Turk-sprachige Staaten
Ich weiß nicht, wie gut Du türkisch sprichst.
Gute Bekannte von mir - die selbst aus der Türkei stammen - haben mir bestätigt, dass etwa die Azeris faktisch reines "osmanisches türkisch" sprechen, ähnlich wie sich Deutsche aus unterschiedlichen Dialektgebieten nicht zwingend über den regionalen Dialekt, aber problemlos über das gemeinsame Hochdeutsch verständigen können.

Schwieriger wird es - das gebe ich Dir gerne zu - mit zunehmender Entfernung. Die türkischen Sprachen haben sich ähnlich auseinander - und in einem vergleichbaren Zeitraum - entwickelt wie die romanische Sprachfamilie. Die nachfolgenden Generationen hätten immer behauptet, wie ihre Eltern zu sprechen - und trotzdem sind lateinische Dialekte und daraus unterschiedliche Sprachen entstanden, die von Portugal bis nach Rumänien recht unterschiedlich sind.
Dennoch gibt es ein durchaus verbreitetes Gefühl der "Zusammengehörigkeit" zwischen den einzelnen türkischen Völkern.
Dazu tragen verschiedene gemeinsame Abkommen genauso bei wie Unterhaltungsprogramme, die in einem einfachen türkisch (sagt man "leichte Sprache"?) über Satellit bis in die entfernten Winkel der turan-sprachigen Siedlungen ausgestrahlt werden. Und über die dann nicht nur die gemeinsame Sprache gefördert wird, sondern auch eine identitätsstiftende kulturelle Angleichung erfolgt - ähnlich wie die US-Sender (Radio, Musik) und Serien (TV) eine kulturelle Angleichung Europas mit den USA gefördert haben.

Zurück aber zum aktuellen Geschehen:
n-tv berichtet etwas polemisierend: Erdogans Kriegslust - der blutige Traum vom neo-osmanischen Reich und meint:
Zitat:Der türkische Präsident ... positioniert sich als Heerführer des Islam. In Europa nimmt man seine Drohung kaum ernst. Das könnte ein fataler Fehler sein. Denn Erdogan ist skrupellos, hat die zweitgrößte Armee der NATO und ist wie Putin auf historische Taten aus.
...

Der türkische Präsident droht Israel mit Krieg und positioniert sich als Heerführer des Islam. In Europa nimmt man seine Drohung kaum ernst. Das könnte ein fataler Fehler sein. Denn Erdogan ist skrupellos, hat die zweitgrößte Armee der NATO und ist wie Putin auf historische Taten aus.
Mit einer Truppenstärke von rund 450.000 aktiven Soldaten und 380.000 Reservisten stellt die Türkei nach den USA die zweitstärkste Streitmacht der NATO dar. Und Erdogan betreibt massive Aufrüstung. Im vergangenen Jahr stiegen die Rüstungsausgaben um 37 Prozent auf 16 Milliarden Dollar. Für das laufende Jahr sollen die Ausgaben gar um 150 Prozent auf gewaltige 40 Milliarden springen. Von den Bayraktar-Drohnen über die Kurzstreckenrakete "Tayfun"-bis zum Kampfjet namens "Kaan" reicht das selbst entwickelte, stolz präsentierte Waffenarsenal. Die massive Aufrüstung dokumentiere die Absichten Erdogans, seine gewaltige Militärmacht auch zu nutzen, warnen Militärexperten.
...
und berichtet auch über die Reaktion aus Israel:
Zitat:Israel will Türkei aus der NATO werfen

Jetzt aber unabhängig von all dem emotionalen verbalen Blitz und Donner. Erdogan ist vor allem auch eines - er ist Realist. Nur so hat er sich über so lange Zeit an die Spitze des Staates drängen und dort auch halten können.
Er ist gewissenlos, ja, und daher ohne Rücksicht auf Verluste auch risikobereit - aber bei allen seinen Aktionen auch kühl, um nicht zu sagen, kalt kalkulierend. Er geht - ähnlich wie viele andere - knallhart so weit, wie er (für sich selbst) relativ risikofrei gehen kann.
Er nutzt Erfolge im Ausland um innenpolitische Probleme zu übertünchen. Und da sich die Wirtschaftskrise nicht einfach wegdiskutieren oder kurzfristig lösen lässt, braucht er auch entsprechende Erfolge, die mit lautem Getöse angekündigt und untermauert werden.
Erdogan hat mir keinem Wort gesagt "wo" die Türkei "rein gehen" würde. Einen Angriff auf Israel selbst kann man getrost ausschließen. Auch eine Intervention in Gaza birgt zu viele Risiken.
Also bleibt - ähnlich wie in Syriens Norden - der Libanon übrig, und die Türkei in bester neo-osmanischer Manier als Schutzmacht in einem Streifen an der Grenze nach Israel.
Das "Getöse" soll den Weg bereiten, unter all dem Krach und Lärm analysiert und testet die türkische Regierung, wie weit sie vorgehen kann.
Und sie wird eine erfolgreiche Intervention im Süden des Libanon sicher auch als Muster für eine spätere Intervention im Gaza-Streifen analysieren. Aber nicht jetzt und nicht gleich. Die derzeitigen Machthaber sowohl in Israel wie bei der Hamas gewährleisten schließlich, dass sich die Chance für entsprechende "Friedensmissionen" immer wieder anbieten.
Zitieren
Zitat:Ja, unter den türkischen Rechtsextremen findest du die Anhänger des türkischen Großreiches Turan. Das sind aber ideologisch geprägte Menschen, die das Großreich wollen, ohne sich den Menschen in den anderen Teilen wirklich verbunden zu fühlen.
Das sehe ich ähnlich. Trotz allem Getöse ist es meistens so, dass stark nationalistische bis rechtsextreme Kreise - egal in welchem Land -, die von einem wie auch immer gearteten Großreich fabulieren, mit den Ländern, die sie zu ihrem "Einflussbereich" oder ihrer "Sphäre" hinzurechnen (oftmals ohne, dass diese Länder das wissen oder wollen), im Kern sehr wenig anfangen können und dass das Wissen über sie im gesellschaftlichen, ethnischen, linguistischen und kulturellen Kontext allenfalls rudimentär vorhanden ist. Gleichwohl dringt diese Erkenntnis bei den wenigsten Nationalisten überhaupt durch.

