Ägypten
Erich schrieb:wobei sich die derzeitige Militärregierung zum Ausgleich von US-Zahlungen durchaus dann auf saudisches Geld stützen könnte.
Wir haben diese Fundamentalislamisten von der Halbinsel viel zu lange hofiert und unterstützt. Und ich sage bewusst "wir", weil die deutschen Panzerlieferungen an die Saudis denselben Dünnpfiff darstellen wie unsere Freunde jenseits des Atlantiks auch produzieren.

Ich denke, dass man insgesamt in Europa und den USA sehr froh darüber ist, dass man mit der neuen/alten Militärdiktatur eine Führung gefunden hat, mit der der Nachbar Israel leben kann. Als klares Signal hat das ägyptische Militär sofort nach dem Coup gegen Präsident Mursi die Tunnel zum Gazastreifen gekappt. Man kann sich denken, dass der ägyptische Staat selbst vorrangigere Probleme hätte.

Mit den Muslimbrüdern wäre das aus israelischer Sicht früher oder später schief gegangen. Daher auch von Anfang an die Ablehnung gegenüber den Muslimbrüdern durch Israel und den Westen. Man hat die ersten demokratischen Wahlen in der Geschichte Ägyptens(!) nicht als Durchbruch im arabischen Frühling gewürdigt oder begrüßt. Keine freundlichen Staatsbesuche zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten in der Geschichte Ägyptens. Hätte eine riesige Sause werden können, sofern man Sympathien für den Wahlgewinner gehegt hätte. Präseident Mursi selbst hat man aber bei seinen Besuchen und Offerten gen Europa so deutlich auflaufen und abblitzen lassen, dass man sich fast fremdgeschämt hat. Interessant auch sein Staatsbesuch bei Frau Merkel, wo Mursi groß von traditionell guten Beziehungen fabulierte und um deutsche Unterstützung warb, aber die einzigen öffentlichen Worte in seine Richtung von Merkel aus deutlichen Ermahnungen in Sachen Menschenrechten und Demokratie bestanden und Mursi dazu genötigt wurde zu erklären, dass er Juden keinesfalls ablehnt. Ein merkwürdiges (Schau)spiel.

Die Militärdiktatur ist insofern sehr genehm. Die "Westlichen Demokratien" können es sich aber aus medialen Gründen nicht erlauben, ihrerseits nun den Staatsstreich der Armee (über tausend Tote) offen zu begrüßen. Man ist genötigt nach außen ein wenig Beunruhigung zu zeigen. Daher ist es für die USA und Europäer überaus praktisch, dass Saudi Arabien die lebenserhaltenen Maßnahmen für den in Jahrzehnten der Misswirtschaft vollkommen herunter gewirtschafteten ägyptischen Staatshaushalt übernimmt, während man selbst die Militärhilfen für Ägypten zumindest erstmal prüfen will.

Übrigens ist vielleicht auch ein wenig untergegangen, dass es mit Saudi Arabien und Israel nicht nur zwei Gewinner gab. Mit der Türkei und Katar hat es auch zwei große Verlierer im ägyptischen Machtkampf gegeben.
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<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/aegypten2112.html">http://www.tagesschau.de/ausland/aegypten2112.html</a><!-- m -->
Zitat:Machtkampf in Ägypten

Muslimbrüdern droht Verbotsverfahren

Der ägyptischen Muslimbruderschaft droht ein Verbotsverfahren. Eine Kommission ägyptischer Richter, deren Aufgabe die Beratung der Übergangsregierung ist, empfahl eine Auflösung der Organisation und stellte einen Verbotsantrag beim Obersten Verwaltungsgericht.
...
man kann zu den Muslimbrüdern stehen wie man will - aber Fakt ist, dass Millionen von Ägyptern hinter den Muslimbrüdern stehen, und man einen so großen Bevölkerungsanteil nicht von der demokratischen Partizipation ausschließen darf.
Damit zwingt man Millionen von Ägyptern in die "geheime Opposition im Untergrund". Und viele davon werden dann auch zu Untergrundmethoden greifen. Das kann nicht gut gehen.
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Der Beginn einer fundamentalistischen Terrorwelle nach algerischem Muster?
Zitat:Bombenattentat in Kairo: Ägyptens Innenminister überlebt Anschlag

Attentäter haben einen Sprengstoffanschlag auf den ägyptischen Innenminister verübt. In der Nähe seines Konvois explodierte in Kairo eine Bombe. Mohammed Ibrahim blieb unversehrt. Ein Polizist wurde getötet, 73 Menschen verletzt.

