Weltweite Verteuerung der Nahrungsmittel
#61
Als Ergänzung zu den Peru- und Ägypten-Threads; und als Überblick über die sich abzeichnenden Ernährungskrisen in Staaten weltweit. Diejenigen, die halbwegs gut gewirtschaftet haben, werden die Krise stemmen. Aber die, die eh schon vor dem Ukrainekrieg ernährungstechnisch und innenpolitisch als vakant anzusehen waren, werden schweren Umbrüchen entgegen sehen. Ägypten, Peru, Libanon sind nur ein Aspekt, aber die sowieso schon auf wackeligen Füßen stehende Atommacht Pakistan könnte auch destabilisiert werden, mit unkalkulierbaren Folgen...
Zitat:From Pakistan to Peru, soaring food and fuel prices are tipping countries over the edge

London (CNN Business) - When people took to the streets in Egypt in 2011, protesters chanted about freedom and social justice — but also bread. The cost of pantry staples had jumped because of the skyrocketing price of goods like wheat, stoking fury with President Hosni Mubarak.

Now, more than a decade after the Arab Spring, global food prices are soaring again. They had already reached their highest level on record earlier this year as the pandemic, poor weather and the climate crisis upended agriculture and threatened food security for millions of people. Then came Russia's war in Ukraine, making the situation much worse — while also triggering a spike in the cost of the other daily essential, fuel. [...]

"It is extremely worrisome," said Rabah Arezki, a senior fellow at Harvard's Kennedy School of Government and former chief economist at the African Development Bank. Unrest in Sri Lanka, Pakistan and Peru over the past week highlights the risks. In Sri Lanka, protests have erupted over shortages of gas and other basic goods. Double-digit inflation in Pakistan has eroded support for Prime Minister Imran Khan, who is clinging to power. At least six people have died in recent anti-government protests in Peru sparked by rising fuel prices. But political conflict isn't expected to be limited to these countries. [...]

The situation now is even worse than it was then. Global food prices have just hit a new record high. The FAO Food Price Index published Friday hit 159.3 in March, up almost 13% from February. The war in Ukraine, a major exporter of wheat, corn and vegetable oils, as well as harsh sanctions on Russia — a key producer of wheat and fertilizer — is expected to spur further price increases in the coming months. [...]

In Lebanon, where nearly three-quarters of the population was living in poverty last year as the result of a political and economic collapse, between 70% and 80% of imported wheat comes from Russia and Ukraine. Key grain silos were also destroyed during the 2020 explosion at the Beirut port. [...] Droughts and conflict in countries like Ethiopia, Somalia, South Sudan and Burkina Faso have created a food security crisis for more than a quarter of the continent's population, the International Committee of the Red Cross said this week. The situation risks getting worse in the coming months, it continued.
https://edition.cnn.com/2022/04/09/busin...index.html

Schneemann
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#62
Auslöser dieser weltweiten Krisen ist aber eigentlich nicht direkt Putins Krieg gegen die Ukraine, sondern die Sanktionen die daraufhin beschlossen wurden, welche dazu führten dass Spekulation auf Rohstoffe die Preise in die Höhe getrieben hat. Meines Erachtens wurde nämlich genau diese globalen Wirkungen überhaupt nicht bedacht als man sofort nach Sanktionen gerufen hat und dann nicht mehr zurück konnte. Deshalb sind Sanktionen als Mittel gegen Rußland meines Erachtens auch völlig kontraproduktiv. Sie werden nicht das bringen was man sich im Westen dadurch erhofft, sondern das Gegenteil. Man schwächt sich selbst und die eigene Stellung in der Welt, weil man nicht wahrhaben will dass man eigentlich machtlos ist, da ein eigenes militärisches Eingreifen keine Option darstellt.
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#63
@lime
Zitat:Auslöser dieser weltweiten Krisen ist aber eigentlich nicht direkt Putins Krieg gegen die Ukraine, sondern die Sanktionen die daraufhin beschlossen wurden, welche dazu führten dass Spekulation auf Rohstoffe die Preise in die Höhe getrieben hat. Meines Erachtens wurde nämlich genau diese globalen Wirkungen überhaupt nicht bedacht als man sofort nach Sanktionen gerufen hat und dann nicht mehr zurück konnte. Deshalb sind Sanktionen als Mittel gegen Rußland meines Erachtens auch völlig kontraproduktiv.
Das sehe ich anders. Einerseits muss man bedenken, dass die ukrainischen Getreideexporte, die bspw. rund 25 bis 30% der ägyptischen Weizenimporte ausmach(t)en, ja nicht wegen Sanktionen nicht mehr im Zielland ankommen, sondern deswegen weil der Krieg selbst den Anbau erschwert bzw. Verwüstungen zur Folge hat und weil die russische Marine die Häfen des Schwarzen Meeres blockiert. D. h. Ägypten hat nicht mit steigenden Preisen oder Brotrevolten zu kämpfen wegen der Sanktionen, sondern schlicht wegen der Kriegspolitik Russlands.

