Shahab3:
Zitat:Man liest eigentlich genau Gegenteiliges und gerade deshalb kam es offenbar im Kern auch zu den internen Zerwürfnissen und Schuldzuweisungen der Amerikaner in dessen Folge McChrystal seinen Hut nehmen durfte
Was man da liest stammt von McChrystal selber. Er hat beispielsweise in einem Bericht kurz bevor es zu dem fatalen Artikel kam die Lage in Afghanistan tiefschwarz dargestellt.
Tatsächlich aber hat er als erster einfach die Sache dort so beschrieben wie sie tatsächlich ist.
Er hat eben nicht wie alle anderen vorher das ganze geschönt, alles so weit wie möglich verfälscht sondern ganz klar und einfach gesagt wie es ist.
Darüber hinaus hat er sogar in manchen Punkten übertrieben und zwar aus einem ganz bestimmten Punkt: er ist nämlich genau wie sein Nachfolger gegen einen baldigen und eindeutig vorher festgelegten Abzug ist. Wie sein Nachfolger hat sich McChrystal ganz klar gegen einen Abzugsplan aus Afghanistan ausgesprochen, seine Darstellung ist also auch diesem Umstand geschuldet.
Zitat:Keine Untergetauchten? Machst Du Scherze?
Einige begrenzte Gebiete wurden von den Taliban anscheinend komplett geräumt. Das heißt natürlich nicht, daß es dort gar keine (ehemaligen) Angehörigen der Taliban mehr gibt bzw gab, aber ich glaube, wir müssen über die Definition von Untergetaucht sprechen:
Damit meine Personen die noch aktiv Teil der Organisation sind, also noch im Kontakt mit ihresgleichen stehen und auch noch ihre Waffen haben und Einsatzfähig sind, also wieder im Rahmen ihrer Organisation aktiv werden können.
In vielen Gebieten Afghanistans agieren die Taliban inzwischen wieder ganz offen, die verstecken sich nicht. Wenn sie sich im Rahmen einer Offensive der Amerikaner verstecken, dann sind sie für mich untergetaucht. Wenn auch diese Untergetauchten vertrieben werden bzw die Organisation zerschlagen ist, dann gibt es keine Untergetauchten mehr.
Zitat:Die Taliban wissen also meist sehr gut bescheid, wann die Luft rein ist. Sie brauchen weder die afghanische Armee,
Sie brauchen die Afghanische Armee nicht zwangsweise, aber sie ist einfach bequemer als andere Möglichkeiten, sie ist überaus nützlich für die Taliban.
Die Taliban rekrutieren Soldaten der ANA als Söldner, sie benutzen die ANA um ihre Truppen zu versorgen (mit Waffen, Munition und auch Nahrung usw), sie benutzen Bewegungen der ANA um ihre eigenen Kämpfer zu bewegen usw usf
Es geht also nicht so sehr um Informationen sondern um direkte Unterstützung die die Taliban durch Angehörige der ANA bekommen.
In manchen Gegenden von Afghanistan ist nicht die Bevölkerung das Wasser in dem die Fische der Taliban schwimmen sondern die ANA ist das Wasser in dem die Taliban schwimmen.
Zitat:Für die meisten "Soldaten" der afghanischen Armee ist das ein Job, wie jeder andere
Für viele ist es sogar nur ein Nebenjob. Sie sind im Hauptberuf Taliban.
Zitat:Das Problem der afghanischen Armee ist, dass ihr die militärische Fähigkeit, das Material und die Motivation fehlt, sich den Taliban zu stellen
Das wirkliche und primäre Problem dieser Armee ist es, das sie so weitgehend von den Taliban unterwandert ist, daß sie allein deshalb sich den Taliban nicht wirklich stellt.
Selbst hohe Offiziere stehen auf der Gehaltsliste der Taliban oder helfen dieser (noch schlimmer) aus echter Überzeugung.
Die ANA ist nicht nur Unfähig wie es deine Ausführung implizieren, ihr fehlt es nicht an Material oder Motivation, sie ist hochkorrupt und vom Feind unterwandert !
