Italien
(10.08.2023, 10:51)Quintus Fabius schrieb: Das sich ausgerechnet Rechte heute in Europa so oft als Pro-Russisch zeigen, ist ohnehin eine Absurdität. Rechte Politik kann eigentlich in Wahrheit nur Anti-Russisch sein oder vielmehr sollte sie dies sein.

pro/kontra-russisch hat eher weniger mit links oder rechts zu tun, sondern eher mit der traditionellen Ausrichtung dieser Parteien. Melonis Partei dürfte von ihren Wurzeln her schon antirussisch sein. Dagegen sind die bulgarischen linken Sozialisten/Sozialdemokraten zum Beispiel pro-russisch.
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Da ist es wieder: das links/rechts-Definitions-Dilemma.

Quintus hat recht, wenn man unter "rechts" eine konstruktiv-nationalistisch-konservative Ausrichtung versteht. Nur sind viele "rechte" Parteien in Europa heute eben eher egoistisch-populistisch-autoritär ausgerichtet. Und diesen steht dann der gleichermaßen tickende Russe/Chinese/etc. näher als die eigene Nation, die dieser Ideologie in weiten Teilen eben nicht folgt.
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(12.08.2023, 14:17)Broensen schrieb: Da ist es wieder: das links/rechts-Definitions-Dilemma.

Quintus hat recht, wenn man unter "rechts" eine konstruktiv-nationalistisch-konservative Ausrichtung versteht. Nur sind viele "rechte" Parteien in Europa heute eben eher egoistisch-populistisch-autoritär ausgerichtet. Und diesen steht dann der gleichermaßen tickende Russe/Chinese/etc. näher als die eigene Nation, die dieser Ideologie in weiten Teilen eben nicht folgt.

Das kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn Nationalismus ist doch im Regelfall auch immer egoistisch in Bezug auf die eigene Nation. Auch eine autoritäre Ausrichtung ist bei rechten Parteien Normalität. Bleibt noch der Populismus, der sich aber zumindest zum Teil aus den originären Forderungen dieser Parteien ergibt und deshalb nur zum einem gewissen Teil aufgesetzt ist. Meist dürfte dies die Sozialpolitik betreffen, wobei wohl zumindest einige dieser Parteien soziale Wählergeschenke auch tatsächlich und nicht nur zum Schein (Wählerfang) vertreten. Insofern sehe ich in der Bezeichnung bis auf das Wort konstruktiv keinen großen Unterschied.
Lässt man mal die traditionelle Einstellung zu Rußland und China außen vor dann dürfte die pro-Haltung zu diesen Staaten wohl hauptsächlich dadurch getriggert werden dass die politischen Gegner dieser Parteien eben auch Gegner Rußlands/Chinas sind. Populismus in Sachen Wirtschaft (Rohstoffimporte usw.) dürften zwar auch eine Rolle spielen aber eher nachrangig sein.
Meloni betreffend vermute ich dass sie Italien gern als Gasdrehscheibe sehen würde über die in Zukunft verstärkt Gas aus Algerien, Libyen usw. in die EU geliefert wird. Da ist Rußland als theoretisch preisgünstigster Lieferant einfach im Weg. Also dürften hauptsächlich egoistische Motive eine Rolle spielen. Vom Wohlwollen aus den Kreisen der EPP usw. mal ganz abgesehen, die Meloni ja schon quasi hofieren, seitdem sie sich auf die ukr. Seite gestellt hat und nach ihrer Wahl keinen Konfrontationskurs gegen die EU eingeschlagen hat.
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lime:

Ich kann dir schon zustimmen, dass die Frage der Russlandhörigkeit nicht direkt davon abhängt ob man Rechts oder Links ist, und es gibt ja auch beispielsweise bei der Linken in Deutschland ganz genau so unbelehrbare Russlandfreunde.

Aber meiner Wahrnehmung nach sind eben viele Rechte Parteien auffallend Pro-Russisch und spezifisch in Bezug auf Deutschland sind die Positionen in der AfD in Bezug auf Russland hier zu nennen. Und dass ausgerechnet die AfD solche Ansichten pflegt und/oder gestattet ist es was ich meinte, dass heute rechte Parteien in Russland eben nicht mehr eindeutig und geschlossen den Feind sehen.

