällt und wie sie dieses in ihre Militärstrukturen einbinden:

https://www.statista.com/chart/25246/afg...e-taliban/

https://cdn.statcdn.com/Infographic/imag...25246.jpeg
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(15.08.2021, 22:06)Quintus Fabius schrieb: dann zeigt allein das klar auf, dass die absolute Mehrheit der Afghanen die Herrschaft der Taliban will. Und damit auch die Mehrheit der afghanischen Regierungstruppen.

Ein Afghanistanveteran schrieb mir heute: "Wir waren scheinbar wirklich die Besatzer und die Taliban die Befreier" ... sowas muss man dann erst einmal wirken lassen.
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Das ist sicherlich eine der bittersten Feststellungen. Ich frage mich indessen nur, wie lange dies vorhält. Dass die westlichen Streitkräfte als Fremdkörper angesehen wurden - das ging aber bislang jeder ausländischen Macht in Afghanistan so - und auch dass ihre jeweiligen Statthalter nicht gerade das größte Vertrauen bei der hiesigen Bevölkerung besaßen, ist die eine Sache.

Ich denke aber, dass es andererseits umgekehrt auch die reine Zeit ist, die dazu führte, dass Afghanen zu dieser Einschätzung gelangten, die hier von einem Veteranen geäußert wurde. Man darf nicht vergessen: Viele Afghanen sind sehr jung, sie kennen die Lage vor 20, 25 Jahre nur eingeschränkt (wenn überhaupt) und haben vermutlich in ihrem Leben nur fremde Soldaten von NATO, USA und ISAF - die irgendwann mal vor zwei Jahrzehnten ins Land kamen - und halbwegs verlässliche bis korrupte Beamte erlebt, die vom Westen hofiert, mit Geld überschüttet und unterstützt wurden. Und gelegentlich kamen noch Drohnenangriffe und der eine oder andere Kollateralschaden (oder gar, wenngleich auch selten, Kriegsverbrechen, die über das Internet viral gingen) hinzu.

D. h. für diese jungen Afghanen erscheinen die Taliban zumindest "interessant", sind diese vordergründig doch auch "lokaler" Herkunft und denken muslimisch-patriotisch und "irgendwie" sind sie auch gegen den Westen und seine Statthalter ausgerichtet. Das kann Sympathien bewirken. Mischt man dies noch mit dem vor allem auf dem Land durchaus vorherrschenden Fundamentalismus und der Unkenntnis der Chaostage vor 20, 25 Jahren, so ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich ein junger Afghane fragt, ob er auf der "richtigen" Seite steht? Soll er für die fremden Mächte bzw. deren inländische Vertreter sterben? Oder sich den neuen Herren anschließen, die seiner Meinung nach viel eher in dieses Land gehören? Die Antwort dürfte auf der Hand liegen - und dadurch erklärt sich wohl auch der desaströse Verfall der afghanischen Armee...

Nur: Warten wir es mal ab. Wenn die Taliban wieder ein Terrorregime errichten, so wie vor über 20 Jahren, gemischt mit öffentlichen Hinrichtungen und Auspeitschungen, Scharia-Fundamentalismus, Massakern an anderen Glaubensrichtungen und Volksgruppen, Zerstörung von Kulturgütern und Schulen, Einladungen an ausländische Terrorgruppen wie seinerzeit al Qaida (vllt. sehen wir ja irgendwann einen IS-Verschnitt im Lande?), einer rapiden Verarmung der Menschen (während die Talibanführer im Reichtum schwelgen, wie es Mullah Omar und andere ja getan hatten - hatte sich also was mit religiöser Askese), Drogengeschäften (wobei hier abzuwarten sein wird, ob sich die Taliban so verhalten, wie sie es Ende der 1990er taten) etc., kann es durchaus sein, dass die Afghanen, wobei es vermutlich wieder ein paar Jahre dauern kann, irgendwann feststellen, dass es so schlecht unter dem westlichen Einfluss auch nicht gewesen ist.