Die Sanktionen an sich zeigen andererseits darüber hinaus in Russland durchaus Wirkung, auch wenn der Rubel aktuell sich stabilisiert hat. Die Folgen sind viel gravierender als bei uns, wo wir uns nur über leere Sonnenblumenöl-Regale oder Beschränkungen beim Mehlbeutel-Kauf wundern. Damit meine ich nicht die Energieversorgung, da wird Russland vollkommen autark agieren können (wobei sie sich allerdings um die Wartung kümmern sollten, denn rund 70% der Fördertechnik in Sibirien wurde von westlichen Unternehmen geliefert), deutlich mehr als wir, aber darüber hinaus wackelt das System in der Grundversorgung, in der Produktion und im Bankenbereich durchaus heftig - und Systeme stürzen normalerweise nicht von oben, sondern von unten...
Zitat:Sie werden nicht das bringen was man sich im Westen dadurch erhofft, sondern das Gegenteil. Man schwächt sich selbst und die eigene Stellung in der Welt, weil man nicht wahrhaben will dass man eigentlich machtlos ist, da ein eigenes militärisches Eingreifen keine Option darstellt.
Genau diese Annahme, also dass der Westen eigentlich machtlos wäre, hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass man in Moskau sich für den Waffengang entschied. Heraus kam dabei das größte russische Desaster - militärisch, wirtschaftlich und moralisch - seit dem Kollaps der UdSSR. Insofern: Ich rate immer zur Vorsicht, wenn man solche Thesen aufstellt.

Schneemann
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#64
Zitat:Bank-of-England-Chef warnt vor „apokalyptischen“ Lebensmittelpreisen

Der Chef der britischen Zentralbank erwartet weiterhin Preissteigerungen im Bereich Energie und Lebensmittel. Weiter steigende Inflationsraten würden sich auch auf Löhne und Arbeitslosigkeit auswirken. [...]

Angesichts des russischen Kriegs gegen das wichtige Agrarland Ukraine hat der britische Zentralbankchef Andrew Bailey vor „apokalyptischen“ Preissteigerungen bei Lebensmitteln gewarnt. Die Ukraine habe zwar ausreichend Vorräte, aber könne die Waren nicht exportieren, sagte Bailey einem Parlamentsausschuss in London. „Es ist eine große Sorge für dieses Land und eine große Sorge für die Entwicklungsländer“, sagte der Chef der Bank of England britischen Medien vom Dienstag zufolge. „Tut mir leid, dass ich apokalyptisch bin, aber das ist ein großes Problem.“ [...]