Zitat:Lässt man mal die traditionelle Einstellung zu Rußland und China außen vor dann dürfte die pro-Haltung zu diesen Staaten wohl hauptsächlich dadurch getriggert werden dass die politischen Gegner dieser Parteien eben auch Gegner Rußlands/Chinas sind.

Wahrscheinlich ist da was dran, aber genau das ist es was ich nicht verstehe: wenn man ein Nationalist ist, zumal ein deutscher Nationalist, wie kann man dann Pro-Russisch sein ? Nur weil Russland allem was die Linksgrünen so meinen diametral entgegen steht und damit scheinbar ideologisch viel näher steht, heißt dass nicht, dass man als Nationalist eine pro-russische Position haben sollte. Die scheinbar gleiche Ideologie sollte eben nicht dazu führen, dass man eine andere Nation die schlicht und einfach ein Feind ist derart verkennt was diesen Aspekt angeht. Auch Nationen mit gleicher oder sehr ähnlicher Ideologie können verfeindet sein. Nur weil die Linksgrünen der "gemeinsame" Feind sind, gibt es dennoch keine Gemeinsamkeit.
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(13.08.2023, 00:05)Quintus Fabius schrieb: wenn man ein Nationalist ist, zumal ein deutscher Nationalist, wie kann man dann Pro-Russisch sein ?

Suchst du ernsthaft nach einer ideologischen Selbstreflektion bei den Menschen? Klar kann man ewig darüber diskutieren, dass die "echten" Nationalisten ja vor allem Bündnisse suchen, die ihre Macht sichern, dass eine große Zahl der Basis gar keine Nationalisten sind, sondern Protestler, die ihrerseits natürlich von der Partei bedient werden müssen um die nötigen Stimmen zu erhalten, dass es in der ganzen Gemengelage gar keine klare Richtung gibt außer der, dass man die Macht und Kontrolle will - je nach eigenem Gusto findet man da Argumente. Ich bin aber der festen Überzeugung, es liegt schlicht daran, dass die meisten Menschen sich einfach etwas vormachen, was die eigene Ideologie, die eigene Moral und Ethik, selbst die eigenen Wünsche und Bedürfnisse betrifft. Bewusst oder, vermutlich eher, unbewusst. Unter der Prämisse kann man alles Rechtfertigen, alles Schönreden, alles Ablehnen, alles Verunglimpfen, sich über alles Lustig machen, bei allem keinen Spaß verstehen. Maximale Willkürlichkeit.
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Was ich bei Italien aber so interessant finde, ist, dass man die Meloni-Regierung nicht so richtig fassen kann. Dieser Rückzug von der China-Politik der Lega Nord-Krawallnudel Salvini ist an sich schon überraschend genug, aber mit dem erkennbaren Anti-Putin-Kurs in Rom heben sich die italienischen Rechten doch deutlich ab von anderen rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien oder Politikern in Europa, damit meine ich nicht nur die AfD mit ihrem an Landesverrat grenzenden Russland-Schmusekurs, sondern ich denke z. B. auch an die FPÖ, den Rassemblement National in Frankreich oder an Herrn Orbans Fidesz, die allesamt sehr gerne nach Osten schauen.

Nun könnte man innenpolitisch argumentieren, mit einer Art von sozialistischem Italy-First-Gedanke, quasi einem heimisch-römischen "nationalen Sozialismus". Aber auch das findet nicht direkt statt; so fand ich es denn überraschend, wie rigide vor einigen Tagen die Meloni-Regierung das Bürgergeld in Italien zusammengekürzt und zugleich hunderttausenden Italienern die Sozialleistungen gestrichen hat (der SPIEGEL nannte es "Krieg gegen die Schwachen"). Das war ein brutaler innenpolitischer und sozialer Kahlschlag. D. h. auch hier passt es für mich nicht ganz zueinander. Während andere rechte Parteien europaweit - von der Fidesz, PiS über AfD bis hin zu RN oder Dansk Folkeparti - zumindest es versuchen, es so darzustellen, wie wenn sie sich um die sozial Schwachen kümmern wollen (Hervorhebung der Rentnerarmut, gegenseitiges Ausspielen der Sozialleistungen von Migranten und heimischen Sozialleistungsempfängern etc.), also einen nationalen Sozialismus propagieren, scheint es Meloni nicht mal wirklich zu interessieren.