Kairo - Eine Explosion hat einen Bezirk der ägyptischen Hauptstadt Kairo erschüttert. Die Bombe galt dem Fahrzeugkonvoi von Mohammed Ibrahim, Innenminister des Landes. Während er unversehrt blieb, starb ein Polizist bei dem Anschlag. Die Behörden zählten insgesamt 73 Verletzte. Darunter sind eine britische Passantin und zehn Polizisten.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/autobombe-in-kairo-aegyptens-innenminister-ueberlebt-anschlag-a-920557.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/a ... 20557.html</a><!-- m -->

Schneemann.
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<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.ria.ru/politics/20130913/266870862.html">http://de.ria.ru/politics/20130913/266870862.html</a><!-- m -->
Zitat:Kairo will privilegierte Beziehungen mit Russland wieder herstellen

19:24 13/09/2013


KAIRO, 13. September (RIA Novosti). Kairo will das frühere Niveau der Beziehungen mit Russland wieder erreichen, wie der ägyptische Außenminister Nabil Fahmy am Freitag in einem Interview mit RIA Novosti sagte.
...
Russland ist der engste Verbündete von Assad - und die Muslimbrüder waren die engsten Verbündeten der syrischen Rebellen - das könnte auch eine Annäherung zwischen der ägyptischen und der syrischen Regierung zur Folge haben.
Damit würde sich Ägyptens Regierung auch noch mehr von den Saudis und deren Proteges, den Salafisten, entfernen.
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Ich kann darin nur lesen, dass Russland den russischen Medien zufolge seine Rolle gestärkt hat. Wohin sich das neue/alte ägyptische Regime orientiert weiß niemand so genau. Vielleicht nicht mal sie selbst. Entscheidend wird am Ende vermutlich sein, woher das Geld kommt. Und das kommt nicht aus Russland sondern aus Saudi Arabien, welches übrigens bis dato keine guten Beziehungen zu den Muslimbrüdern pflegt. Insofern macht das für beide Seiten (ägypt. Militär und Sauds) auch Sinn.

Mit dem gewaltsamen Sturz der demokratisch gewählten Muslimbrüder und den jüngsten Offensiven des ägyptischen Militär gegen die Logistik der Muslimbrüder aus dem Gaza Streifen (Hamas) führt Saudi Arabien einen Proxy Krieg gegen Katar, dem Hauptfinancier der Muslimbrüder. Um Katar ist es in letzten Wochen, insbesondere nach der Ernennung des neuen Emirs und er kapitalen Niederlage in Ägypten, auch auffallend ruhig geworden. Wo Russland sich hier im arabischen Machtkampf im Detail wieder finden kann und möchte, ist mir nicht klar. Hauptmessage Deines Artikels, Erich, ist jedenfalls "Russland ist total wichtig".
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Shahab3 schrieb:.... Hauptmessage Deines Artikels, Erich, ist jedenfalls "Russland ist total wichtig".
das entspricht der Quellenmeinung - und das blende ich für mich aus, weil sich dabei sehr viel "Wunschdenken" eingeschlichen haben könnte; mir genügt die Angabe der Fakten, um einen möglichen Entwicklungstrend und die sich daraus zwangsläufig ergebenden Fragen anzusprechen.
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Zitat:Sun Sep 15, 2013 4:35
Egypt Army Continues Sinai Crackdown against Militants
...
Military helicopters were seen over the border with Gaza as Egypt's military announced that a militant attack had been foiled.

On Saturday, army forces discovered explosives under a border guard post in Rafah and later found a detonator 800 meters away.
....
<!-- m --><a class="postlink" href="http://english.farsnews.com/newstext.aspx?nn=13920624001049">http://english.farsnews.com/newstext.as ... 0624001049</a><!-- m -->

Gefecht an der Grenze zum Gazastreifen = Gefechte zwischen ägyptischer Armee und Hamas?
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Hierzu auch:
Zitat:Egypt army storms Islamist-held town

Egyptian troops have stormed the central town of Dalga, which has been held by Islamists loyal to the ousted president, Mohammed Morsi.