Schneemann.
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Zitat:Nur: Warten wir es mal ab.
Was anderes bleibt uns auch gar nicht übrig. Die Gemengelage ist heute eine völlig andere als 2001. Damals gab es eine Nordallianz als Gegenpol und bedeutende Warlords, die mit den Taliban verbündet waren. Heute sind die alten Warlords geflohen (Dostum, Noor Atta Mohammed) oder gefangen (Ismail Khan), generell sind sie schon sehr alt. Einen Gegenpol müsste man zuerst wieder im Ausland aufbauen. Es fehlt also vorerst mal an der Substanz, um eine Opposition zu etablieren. Die Idee, dass sich die Afghanen an die schönen Dinge des Westens erinnern, wenn man ihnen diese jetzt wegnimmt und sie die zurückwollen, ist zwar ein Hoffnungsschimmer, aber auch ein Griff nach dem Strohhalm. Etwas anderes gibt es zur Zeit nicht.

Vielleicht würde es allen helfen, wenn wir nur Afghaninnen bei uns als Flüchtlinge aufnehmen? Diese werden dann zwangsverwestlicht, inkl. Namensänderung. So kriegt jeder, was er will: Mehr Frauen für uns, mehr Frauenrechte für die, mehr Patriarchat für das Emirat Afghanistan, weniger unkontrollierte Geburten dort. Die Taliban müssten sich ihre Frauen dann anderswo suchen, d.h. in die Nachbarstaaten einfallen. Dann ist das deren Problem, vielleicht sind Pakistan/Indien/Russland/China/Iran etwas weniger zimperlich im Umgang mit denen als der Westen mit seinen ROE.
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(16.08.2021, 10:41)hunter1 schrieb: Vielleicht würde es allen helfen, wenn wir nur Afghaninnen bei uns als Flüchtlinge aufnehmen? Diese werden dann zwangsverwestlicht, inkl. Namensänderung. So kriegt jeder, was er will: Mehr Frauen für uns, mehr Frauenrechte für die, mehr Patriarchat für das Emirat Afghanistan, weniger unkontrollierte Geburten dort. Die Taliban müssten sich ihre Frauen dann anderswo suchen, d.h. in die Nachbarstaaten einfallen. Dann ist das deren Problem, vielleicht sind Pakistan/Indien/Russland/China/Iran etwas weniger zimperlich im Umgang mit denen als der Westen mit seinen ROE.

War vermutlich nicht ganz ernst gemeint? Aber wie soll das auch gehen wenn Frauen bei den Taliban ja nicht einmal alleine aus dem Haus dürfen?
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Zitat:Die Gemengelage ist heute eine völlig andere als 2001. Damals gab es eine Nordallianz als Gegenpol und bedeutende Warlords, die mit den Taliban verbündet waren. Heute sind die alten Warlords geflohen (Dostum, Noor Atta Mohammed) oder gefangen (Ismail Khan), generell sind sie schon sehr alt. Einen Gegenpol müsste man zuerst wieder im Ausland aufbauen. Es fehlt also vorerst mal an der Substanz, um eine Opposition zu etablieren. Die Idee, dass sich die Afghanen an die schönen Dinge des Westens erinnern, wenn man ihnen diese jetzt wegnimmt und sie die zurückwollen, ist zwar ein Hoffnungsschimmer, aber auch ein Griff nach dem Strohhalm. Etwas anderes gibt es zur Zeit nicht.
Vielleicht brauchen wir gar nicht nur alleine nach Gegnern im Inneren schauen. Der aktuelle Sieg der Taliban ist so vollständig, wie er in den 1990ern nie war. D. h. sie werden sehr wahrscheinlich in den kommenden Monaten und Jahren im Land frei schalten und walten können.

Und vor diesem möglicherweise kommenden Emirat, Kalifat etc. reihum wird entweder...

