Leichte Infanterie
#91
@ Pogu
Zitat: Sanitätsdienst würde ich mit Nachschub und Versorgung zusammenhalten und in den rückwärtigen separierten Basisraum gliedern. Das heißt, ich würde diese vollständig aus der Kontaktzone raushalten. Obacht: Bergung, Erstversorgung und Transport der Verwundeten ist keine Domäne des Sanitätsdienstes. Das sollte durch jeden kämpfenden Soldaten zu bewerkstelligen möglich sein. Selbstverständlich ist hierin auf adäquate Ausbildung Wert zu legen.

Entschiedenes Jein. Wink Jäger sollen ja gerade in eher abgelegenem Gebiet operieren können - und da kann es schlichtweg zu spät oder zu aufwändig sein, eine große Rückwärtsbewegung der eigenen Verwundeten zu sichern. Als Stärkung der Moral und der Krankenversorgung ein anderer Vorschlag: Früher waren die Regimentsmusiker deutscher Heere für den Kriegsfall als Krankenträger eingeteilt. Man könnte etwas ähnliches pro Leichtem Infanterieverband versuchen.

Zitat: Großkrieg wie etwa die Sowjetunion gegen Afghanistan? Oder der Vietnamkrieg? Wenn das keine Bühne für leichte Infanterie war ...

Leichte Infanterie führt, und das trifft auf jede Waffengattung zu (inkl. Nuklearwaffeneinheiten), nicht den ganzen Krieg - Großkrieg. So wie Panzer in Panzergelände operieren, operieren Infanteristen in Infanteriegelände. Und selbst da immer nur (nach Möglichkeit) ihre momentanen Stärken ausspielend.

Afghanistan und Vietnam fallen für mich noch unter Asymmetrische Konflikte, d.h. "Groß" war nur jeweils eine direkt beteiligte Konfliktpartei. Mit Großkrieg meine ich einigermaßen Symmetrische Konflikte wie die Kriege der Israelis gegen die Araber, den Iran-Irak-Krieg oder, für die europäische Planung, einen Konflikt mit Russland. Ich will auch nicht behaupten, dass die Leichte Infanterie in so einem Konflikt keine Rolle mehr spielen kann, im Gegenteil. Der von Quintus vorgeschlagene Verbänd wäre meiner Meinung nach z.B. hervorragend dazu geeignet, im Häuserkampf zu agieren (vorrausgesetzt natürlich, der Nachschub stimmt) Allerdings werden die Verluste (bei allen Waffengattungen!) astronomisch sein - und bei der Leichten Infanterie potentiell noch schlimmer als bei anderen. Meine Rechnung dafür ist ganz einfach: Der tödlichste Feind der Infanterie ist die Artillerie. Gegen Artilleriefeuer ist ein moderner Jägerverband für sich- sieht man von den sicherlich nützlichen, aber gleichzeitig die Mobilität stark hemmenden Splitterschutzwesten einmal ab - nicht besser oder schlechter dran als 1943. Nur leider ist die Feuerkraft der Artillerie in der Zwischenzeit mindestens um den Faktor 10 gewachsen ( Man vergleiche nur einmal die Leistungsdaten eines M31- Werfers von 1941 mit denen eines BM-30)
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#92
Zitat:... ein anderer Vorschlag: Früher waren die Regimentsmusiker deutscher Heere für den Kriegsfall als Krankenträger eingeteilt. Man könnte etwas ähnliches pro Leichtem Infanterieverband versuchen.

Ich würde jedenfalls kein 'Nebenerwerbskampfpersonal" mitlaufen lassen. Wenn es nicht dem Kampf, der Kampfunterstützung oder der Kampfvorbereitung dient, wäre es in der Kategorie Basis.

Wenn es um die Abholung Verwundeter geht, also ab dem Verwundetennest, dann geschieht das von der Basis heraus aus. Ob nun die Regimentsmusik dazu unterbrochen werden muß oder nicht, wäre dann unerheblich. 😉

Zitat:Der tödlichste Feind der Infanterie ist die Artillerie.

Oh ja! Granaten und Raketen machen 90 Prozent der Tötungsrate aus. Aber auch hier gilt: Infanterie ist infanteriekonform einzusetzen. Leichte Infanterie ist natürlich konform ihrer bewußt leichten Rolle einzusetzen. Ein drastisches Beispiel: Fernaufklärer und Scharfschützen. Beide sind hochgradig verwundbar. Dennoch werden sie auch in modernen Konflikten eingesetzt - sogar vermehrt. Gilt für diese die Gefahr durch Artillerie nicht? Doch, mehr sogar als für reguläre Jäger. Dieser Gefahr ist selbstredend Rechnung zu tragen. Das gilt aber genauso für die eigene Panzerartillerie. Denn deren Hauptgegner ist ebenfalls die Granate und Rakete.
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#93
Nelson:

Zitat:Ich würde das Element der Sanitäter noch stärken - eine Gruppe pro Jäger-Fahne oder dergleichen.

Und genau das gerade eben nicht. Die Erstversorgung übernehmen die Soldaten selbst. Alles weitere wird von außerhalb geliefert. Sanitäter (ich sehe dafür ja extra einen Zug vor) sollten zudem als Mulitplikatoren für ABC-Schutzmaßnahmen dienen, weshalb ich jede San-Einheit paralell zugleich als ABC-Abwehr Einheit ausrüsten und aufstellen würde und ebenso sind sie prädestiniert aufgrund ihrer Ausrichtung Kenntnisse für die Wasseraufbereitung (ebenfalls ein unterschätzter Aspekt).

Zitat:Selbst die meisten unserer Zeitsoldaten dürften zudem schwerlich während ihrer Dienstzeit auf das "handwerkliche" Niveau zu bringen sein, welches ein burischer Farmer oder ein Apache schlichtweg bereits mit "zum Dienst" brachte. Dafür würde es eine Wehrerziehung benötigen, die selbst die der Südkoreaner und Israelis noch weit übertrifft.