Army and police backed by helicopters entered the town early on Monday. Coptic Christians living in the town of 120,000 people had appealed for help, saying they could not pray safely and were being taxed by "thugs".
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-24110864">http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-24110864</a><!-- m -->

Schneemann.
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Zitat:Schwerer Schlag für Ägyptens Muslimbrüder: Ein Gericht in Kairo hat die politische Bewegung des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi verboten. Zudem ordneten die Richter an, die Vermögen der Organisation zu beschlagnahmen, wie das Staatsfernsehen berichtete. Die Gründe für das Verbot, mit dem die ägyptische Übergangsregierung die Gangart gegen die Anhänger von Ex-Präsident Mohammed Mursi weiter verschärft, wurden zunächst nicht bekannt. Gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden.

Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/naher-osten-und-afrika/Aegypten-verbietet-Muslimbruderschaft-/story/12496364">http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/nah ... y/12496364</a><!-- m -->

Abschluss der Restauration in Ägypten?
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Ägypten scheint mit Hamas und Konsorten die Geduld zu verlieren:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.jpost.com/Middle-East/Report-Egypts-army-is-planning-to-attack-targets-in-Gaza-327769">http://www.jpost.com/Middle-East/Report ... aza-327769</a><!-- m -->
Zitat:Report: Egypt's army planning to attack targets in Gaza

Source: Egyptian Army is specifically targeting the extremist groups in Gaza who are regarded as hostile.

Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, das Ägypten in den Gaza-Streifen einmarschiert.
Die Hamas - und einige andere Gruppen - wären dann wohl so gut wie erledigt.
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Nun, das Land wird erst einmal selbst zur Ruhe finden müssen: In Ägypten hat es heute anläßlich der Nationalfeiern zum Beginn des Yom Kippur-Krieges vor 40 Jahren erneut schwere Zusammenstöße zwischen Armee und fundamentalistischen Demonstranten gegeben. Dabei gab es erneut zahlreiche Todesopfer...
Zitat:Großdemonstrationen zum Nationalfeiertag

Dutzende Tote bei Krawallen in Ägypten

Bei landesweiten Protesten der Muslimbrüder gegen die Regierung in Ägypten ist es erneut zu blutigen Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften gekommen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden mindestens 28 Menschen getötet, mehr als 90 wurden verletzt. Die meisten Toten gab es in Kairo, wo die Polizei gewaltsam gegen die Anhänger des früheren Präsidenten Mohammed Mursi vorging. [...]

Mehr als 300 Islamisten festgenommen

Auch in anderen Städten postierten sich die Sicherheitskräfte um die wichtigen Plätze. Zuvor hatte die Armeeführung den Islamisten offen gedroht. Der Sprecher des Übergangspräsidenten Adli Mansur sagte: "Wer an diesem Jahrestag gegen die Armee demonstriert, handelt im Sinne ausländischer Agenten und nicht als Aktivist." Landesweit wurden mehr als 300 Islamisten festgenommen.

Der 6. Oktober ist in Ägypten ein Nationalfeiertag. 1973 hatten ägyptische Truppen an diesem Tag zusammen mit syrischen Verbänden Israel angegriffen. Der Konflikt ist nach dem jüdischen Feiertag Jom-Kippur benannt, da der Angriff am höchsten Fest der Israelis stattfand.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/aegypten-demos100.html">http://www.tagesschau.de/ausland/aegypten-demos100.html</a><!-- m -->

Schneemann.
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Nach den letzten schweren Ausschreitungen mit zahlreichen Todesopfern durch die Sicherheitseinheiten im Lande, scheint sich die Lage weiter zu verschlechtern, insbesondere nun durch die "Reaktionen" der extremistischen Gruppierungen: So ereigneten sich zahlreiche Terrorakte mutmaßlicher Islamisten, darunter ein Autobomben-Anschlag...
Zitat:Middle East

Multiple attacks target Egypt state security

At least ten people killed in suicide bombing on Sinai and drive-by shooting in Ismailia. Ten people were killed in three separate attacks in Egypt on Monday, most of them soldiers and police officers, in a fresh round of violence that followed violent clashes across the country one day earlier.

The deadliest attack was in the Suez Canal city of Ismailia, east of Cairo, where masked gunmen opened fire on an army patrol. Six soldiers were killed, including a lieutenant. Meanwhile on Sinai, a suicide car bomber attacked the security headquarters in the southern city of El-Tor. Four people were killed, including the bomber, and 55 more were injured. [...]

Attackers also targeted the compound housing Egypt's main satellite earth station in Maadi, a suburb south of Cairo, firing at least two rocket-propelled grenades. [...] "We are expecting worse," a senior security official told the Associated Press...

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.aljazeera.com/news/middleeast/2013/10/egypt-unrest-continues-with-series-attacks-201310716028596332.html">http://www.aljazeera.com/news/middleeas ... 96332.html</a><!-- m -->

Beinahe zur gleichen Zeit scheinen die Vereinigten Staaten ihre Milliardenhilfe für die ägyptischen Streitkräfte zumindest zu überdenken und denken "laut" über Kürzungen nach:
Zitat:Ägypten: USA erwägen drastische Kürzung von Militärhilfe

Die USA wollen nach Angaben der „Washington Post“ „einen wesentlichen Teil der nicht wesentlichen Militärhilfe“ für Ägypten streichen. Als Hintergrund der Entscheidung nennt die „New York Times“ („NYT“) die andauernden gewaltsamen Zusammenstöße in Ägypten.

Eine offizielle Ankündigung solle in den kommenden Tagen erfolgen [...]. Betroffen sei vor allem die Lieferung von Militärgerät wie Kampfhubschraubern des Typs Apache. Washington werde aber weiterhin wichtige Ersatzteile für militärische Ausrüstung liefern. Auch die Unterstützung der Militäreinsätze auf der Halbinsel Sinai und von Anti-Terror-Einsätzen sei nicht betroffen, hieß es.

Ägypten erhält von Washington derzeit Militärhilfen im Wert von etwa 1,2 Milliarden Dollar (900 Mio. Euro) pro Jahr.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://orf.at/stories/2201611/">http://orf.at/stories/2201611/</a><!-- m -->

Das könnte die falsche Entscheidung zum falschen Zeitpunkt sein. Jetzt, nachdem sich offenkundig die Konflikte zwischen Staatsapparat und Islamisten auch außerhalb des Sinai schon erheblich hochgeschaukelt haben (auf der Halbinsel haben wir eh schon de facto eine schwelende Kleinkriegslage), ist es im Grunde schon zu spät, nun zu versuchen, mit Kürzungsdrohungen die Lage zu beruhigen bzw. das ägyptische Militär so zur Zurückhaltung zu zwingen. Derweilen wäre es nun eher an der Zeit, den ägyptischen Staatsapparat im Konflikt mit den Fundamentalisten zu stärken. Zumindest müsste dies eher im Interesse der USA, Europas sowie auch Israels sein.

Schneemann.
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Schneemann schrieb:Das könnte die falsche Entscheidung zum falschen Zeitpunkt sein. Jetzt, nachdem sich offenkundig die Konflikte zwischen Staatsapparat und Islamisten auch außerhalb des Sinai schon erheblich hochgeschaukelt haben (auf der Halbinsel haben wir eh schon de facto eine schwelende Kleinkriegslage), ist es im Grunde schon zu spät, nun zu versuchen, mit Kürzungsdrohungen die Lage zu beruhigen bzw. das ägyptische Militär so zur Zurückhaltung zu zwingen. Derweilen wäre es nun eher an der Zeit, den ägyptischen Staatsapparat im Konflikt mit den Fundamentalisten zu stärken. Zumindest müsste dies eher im Interesse der USA, Europas sowie auch Israels sein.

Der "ägyptische Staatsapparat" ist nett gesagt, ist er doch tatsächlich eine astreine Militärjunta, die ihre Halbwertszeit bereits überschritten hatte. Also eine Art wieder zum Leben erwachter Zombie mit Axt im Rücken. Sie wird zweifelsohne wieder stürzen. Das ist auch den tatsächlichen Hoffnungsträgern Europas um den Liberalen Mohamed ElBaradei sonnenklar. Die stehen wohl gerade bewusst im Hintergrund. Die Frage ist wie und durch wen dieser erneute Sturz stattfindet. Dass die USA ihre Hilfsgelder für das ägyptische Militär kürzen trägt diesem Umstand ebenfalls Rechnung. Das ist keine Karte auf die man hohe Summen setzt, da sie verlieren wird. Die Frage ist nicht ob, sondern wann, wie und durch wen?