- mit Wohlwollen reagiert (Pakistan - hach, wer hätte das gedacht) oder...
- mit den militärischen Hufen gescharrt (Iran - die hatten den Taliban schon mal in den 1990ern offen mit Krieg gedroht; das Schicksal der Hazaras lässt ja bekanntlich grüßen) oder...
- vorsichtig, aber mit der Option auf indirektes Eingreifen, im Hintergrund gelauert (Russland - das sich wieder um die Islamisierung seines grünen Unterleibs Sorgen macht und sogar schon die Grenztruppen verstärkt; Indien - das schon 1996 einen Krieg erwogen hatte, und sei es nur, um Pakistan zu schwächen und die Kashmir-Region zu entlasten) oder...
- sich selbst in die Tasche gelogen (China - offiziell will man den Willen der Afghanen natürlich gutheißen und respektieren, dass sich "die Menschen vor Ort" nun entschieden haben, was sie wollen - ein deutlicher Seitenhieb gegen den Westen und seine Kritik an China -, inoffiziell dürfte diese Sichtweise aber blitzschnell in der Versenkung verschwinden, wenn sich der afghanische Islamismus via Tadschikistan bis nach Xinjiang und zu den Uiguren ausbreitet).

Kurzum: Fast alle um das Land herum sind distanziert bis feindselig ggü. dem neuen Regime. Bis irgendwo ein Proxy entsteht, ist also ebenso wohl nur eine Frage der Zeit.

Schneemann.
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Bis dahin haben wir leider noch einige Probleme zu lösen.
XTausend Soldaten in der Falle "Kabul", abhängig vom Flughafen, keine Landverbindungen, kein befreundeter Grenzstaat nichts mehr.
Und die direkte Bedrohung sind nicht die Talibans, sonder Afghaner die ausgeflogen werden wollen.
Afghanistan Politk NG
Die Talibans übernehmen die "Abrieglung" (Schutz ) des militärischen Teils des Flughafens. Und erlauben den Abflug unserer Flugzeuge, mit Passportkontrolle" Afganistan NG".
Das wird so kommen ....
Und was in Westafrika so gedacht wird
https://www.forum-sicherheitspolitik.org...#pid199998
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(13.08.2021, 01:44)Broensen schrieb: Das war der Spiegel am 11.08. (https://www.spiegel.de/ausland/afghanist...291b89430d)

Die Zeit schrieb am 12.08.: Taliban erobern drittgrößte afghanische Stadt Herat

Und dann am 13.08.: Taliban erobern Kandahar – Die islamische Miliz hat nun auch die zweitgrößte Stadt Afghanistans besetzt.

Also wenn es in dem Tempo weitergeht, war es das schon morgen mit Kabul....

Traurig festzustellen, dass ich damit kaum mehr als einen Tag falsch lag...
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(16.08.2021, 10:49)lime schrieb: War vermutlich nicht ganz ernst gemeint? Aber wie soll das auch gehen wenn Frauen bei den Taliban ja nicht einmal alleine aus dem Haus dürfen?
Nicht ganz ernst gemeint, natürlich! Wir haben aber auch nichts mehr zu verlieren, da darf man schon mal ausserhalb der Box denken. Wink
Uns würde es auf jeden Fall helfen, wenn keine muslimischen Männer zu uns kämen.
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@voyageur
Zitat:Bis dahin haben wir leider noch einige Probleme zu lösen.
XTausend Soldaten in der Falle "Kabul", abhängig vom Flughafen, keine Landverbindungen, kein befreundeter Grenzstaat nichts mehr.
Und die direkte Bedrohung sind nicht die Talibans, sonder Afghaner die ausgeflogen werden wollen.
Ich hoffe dies zwar nicht, im Interesse aller unserer Jungs und den Jungs unserer Verbündeten dort, aber angesichts dieser Beschreibung regen sich ungute Reminiszensen an ein früheres Ereignis...

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:The_...(1898).jpg (Elphinstone's Rückzug 1842 aus Kabul).

Schneemann.
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(16.08.2021, 14:03)hunter1 schrieb: Nicht ganz ernst gemeint, natürlich! Wir haben aber auch nichts mehr zu verlieren, da darf man schon mal ausserhalb der Box denken. Wink
Uns würde es auf jeden Fall helfen, wenn keine muslimischen Männer zu uns kämen.

Heute früh wurde von einem Kollegen das Thema aufgeworfen, warum es keine Demos von Muslimverbänden gegen die Machtübernahme der Taliban gibt. Sollte man die nächsten Wochen mal beobachten ob in der Richtung noch was kommt.
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@hunter1: Es geht aber nicht darum uns zu helfen, sondern „denen“. Abgesehen davon dürfte der grösste Teil der Ortskräfte, die uns mit viel Risiko unterstützt haben, männlich sein.
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