Bailey warnte, steigende Energie- und Lebensmittelpreise würden die Inflation noch weiter anheizen und zugleich einen „sehr großen Reallohnschock“ auslösen. Letztlich werde sich die Arbeitslosigkeit wieder erhöhen. Die Inflation war in Großbritannien zuletzt auf 7 Prozent geklettert, die Bank of England rechnet damit, dass die Verbraucherpreise in diesem Jahr um bis zu 10,25 Prozent steigen. Wegen der steigenden Preise vor allem für Lebensmittel und Energie könnten Experten zufolge Millionen Menschen im Land in Armut und Verschuldung abrutschen. [...] Die Zentralbank hätte nicht anders handeln können, versicherte Bailey. „Wir können Dinge wie Kriege nicht vorhersagen, das steht in Niemandes Macht.“ Auf die Frage, ob er sich hilflos fühle, etwas gegen die steigende Inflation zu tun, sagte Bailey: „Ja.“ Der Notenbankchef forderte Arbeitnehmer - vor allem mit höheren Einkommen - auf, sie sollten „überlegen und reflektieren“, bevor sie Lohnerhöhungen forderten und die Inflation weiter anheizen könnten.
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/k...36929.html

Schneemann
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#65
Wenn die Russen wirklich intelligent und logisch-rational agieren würden, dann müssten sie eigentlich jetzt eine Strategie verfolgen, diese Problemstellungen noch mit allen Mitteln zu befördern, weil dies dann dem Westen direkt wie indirekt erheblichen Schaden zufügen wird, vor allem auch langfristig.

Russland müsste daher eigentlich diese Entwicklung mit allen Mitteln befördern und forcieren, mit Staatsvermögen an den Lebensmittelbörsen entsprechende negative Spekulationen betreiben, und jede Möglichkeit Nutzen hier Schaden anzurichten. Die Folgen daraus in der islamischen Welt und in Schwarzafrika allein schon würden dem Westen so viel Schaden zufügen, dass dies ein gewisser Ausgleich für die Schäden wäre die Russland wegen des Krieges erlitten hat bzw. erleiden wird.

Wenn beide Seiten massiv geschädigt werden, dann gewinnt derjenige, welcher weniger Schaden erleidet oder diesen langfristig besser wegstecken kann.

Anbei: das ist aktuell in Russland eine weitere Verschwörungstheorie zum Ukrainekrieg: dass dieser gar nicht "gewonnen" werden soll, sondern nur dazu dienen soll weltweit eine gegen den Westen gerichtete Abwärtsspirale einzuleiten, bei welcher Russland am Schluss aufgrund größerer Autarkie und größerer Resilenz besser dastehen wird als der Westen. Deshalb werde man den Krieg ewig weiter führen, in Kürze komplett das Gas kappen, und gezielt eine globale Lebensmittelkrise herbei führen usw Da man den Westen nicht im Krieg besiegen könne und der Westen Russland militärisch davon gelaufen sei, müsse man eben auf diese Weise die westlichen Staaten so weit wie möglich schädigen.

Ein netter Gedanke, aber die Realität spricht eine andere Sprache. Da hätte man längst ganz andere Wege gehen müssen und hat auch mehrere perfekte Zeitpunkte für die Erzeugung eines solchen Schadens verpasst.
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#66
@Quintus
Zitat:Wenn die Russen wirklich intelligent und logisch-rational agieren würden, dann müssten sie eigentlich jetzt eine Strategie verfolgen, diese Problemstellungen noch mit allen Mitteln zu befördern, weil dies dann dem Westen direkt wie indirekt erheblichen Schaden zufügen wird, vor allem auch langfristig. [...] Die Folgen daraus in der islamischen Welt und in Schwarzafrika allein schon würden dem Westen so viel Schaden zufügen, dass dies ein gewisser Ausgleich für die Schäden wäre die Russland wegen des Krieges erlitten hat bzw. erleiden wird.
Diese zynische Rechnung, wenn die Russen sie so aufzumachen gedenken, würde allerdings ihnen selbst eher zum Nachteil gereichen. In einigen Gebieten Afrikas und im Nahen Osten haben die Russen immer noch ein relativ gutes Standing. Aber die Reaktionen auf den Ukraine-Krieg zeigen auch, dass die Masse der Staaten dort den Angriffskrieg nicht gutheißt (von einem Teil des "dreckigen Dutzends" wie bspw. Syrien mal abgesehen). Und man weiß von Tripolis über Kairo bis nach Luanda durchaus gut, dass die gegenwärtigen Nahrungsmittelpreise eben nicht mit dem Westen zusammenhängen, sondern eine direkte Folge der Politik Moskaus sind.

Und das wird den Russen zum strategischen Nachteil gereichen. Zwar wird es immer noch ein paar Irrlichter geben, wie etwa die Junta in Mali (wobei ich nicht weiß, ob diese noch arg lange ihren gegenwärtigen Kurs durchhalten kann), die sich russischen Support erhoffen, aber im Gesamtrahmen betrachtet verliert Russland an Einfluss in diesen Gebieten - und zieht sich zudem auch noch einen gewissen Unmut zu. Dahingehend sind die westlichen Hilfsmaßnahmen bzw. Finanzaufwendungen bzgl. Entwicklungshilfe und Welternährungsprogramm irrelevant (zumal wenn man sie mit den Rüstungsausgaben in den USA und der EU vergleicht).

Gegenwärtige Entwicklungen...
Zitat:Africa: Growing Hunger, High Food Prices in Africa Don't Have to Become Worse Tragedy

The cascading global events of the 2020s seems to have no end in sight. The once-in-a-century pandemic (COVID-19) has been followed by the destructive Russian invasion in Ukraine, strong inflationary pressures around the world linked, ominously, to a surge in global food and energy prices.

As the United Nations Secretary-General Antonio Guterres declared recently, we are living the perfect storm caused by the tangled web of food, energy, and financial crises.

This is not the first time the world has faced the threat of massive hunger and starvation following a spike in food prices. In 2007-2008 and in 2010-2011 food prices suddenly increased following a three-decade hiatus when food prices were stable and low. However, the current shock is of a different magnitude: as the graph below shows, the surge in food prices, reflected in the Food and Agriculture Organization´s Food Price Index, is the highest recorded since 1961 - even higher than the surge in the first half of the 1970s, during the infamous 1973 Oil Crisis. [...] The cost of food is 42% higher now than 2014-2016. [...]

Africa has been particularly vulnerable: about 21% of people on the continent suffered from hunger in 2020, a total of 282 million people. Between 2019 and 2020, in the aftermath of the pandemic, 46 million people became hungry in Africa. No other region on the world presents a higher share of its population suffering from food insecurity. Also, African households spend a large share of their income on food. According to a recent note in the Financial Times, citing estimates from the IMF, food represents 17% of expenditure in advanced economies, in sub-Saharan Africa the figure is 40%. [...]

The causes are equally multifaceted: the current pressures on food systems in Africa derive from multiyear droughts in the Horn and East Africa; a locust swarm; the internal conflict in Ethiopia; flood, drought, conflict and the economic effects of COVID-19 in West Africa; and obviously the international shocks associated with the pandemic and the war in Ukraine.
https://allafrica.com/stories/202205210216.html

Schneemann
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#67
Schneemann:

Der Einfluss in diesen Gebieten ist für Russland in Wahrheit irrelevant und ob es dort Einfluss gewinnt oder verliert hängt auch wenig mit der Realität bzw. den real praktischen Auswirkungen zusammen, sondern hängt dort noch stärker als anderswo allein davon ab, ob die entsprechende Propaganda verfängt oder ob und wie solche betrieben wird. Ein Musterbeispiel:

Zitat:man weiß von Tripolis über Kairo bis nach Luanda durchaus gut, dass die gegenwärtigen Nahrungsmittelpreise eben nicht mit dem Westen zusammenhängen, sondern eine direkte Folge der Politik Moskaus sind.

Nein, dass weiß man dort in der Bevölkerung eben nicht. Dort wird der Westen für die rasant steigenden Nahrungsmittelpreise verantwortlich gemacht. Ich konnte mich sogar erst vor wenigen Tagen mit ein paar Ägypten darüber unterhalten. Ihr Argument war, dass Russland gerne Lebensmittel liefern würde, der Westen dies aber durch seine Sanktionen verhindert und dass die Preise nur wegen Spekulationen an entsprechenden Börsen in der Schweiz so steigen die von westlichen Spekulanten betrieben werden und Weizen usw. durch den Handel in der Schweiz und entsprechende Spekulationen künstlich verknappt wird. Und dass der Westen durch Lügen versucht die Verantwortlichkeit des Weizenhandels in der Schweiz durch US Banken und deutsche Banken auf das arme Russland zu schieben blablablabla etc etc

Es hat schon seinen Grund warum Russland seinen Informationskrieg aktuell sehr stark auf die Dritte Welt konzentriert. Aber selbst wenn wir (entgegen der aktuellen Entwicklung) auch dort den Informationskrieg gewinnen würden, auch dann kann dies Russland vollkommen egal sein, solange nur der Westen dadurch so viel Schaden wie möglich nimmt.

Ich würde an Russlands Stelle angesichts des aktuellen Disasters genau dies tun: die Ukraine vollständig zerstören (strategische Angriffe auf jede kritische Infrastruktur) und dann komplett abziehen und die Ukraine dem Westen aufs Auge drücken mit allen Folgekosten und schließlich global eine Hungerkatastrophe herbei führen, weil diese erneut dann primär den Westen treffen wird. Sehr leicht könnte man mit so einer Strategie gewisse Kippelemente erreichen ab denen dann erhebliche Abwärtsspiralen eintreten.
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#68
(22.05.2022, 20:44)Quintus Fabius schrieb: Nein, dass weiß man dort in der Bevölkerung eben nicht. Dort wird der Westen für die rasant steigenden Nahrungsmittelpreise verantwortlich gemacht. Ich konnte mich sogar erst vor wenigen Tagen mit ein paar Ägypten darüber unterhalten. Ihr Argument war, dass Russland gerne Lebensmittel liefern würde, der Westen dies aber durch seine Sanktionen verhindert

Mag in Ägypten so sein. In Kenia hingegen schimpfen z.B. alle auf die Russen. Ausnahmslos. Dort ist man sehr pro-westlich.
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#69
Und worin liegt der Wert Kenias für Russland? Es kann den Russen völlig egal sein was die Kenianer meinen oder äußern, solange nur Kenia zusammenbricht und in eine Hungerkatastrophe gerät, um die und um deren Folgen sich dann der Westen kümmern muss.
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#70
(22.05.2022, 21:14)Quintus Fabius schrieb: Und worin liegt der Wert Kenias für Russland? Es kann den Russen völlig egal sein was die Kenianer meinen oder äußern, solange nur Kenia zusammenbricht und in eine Hungerkatastrophe gerät, um die und um deren Folgen sich dann der Westen kümmern muss.

Nun, ich sehe in der Nahrungsgeschichte durchaus eine "Macht" Russlands - aber ich weiss nicht, inwieweit man sich wirklich nach vorne katapultiert, in dem man sich auf 3/4 der Welt zum Hassobjekt macht und mit purer Erpressung (und sonst nichts) arbeitet?

Das wird eine Weile funktionieren, aber die Welt wird umsteuern. Auch Europa könnte viel mehr Nahrungsmittel produzieren, bloß haben wir das eben (Pseudo-Bio lässt grüßen) vielfach ausgelagert, um bei uns Felder brach liegen lassen zu können.
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#71
Die Befähigung Nahrungsmittel in großen Mengen zu liefern bedeutet für die Russen dennoch keine Macht in diesen Ländern. Und diese Länder und was sie so über Russland meinen kann den Russen vollkommen egal sein, denn all diese Länder, gleich ob Ägypten oder Kenia oder Pakistan spielen für Russland keine Rolle, erzeugen aber für den Westen immense Probleme wenn sie zu Failed States werden.

Das ist eine Loose - Loose Strategie. Da verlieren alle weil alle verlieren sollen, und wenn ganz man Ende Russland weniger verliert, hat es sich im Verhältnis gesehen gesteigert und damit gewonnen.

Und es spielt keine Rolle ob Russland dann in ein paar Ländern ein Hassobjekt ist, dass ändert rein gar nichts daran, dass man hier sehr leicht Abwärtsspiralen in Gang setzen kann, die auch eine deutlich gesteigerte Lebensmittelproduktion in der EU nicht wird auffangen können.

Beschließend übrigens noch ergänzend zu der steten Erwähnung der Schweiz: Tatsächlich wird ein Gros der Weizens in der Schweiz gehandelt, was kaum einer weiß. Und tatsächlich sind zur Zeit wüste Spekulationen auch dafür mitverantwortlich, dass die Preise weltweit so steigen.

Aber es wird ja nicht nur mit den Endprodukten wie beispielsweise Weizen Spekulation betrieben. Auch die ganzen Produktionsmittel werden durch Warenterminspekulationen hochgejagt. Das reicht von Saatgut über Dünger bis hin zu Agrartreibstoffen.

Was auch wenig bekannt ist ist, dass sich diese Spekulationsgeschäfte inzwischen radikal von der Realität weg entwickelt haben und nur noch Selbstzweck sind. So wird beispielsweise ein Vielfaches der Menge an Weizen gehandelt das real existiert! Macht man so etwas im kleinen als Privatmann, nennt man es zu Recht nichts anderes als Betrug, macht es eine Schweizer Bank zusammen mit einer US Bank, nennt man es Handel mit Finanzprodukten.

2002 wurde bereits mehr als das zehnfache der real existierenden Weizenmenge gehandelt und heute, nur zwanzig Jahre später ist man schon beim mehr als siebzigfachen!

Noch so ein Spaß: nur noch wenige der Händler welche mit Weizen spekulieren handeln überhaupt je mit realem Weizen. Weniger als ein Drittel der Händler hat je realen Weizen real verkauft. Das heißt dass mindestens zwei Drittel aller Kontrakte auf Weizen von reinen Finanzspekulanten betrieben werden.

Warum wirkt sich das aber überhaupt so radikal aus? Der Grund dafür ist höchst einfach: während wir nur einen geringen Anteil unseres Einkommens für Grundnahrungsmittel ausgeben, ist dies in Dritte Welt Ländern der größte Anteil am Einkommen. Daher wirken sich Preissteigerungen in diesen Ländern weit überproportinal aus. Und deshalb kann die EU auch durch eine Steigerung ihrer Agrarproduktion hier kaum etwas gegen solche Abwärtsspiralen ausrichten. Noch mal abgesehen davon, dass diese von den Finanzspekulanten welche hier mit dem Leben von Hunderten von Millionen von Menschen spielen um sich selbst zu berreichern weitgehend in ihren Auswirkungen kompensiert würde.
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#72
(22.05.2022, 22:06)Quintus Fabius schrieb: Was auch wenig bekannt ist ist, dass sich diese Spekulationsgeschäfte inzwischen radikal von der Realität weg entwickelt haben und nur noch Selbstzweck sind. So wird beispielsweise ein Vielfaches der Menge an Weizen gehandelt das real existiert! Macht man so etwas im kleinen als Privatmann, nennt man es zu Recht nichts anderes als Betrug, macht es eine Schweizer Bank zusammen mit einer US Bank, nennt man es Handel mit Finanzprodukten.

2002 wurde bereits mehr als das zehnfache der real existierenden Weizenmenge gehandelt und heute, nur zwanzig Jahre später ist man schon beim mehr als siebzigfachen!

Das ist so, allerdings könnte man das aber auch für sich nutzen - in dem man hier - "whatever it takes" von staatlicher Seite gegenhält. Das würde die Preise drücken. Dann würden die Spekulanten sehr fix kollabieren - der Weizenmarkt ist weit kleiner als der Devisenmarkt z.B. und hier ist es ja für Notenbanken auch kein Hexenwerk, die Kurse wenn nötig, entsprechend zu deckeln. Die Schweiz hielt den Frankenkurs ja auch jahrelang auf fixem Niveau, ebenso machen es andere Zentralbanken (auch gegen Spekulanten) mit ihren Währungen.

(22.05.2022, 22:06)Quintus Fabius schrieb: Macht man so etwas im kleinen als Privatmann

Übrigens auch für den Privatmann nicht verboten (auch wenn ich persönlich diese Spekulation auslasse):
https://abload.de/img/2022-05-2222_41_39-igwzk2w.png

Wink
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#73
Mit Sachen zu handeln die nicht existieren - in dem Ausmaß, dass mehr als das 70 fache der real existierenden Menge gehandelt wird, ist nichts als Betrug. Und völlig gleich ob es für legal erklärt wird oder nicht, es ist inakzeptabel.
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#74
(22.05.2022, 23:02)Quintus Fabius schrieb: Mit Sachen zu handeln die nicht existieren - in dem Ausmaß, dass mehr als das 70 fache der real existierenden Menge gehandelt wird, ist nichts als Betrug. Und völlig gleich ob es für legal erklärt wird oder nicht, es ist inakzeptabel.

Naja, was heisst "nicht existieren" ?

Konkret wird in dem Bereich mit Futures gehandelt - also mit durchaus konkreten Liefer- oder Abnehmverpflichtungen in der Zukunft. Es ist aber ganz einfach so, dass die Kontrakte gekauft und dann später wieder weiter verkauft werden. Das erhört natürlich das Volumen. Weil sich jemand findet, der bereit ist, mehr dafür zu zahlen.

So etwas kann aber auch nach hinten losgehen, wie beim Öl-Crash während Corona. Hier gab es dann eben sogar einen negativen Ölpreis, weil die Spekulanten alles taten, um der Abnahmeverpflichtung zu entkommen nach der Fehlspekulation.
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#75
Wenn ich mit konkreten Liefer- und Abnahmeverpflichtungen handele, die nie erfüllt werden können, weil sie aufgrund der real existierenden Menge gar nicht erfüllbar sind, dann ist dies nichts als Betrug. So wie in vielen Bereichen sogenannter "Finanzprodukte" es in Wahrheit nur darum geht mit betrügerischen Modellen so viel Geld wie möglich aus einem zutiefst kriminellen System heraus zu schlagen und dieses beiseite zu schaffen bevor das entsprechende System kollabiert. Das war mit den ganzen "Finanzprodukten" die 2008 zur Weltfinanzkrise führten auch nicht anders.

Und auch damals schon hat man parallel dann Spekulationsgeschäfte mit Lebensmitteln betrieben, und zwar mit Geld welches aus diesen "Geschäften" stammte, mit dem Ergebnis, dass sich die Zahl der hungernden Menschen innerhalb eines Jahres um 100 Millionen erhöhte !

Die Realwirtschaft wurde schließlich um ca. 4 Billionen Euro geschädigt, Millionen von Menschen verloren ihre Häuser und Wohnungen, 100 Millionen Menschen mehr hungerten, nur dafür, dass sich irgendwelche ach so klugen Kriminellen daran bereichern konnten um im weiteren perverser Dekadenz frönen zu können.

Und warum: weil man genau auf die gleiche Weise mit Dingen gehandelt hat, die nicht real existierten, hier vor allem über die Subprime Kredite mit Wertsteigerungen von Immobilien die nicht eintraten. Was man auch genau wusste, weshalb man diese Subprime Kredite ja auch mit jedem nur denkbaren Trick umgewandelt und weiterverkauft hat um sie so schnell wie möglich loszuwerden. Deshalb ja auch die ganzen Credit Default Swaps welche man dann ebenfalls gehandelt hat, nur um dadurch auf Kosten der Allgemeinheit sich rein persönlich zu berreichern, während alle Folgekosten sozialisiert werden konnten.

Es wird einfach von der Mehrheit der Bevölkerung nicht verstanden, dass ein Gros des gesamten internationalen Geldsystems, der Banken, des ganzen Finanzhandels nichts weiter ist als ein einziger Betrug auf Kosten der Gesamtheit. Womit ich rein persönlich gar kein Problem hätte, würde dies nicht zugleich die Nation ebenfalls zerstören, weil diese globalisierten Betrüger nichts anderes sind als vaterlandslose Verräter.
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