Und hierbei muss man auch sagen, dass Benito Mussolini, als dessen ferne ideologische Nachfolgerin man Meloni gerne deutet, durch durchaus sehr populäre Sozialprogramme und Freizeiteinrichtungen seine Macht sicherte - quasi ein italienischer sozialistischer Faschismus. Die derzeit in Rom regierenden Herrschaften scheinen davon allerdings nichts wissen zu wollen.

Schneemann
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(13.08.2023, 00:04)lime schrieb: Das kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn Nationalismus ist doch im Regelfall auch immer egoistisch in Bezug auf die eigene Nation.
Der Nationalismus stellt aber eben die Nation als ganzes in den Mittelpunkt, während zumindest Teile (nicht alle) der neuen europäischen Rechten nur ihre Klientel und eigene Interessen im Auge haben. Bspw. würde ich die AfD nicht als nationalistische Partei betrachten. Der vermeintliche Nationalismus ist hier nur Mittel zum Zweck der Ausgrenzung von Zugewanderten und der ideologischen Konfrontation mit dem politischen Gegner.

Zitat:Auch eine autoritäre Ausrichtung ist bei rechten Parteien Normalität.
Das ist zwar in der Praxis so, doch besteht da kein Kausalzusammenhang. Der Nationalismus an sich steht eigentlich sogar der Demokratie näher als der Autokratie.

Zitat:Bleibt noch der Populismus, der sich aber zumindest zum Teil aus den originären Forderungen dieser Parteien ergibt und deshalb nur zum einem gewissen Teil aufgesetzt ist.
Kommt drauf an, was man als originäre Forderungen dieser Parteien betrachtet. Die AfD hat sich als libertäre Anti-Euro-Partei gegründet, aber wird inzwischen von völkischen Kräften dominiert. Die eigentlichen Ziele dieser Kräfte werden nicht von der Mehrheit ihrer Wähler geteilt und daher auch nicht kommunikativ in den Vordergrund gestellt. Insofern ist die AfD primär als populistisch zu betrachten, die direkte Verbindung zwischen ihren originären Zielen und ihrem politischen Auftreten ist nur begrenzt gegeben.

Zitat:Lässt man mal die traditionelle Einstellung zu Rußland und China außen vor dann dürfte die pro-Haltung zu diesen Staaten wohl hauptsächlich dadurch getriggert werden dass die politischen Gegner dieser Parteien eben auch Gegner Rußlands/Chinas sind.
"Der Feind meines Feinds ist mein Freund" widerspricht aber einem echten Nationalismus, da bin ich bei Quintus.
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(13.08.2023, 13:42)Broensen schrieb: Der Nationalismus stellt aber eben die Nation als ganzes in den Mittelpunkt, während zumindest Teile (nicht alle) der neuen europäischen Rechten nur ihre Klientel und eigene Interessen im Auge haben. Bspw. würde ich die AfD nicht als nationalistische Partei betrachten. Der vermeintliche Nationalismus ist hier nur Mittel zum Zweck der Ausgrenzung von Zugewanderten und der ideologischen Konfrontation mit dem politischen Gegner.

Sieht sich die AfD im Selbstbild als nationalistische oder überhaupt nur rechte Partei? Im Gegensatz dazu gehören beide Punkte bei Melonis Partei quasi zum Kernprogramm.

Zitat:Das ist zwar in der Praxis so, doch besteht da kein Kausalzusammenhang. Der Nationalismus an sich steht eigentlich sogar der Demokratie näher als der Autokratie.

Bedingt durch die Entstehung nationaler Bewegungen mag das in der Historie so ausgesehen haben. Allerdings dürfte Demokratie da auch nur eher Mittel zum Zweck gewesen sein.

