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Helios:
Zitat:Wie sollen wir denn an den Punkt kommen, kurzfristig Kernwaffen zu bauen, ohne den Sperrvertrag entweder zu kündigen oder zu verletzen?
Wir verletzen ihn offiiziell halt erst dann, wenn es darauf ankommt und damit verletzen wir ihn dadurch eben hier und heute noch nicht. Da könnte man beispielsweise aus den Erfahrungen von Südafrika et al durchaus einiges lernen. Dieser eine Punkt den du hier anführst dürfte sogar noch das allergeringste Problem sein !
Zitat:Das schlimmste aus beiden Welten vereint: wir hätten die hohen Kosten einer nuklearen Abschreckung nur ohne effektive nukleare Abschreckung. Mal abgesehen davon, dass meiner Ansicht nach kein Zustand erreicht werden kann, in dem wir dauerhaft in der Lage sind, kurzfristig Kernwaffen zu bauen.
Wenn man deutsche Nuklearwaffen anstrebt, wird dies so oder so eine Menge Zeit und Unmengen von Geld verbrauchen. Daher wäre es sinnvoll, dies stückweise zu machen, dergestalt, dass man alles möglichst so auslegt, dass es zweifach verwendet werden kann. Einer solcher Stufenweise Ausbau könnte dann so ausgelegt werden, dass alle Systeme so weit wie möglich auch für die konventionelle Kriegsführung sinnvoll sind.
Beispiel Trägersysteme: wir benötigen so oder so Mittelstreckenwaffen. Diese dann von Anfang an so auszulegen, dass man sie möglichst leicht / schnell auch mit Nuklearwaffen bestücken kann sollte keine untragbaren Mehrkosten verursachen. Hat man solche zweifach verwendbaren Mittelstreckenwaffen aber, dann hat man sie zunächst mal für geraume Zeit und entsprechend kann man sie dann auch kurzfristig dafür verwenden. Im weiteren hat Diogenes ja auch schon zu Recht auf die Plutonium-Vorräte etc verwiesen. Will man eine de facto Atommacht sein, kommt man im weiteren natürlich nicht um Urananreicherung herum. Aber der Vertrag verbietet eine solche ja nicht, man deklariert dann alle entsprechende Technologie einfach als ziviles Atomprogramm. Schlussendlich wäre das einfach nur der gleiche Zustand den jetzt Japan schon seit geraumer Zeit aufrecht erhält, nur einen Schraubenzieher von Atomwaffen entfernt zu sein.
Warum also nicht das gleiche wie Japan tun ? Japan ist dauerhaft in der Lage kurzfristig Atomwaffen zu bauen, und belegt daher meiner Ansicht nach, dass deine Aussage hier so nicht ganz richtig sein kann. Dass die real existierende Bundesrepublik das hier und heute alles real nie hinkriegen wird ist ja eine davon völlig getrennte Frage. Es geht also rein um die Theorie. Und rein theroetisch könnte man hier auf Japan verweisen, welches praktisch eine de facto Atommacht ist. Ich will sogar mal unter Verweis auf Japan den Begriff einer Para-Atommacht hiermit in den Raum stellen. Das ist kein Zustand der nicht erreichbar wäre und vieles von der Technologie welche man benötigt würden wir auch für den konventionellen Krieg benötigen bzw. könnten wir im konventionellen Krieg einsetzen.
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(19.02.2025, 15:31)Diogenes schrieb: Das sah die BRD bis Ende des kalten Krieges nicht so:
..."Wir sehen: Der deutsche Verzicht auf Atomwaffen beinhaltete niemals den Verzicht auf die deutsche nukleare Option. ...Das zentrale Statussymbol der deutschen Nukleardiplomatie ist der nationale Plutoniumbunker in Hanau, der nach Regierungsangaben mindestens 2.500 kg Plutonium enthält. Es gibt gute Gründe für die Annahme, daß sich im Hanauer Staatsbunker neben dem (bombenfähigen) Reaktorplutonium auch hochangereichertes Uran und Waffenplutonium in metallischer Form – erzeugt im Karlsruher “Mehrzweck-Forschungsreaktor...