Eigentlich nicht. Genau genommen sind die dafür notwendigen Fähigkeiten in wenigen Monaten erlangbar, dafür müsste man aber die Ausbildung und das ganze heutige militärische Theater ändern. Die Ausbildung bei der Bundeswehr - wie auch anderen Armeen - ist überfüllt mit unsinnigem Ballast, endloser Zeitverschwendung und extremster Ineffektivität und bizarrer Ineffizienz. Vor allem anderen aber ist das eine Mentalitäts- und Einstellungsfrage. Wenn ich von vornherein den Unteren Ebenen ein sehr großes Vertrauen entgegen bringe, ihnen Selbstständigkeit nicht nur zutraue sondern ihnen selbst nach Fehlern weiter gewähre, dann entsteht ein ganz anderer Typ von Kämpfer. Das mangelnde Vertrauen der Führung in die Geführten und die sich daraus ergebenden negativen Entwicklungen prägen diese Armee viel zu stark. Um das Gegenteil zu erreichen, ist auch eine Struktur notwendig, in der die Führung diesen absoluten Kontrollanspruch innerhalb des C4 nicht praktisch umsetzen kann und daher gezwungen ist andere Wege zu gehen.

Deshalb ist es beispielsweise seit langem meine Forderung die Zahl der Offiziere drastisch zu reduzieren, und dafür umgekehrt ihre Stellung deutlich aufzuwerten, und hier eine rigorose und gnadenlose Bestenauslese zu betreiben. Zudem sollte man allgemein der Dienstgradinflation entgegen treten, und Dienstgrad und Sold entkoppeln etc etc

Zitat:Die Überlebensdauer eines Leichten Infanteristen im Großkrieg dürfte sich eher in Minuten, beim Ausbleiben von Massenvernichtungswaffen vielleicht noch in Tagen berechnen lassen.

Leichte Infanteristen hatten deshalb in großen konventionellen Kriegen eine derart geringe Überlebensdauer, weil sie völlig falsch eingesetzt wurden. Darüber hinaus ist echte leichte Infanterie in einem solchen Krieg ein Spezialist der ganz am Rande und meistens mit weniger Bedeutung für das Gesamtgeschehen agiert. Tatsächlich wären die Verluste geringer als bei den mechanisierten Einheiten, den diese fallen heute Abstands-Waffen noch mehr zum Opfer als bloße leichte Infanterie.

Der primäre Schutz heute gegen das Flächenfeuer von Abstandswaffen ist erstens eine ständige ununterbrochene Verlegung - diese muss aber so getarnt wie möglich erfolgen und sie muss vollständig überall querfeldein möglich sein und zweitens die Tarnung selbst. Gerade deshalb, gerade weil Abstandswaffen heute das Schlachtfeld zunehmend dominieren ist die Tarnung und die absolut uneingeschränkte Querfeldeinbeweglichkeit der alles bestimmende Teil. Und gerade deshalb keine Fahrzeuge und Ultraleichte Ausrüstung für die Infanterie. Statt Schutzwesten und Helmen - Tarnmittel. Statt schweren Militär-Stiefeln ultraleichte Halbstiefel. Statt Fahrzeugen eine bewusste Bewegung zur Fuß Querfeldein.

Fahrzeuge der Infanterie, insbesondere Transportpanzer auf Rädern sind das allererste Opfer der von dir genannten Abstandswaffen. Die Infanterie fällt dann mit ihnen oder überlebt getrennt von ihnen. Je weniger Fahrzeuge, desto überlebensfähiger der Infanterie-Verband.

An die Stelle eines Dreiecks von Panzerung, Geschwindigkeit und Feuerkraft treten im modernen Krieg Tarnung, Geländegängigkeit und Dislozierung.

Zitat:Die Berufssoldaten, welche das von Quintus beschriebene Können aufweisen, werden innerhalb von wenigen Tagen zu extrem wertvollen Kadern werden, um als Korstettstangen kaum ausgebildeter Wehrpflichtiger zu dienen .......Daher sollte man lieber schon im Frieden so planen, dass später auf den unteren Ebenen möglichst wenig Können vorrausgesetzt werden muss.

Sollte man gerade eben nicht, da die von dir genannten kaum ausgebildeten Wehrpflichtigen im modernen Krieg hier und heute völlig sinnlos geworden sind. Sie leisten im Prinzip keinen praktisch relevanten Beitrag.

Die zu erwartenden hohen Verluste sprechen zudem für ein Miliz-System, wie von Pogu ja schon mal angerissen, und gerade in dieser Miliz würde der Gros der Jäger-Verbände stehen.

Im übrigen ist eine solche Kampfweise kein Hexenwerk. Sie ist schnell erlernbar, wenn das Ausbildungssystem effizient ist und darauf ausgerichtet. Was Bundeswehr-Soldaten hier und heute innerhalb von ca. 1 Jahr lernen könnte man alles sehr viel schneller und sehr viel effizienter beibringen.

Zitat:Allerdings werden die Verluste (bei allen Waffengattungen!) astronomisch sein - und bei der Leichten Infanterie potentiell noch schlimmer als bei anderen.

Da das Gelände selbst die Deckung wie Tarnung der leichten Infanterie ist, werden ihre Verluste beim nächsten größeren Krieg in Wahrheit geringer sein, vorausgesetzt sie machen sich nicht selbst durch Transportpanzer zu Zielscheiben.

Zitat:Für den Einsatz in wie auch immer verkappten Kolonialscharmützeln wiederum fehlt den Jägern hier jegliche Transportmöglichkeit - diese müsste entweder von anderen Einheiten derselben Brigade gestellt werden - oder die Jäger würden von jeder besseren Räuberbande mit alten Pickups gnadenlos ausmanövriert.


Das hängt davon ab wie man diese Kolonialscharmützel führt. Die Aufgabe von Jägern in solchen Auslandseinsätzen wäre es nicht, sich auf freiem Feld mit Tacticals herum zu schlagen, wobei die genannten Waffensysteme von den SMG bis zu den Raketenwerfern selbst für diese völlig ausreichend wären und in etlichen Fällen sogar eine höhere effektive Reichweite erzielen würden. Die Einsatzweise wäre eine völlig andere. Primär geht es um tatsächliche Kontrolle von Terrain, wozu wir heute nicht mehr in der Lage sind und um unentdeckte Bewegung über beliebiges Gelände sowie ein verdecktes Agieren. Solange wir diejenigen sind welche ständig überall sichtbar sind und der Feind ist nach belieben unsichtbar, und solange wir nicht die nötige Menge an Truppen haben um tatsächlich die Zivilbevölkerung zu kontrollieren, ist es egal ob wir mit irgendwelchen Panzern jederzeit irgendwelche Tacticals wegräumen könnten. Das kann jeder Kampfhubschrauber vor Ort ganz genau so.