Zitat:Kommt drauf an, was man als originäre Forderungen dieser Parteien betrachtet. Die AfD hat sich als libertäre Anti-Euro-Partei gegründet, aber wird inzwischen von völkischen Kräften dominiert. Die eigentlichen Ziele dieser Kräfte werden nicht von der Mehrheit ihrer Wähler geteilt und daher auch nicht kommunikativ in den Vordergrund gestellt. Insofern ist die AfD primär als populistisch zu betrachten, die direkte Verbindung zwischen ihren originären Zielen und ihrem politischen Auftreten ist nur begrenzt gegeben.

Die AfD ist EU-weit gesehen wohl auch eher ein Sonderfall, allerdings würde ich bezweifeln dass ihre Wähler den Schwenk bzw. die Erweiterung des Parteiprogrammes nicht bemerkt haben sollen. Zu vermuten ist eher dass durch die massive Zuwanderung der letzten Jahre inzwischen auch die Basis für völkische Ideen gewachsen ist.

Zitat:"Der Feind meines Feinds ist mein Freund" widerspricht aber einem echten Nationalismus, da bin ich bei Quintus.

Da der Nationalismus auch historisch betrachtet wenig Wert auf andere Nationen legt(e) stellt sich doch eigentlich nur die Frage wie die jeweilige Partei die Situation für ihre eigene Nation bewertet. Da wird ein Orban in Ungarn eben zu anderen Ergebnissen kommen wie eine Meloni in Italien oder die Nationalisten der PS in Finnland.
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(13.08.2023, 23:02)lime schrieb: Sieht sich die AfD im Selbstbild als nationalistische oder überhaupt nur rechte Partei?
Da wird man nochmal zwischen tatsächlichem und kolportiertem Selbstbild unterscheiden müssen. Aber mein Eindruck ist nicht, dass dieser Partei wirklich etwas an der eigenen Nation liegt. Einen echten Nationalismus kann ich bei der AfD nicht erkennen.
Zitat:Im Gegensatz dazu gehören beide Punkte bei Melonis Partei quasi zum Kernprogramm.
Was ja zu der Beobachtung passen würde, dass echte Nationalisten eben nicht feindliche Autokratien hofieren, wie es unsere Pseudo-Nationalisten machen.
Zitat:Bedingt durch die Entstehung nationaler Bewegungen mag das in der Historie so ausgesehen haben. Allerdings dürfte Demokratie da auch nur eher Mittel zum Zweck gewesen sein.
Das mag vielleicht für einzelne egoistische Akteure gegolten haben, aber die deutsche Nationalbewegung war im Ursprung demokratisch motiviert und wurde lediglich von autokratischen Akteuren für sich vereinnahmt. Und das gilt auch für viele andere nationalistische Bewegungen auf der Welt.
Zitat:Die AfD ist EU-weit gesehen wohl auch eher ein Sonderfall, allerdings würde ich bezweifeln dass ihre Wähler den Schwenk bzw. die Erweiterung des Parteiprogrammes nicht bemerkt haben sollen. Zu vermuten ist eher dass durch die massive Zuwanderung der letzten Jahre inzwischen auch die Basis für völkische Ideen gewachsen ist.
Wenn ich die Umfragen dazu richtig in Erinnerung habe, dann wählt nur etwa ein Drittel die AfD aus Überzeugung, der Rest sind Protestwähler, die von den anderen Parteien enttäuscht sind. Oder anders ausgedrückt: die AfD fängt deutlich mehr Wähler mit stumpfen Populismus als mit völkischem Rassismus. Bei ersterem wird sie aktuell noch von führenden Teilen der Union unterstützt, aber damit sind wir dann jetzt endgültig vom Thema Italien abgekommen.
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Um wieder enger bei Italien zu bleiben - eine aktuelle Meldung:
Zitat:ITALIENS REGIERUNGSCHEFIN

Melonis Honeymoon ist vorbei

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni verspielt mit einem zunehmend populistischen Kurs das Vertrauen der EU und der Investoren. Ihre Strategie könnte sich als fatal erweisen. [...]