Man müsse Länder wie Japan und die Bundesrepublik als Quasi-Atommächte betrachten, schrieb kürzlich ein Mitarbeiter der RAND-Corporation, Marc D. Millot: “U.S. policymakers would do well to think of these allies as ,virtual’ nuclear powers.” (7) Japan und die Bundesrepublik sind in der Tat die beiden einzigen Länder, die als Nicht-Atomwaffenstaaten über mehr als 1000 kg Plutonium verfügen."
http://www.matthiaskuentzel.de/contents/...liferation
Das ist der bislang beste Artikel und beinhaltet viel Neues das ich nicht wusste. Wir waren schon viel näher an der Bombe als ich dachte. Die BRD gab sich sehr bedeckt. Wir wussten mal wie Verteidigungspolitik geht.
Es gibt sehr wenig Forschung zu dem Thema und ich finde es interresant, deswegen schreibe ich hier so viel.
Zu den Kosten. F und GB geben ca. 6 -10 Millarden (je nach Quelle) im Jahr aus. Israel zwischen 1-2 Milliarden. Das ist nicht günstig aber bezahlbar.
https://www.spiegel.de/ausland/atomwaffe...bad054397e
https://www.icanw.de/pressemeldungen/pre...tomwaffen/
Das Zitat aus Küntzels Dissertation stammt aus den 1990er Jahren, daher müssten wir prüfen, ob die Aussagen noch der Realität entsprechen. Der Millot, den Du oben zitierst, hat bei RAND seit 1998 nichts mehr veröffentlicht.
Wer sich etwas einliest, der wird feststellen, dass sich vieles wiederholt. Bspw. Europa-Armee oder -Kernstreitkraft.
Auch müssten wir erstmal eruieren wie sich Küntzel im Paradigma verortet, aber er wird wohl nicht zum Realismus/Neorealismus wie bspw. Carlo Masala gehören. Vermutlich eher wie Herr Mützenich zum Bereich Interdependenz oder Weltsystemtheorie usw. zuzurechnen sein.
Zu den Kosten einer Atombewaffnung kann ich nur sagen, dass laut RAND die Aufstellung einiger Bataillone mit Mittelstreckenwaffen inkl. Entwicklung für 10-15 Mrd. zu haben ist.
Die navalisierte Variante würde dann noch einmal einige Milliarden verschlingen, dazu kommen noch die Jagd-U-Boote, die ich favorisieren würde, die dann ähnlich wie die U-214/212 Dolphin-Klasse der Israelis oder Akula- und Los-Angeles-Klasse ff. entweder über die Torpedorohre lancierct werden oder durch VLS.
Stückpreis für die kerntechnisch angetriebene Jagd-Uschiffe ca. 2,5 Mrd. 5-6 Stück wären nötig nochmals 15 Mrd. zzgl. Infrastruktur, da wird es wirklich kritisch, denn die U-Boote können wir nicht in D. stationieren, denn die Nordsee ist zu flach. Da müssten wir uns bei den Briten in Faslane und in Brest einkaufen, damit wir von dort aus operieren können. Ggf. ließen die Norweger mit sich reden, dann könnte man sie auch dort stationieren.
Der einzige Ort in D. wo es Sinn ergibt die U-Boote mit Zweitschlagskapazität zu stationieren wäre Helgoland, denn von dort sind es ein paar Stunden weniger Fahrzeit in die Tiefen des Atlantiks (bspw. Norwegische Rinne oder Biskaya-Bucht).
Aber die Mittelstreckenwaffen (Lenkflugkörper, Hyperschallwaffen, Marschflugkörper) brauchen wir sowieso in der Divisions- und Korpsartillerie des Heeres, denn hier hat sich einiges verändert im Vergleich zum Kalten Krieg.
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(23.02.2025, 17:04)Quintus Fabius schrieb: Wir verletzen ihn offiiziell halt erst dann, wenn es darauf ankommt und damit verletzen wir ihn dadurch eben hier und heute noch nicht.