Beispielsweise war in Vietnam eines der erfolgreichsten COIN Programme das des USMC, wo Einheimische und Marines gemeinsam in Dörfern lebten und dort und in der Gegend dieser Dörfer verblieben. Statt umherzuziehen und Geister im Dschungel mit überzogen großer Treibjagden stellen zu wollen. Diese Einsatzweise wurde Combined Action Platoons genannt und ich habe mich recht lange damit beschäftigt. Sie war einer der in Vietnam erfolgreichsten Ansätze und die von mir skizzierte Jägertruppe wäre dafür besonders gut geeignet. Nur mal so als ein Beispiel von vielen möglichen, wie man völlig anderes in den Auslandseinsätzen agieren könnte. Was man aber ja gerade eben deshalb nicht will, weil die Zielsetzung in Wahrheit eine ganz andere ist.

Zitat:Jäger sollen ja gerade in eher abgelegenem Gebiet operieren können - und da kann es schlichtweg zu spät oder zu aufwändig sein, eine große Rückwärtsbewegung der eigenen Verwundeten zu sichern.

Im großen konventionellen Krieg kann und wird die Verwundetenversorgung zusammen brechen, gleichgültig wieviele Sanis man noch aufstellen will. Die Realität in den Weltkriegen hat dies klar bewiesen. Der hohe Grad an Sanis ist vor allem für die Neo-Kolonial-Scharmützel notwendig, da dort die Soldaten ohne eine solche sichere Versorgung Motivationsprobleme hätten (zu Recht!), da diese Einsätze größtenteils völlig sinnlos sind und niemand für so etwas sein Leben opfern will. Es macht also keinen Sinn, diese bizarre Fehlentwicklung auch noch zu befördern und die Streitkräfte zunehmend in eine Sanitätswehr umzubauen. Es muss hier zwingend ein Umdenken her: nämlich dass die Erfüllung des Auftrages immer relevanter ist als die Versorgung der Verwundeten. Das stößt jetzt sicher vielen auf, aber ist unabdingbar notwendig, wenn man in einem ernsthaften Kampf bestehen will.

Zitat:Meine Rechnung dafür ist ganz einfach: Der tödlichste Feind der Infanterie ist die Artillerie. Gegen Artilleriefeuer ist ein moderner Jägerverband für sich- sieht man von den sicherlich nützlichen, aber gleichzeitig die Mobilität stark hemmenden Splitterschutzwesten einmal ab - nicht besser oder schlechter dran als 1943. Nur leider ist die Feuerkraft der Artillerie in der Zwischenzeit mindestens um den Faktor 10 gewachsen

Der Faktor ist sogar noch höher, wenn man das bloße Einzelsystem betrachtet (wenn auch insgesamt die Feuerkraft heute geringer ist). Und diese Feuerkraft richtet sich im Gegensatz zum WK2 zunehmend vor allem auch gegen gepanzerte Fahrzeuge, welche leichter aufgeklärt werden können und tatsächlich auch gezielt angegriffen werden können. Im Prinzip kann zunehmend alles aus der Distanz vernichtet werden, was aufgeklärt wird. Das gilt für Transportpanzer noch umso mehr. Während ein Kampfpanzer-Bataillon aus einem Artillerie-Angriff vielleicht noch in verwendbaren Anteilen hervorgeht, werden mittlere Verbände davon zur Gefechtsunfähigkeit geschossen.

Daher ist die Grundlage für das Überleben heute die Tarnung und die Nutzung des Geländes. Nicht Transportpanzer, sondern das Gelände allein ist in der Lage einen Infanteristen vor Abstandswaffen zu schützen. Nicht nur weil er im Gegensatz zum Transportpanzer nicht gesehen wird, sondern auch weil das Gelände selbst das Artilleriefeuer schluckt, während Panzer davon zerstört werden.

Und in Bezug auf Früher muss man bedenken, dass die Feuerkraft vor allem deshalb so viel höher ist, weil sie präziser ist. Man kann fahrende Panzer aus immens großer Entfernung exakt treffen und vernichten.

Demgegenüber war die Gesamtmasse des eingesetzten Sprengstoff früher wesentlich größer und richtete sich gegen ganze Flächen als solche. Schon im Ersten Weltkrieg wurden Äquivalente taktischer Nuklearwaffen eingesetzt und hat Infanterie in diesem Feuer überlebt wenn das Gelände das hergab. Heute ist die Wirkung genauer auf den Punkt, verteilt sich aber die Infanterie im Gelände (Dislozierung) und tarnt sich, dann greift diese skalierte präzise Feuerkraft leichte Infanterie weniger als jede Art von Fahrzeugen.

Leichte Infanterie ist daher heute weniger von der Feuerkraft betroffen als andere Waffensysteme (vorausgesetzt sie wird richtig strukturiert, richtig ausgerüstet, und richtig eingesetzt). Und gerade deshalb auch die Aufgabe des hierarchischen Führungsprinzipes. Fällt nämlich dann ein Führer oder eine Führungsebene aus, ist der Verband trotzdem nicht eine Sekunde lang dadurch gelähmt oder beeinträchtigt. Starre Hierarchien und Befehlsketten werden im nächsten großen konventionellen Krieg untergehen.
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#94
Pogu:

Zitat:Bei verschiedenen Fortbildungen waren wir manchmal zuwenige Teilnehmer um einen ganzen Zug inklusive Feinddarstellung bilden zu können. Deshalb waren eben zwei Gruppen ein Zug. Abwechselnd war mal der eine Gruppenkommandant Zugskommandant, mal war's der andere. Das heißt, der jeweilige Gruppenkommandant führte sowohl seine eigene Gruppe als auch mit der anderen Gruppe den ganzen Zug. Kein Zugtrupp, kein Stand Alone Leader. Im Grunde zwei Gruppen im aZa Modus

Genau diese Erfahrung habe ich auch gemacht, sowohl im Bereich der Ausbildung wie dann in Echt-Einsätzen. Wenn eine solche Kooperation möglich war, dann war das immer absolut überlegen, einfach viel schneller, viel flexibler, und weniger anfällig für Verluste von Führungspersonal.
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#95
Zitat: Zitat:
Selbst die meisten unserer Zeitsoldaten dürften zudem schwerlich während ihrer Dienstzeit auf das "handwerkliche" Niveau zu bringen sein, welches ein burischer Farmer oder ein Apache schlichtweg bereits mit "zum Dienst" brachte. Dafür würde es eine Wehrerziehung benötigen, die selbst die der Südkoreaner und Israelis noch weit übertrifft.