Zitat:Ein weiterer Grund warum sich die Taliban unter McChrystal weiter ausbreiten konnten, war sein fataler Ansatz, sich auf die Zentren zu konzentrieren und damit die Taliban in die Peripherie zu vertreiben. Das hat sogar recht gut funktioniert. Die größeren Städte sind kaum unter Taliban-Kontrolle und werden eher von von Raketenangriffen und Anschlägen heimgesucht, das Umland dagegen ist völlig verseucht. Davon hat man im Effekt absolut nichts ... Das ist pure Idiotie und planerische Unfähigkeit auf höchster militärischer Ebene
Falsch. Diese Strategie ist absolut richtig.
Denn: in der Peripherie kann man die Taliban viel leichter bekämpfen als in den Zentren. Die Zentren sind zudem wirtschaftlich entscheidend und als wirtschaftliche Basis für die von uns propagierte Zentralregierung von überragender Bedeutung.
Als Stadtpartisanen sind die Taliban viel schwerer und nur mit viel größeren Zivilen Verlusten bekämpfbar.
Auf dem Land aber, abseits der Städte kann man robuster gegen die Taliban vorgehen und sie sind leichter identifizierbar und leichter bekämpfbar. Alle großen Erfolge der Taliban fanden in den Zentren statt, dort finden die großen Anschläge statt, dort töteten und töten immer noch die Bomben der Taliban die meisten westlichen Soldaten.
Auf dem Land hingegen wurden die größten Erfolge der westlichen Truppen errungen, auf dem Land wurden die meisten Taliban getötet.
Wenn es gelingt die Taliban wirklich in die Peripherie zu verdrängen, dann bietet das überhaupt erst die Chance, sie wirklich massiv militärisch anzugreifen.
Aber entgegen deinen Ausführungen ist das noch gar nicht mal gelungen. Wie McChrystal selber vorgetragen hat, sind viele Zentren immer noch von den Taliban kontrolliert. Insbesondere Kandahar.
Zitat:Naja, so schlau sind die Amerikaner auch, dass sie die afghanische Armee zunehmend auf Kalibern und Waffen trainieren, die für die Taliban (wie für den Krieg ansich, z.B. M4/M16) unbrauchbar sind.
Die Masse der Infanteriewaffen der ANA ist für die Taliban verwendbar. M4 und M16 sind nur in geringen Mengen vorhanden. Bis 2009 wurden gerade mal 8000 M16 an die ANA geliefert, die Afghanische Armee hat aber bereits jetzt um die 100 000 Soldaten.
Im übrigen desertieren immer noch unglaubliche Zahlen aus der Armee und verschwinden oft genug mit ihren Waffen (wohin wohl?) Zwar nicht mehr ganz so absurd viel wie noch vor ein paar Jahren, aber immer noch viel zu viele.
Zitat:Die Taliban bedienen sich am internationalen Waffenmarkt und bezahlen dafür den üblichen Preis. Das wird aus Zentralasien und Pakistan auf dem Landweg importiert.
Was ich so witzig finde ist, das immer mehr Taliban auf G 3 setzen. Seit die Pakistanische Armee in den Stammesgebieten herumstochert, hat die Zahl der Taliban die mit G 3 rumspringen drastisch zugenommen. So setzt sich einfach Evolutionär beim Kampf im Gebirge mit der Zeit durch, was dort überlegen ist.
Zitat:Die Taliban sind in der Lage die Peripherie zu konrollieren und A.stan kontrolliert man nunmal aus der selbiger. Kabul ist nicht Kairo. Die Taliban können die Peripherie selbst dann kontrollieren, während sie garnicht offensichtlich in Erscheinung treten. McChrsystal lehnt das völlig ab und konzentriert sich auf wenige Zentren.
Falsch, McChrystal hat einfach mal die Realität anerkannt und die sah als er kam so aus:
Die Taliban haben nicht nur die Peripherie kontrolliert sondern auch die Zentren. In weiten Teilen des Landes haben die Taliban alles kontrolliert. Das war der Stand der Dinge als McChrystal kam.
Nun hatte und hat McChrystal nicht genügend Soldaten um die Taliban überall anzugehen. Also stellte sich die Frage wo man zuerst ansetzen soll:
McChrystal entschied sich für die Zentren, um die Taliban in die Peripherie zu verdrängen. Denn in der Peripherie lassen sich dann die Taliban viel leichter nachhaltig bekämpfen. Verdrängen genügt ja nicht, man muß den Feind vernichten. Um ihn aber vernichten zu können, muß man ihn erst mal dorthin verdrängen wo man dies überhaupt kann.