Die abgesetzten Muslimbrüder, weiterhin ein demographisches Schwergewicht, werden sicherlich nicht plötzlich aufhören Muslimbrüder zu sein, nur weil ihre Partei verboten wurde. Die Radikalen, also die Salafisten, werden mit jeder Iteration des Kreislaufs Militärjunta -> Revolution X1 -> Militärjunta -> Revolution Xn größeren Zulauf erfahren, gerade auch von Seiten der Muslimbrüder. Die ägyptische Gesellschaft wird tendenziell ebenfalls mit jeder Iteration weiter auseinanderdriften, es sei denn ein großer Führer kommt von irgendwoher und durchbricht damit diesen Prozess.

Deine Forderung die Militärjunta zu stärken, kommt damit mechanisch einer Stärkung der Salafisten und einer Zunahme des Konfliktpotentials gleich. Das erscheint nur auf den ersten Blick paradox. Die Saudis sind extrem clever und haben diese Mechanik durchschaut. Sie haben begonnen sowohl den ägyptischen Salafisten sowie auch den ägyptischen Militärs sehr hohe Geldsummen in die Hände zu geben. Damit halten sie den genannten mechanischen Hebel komplett in ihrer Hand.

Da Du Israel erwähnst. Sie werden sich zukünftig nicht mehr mit arabischen Nationalisten auseinandersetzen müssen. Von dort lauerte die Hauptgefahr existentieller Natur für den zionistischen Staat. Mit Radikalislamisten hatten sie doch in Wahrheit bisher noch den geringsten Ärger, allenfalls Geplänkel. Deine Sorge ist also vollkommen unbegründet. Ein anti-israelisch angehauchter, arabischer Nationalismus in Ägypten wäre die deutlich größere Gefahr.

Zu der aktuellen Entwicklung auf der Sinau Halbinsel hat SpOn einen lesenswerten Artikel veröffentlicht:

Zitat:Blutige Militärkampagne: Auf dem Sinai wächst die Wut auf Ägyptens Armee

Von Christoph Sydow

Ägyptens Militär geht auf dem Sinai gegen Terroristen vor, heißt es offiziell. Doch die Bewohner der Halbinsel berichten von wahllosen Angriffen. Die Armee walzt ganze Straßenzüge nieder und entfacht so den Zorn der Einheimischen.
...
Die staatlichen Medien in Kairo, die den Kurs der neuen Führung widerspruchslos unterstützen, behaupten, dass die Menschen auf dem Sinai - Beduinen, Stammesführer, lokale Würdenträger - die Armeeoffensive begrüßen würden. Ein ungeschöntes Bild der Lage zu bekommen, ist schwierig, denn das Militär hat die Halbinsel fast komplett abgeriegelt. Armeechef Sisi will verhindern, dass das Image der heldenhaften Streitkräfte Risse bekommt.
...
Jetzt ist es Journalistinnen der US-Online-Magazine "Slate" und "McClatchy" gelungen, auf den Sinai vorzudringen. Ihre Berichte bestätigen Abu Draas Vorwürfe. Die ägyptische Armee gehe in der Region nicht nur gegen angebliche Aufständische vor, sondern gegen jeden, der Kontakte mit mutmaßlichen Rebellen unterhält. In der von Stammesbeziehungen geprägten Beduinen-Gesellschaft ist das fast jeder.
...
Nach Angaben von Ibrahim al-Minai, der ein Bündnis verschiedener Stammesgruppen auf dem Sinai anführt, sind seit Beginn der Militäroperation mindestens 52 Zivilisten von der Armee getötet worden - unter ihnen 16 Frauen und Kinder. "Diese barbarischen Taten haben zu einem Vertrauensverlust geführt, der in hundert Jahren nicht wieder gutzumachen ist", sagte Minai dem "Slate"-Magazin. "Wenn wir uns verteidigen müssen, werden wir das tun." Die Armee reagierte auf ihre Weise: Zwei Tage, nachdem Minai mit der Journalistin Nadine Marroushi gesprochen hatte, bombardierte das Militär seine beiden Häuser und die Versammlungshalle seines Stammesverbands.
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<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/aegypten-auf-dem-sinai-waechst-wut-auf-armee-und-sisi-a-926949.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/a ... 26949.html</a><!-- m -->