Eigentlich nicht. Genau genommen sind die dafür notwendigen Fähigkeiten in wenigen Monaten erlangbar, dafür müsste man aber die Ausbildung und das ganze heutige militärische Theater ändern. Die Ausbildung bei der Bundeswehr - wie auch anderen Armeen - ist überfüllt mit unsinnigem Ballast, endloser Zeitverschwendung und extremster Ineffektivität. Vor allem aber ist das auch eine Mentalitäts- und Einstellungsfrage. Wenn ich von vornherein den Unteren Ebenen ein sehr großes Vertrauen entgegen bringe, ihnen Selbstständigkeit nicht nur zutraue sondern ihnen selbst nach Fehlern weiter gewähre, dann entsteht ein ganz anderer Typ von Kämpfer. Das mangelnde Vertrauen der Führung in die Geführten und die sich daraus ergebenden negativen Entwicklungen prägen diese Armee viel zu stark. Um das Gegenteil zu erreichen, ist auch eine Struktur notwendig, in der die Führung diesen absoluten Kontrollanspruch innerhalb des C4 nicht praktisch umsetzen kann und daher gezwungen ist andere Wege zu gehen.

Ich glaube, du unterschätzt das, was bei den Buren und Apachen an kriegerischer Kultur geherrscht hat. Ich will nicht bestreiten, dass die Ausbildung verbessert und damit auch bessere Ergebnisse eingeholt werden können - aber bestimmte Sachen lernt man dennoch nicht eben so. Nehmen wir einen durchschnittlichen burischen Farmersjungen, etwa achtzehn Jahre alt. Vermutlich konnte er reiten, bevor er sechs Jahre alt war und hat sein erstes Kleinwild erlegt, bevor er zwölf wurde. Mit Vierzehn hat er dann sehr wahrscheinlich schon zusammen mit seinem Vater und seinen Brüdern Vieh gehütet und ist auf Jagd gegangen. Als ihn die Gesellschaft (also in diesem Falle eher die calvinistische Kirche als der Freistaat) zu den Waffen ruft, hat er also bereits mehrere Jahre Erfahrung darin, sich im Gelände zu bewegen, aus dem Lande zu leben, zu schießen, zu reiten und sich mit anderen dabei zu koordinieren. Passenderweise zieht er jetz auch noch genau an der Seite dieser Leute in den Kampf. Kann ich diese Fähigkeiten auch im Nachhinein noch erlernen? Natürlich. Werde ich darin die gleiche Meisterschaft erreichen wie jemand, der schon in frühester Kindheit begonnen hat? Die Sportwissenschaft sagt für die Masse der Fälle etwas anderes. Hinzu kommt noch der eigentliche kulturelle Aspekt des unbedingten Wehr - und Unabhängigkeitswillens.


Zitat: Leichte Infanteristen hatten deshalb in großen konventionellen Kriegen eine derart geringe Überlebensdauer, weil sie völlig falsch eingesetzt wurden. Darüber hinaus ist echte leichte Infanterie in einem solchen Krieg ein Spezialist der ganz am Rande und meistens mit weniger Bedeutung für das Gesamtgeschehen agiert. Tatsächlich wären die Verluste geringer als bei den mechanisierten Einheiten, den diese fallen heute Abstands-Waffen noch mehr zum Opfer als bloße leichte Infanterie.

Der primäre Schutz heute gegen das Flächenfeuer von Abstandswaffen ist erstens eine ständige ununterbrochene Verlegung - diese muss aber so getarnt wie möglich erfolgen und sie muss vollständig überall querfeldein möglich sein und zweitens die Tarnung selbst. Gerade deshalb, gerade weil Abstandswaffen heute das Schlachtfeld zunehmend dominieren ist die Tarnung und die absolut uneingeschränkte Querfeldeinbeweglichkeit der alles bestimmende Teil. Und gerade deshalb keine Fahrzeuge und Ultraleichte Ausrüstung für die Infanterie. Statt Schutzwesten und Helmen - Tarnmittel. Statt schweren Militär-Stiefeln ultraleichte Halbstiefel. Statt Fahrzeugen eine bewusste Bewegung zur Fuß Querfeldein.

Fahrzeuge der Infanterie, insbesondere Transportpanzer auf Rädern sind das allererste Opfer der von dir genannten Abstandswaffen. Die Infanterie fällt dann mit ihnen oder überlebt getrennt von ihnen. Je weniger Fahrzeuge, desto überlebensfähiger der Infanterie-Verband.

An die Stelle eines Dreiecks von Panzerung, Geschwindigkeit und Feuerkraft treten im modernen Krieg Tarnung, Geländegängigkeit und Dislozierung.

Grundsätzlich lässt sich leichte Infanterie besser tarnen als mechanisierte, keine Frage. Die Wälder und Sümpfe Osteuropas sind auch nicht umsonst so lange die Heimat von Partisanen geblieben. Um also getarnt hinter feindlichen Linien zu operieren kann man leichte Infanterie zweifellos gebrauchen. Das wäre allerdings auch die realistischste Einsatzmethode, denn für den Bewegungskrieg ist man zu langsam und logistisch nicht gut genug aufgestellt - und den Stellungskampf könnte man bestenfalls in urbanem Gelände aufnehmen. In diesem Fall würden wir allerdings (im klassischen deutschen Jargon) eher von Fernspähern oder klassischen Sondereinsatztruppen sprechen als von eigentlichen "Jägern." Für diese Kampfweise würde ich im übrigen eine Verstärkung der Minenkampffähigkeit vorschlagen, und zwar sowohl offensiv als auch defensiv. Schützenminen sind eine Geißel der Menschheit, aber solange der Gegner sie einsetzt, bringt es uns überhaupt nichts, wenn nur unsere eigenen Kräfte von ihnen zerfetzt werden - zumal Schützenminen die billigste und effektivste Methode sein dürften, den Bewegungsradius derartiger leichter Infanteristen radikal einzuschränken.

Zitat:
Die zu erwartenden hohen Verluste sprechen zudem für ein Miliz-System, wie von Pogu ja schon mal angerissen, und gerade in dieser Miliz würde der Gros der Jäger-Verbände stehen.

Im übrigen ist eine solche Kampfweise kein Hexenwerk. Sie ist schnell erlernbar, wenn das Ausbildungssystem effizient ist und darauf ausgerichtet. Was Bundeswehr-Soldaten hier und heute innerhalb von ca. 1 Jahr lernen könnte man alles sehr viel schneller und sehr viel effizienter beibringen.