Mit der überraschenden Ankündigung, eine Sondersteuer auf „Übergewinne“ der Banken verhängen zu wollen, schickte sie die Bankenaktien auf Talfahrt. Zehn Milliarden Euro verloren die Institute an einem Tag. Finanzwelt, Analysten und Investoren reagierten wütend und geschockt. [...] Und dass Premierministerin Giorgia Meloni noch nachlegte gegen die „unfairen Zinsgewinne“, die die Regierung zu der Sondersteuer auf zusätzliche Zinseinnahmen der Institute gezwungen hätten, machte es nur schlimmer. Dass sich die Bankenkurse in den Folgetagen erholten, änderte nichts an diesem Eindruck. [...]

Da Italien bis zum Frühjahr stärker wuchs als die meisten anderen europäischen Länder und die Opposition schwach war, steigerte sie ihre Zustimmungswerte im Inland. Und mit ihren vielen Auslandsreisen und der starken Unterstützung für die Ukraine baute Meloni auch außerhalb Italiens viel Vertrauen auf. [...]

Auf die Abschwächung des Wirtschaftswachstums und fehlenden haushaltspolitischen Spielraum reagiert Italiens Regierungschefin panisch und populistisch. Für Aufsehen sorgten Ende Juni ihre heftigen Angriffe vor dem Abgeordnetenhaus in Rom gegen die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und die EU. Jetzt folgte die Bankensteuer, die etwa das frühere EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi, heute Chairman der französischen Société Générale, auch verfassungsrechtlich für fragwürdig hält. Sie komme zur Unzeit, werde zu einer Einschränkung der Kreditvergabe führen und schrecke Investoren ab. [...]

Doch dem Standort Italien droht ein enormer Vertrauensverlust, den sich das mit 144 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldete Land eigentlich nicht leisten kann. Das macht Melonis Kurs gefährlich. Denn gleichzeitig hat sie gerade die schon vorher sehr umfangreichen Eingriffsrechte des Staats in der Wirtschaft erneut ausgeweitet. Rom kann ausländische Übernahmen oder den Einfluss ausländischer Großaktionäre in fast allen Wirtschaftssektoren aus „strategischen Gründen“ verhindern. Der Staat will sich am Festnetz von Telecom Italia beteiligen und bei Pirelli wurde der Einfluss des chinesischen Großaktionär drastisch beschnitten. [...]

Die Nachfrage nach Krediten ist rückläufig. Die Kosten auch für die staatliche Schuldenaufnahme sind deutlich gestiegen. Allein in diesem Jahr muss Italien 80 Milliarden Euro für Zinszahlungen aufwenden. Die Steuereinnahmen fallen um 20 Milliarden Euro niedriger aus als erwartet.
https://www.wiwo.de/politik/europa/itali...29748.html

Wobei ich hier beinahe das Gefühl habe, sie wollte eine gewisse Doppelgleisigkeit fahren: Erst verfügt man Einschnitte bei den ärmeren Schichten, dann nimmt man sich quasi "zum Ausgleich" die Banken vor und greift regulierend in die Wirtschaft ein, so damit es nicht allzu einseitig wirkt. (Und das wiederum kann man durchaus als eine Art von Populismus ansehen, denn es dürfte bei den schwächeren Schichten wiederum gut ankommen.) Nur wirkt es eben eher hastig und gezwungen.

Schneemann
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Zur Frage welcher Staatsform der Nationalismus zuneigt: meiner Auffassung nach ist der Nationalismus eine Ideologie, die nicht an eine spezifische Staatsform gebunden ist. Viel wesentlicher für ihn ist die Frage der Kultur / Sozialkultur mit welcher er wechselwirkt. Von daher ist eine radikal nationalistischer Staat denkbar der Basisdemokratisch ist genau so wie eine Diktatur die Nationalistisch ist. Und auch eine reguläre parlamentarische repräsentative Demokratie könnte radikal Nationalistisch sein.

Spezifisch in Bezug auf die aktuell dort an der Macht befindlichen Nationalisten sollte man bedenken, dass diese tatsächlich als Krypto-Faschisten eine korporative Volkswirtschaft anstreben. Entsprechend ist Druck gegen Banken und Konzerne eben kein Populismus, dient nicht der Legitmierung von Maßnahmen gegen die sozial Schwachen und den Sozialstaat, sondern dass fügt sich ganz normal in das kryptofaschistische Denken in diesen Kreisen ein. Die sind sowohl gegen den Sozialstaat, haben für Arme in Wahrheit nichts übrig, aber sie sind auch zugleich gegen jede wirtschaftliche Macht die zu unabhängig vom Staat operiert. In deren Idealvorstellungen gibt es eine Nationale Wirtschaft, die sich von selbst dem Staat absolut unterordnet und dir ihrem Selbstverständnis nach zum Nutzen der Nation existiert und nicht zur boßen Profiterzielung für die Eigentümer eben jener Wirtschaft. Dafür protegiert umgekehrt der Staat eben diese Nationalen Unternehmen nach Belieben.

Das war schon seit den ersten Faschisten der wesentliche Unterschied zu Rechten Bewegungen in anderen Ländern und insbesondere zu den Rechtsextremen in Deutschland. Dort ging es immer um das Volk anstelle des Staates, entsprechend waren und sind deutsche Rechtsextreme fast alle Anti-Etatisch. Die italienische extreme Rechte ist hingegen extrem etatisch, hier geht es immer um den Staat als Verkörperung der Nation anstelle des (einfachen!) Volkes.

Deshalb fehlt den italienischen Rechtsextremen auch dieses völkische Denken, da sie Volk anders definieren und das einfache Volk, man könnte sagen die Mehrheit des Volkes eben nicht deckungsgleich mit der Nation ist. Die Nation ist damit eine von der einfachen Bevölkerung getrennte unabhängige Entinität die unabhängig vom Volk besteht.

Der Eingriff in die Wirtschaft dient daher nicht der Legitmierung der antisozialen Politik, er ist kein Ausgleich für diese, er ist weder hastig noch gezwungen, und ganz sicher kein Populismus. Er dient der grundsätzlich etatischen (und damit eben nicht völkischen) Auffassung von dem was die Nation verkörpert und soll ein erster Schritt hin (zurück) zu einer korporativen Wirtschaft sein.

Und das primäre Ziel des Korporatismus ist eben die Nationale Wirtschaft als Teil der Nation.

In diesem Kontext sollte man noch bedenken, dass Ideen über korporative Wirtschaftsmodell auch und gerade in strenggläubigen katholischen Kreisen recht verbreitet sind. Gerade rechte Katholiken in Italien vertreten solche Auffassungen. Und umgekehrt ist unter Melonis Anhängern auch oft die Idee des Distributismus verbreitet.

Natürlich kann man solche Zielsetzungen als Regierung nicht öffentlich benennen und verfolgen und man weiß auch um die Unmöglichkeit dergleichen einfach so umzusetzen, gerade aufgrund der immensen Abhängigkeiten welche man von der EU hat. Das ändert aber nichts am utopischen und dennoch angestrebten Endziel an sich.
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Jahrzehnte ökonomische Misswirtschaft in Italien kann man Meloni aber nicht ankreiden. Die Masse an Schulden die kaum noch bedient werden kann haben die Vorgängerregierungen zu verantworten. Insofern bleibt Meloni wenig Spielraum. Mit der Beschneidung des Bürgergeldes wurde eigentlich nur ein Wahlversprechen erfüllt. In Italien ist das Bürgergeld wesentlich umstrittener als hier bei uns. Mir ist zwar keine Statistik bekannt aber ich vermute dass der prozentuale Anteil der EU-Ausländer die dort Bürgergeld beziehen ähnlich hoch ist wie in Deutschland. Die Wähler der Rechtsregierung wird sie mit dieser Maßnahme wohl kaum verprellen. Und die Sondersteuern auf Übergewinne wurden soweit ich mich erinnern kann sogar von der EU-Kommission als mögliche Lösung ins Spiel gebracht und global gesehen wurden ähnliche Steuern schon von völlig verschieden ausgerichteten Regierungen erhoben.
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Exakt.

Zitat:Die Wähler der Rechtsregierung wird sie mit dieser Maßnahme wohl kaum verprellen.

So ist es. Gerade unter den Beziehern von Bürgergeld hat Meloni am wenigsten Anhänger, sie bestraft damit also die Wähler der Gegenseite und ruft für diese wirtschaftliche Probleme hervor, was sie demotiviert und anderweitig beschäftigt, so dass sie keine Zeit mehr für Politik haben, schließlich müssen sie ihr täglich Brot heranackern. Und sie entzieht den vielen Schmarotzern und Betrügern das Geld und das betrifft nicht nur Ausländer welche hier diese Sozialleistungen bezogen haben, sondern auch viele Italiener:

https://www.tagesspiegel.de/politik/wenn...12637.html

Zitat:Tatsächlich reicht es, beim Gesuch für die staatliche Hilfe eine „Selbsterklärung“ einzureichen, in welcher man bestätigt, arbeitslos zu sein und kein Einkommen zu haben.

Diesem Missbrauch endlich einen Riegel vorzuschieben war mehr als überflüssig. Und gute Politik zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie nicht populistisch ist.

Und es gibt zudem ja auch noch ausnahmen: italienische Familien mit Kindern erhalten weiter Bürgergeld, ebenso wie Senioren über 60. Trotzdem spart Meloni mit der teilweisen Streichung um die 8 Milliarden Euro pro Jahr ein, beachtlich !
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Das wirkliche Problem für die aktuelle Regierung ist ohnehin in keinster Weise die Streichung des Bürgergeldes, sondern dass sie die Flüchtlingszahlen nicht reduzieren kann - dank der EU kommen immer noch viel zu viele Flüchtlinge ins Land. Tatsächlich stiegen die Zahlen zuletzt sogar noch und jede Maßnahme die Meloni hier gerne ergreifen würde wird von der EU mit ihrem Menschenrechtstraum sabotiert.

Die Wähler haben ihr ja deshalb ihr Vertrauen geschenkt, weil der Gros der Bevölkerung in Italien die ununterbrochene illegale Masseneinwanderung leid ist. Stattdessen wird Italien nun durch seine finanziellen Abhängigkeiten von der EU nach Belieben unter Druck gesetzt, dieses Problem ernsthaft anzugehen.

Im übrigen noch ein Pamphlet über die Fratelli d´Italia und Meloni, dass trotz seiner politischen Intention natürlich trotzdem jede Menge Informationen über den Aufstieg dieser Nationalistischen Partei enthält:

https://library.fes.de/pdf-files/bueros/rom/19451.pdf
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(16.08.2023, 18:21)Quintus Fabius schrieb: Das wirkliche Problem für die aktuelle Regierung ist ohnehin in keinster Weise die Streichung des Bürgergeldes, sondern dass sie die Flüchtlingszahlen nicht reduzieren kann - dank der EU kommen immer noch viel zu viele Flüchtlinge ins Land. Tatsächlich stiegen die Zahlen zuletzt sogar noch und jede Maßnahme die Meloni hier gerne ergreifen würde wird von der EU mit ihrem Menschenrechtstraum sabotiert.

Die Wähler haben ihr ja deshalb ihr Vertrauen geschenkt, weil der Gros der Bevölkerung in Italien die ununterbrochene illegale Masseneinwanderung leid ist. Stattdessen wird Italien nun durch seine finanziellen Abhängigkeiten von der EU nach Belieben unter Druck gesetzt, dieses Problem ernsthaft anzugehen.

Im übrigen noch ein Pamphlet über die Fratelli d´Italia und Meloni, dass trotz seiner politischen Intention natürlich trotzdem jede Menge Informationen über den Aufstieg dieser Nationalistischen Partei enthält:

https://library.fes.de/pdf-files/bueros/rom/19451.pdf

Das stimmt schon, allerdings werden die Wähler wohl auch vermuten wie die Masseneinwanderung noch weiter steigen könnte, wenn die inzwischen weiter nach links gerückte PD wieder an die Macht käme. Insofern könnte der weiter bestehende Migrationsdruck sogar hilfreich für Meloni sein, vor allem weil inzwischen fast alle "Rettungsschiffe" in von der PD regierte Städte zugewiesen werden. Da Meloni aber wegen der EU nicht komplett dicht machen kann wird sie wohl in Zukunft versuchen Italien als Ziel für eine Bleibeperspektive so unattraktiv wie möglich zu machen, was dazu führen wird das prozentual noch mehr Flüchtlinge weiter ziehen werden. Auch weil es in anderen EU-Staaten wesentlich bessere monetäre Zuwendungen für Flüchtlinge gibt.
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