Das geht also womöglich noch früher in die Hose, wie gedacht...
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Zitat:Der "ägyptische Staatsapparat" ist nett gesagt, ist er doch tatsächlich eine astreine Militärjunta, die ihre Halbwertszeit bereits überschritten hatte. Also eine Art wieder zum Leben erwachter Zombie mit Axt im Rücken. Sie wird zweifelsohne wieder stürzen
Jein, genau genommen ist der Staatsapparat in Ägypten eine Junta, dies ist absolut und völlig korrekt. Aber man darf auch nicht vergessen, dass der Ansatz zum Aktivwerden dieser Junta aus dem Volk selbst kam. Es war nicht der Wille alleine der "Sicherheitsorgane" (bewusst in Anführungszeichen), die Muslimbrüder und Mursi wegzuputschen. Es war vielmehr eine Situation, dass man sich eines "zweiten Frühlings" gewahr werden konnte und evtl. auch musste: Hunderttausende von ägyptischen Bürgerinnen und Bürgern strömten zu Massenprotesten gegen die Muslimbrüder-Regierung zusammen, in einem Ausmaß, das man ansonsten bisher eigentlich nur von den Demonstrationen gegen Mubarak kannte. Ich mutmaße, dass die Militärs dies zum Anlaß bestens willkommen hießen, dies mag durchaus so sein, aber man kann nicht nur alleine vom Willen eines Militärregimes direkt sprechen...
Zitat:Die Radikalen, also die Salafisten, werden mit jeder Iteration des Kreislaufs Militärjunta -> Revolution X1 -> Militärjunta -> Revolution Xn größeren Zulauf erfahren, gerade auch von Seiten der Muslimbrüder.
Da habe ich hingegen Zweifel. Ich habe vor einem Jahr nicht mal im Traum daran gedacht, dass sich die ägyptische Bevölkerung gegen die Muslimbrüder auflehnen wird. Ich wurde überrascht und habe mich geirrt.
Zitat:Die ägyptische Gesellschaft wird tendenziell ebenfalls mit jeder Iteration weiter auseinanderdriften

Möglich, aber ich glaube es nicht unbedingt. Ägypten ist ein altes und vergleichsweise gewachsen-ruhiges Land (trotz einer sehr jungen Bevölkerung); es gibt dort Radikale und Vordenker einer Islamisierung und einer salafistischen Expansion, so wie in vielen muslimischen Staaten und Randstaaten des Maghreb und des Nahen Ostens auch, aber ich glaube, dass sie dort keine Mehrheit haben und finden werden - Junta hin oder her...

Schneemann.
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Interessant ist wie das Militär dem "Willen des Volkes" nachgeholfen hat, indem sie in den Wochen vor dem Putsch allen Betrieben und Fabriken die sie kontrollieren niedrige Ausfuhrquoten auferlegt haben. Allein hierdurch wurden Millionen auf die Straße getrieben. Denen ging es sicherlich nicht um die länge der Ministerbärte, sondern um eine verkorkste Versorgungslage, für die man Mursi und die Partei verantwortlich gemacht hat. Sicherlich gab es unter den 80 Mio. Ägyptern den einen oder anderen Bevölkerungsteil der unzufrieden mit seinem Wahlsieg und seiner Vorstellung von Politik war, aber zu behaupten, dass der Großteil des Volkes sich dezidiert und politisch gegen die Herrschaft der Muslimbrüder und ihrer Ideologie aufgelehnt(und so einen Putsch gerechtfertigt) hätte ist eine Verzerrung des tatsächlichen Willens der Mehrheit der Bevölkerung. Dieser ging es nämlich mehrheitlich um Sicherheit, Ordnung und Versorgung.

Zitat:Die Frage, ob die Machtübernahme des Militärs eine Reaktion auf die Massenproteste gegen Mursis Herrschaft oder von langer Hand vorbereitet war, ist keineswegs akademisch. Beobachter sehen das plötzliche Auftreten von Versorgungsengpässen bei Strom, Benzin und Gas während Mursis letzter Amtstage als Hinweis darauf, dass Anhänger des alten Regimes alles getan hätten, das Volk gegen den Islamisten aufzubringen.
[...]
Jetzt, nach der Machtübernahme des Militärs, sind die Schlangen an den Tankstellen verschwunden und die Stromausfälle auch. Die Versorgung funktioniert wieder. Ein ehemaliger Sprecher des zuständigen Ministeriums sagte der New York Times: "Es war die Vorbereitung eines Coups. Kräfte in der Verwaltung, die die Infrastruktur von den Lagerhäusern bis hin zu den Benzinlaster kontrollieren, haben die Krise geschaffen."

Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/milit...-1.1720837
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