Idealerweise würden wir jetzt unsere Reserven massiv vergrößern - ob wie es jetzt nach schweizerischem Vorbild Miliz nennen oder eine extensive Wehrpflich nach koreanischen oder israelischem Vorbild aufbauen. Nur: Wir haben momentan eine Berufsarmee. Allen ist klar, dass diese Berufsarmee im Krisenfall zu einer Wehrpflichtsarmee wird werden müssen - so ist es den Briten und Amerikanern im 20. Jahrhundert bereits zweimal ergangen. Mir schwebt daher eine Kaderarmee vor (am ehesten vergleichbar mit der Reichswehr), die auf eine rasche Aufblähung vorbereitet ist und in der die Dienstgerade bereits für wesentlich höhere Aufgaben geschult und vorbereitet werden. Die Alternative wäre natürlich eine Berufsarmee von adäquater Größe - aber die ist politisch bestenfalls dann zu erreichen, wenn wir da nicht Bundeswehr, sondern Europäische Armee dranschreiben.


Zitat: Das hängt davon ab wie man diese Kolonialscharmützel führt. Die Aufgabe von Jägern in solchen Auslandseinsätzen wäre es nicht, sich auf freiem Feld mit Tacticals herum zu schlagen, wobei die genannten Waffensysteme von den SMG bis zu den Raketenwerfern selbst für diese völlig ausreichend wären und in etlichen Fällen sogar eine höhere effektive Reichweite erzielen würden. Die Einsatzweise wäre eine völlig andere. Primär geht es um tatsächliche Kontrolle von Terrain, wozu wir heute nicht mehr in der Lage sind und um unentdeckte Bewegung über beliebiges Gelände sowie ein verdecktes Agieren. Solange wir diejenigen sind welche ständig überall sichtbar sind und der Feind ist nach belieben unsichtbar, und solange wir nicht die nötige Menge an Truppen haben um tatsächlich die Zivilbevölkerung zu kontrollieren, ist es egal ob wir mit irgendwelchen Panzern jederzeit irgendwelche Tacticals wegräumen könnten. Das kann jeder Kampfhubschrauber vor Ort ganz genau so.

Ich verstehe nicht so ganz, was du mit Terrainkontrolle meinst. Eine rein zu Fuß agierende Truppe hat doch niemals den nötigen Bewegungsradius, um sich in einem Flächenland wie Mali oder Afgahnistan auch nur ansatzweise die Herrschaft über das Terrain sichern zu können - erst recht nicht, wenn der Gegner selbst motorisiert ist.

Zitat: Beispielsweise war in Vietnam eines der erfolgreichsten COIN Programme das des USMC, wo Einheimische und Marines gemeinsam in Dörfern lebten und dort und in der Gegend dieser Dörfer verblieben. Statt umherzuziehen und Geister im Dschungel mit überzogen großer Treibjagden stellen zu wollen. Diese Einsatzweise wurde Combined Action Platoons genannt und ich habe mich recht lange damit beschäftigt. Sie war einer der in Vietnam erfolgreichsten Ansätze und die von mir skizzierte Jägertruppe wäre dafür besonders gut geeignet.

Vom Ansatz her sicherlich spannend, hochinteressant und erfolgsversprechend - aber warum können Jäger das besser als, sagen wir, Panzergrenadiere?


Zitat:
Demgegenüber war die Gesamtmasse des eingesetzten Sprengstoff früher wesentlich größer und richtete sich gegen ganze Flächen als solche. Schon im Ersten Weltkrieg wurden Äquivalente taktischer Nuklearwaffen eingesetzt und hat Infanterie in diesem Feuer überlebt wenn das Gelände das hergab. Heute ist die Wirkung genauer auf den Punkt, verteilt sich aber die Infanterie im Gelände (Dislozierung) und tarnt sich, dann greift diese skalierte präzise Feuerkraft leichte Infanterie weniger als jede Art von Fahrzeugen.

Nur weil Präzision jetzt erzielt werden kann und wir uns vornehmlich auf Präzision konzentrieren, bedeutet das nicht, dass auch der Gegner die Wirkung in der Fläche verloren hat. Ein russischer BM-30 bringt mit einer Salve 864 Submunitionskörper ins Ziel, die der Wirkung einer durchschnittlichen Feldartilleriegranate des 1. Weltkriegs in etwa entsprechen. Können die Russen damit aus dem Stand ein Artilleriebombardent wie bei der Somme auf die Beine stellen? Nein. Aber das konnte auch keiner der Kriegsteilnehmer im Jahr 1914. Ein von dir beschriebenes, disloziertes und getarntes Infanteriebataillon würde die Artilleristen des Jahres 1916 vor keinerlei Herausforderungen stellen: Entweder, die Feuerwalze erledigt das Problem - oder die Jäger sind zu weit von der Front entfernt, um der eigenen vorrückenden Infanterie auch nur nahe zu kommen. Erst, wenn sich deine Jäger auch noch zusätzlich eingraben (und das dürfen sie natürlich gerne disloziert tun), dann sieht die Sache anders aus.

Zitat: Und gerade deshalb auch die Aufgabe des hierarchischen Führungsprinzipes. Fällt nämlich dann ein Führer oder eine Führungsebene aus, ist der Verband trotzdem nicht eine Sekunde lang dadurch gelähmt oder beeinträchtigt. Starre Hierarchien und Befehlsketten werden im nächsten großen konventionellen Krieg untergehen.

Grundsätzlich: Flexibilität und Redundanz sind für alle Einheiten wichtig, und gerade hier kann die Tradition der Auftragstaktik sehr viel herausreißen, wenn man sie denn richtig anwendet. Hier würde ich den Schwerpunkt (sprich die Bestenauslese und meinetwegen gerne "auf römische Weise", also weitgehend Laufbahndurchlässig) aber auf den Generalstab fokussieren. Schlechte Führung auf taktischer Ebene verliert mir ein Gefecht - schlechte Führung auf Armeeebene den Krieg.
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#96
Lieber @Nelson,
Ich möchte heute Abend noch näher auf Deine interessanten Einwände eingehen, aber einen Punkt möchte ich vorziehen:

Zitat:Schlechte Führung auf taktischer Ebene verliert mir ein Gefecht - schlechte Führung auf Armeeebene den Krieg.

Gefechte werden von Gruppen und Zügen gewonnen. Jede weitere Ebene darüber (hinaus) hat:
erstens Kämpfe und Kampftruppe so zu organisieren, daß diese ihre Arbeit in ihrem Bereich auch leisten kann.,
und zweitens aus den erfochtenen Erfolgen auch etwas draus zu machen, also gewonnene Vorteile zu verwerten.

Nach Carl von Clausewitz lehrt Taktik den Gebrauch der Kräfte, während Strategie den Gebrauch der Gefechte lehrt.

Überhaupt stehen sich Taktik und Strategie nicht gegenüber wie Süßwasser und Salzwasser, sondern vielmehr wie Tropfen und Lacke.

Strategie ist die äußere Form, die durch Taktik ausgefüllt wird.

Scheiternde Taktik kann den "Krieg" verlieren.
Scheiternde Strategie ebenso.
Scheiternde Politik auch.

Auch auf Armeeebene ist Taktik neuralgisch. Bedenke: Es gibt ja nicht nur Gefechtstaktik, sondern auch operative Taktik.
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#97
@Nelson:
Zitat:Ich glaube, du unterschätzt das, was bei den Buren und Apachen an kriegerischer Kultur geherrscht hat. Ich will nicht bestreiten, dass die Ausbildung verbessert und damit auch bessere Ergebnisse eingeholt werden können - aber bestimmte Sachen lernt man dennoch nicht eben so. Nehmen wir einen durchschnittlichen burischen Farmersjungen, etwa achtzehn Jahre alt. Vermutlich konnte er reiten, bevor er sechs Jahre alt war und hat sein erstes Kleinwild erlegt, bevor er zwölf wurde. Mit Vierzehn hat er dann sehr wahrscheinlich schon zusammen mit seinem Vater und seinen Brüdern Vieh gehütet und ist auf Jagd gegangen. Als ihn die Gesellschaft (also in diesem Falle eher die calvinistische Kirche als der Freistaat) zu den Waffen ruft, hat er also bereits mehrere Jahre Erfahrung darin, sich im Gelände zu bewegen, aus dem Lande zu leben, zu schießen, zu reiten und sich mit anderen dabei zu koordinieren. Passenderweise zieht er jetz auch noch genau an der Seite dieser Leute in den Kampf. Kann ich diese Fähigkeiten auch im Nachhinein noch erlernen? Natürlich. Werde ich darin die gleiche Meisterschaft erreichen wie jemand, der schon in frühester Kindheit begonnen hat? Die Sportwissenschaft sagt für die Masse der Fälle etwas anderes. Hinzu kommt noch der eigentliche kulturelle Aspekt des unbedingten Wehr - und Unabhängigkeitswillens.

Wirklich interessant das zu lesen. Du beleuchtest das sehr gut, wie ich finde. Eingedenk des Mißverhältnisses zwischen Anforderungen an eine (eventuell) zukünftige Infanterie und den dafür zur Verfügung stehendem Personal, sollte der Erfolg nicht darin gesucht werden, von vornherein personell begünstigt zu sein. Die Überlegenheit liegt heute (beispielsweise und unter anderem) in der Informationsgeschwindigkeit (Aufklärung, Kommunikation, Datenverarbeitung), im hohen Organisationsgrad während jeder Phase oder schlichtweg überlegener Waffenwirkung.

Unter Napoleon gab es mehr als einmal die Besonderheit, daß Dragoner (berittene Infanterie) schwere Kavallerie-Attacken ritten - und zwar mit glänzendem Erfolg.
Die schwere Kavallerie (sie war auch die teuerste) war exklusiv dem Adel oder jedenfalls Abkömmlingen von Stand vorbehalten. Die sehr viel "billigeren" Dragoner waren geringeren Standes. Sie waren aber auch kampftüchtiger - eine Situation wie Du sie hier beschreibst. Und sie haben ohne entsprechende Ausbildung, ohne entsprechende Ausrüstung und ohne entsprechende Pferde erfolgreich Kavallerieattacken nach Art der schweren Kavallerie unternommen - erfolgreich. Warum? Man könnte salopp sagen: Weil sie es können. Sie wollten den Ruhm des triumphalen Durchbruchs nicht den "Schnöseln" überlassen. Waren diese doch nur materiell überlegen. Personell wäre die schwere Reiterei, so könnte man nun sagen, womöglich besser mit den hartgesottenen und naturverbundenen "einfacheren" Leuten besetzt.

Aber: Die Wirkweise der schweren Kavallerie ist eben nicht abhängig von dieser Art Menschentypus. Die so gefährliche schwere Kavallerie ist und bleibt gefährlich wegen vielem, aber bestimmt nicht maßgeblich von dem urigen Typ an Reiter.

Die Kampfweise, mit der man kämpfen möchte (oder muß), ist im Voraus festzulegen und mit einer hochwertigen Doktrin zu versehen. Ein hilfreiches Kriterium wäre dabei, die Erfolgsbedingungen nicht von überlegenen Basisfähigkeiten der Auszubildenden abhängig zu machen.

Zitat:Für diese Kampfweise würde ich im übrigen eine Verstärkung der Minenkampffähigkeit vorschlagen, und zwar sowohl offensiv als auch defensiv. Schützenminen sind eine Geißel der Menschheit, aber solange der Gegner sie einsetzt, bringt es uns überhaupt nichts, wenn nur unsere eigenen Kräfte von ihnen zerfetzt werden - zumal Schützenminen die billigste und effektivste Methode sein dürften, den Bewegungsradius derartiger leichter Infanteristen radikal einzuschränken.

Famos!

Zitat:Mir schwebt daher eine Kaderarmee vor (am ehesten vergleichbar mit der Reichswehr), die auf eine rasche Aufblähung vorbereitet ist und in der die Dienstgerade bereits für wesentlich höhere Aufgaben geschult und vorbereitet werden.

In Kombination mit einer durchmilizierten Bevölkerung wäre das gewaltig.

Zitat:Eine rein zu Fuß agierende Truppe hat doch niemals den nötigen Bewegungsradius, um sich in einem Flächenland wie Mali oder Afgahnistan auch nur ansatzweise die Herrschaft über das Terrain sichern zu können - erst recht nicht, wenn der Gegner selbst motorisiert ist.

Scharfschützen und Fernaufklärer haben ebenfalls niemals den nötigen Bewegungsradius ... erst recht nicht, wenn der Gegner motorisiert ist. Nun könnte man einwenden, daß leichte Infanterie ja nicht einfach aus Scharfschützen und Fernaufklärern besteht. Aber an diesen beiden Gefechtsfeldrollen kann man eingängig zeigen, daß es um Einsatzweisen geht. Oder vielleicht noch eingängiger: Samurai gegen Ninja. Ein Samurai exponiert sich bewusst (deshalb auch die Rüstung), ein Ninja will grundsätzlich nicht wahrgenommen werden. Dies gilt für Gefechtsfeldaufgaben. Sollte leichte Infanterie aus irgendeinem Grund als Patrouilleure über weitläufiges Terrain fungieren müssen, sind diese für diese Aufgabe und während der gesamten Dauer mit entsprechenden Fahrzeugen inkl. Bordpersonal auszustatten. Es ist eine Zweckentfremdung, die aber sehr, sehr leicht erreichbar ist. Dann hat man etwa im Beispielland Mali so etwas wie die frühere südafrikanische Koevoet.

Zitat:... aber warum können Jäger das besser als, sagen wir, Panzergrenadiere?

Nur Saddam Hussein hat seine Panzer eingegraben.
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#98
Ich finde da braucht man nicht zu den Apachen oder den Buren zurückzuschauen. Diese Unterschiede gibt es auch heute noch. In den USA ist es nicht unüblich dass 6jährige schon gezielt Schießen können und auch dementsprechend wöchentlich mit ihren Eltern trainieren. Das kann man nicht aufhohlen wenn man in Deutschland erst bei der Bundeswehr als 18jähriger eine Waffe in die Hand bekommt. Auch sind in den USA Pfadfindergruppen noch stark verbreitet und dort lernen Kinder und Jugendliche auch schon einiges an Rüstzeug für die Bewegung in Wald und Feld. Kein Vergleich zu westeuropäischen Sofakartoffeln.
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#99
@lime:

Bei uns im Panzergrenadierbataillon kamen 80 Prozent der Grundwehrdiener aus der relativ entfernten Steiermark, weil man aus ihnen Grenadiere machen konnte. Die sich näher befindlichen Wiener waren in großen Anteilen vollkommen unbrauchbar.

Es wird immer ein Vorteil sein, wenn man Spitzenleute bekommt. Je weiter die Zeit in der Geschichte zurückreicht, umso gewichtiger ist dieser eine Faktor.
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Zitat: Auch auf Armeeebene ist Taktik neuralgisch. Bedenke: Es gibt ja nicht nur Gefechtstaktik, sondern auch operative Taktik.

Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Wollte sagen: Je weiter oben in der Rangordnung die Fehler passieren, desto katastrophaler werden die Folgen in der Regel sein. Eines der Probleme dabei ist: Das Militär kann sich im Grunde nur um operative und taktische Fragen kümmern, während die wirklichen strategischen Fragen eigentlich in den Bereich der Politik fallen (müssen). Leider versteht es die europäische Politik ganz hervorragend, ihren diesbezüglichen Sachverstand (so vorhanden) ausgezeichnet zu verschleiern.

Zitat: Unter Napoleon gab es mehr als einmal die Besonderheit, daß Dragoner (berittene Infanterie) schwere Kavallerie-Attacken ritten - und zwar mit glänzendem Erfolg.
Die schwere Kavallerie (sie war auch die teuerste) war exklusiv dem Adel oder jedenfalls Abkömmlingen von Stand vorbehalten. Die sehr viel "billigeren" Dragoner waren geringeren Standes. Sie waren aber auch kampftüchtiger - eine Situation wie Du sie hier beschreibst. Und sie haben ohne entsprechende Ausbildung, ohne entsprechende Ausrüstung und ohne entsprechende Pferde erfolgreich Kavallerieattacken nach Art der schweren Kavallerie unternommen - erfolgreich. Warum? Man könnte salopp sagen: Weil sie es können. Sie wollten den Ruhm des triumphalen Durchbruchs nicht den "Schnöseln" überlassen. Waren diese doch nur materiell überlegen. Personell wäre die schwere Reiterei, so könnte man nun sagen, womöglich besser mit den hartgesottenen und naturverbundenen "einfacheren" Leuten besetzt.

Aber: Die Wirkweise der schweren Kavallerie ist eben nicht abhängig von dieser Art Menschentypus. Die so gefährliche schwere Kavallerie ist und bleibt gefährlich wegen vielem, aber bestimmt nicht maßgeblich von dem urigen Typ an Reiter.

Kürassiere hatten ihren Ursprung in der schweren Adelskavallerie und Dragoner sind aus berittener Infanterie hervorgegangen, völlig richtig. Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts waren Dragoner jedoch bereits in der Masse als Kavallerie einzusetzen und bildeten - etwa im britischen Heer - sogar ausschließlich die schwere Kavallerie. Der Unterschied zu Dragonern bestand vielerorts (außer in Preußen, wo er erst im Verlauf der Befreiungskriege wieder angelegt wurde) darin, dass Kürassiere eben einen Kürass trugen und vielleicht in geringem Maße mit noch etwas stärkeren Pferden und Rekruten versehen wurde als die Dragoner. Die Rekruten der Kavallerie konnten dabei sehr unterschiedlich sein, und es gibt schöne Berichte britischer Dragonerregimenter, in denen genug Mannschaften (teilweise in Gegenwart des Königs) mangels Reitkünsten von den Pferden plumpsten. Es gab nur extrem wenige Regimenter, die sich auch bei den Mannschaften ausschließlich aus gehobenen Schichten rekrutierten - bei den Franzosen etwa ab 1812 die wenig erfolgreichen Gardes d’honneur de la Garde impériale (leichte Kavallerie, nebenbei bemerkt). Das große Problem der Franzosen ab 1812 bestand ja gerade in einem Mangel an guter Kavallerie - weil diese sich eben nicht so schnell ergänzen ließ wie Infanterie. Hätte Napoleon 1813/1814 noch die Kavallerie von 1809 gehabt, so hieße meine Gegend wohl nach wie vor "Departement des Bouches de Weser".

Zitat: Scharfschützen und Fernaufklärer haben ebenfalls niemals den nötigen Bewegungsradius ... erst recht nicht, wenn der Gegner motorisiert ist. Nun könnte man einwenden, daß leichte Infanterie ja nicht einfach aus Scharfschützen und Fernaufklärern besteht. Aber an diesen beiden Gefechtsfeldrollen kann man eingängig zeigen, daß es um Einsatzweisen geht. Oder vielleicht noch eingängiger: Samurai gegen Ninja. Ein Samurai exponiert sich bewusst (deshalb auch die Rüstung), ein Ninja will grundsätzlich nicht wahrgenommen werden. Dies gilt für Gefechtsfeldaufgaben. Sollte leichte Infanterie aus irgendeinem Grund als Patrouilleure über weitläufiges Terrain fungieren müssen, sind diese für diese Aufgabe und während der gesamten Dauer mit entsprechenden Fahrzeugen inkl. Bordpersonal auszustatten. Es ist eine Zweckentfremdung, die aber sehr, sehr leicht erreichbar ist. Dann hat man etwa im Beispielland Mali so etwas wie die frühere südafrikanische Koevoet.