Wenn wir das, was du vorschlägst, praktizieren, verletzten wir den Vertrag. Ob das nun bekannt wird oder nicht ist eine andere Frage, ich behaupte, sie Chancen, dass so etwas nicht bekannt wird, sind recht gering. Natürlich könnte Deutschland offizielle Erklärungen oder Beschwichtigungen finden, tarnen und täuschen so wie das überall anders auch praktiziert wird - schwierig vorher zu sehen, wie sich dass dann im Vergleich zu einer offiziellen Vertragskündigung (oder Vertragsbruch) verhalten würde. Es ändert aber nichts daran, dass es ein Vertragsbruch wäre. Und das gilt es zu Berücksichtigen.
Davon abgesehen und nur der Vollständigkeit halber, einige Technologien zur Verbringung von Kernwaffen ergeben natürlich auch konventionell Sinn (wenn auch womöglich nicht in der Komplexität, aber das wären Details), andere nicht, nur ist das in meinen Augen für "eure Lösung" unerheblich. Die Schwierigkeit liegt, wie hier von mir dargestellt, an anderer Stelle.
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Also ich halte den Vertrag (den Japan ja ganz genau so unterzeichnet hat) wie auch sonst alle Rechtsfragen in diesem Kontext für das allergeringste Problem von allen die wir zu überwinden hätten.
Das du ausgerechnet darin so eine Schwierigkeit siehst hat mich jetzt doch erstaunt.
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@Delbrueck
Zitat:Stückpreis für die kerntechnisch angetriebene Jagd-Uschiffe ca. 2,5 Mrd. 5-6 Stück wären nötig nochmals 15 Mrd. zzgl. Infrastruktur, da wird es wirklich kritisch, denn die U-Boote können wir nicht in D. stationieren, denn die Nordsee ist zu flach. Da müssten wir uns bei den Briten in Faslane und in Brest einkaufen, damit wir von dort aus operieren können. Ggf. ließen die Norweger mit sich reden, dann könnte man sie auch dort stationieren.
Der einzige Ort in D. wo es Sinn ergibt die U-Boote mit Zweitschlagskapazität zu stationieren wäre Helgoland, denn von dort sind es ein paar Stunden weniger Fahrzeit in die Tiefen des Atlantiks (bspw. Norwegische Rinne oder Biskaya-Bucht).
Für die Nutzung dieser Stützpunkte muss Deutschland Miete bezahlen, dass kommt auch noch dazu.
Allgemein: bevor man über Nuklearwaffen für Deutschland nachdenkt wäre es in erster Linie angebracht das sich Europa überhaupt mal auf eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einigt. In den letzten Jahren ist hier nicht viel geschehen ! Den Konflikt in der Ukraine gab es auch nicht erst seit dem 24.02.2022, schon am 18.03.2014 wurde die Krim von Russland einverleibt. Bis zum jetzigen Zeitpunkt wären über 10 Jahre Zeit geblieben die Bundeswehr entsprechend konventionell aufzurüsten. In dieser Zeit hätte man den Taurus weiterentwickeln können, auch eine bodengestützte Variante. Zusätzlich wäre es noch intelligent eine SRBM & MRBM Trägerraketenfamilie zu entwickeln, vergleichbar mit der türkischen Tayfun und Cenk. Diese können als Trägersysteme für Atomsprengköpfe genutzt werden.
https://turdef.com/article/tayfun-hits-t...range-test
https://youtu.be/PXx_DTryFCo?si=MO-s-B27oVUuGlog
Die Grafik in dem Tweet zeigt deutlich das eine SRBM mit 800 km Reichweite Kaliningrad abdeckt und selbst von Ostdeutschland abgefeuert, gegen Ziele in Weißrussland und im Baltikum Wirken kann. Nach Polen oder Dänemark verlegt, lässt sich das ganze Baltikum abdecken.
https://x.com/BaburKhan1983/status/1893702054993899597
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(23.02.2025, 18:37)Quintus Fabius schrieb: Das du ausgerechnet darin so eine Schwierigkeit siehst hat mich jetzt doch erstaunt.
"Schwierigkeit" ist der falsche Begriff, wir können den Vertrag ja juristisch relativ einfach kündigen. Welche internationalen Verwerfungen das mit sich bringen könnte und ob es sich in der Gesamtbetrachtung lohnt müsste man sich überlegen. Trotzdem halte ich den Weg, der ja durchaus nicht ohne entsprechende Vorgespräche auf internationaler Ebene stattfinden müsste, für sinnvoller, als ein mehr oder weniger offener Vertragsbruch, denn dieser wird uns, so vermute ich, massiv schaden. Echte Schwierigkeiten sehe ich, gerade wenn es um die Kurzfristigkeit geht, wie bereits dargestellt eher an anderer Stelle.