In den Zentren waren die Stadtpartisanen der Taliban militärisch nur sehr mühsam zu bekämpfen. Und obwohl sich McChrystal dann gemäß seiner Strategie genau darauf konzentriert hat, und dort den Schwerpunkt setzte, ist selbst die Verdrängung der Taliban aus den Zentren noch nicht vollständig bwz ausreichend erfolgreich gewesen. Gerade weil es so schwierig ist.
Meiner Meinung nach ist aber gerade diese Strategie genau richtig. Zuerst mal braucht man wirkliche Kontrolle über die Zentren, dann kann man überhaupt erst mal anfangen, den Gegner richtig militärisch anzugreifen.
Du bist gedanklich meiner Ansicht nach vom Vorgehen gegen die Taliban her schon zu weit. Du denkst bereits an den wirklichen Kampf gegen die Taliban. Dazu war die Lage aber als McChrystal gekommen ist viel zu schlecht!
Zuerst mal muß man in Afghanistan überhaupt erst mal die Möglichkeit schaffen, den Kampf ernsthaft aufzunehmen. Vor dem Kampf muß dieser erstmal vorbereitet werden. Und McChrystal ist gerade erst mal in dieser Phase gewesen, der Vorbereitung.
führt man vielleicht symmetrischen Krieg gegen Staaten/Regierungen, aber doch nicht gegen die Taliban die selbst aus der Peripherie kommen.
Die Taliban kommen überwiegend aus den Reihen der Paschtunen. Und zwar egal ob Zentrum oder Peripherie, da ist kein Unterschied. Die Taliban rekrutieren sich in den Elendsquartieren und Ghettos der Städte genau so wie in den Dörfern.
Im Anfang waren die Taliban eine Bewegung vom Land, aber durch den Krieg hat sich das verändert. Auf dem Land ist das Leben so schwer, die Wirtschaftslage so desaströs geworden, daß Extrem viele Afghanen in die Städte geflohen sind wo sie jetzt vor sich hin vegetieren.
Das Problem der Binnenflüchtlinge ist meiner Ansicht nach entscheidend für Afghanistan. Die Taliban rekrutieren sich immer mehr aus diesen Flüchtlingen, gelangen als Flüchtlinge getarnt überall hin, usw
Warum verliert der Westen in Afghanistan?
Meiner Meinung nach primär aus 3 Gründen:
1 die Afghanische Armee ist von den Taliban weitgehend unterwandert, sie dient den Taliban nicht nur als Informationsquelle sondern auch zur Rekrutierung neuer Kämpfer (nebst Ausrüstung) und zur Versorgung, die ANA ist darüber hinaus auch noch hochkorrupt
2 Es gibt viel zu viele Flüchtlinge. Die Binnenflüchtlinge aber auch die Flüchtlinge in anderen Ländern nützen den Taliban (insbesondere auch zum Schmuggel von Waffen usw nach Afghanistan, was anscheindend oft von Exil Afghanen betrieben wird), die Binnenflüchtlinge dienen der Rekrutierung von Anhängern, der Bewegung im Land usw
3 die Demographie: Die Afghanischen Völker und insbesondere die Paschtunen vermehren sich viel zu schnell.
Afghanistan ist bereits jetzt heillos überbevölkert, weder die Wirtschaft noch die Landwirtschaft können die Afghanen noch ernähren.
In Afghanistan geht schon jetzt einfach der Platz aus. Was insbesondere beispielsweise die Afghanischen Nomaden merken, deren traditionelle Wanderwege rasant von Sesshaften besiedelt und blockiert werden.
Die Demographische Entwicklung in Afghanistan negiert jede Zukunft des Landes aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen. Es ist weder Arbeit noch genügend Essen für die vielen Jungen Menschen vorhanden.
Die gesamten Landwirtschaftlichen Flächen Afghanistans einschließlich der Weiden für Tiere reichen bereits jetzt nicht mehr aus, um alle Afghanen zu ernähren. Und zwar selbst dann nicht mehr, wenn kein Mohn angebaut werden würde.
Es gibt sogar Gegenden wo nur deshalb Mohn angebaut wird, weil nur noch so die Grundversorgung mit Lebensmittelns sicher gestellt werden kann.
Würde man keinen Mohn anbauen (mit dessen Erlösen Essen gekauft wird), könnte man auf den gleichen Fläche niemals genug Nahrung anbauen um damit auch nur die Mindestmenge an Essen zu produzieren die für die Ernährung der Menschen dort notwendig wäre.