Zuzüglich zur Option einer ad-hoc - Motorisierung (grundsätzlich würde auch nichts dagegen sprechen, diese gleichfalls mit dem im Land vorhandenen Material wie z.B. Pickups durchzuführen - noch sind Führerscheine ja einigermaßen weit verbreitet, auch wenn selbst das bei vielen jungen Großstädtern schon bröckelt) bieten Drohnen natürlich die Möglichkeit, den Aufklärungs- und Schlagradius leichter Infanterie erheblich zu verbessern. Ein System wie die IAI Rotem wiegt mit sechs Kilogramm auch nicht mehr als ein Maschinengewehr oder ein leichter Mörser und kann sowohl zur Aufklärung als auch zum Angriff verwendet werden - mit optionaler Rückkehrfähigkeit. Ein derartiges System pro Zug sollte auch im Einsatz zu Fuß mitführbar sein, und sei es nur, um das Lagebild der Zugführung zu verbessern. Braucht man noch mehr Reichweite, so könnte man auf die IAI Green Dragon zurückgreifen - fünfundzwanzig Kilogramm Gewicht sind zwar nicht von Pappe (zumal das Steuerungsgerät sicherlich auch noch einiges auf die Waage bringt), aber im Rahmen des von Quintus angedachten Drohnen-Zuges könnte derartige Loitering Munition durchaus ihren Platz finden.
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(10.12.2020, 17:13)Nelson schrieb: Eines der Probleme dabei ist: Das Militär kann sich im Grunde nur um operative und taktische Fragen kümmern, während die wirklichen strategischen Fragen eigentlich in den Bereich der Politik fallen (müssen). Leider versteht es die europäische Politik ganz hervorragend, ihren diesbezüglichen Sachverstand (so vorhanden) ausgezeichnet zu verschleiern.

Der politische Wille in unseren Ländern ist ein amilitärischer.
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(08.12.2020, 23:45)Nelson schrieb: Für diese Kampfweise würde ich im übrigen eine Verstärkung der Minenkampffähigkeit vorschlagen, und zwar sowohl offensiv als auch defensiv. Schützenminen sind eine Geißel der Menschheit, aber solange der Gegner sie einsetzt, bringt es uns überhaupt nichts, wenn nur unsere eigenen Kräfte von ihnen zerfetzt werden - zumal Schützenminen die billigste und effektivste Methode sein dürften, den Bewegungsradius derartiger leichter Infanteristen radikal einzuschränken.

Minute 4:20 bis Minute 4:30, diese 10 Sekunden:
https://youtu.be/4Mmxpx7B1vY
16 Elite Russian Soldiers Fought a Swarm of 300 Syrian Jihadists
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@ Pogu

Hochinteressant! Gerade die Unterbindung bzw. Lenkung eines Angriffs macht Minen extrem wertvoll. Mir schwebt eine Art "Sprengfallennetz" vor - d.h. die Möglichkeit, Minen mit Freund-Feind- Kennung zu versehen und sie zielgerichtet fernzünden zu können. Nach Verlust der Verbindung würden sich die Minen in ihren herkömmlichen Modus schalten und 72 Stunden später wahlweise detonieren oder entschärft werden. Also in etwa analog zu moderner, "smarter" Submunition.
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(12.12.2020, 21:55)Nelson schrieb: Hochinteressant! Gerade die Unterbindung bzw. Lenkung eines Angriffs macht Minen extrem wertvoll. Mir schwebt eine Art "Sprengfallennetz" vor - d.h. die Möglichkeit, Minen mit Freund-Feind- Kennung zu versehen und sie zielgerichtet fernzünden zu können. Nach Verlust der Verbindung würden sich die Minen in ihren herkömmlichen Modus schalten und 72 Stunden später wahlweise detonieren oder entschärft werden. Also in etwa analog zu moderner, "smarter" Submunition.

Das wäre eine gehörige Kampfwertsteigerung, die zuerst sprunghaft die Tötungs- und Verstümmelungsrate anhebt und dann sehr bald und ebenso sprunghaft solcherart Angriffe tatsächlich ausbleiben lässt. Jedenfalls ist das das Potenzial.
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Ich hatte hier ja schon mal das israelische System vorgestellt, welches es erlaubt 40mm Granaten nach Wahl auch so abzufeuern, dass sie zeitverzögert oder auf Signal hin erst explodieren. Kann man zudem auch mit jeder anderen 40mm Munition mischen, so dass der Feind zuerst den Kopf einzieht, dann heraus kommt und dennoch getroffen wird. Aufgrund der geringeren Wirkung des 40mm Kalibers könnte man diese Fähigkeit auch sehr leicht auf 50mm umlegen, ohne dass dadurch Rückstoß, Waffenabnutzung und Gewicht unbeherschbar würden. Aber das hatten wir ja schon.

Darüber hinaus sehe ich beispielsweise aus genau diesem Grund in jeder Jäger-Fahne zumindest eine spezialisierte Pionier-Sektion vor - und man sollte hier nicht nur an vorgefertigte Minen denken, moderner Hochleistungs-Sprengstoff und entsprechende Zünder könnten hier vom größeren Nutzen sein.

Statt Minen einfach Sprengstoff zu verwenden könnte es zudem erlauben das Verbot von Landminen zu umgehen. Den ich setze dann ja per definitionem keine Minen ein. Zudem kann man so die Wirkung in einem viel größeren Bereich skalieren. Nehmen wir mal beispielsweise an, ein solcher Sturm-Pionier würde 5 kg modernen Hochleistungssprengstoff und eine ganze Reihe verschiedener leichter Zünder dabei haben. Dann kann er damit viele kleine Sprengladungen anbringen und damit ein ganzes Gebiet "verminen" - oder er könnte damit auch ein ganzes Haus vollständig zerstören in welchem sich Gegner aufhalten - ohne dass man dieses stürmen muss.

Die immense Bandbreite der erzeugbaren Wirkung, die einfachere Logistik, die geringeren Kosten, die einfachere Technik, die größere Menge an Wirkmittel welche hier mitgeführt werden kann, dass bessere Gewicht / Leistungs Verhältnis und die größere Flexibilität und Vielfältigkeit der Einsatzmöglichkeiten sprechen hier meiner Meinung nach für Sprengstoff statt Minen. Darüber hinaus ist moderner Hochleistungs-Sprengstoff absolut handhabungsicher, immun gegen Druck, Beschuss, Flammen etc und damit sehr sicher. Zudem sollten Jäger allesamt in der Herstellung und Verwendung improvisierter Spreng- und Brandmittel ausgebildet werden.
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