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Mal wieder eine andere Sichtweise.
Wir bauen doch gerade Mittelstreckenraketen. Sind sogar ganze drei Firmen. Die erste soll demnächst in Norwegen starten.1000 kg Nutzlast niederer Orbit, 700 hoher Orbit.
Genügend Expertise in dem Bereich haben wir, denke ich alleine durch die ESA.
Die Miniaturisierung ist etwas anderes. Andererseits konnten die Amis in den 60ern sowas schon in 20,5 cm Artillerie quetschen, denke das ist also auch machbar.
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(23.02.2025, 21:04)Falli75 schrieb: Mal wieder eine andere Sichtweise.
Wir bauen doch gerade Mittelstreckenraketen. Sind sogar ganze drei Firmen. Die erste soll demnächst in Norwegen starten.1000 kg Nutzlast niederer Orbit, 700 hoher Orbit.
Genügend Expertise in dem Bereich haben wir, denke ich alleine durch die ESA.
Die Miniaturisierung ist etwas anderes. Andererseits konnten die Amis in den 60ern sowas schon in 20,5 cm Artillerie quetschen, denke das ist also auch machbar.
Ich habe nicht den geringsten Zweifel das Deutschland das in kürzester Zeit schaffen kann(vorausgesetzt der politische Wille ist da). im Jahr 2019 wurde der INF - Vertrag aufgekündigt, da hätte man sich an die Entwicklung eines solchen Waffensystems machen können !
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Zwar nur eine Randnotiz im letzten Satz - aber trotzdem - https://web.de/magazine/politik/wahlen/b...e-40686246. Wenn jetzt jedes Land anfängt an seiner Bombe zu bauen sorgt das nicht für mehr Sicherheit. Die Lösung liegt auf der Hand und kann nur im europäischen Kontext seriös erfolgen. Bestenfalls komplementär zu den GB/ FR Arsenal! Diese müssten auch nicht auf ihre eigenen verzichten, sondern lediglich ihr Arsenal von 515 auf 550-600 ausbauen und bereitstellen. Das wäre der einfachste Weg und wird sich evtl auch dahin entwickeln, sofern man es denn mal intelligent anstellt Die Teilnahme an Poker mit EF/Tornado ECR wäre sicher auch ein guter Anfang! https://www.zdf.de/nachrichten/politik/d...d-100.html. https://www.zeit.de/politik/2025-02/frie...britannien. Durch Arrow werden wir als einziges europäisches Land über ein strategisches System verfügen, dass evtl ( was ausreichend ist) ICBMs adfangen kann und stellen damit auch FR und GB de facto unter diesen Schutz gegen Bedrohungen aus IRA, Fernost und mittelbar auch aus RUS. Auf Grund dieser strategischen Bedeutung des Systems hat es auch so lange gedauert die Freigabe aus US zu bekommen. Auch das ist wäre zumindest ein kleiner aber wichtiger Baustein in etwaigen Verhandlungen.Sollten sich FR und GB zu einer glaubhaften Lösung durch nationale Interessen nicht bereit erklären das Arsenal zu erweitern bzw Teile davon bereit zu stellen, muss es wohl darauf hinauslaufen, dass sich D/ITA/SWE mit ihrem Knowhow sowie ggf. weiteren Ländern zusammen zu setzen.
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Sage ich ja auch, immer mehr, jeder einzeln, das funktioniert nicht mehr.
Jeder muss jetzt auf was verzichten und was beitragen.
Für deine Idee reichen die paar Arrow dann aber nicht, reichen ja so schon nicht und decken ja auch noch nicht einmal alles ab, von der Höhe oder der abfangbaren Systeme. Meine Überlegung wäre da dann eher, wir bauen sowas nach, für alle Höhen und in größeren Mengen und stellen das zur Verfügung , im Austausch. Dann gibt es keine Probleme mit Nichtverbreitung u.ä..
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