Schneemann
Zitieren
@KongoErich

Ich habe selbst Azeris sprechen gehört, durch meine Frau die aus dem Kosovo kommt. Bei Verwandschaftsbesuchen haben wir immer wieder den ein oder anderen Abstecher nach Prizren gemacht, dort leben ca. 40 % Türkischstämige die noch den altosmanischen Dialekt sprechen. Das klang für mich sehr ähnlich dem Azeri Türkisch und es gefällt mir besser als das sog. Moderne Türkisch.

Bezüglich Erdoğan:

Erdoğan hat nur einen Vergleich zu Libyen und zu Karabach gezogen. Dort hin hat die Türkei mehr oder weniger die Waffen geliefert, man kann und das habe ich bereits in anderen Threads erwähnt die arabischen Staaten mit Produkten der türkischen Rüstungsindustrie aufrüsten. Das Ziel ist es ein strategisches Gleichgewicht zwischen den arabischen Staaten und Israel zu schaffen.

Die Idee 💡 des Aufbau eines Nahost Raketenschild mit ALP-500G Frühwarnradar und zukünftigen Blöcken der Siper Block 3/4 zur Bekämpfung israelischer und iranischer Raketen 🚀.


https://x.com/BaburKhan1983/status/18151...74197?s=19

https://x.com/BaburKhan1983/status/18153...55692?s=19
Zitieren
(30.07.2024, 12:56)Kongo Erich schrieb: Ich weiß nicht, wie gut Du türkisch sprichst.
Gute Bekannte von mir - die selbst aus der Türkei stammen - haben mir bestätigt, dass etwa die Azeris faktisch reines "osmanisches türkisch" sprechen, ähnlich wie sich Deutsche aus unterschiedlichen Dialektgebieten nicht zwingend über den regionalen Dialekt, aber problemlos über das gemeinsame Hochdeutsch verständigen können.

Also ich spreche Türkisch so gut, dass ich mich in der Westtürkei problemlos unterhalten kann. Mit Azeris habe ich auch Schwierigkeiten, vielleicht kann man es ein bisschen so mit stark im Dialekt redenden Bayern vergleichen. Wohl gemerkt ging es hier aber um alle Turkvölker und nicht nur um das vergleichsweise kleine Aserbaidschan. Bei den anderen kommen aber noch starke russische Einflüsse und andere Änderungen hinzu, sodass man es vielleicht mit Deutsch-Niederländisch vergleichen kann. Das sind aber tatsächlich verschiedene Sprachen und eben nicht nur verschiedene Dialekte. Übrigens ist Osmansich-Türkisch in der Türkei ein wählbares Schulfach. Ich kenne jemanden, der das gelernt hat bzw. versuchte. Auch Osmanisch Türkisch wird gesprochen nicht mehr ganz so einfach verstanden, wie modernes Türkisch.

Meine Lieblingsanekdote zu dieser Thematik ist dieses Video von Teoman, einem berühmten türkischen Sänger, der in Baku nicht einmal die einfache Frage "Wie geht es dir?" versteht. So unterschiedlich sind die Aussprachen des angeblich gleichen Türkisch... https://www.youtube.com/watch?v=R6dwQAbu48k

Zitat:Dennoch gibt es ein durchaus verbreitetes Gefühl der "Zusammengehörigkeit" zwischen den einzelnen türkischen Völkern.

Das verneine ich ja gar nicht, aber es gibt auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen den Skandinavischen Ländern, obwohl Finnen und Norweger sehr unterschiedliche Völker sind, Es gibt auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen Deutschen und Spaniern, Italienern und Griechen, weil man gemeinsam in der EU ist oder in den Ländern Urlaub macht. Warum soll es also nicht auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen Türken und anderen Europäern geben, weil man zusammen in der NATO ist und eines Tages vielleicht auch zusammen in der EU? Ach ja, genau dieses Gefühl gibt es ja schon, aber eben nicht bei allen, sondern bei eben den westlich geprägten Türken und nicht den islamisch-konservativen oder den Rechts-Nationalistischen. Aber genau das war ja die Ausgangsfrage, dass eben nach einem Machtwechsel zugunsten der westlich-orientierten (man spricht auch von "weißen Türken") eben diese Richtung, in der ein gesellschaftliches ZUsammengehörigkeitsgefühl propagiert, forciert wird, weg von arabischen Glaubensbrüdern (wie bei Erdogan) und weg von potenziellen Turan-Staaten (MHP) hin zu Europa/NATO möglich ist.
Zitieren


Gehe zu: