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Zitat: Zitat:hätte die Ukraine noch über Atomwaffen verfügt, wäre sie unabhängig von ihren konventionellen Fähigkeiten niemals angegriffen worden, da sie diese wie jede andere Atommacht auch eingesetzt hätte wenn der Fortbestand des Staates gefährdet gewesen wäre. Vlt. sogar früher.
Was auf der Stelle einen russischen Gegenschlag ausgelöst hätte, womit die Ukraine aufgehört hätte zu existieren, als Staat, als Nation und auch sonst.
Und dann hätte Russland durch den Ukrainischen Zweitschlag einen Großteil seiner Ballungszentren verloren und Putin hätte nichts gewonnen. Ergo würde er sich gar nicht erst an der Ukraine versuchen.
Bei Lichte betrachtet ist es aber doch so, dass auch im Atomkrieg bedeutende Eskalationsstufen existieren, die nicht zwingend durchschritten werden müssen.
Hätte die Ukraine bspw gegen die Kolonnen vor Kiew Atomwaffen eingesetzt ist es doch ziemlich weit hergeholt anzunehmen, dass Russland dies mit einem Atomschlag gegen ukrainische Ballungszentren beantwortet.
Die Antwort wäre viel eher ein Angriff auf ukrainische Fliegerhorste oder dergleichen gewesen.
Wie es dann weiterginge wäre völlig offen, muss aber längst nicht zwingend totale Eskalation bedeuten. Wahrscheinlicher ist, dass man sich danach unter massivem globalen Druck an einen Tisch gesetzt und zu Quo Ante zurückgekehrt wäre.
Oder halt auch nicht, das weiß man schlicht nicht.
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(27.02.2025, 09:31)Nightwatch schrieb: Bei Lichte betrachtet ist es aber doch so, dass auch im Atomkrieg bedeutende Eskalationsstufen existieren, die nicht zwingend durchschritten werden müssen. Sehr richtig. Und es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die sowjetische Doktrin seit 1981 sogar fest darauf baute, dass die Eskalationsstufen nicht überschritten werden. Sicher, die aktuellen russischen Erwägungen dazu sind uns nicht bekannt, aber die Entscheidungsträger des heutigen Russlands wurden alle in den Diensten und den Streitkräften der 1980er ausgebildet und sozialisiert.
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Werter Nightwatch:
Zitat:Und dann hätte Russland durch den Ukrainischen Zweitschlag einen Großteil seiner Ballungszentren verloren und Putin hätte nichts gewonnen. Ergo würde er sich gar nicht erst an der Ukraine versuchen.
Du schreibst an mir vorbei: ich schrieb nicht über einen russischen Erstschlag mit Atomwaffen, sondern über einen konventionellen russischen Angriff. Dieser wird durch eine ukrainische Zweitschlagfähigkeit oder selbst durch die Bereitschaft auf einen konventionellen Angriff mit einem Erstschlag zu reagieren nicht abgeschreckt, weil die gleiche Logik auch umgekehrt gilt: führt die Ukraine einen Erstschlag als Reaktion auf einen konventionellen Angriff aus, ist das ukrainische Volk vernichtet. Die Ukraine gewinnt also nicht, wenn sie auf einen konventionellen Angriff einen Erstschlag androht. Sie verliert also in jedem Fall, während Russland hier nur in manchen Fällen verliert. Und genau aus diesem Ungleichgewicht sind Atomwaffen für die Verteidigung unbrauchbar und ist auch die Androhung eines nuklearen Erstschlags auf einen konventionellen Angriff in Wahrheit völlig wertlos.
Nun im weiteren zum rein taktischen Einsatz:
Zitat:Hätte die Ukraine bspw gegen die Kolonnen vor Kiew Atomwaffen eingesetzt ist es doch ziemlich weit hergeholt anzunehmen, dass Russland dies mit einem Atomschlag gegen ukrainische Ballungszentren beantwortet.
Doch, hätte es. Denn exakt dass ist aktuelle russische Doktrin. Greift jemand russische Streitkräfte mit taktischen Nuklearangriffen an, dann wird darauf nuklear geantwortet. Das ist ja gerade eben notwendig, um den taktischen Angriff abzuschrecken und damit zu verhindern.
Und deshalb nützen taktische Waffen so wenig bis nichts in der Verteidigung. Wenn der Gegner glaubhaft strategische Angriffe als eine Reaktion auf einen taktischen Einsatz einsetzen wird, kann man die taktischen Einsätze in der Verteidigung bei einem ansonsten rein konventionellen Angriff vollkommen vergessen.
Aber selbst wenn (mal rein theoretisch) sich die Sache begrenzen ließe und die Russen eben nicht den taktischen Einsatz durch die Androhung des strategischen Einsatz verhindern, es also noch Eskalationsstufen gibt:
Zitat:Hätte die Ukraine bspw gegen die Kolonnen vor Kiew Atomwaffen eingesetzt ist es doch ziemlich weit hergeholt anzunehmen, dass Russland dies mit einem Atomschlag gegen ukrainische Ballungszentren beantwortet.
Die Antwort wäre viel eher ein Angriff auf ukrainische Fliegerhorste oder dergleichen gewesen.
Wie es dann weiterginge wäre völlig offen, muss aber längst nicht zwingend totale Eskalation bedeuten. Wahrscheinlicher ist, dass man sich danach unter massivem globalen Druck an einen Tisch gesetzt und zu Quo Ante zurückgekehrt wäre.
Die Russen haben immens viel mehr taktische Nuklearwaffen bzw. für solche taktischen Einsätze vorgesehenen Waffen als die Ukraine oder sonst irgendein Staat in der Welt. Ein ukrainischer taktischer Erstschlag - beispielsweise gegen die Kolonne in Richtung Kiew hätte damit Russland das Recht gegeben, rein taktisch zu antworten und damit hätte Russland mittels seiner taktischen Waffen die gesamten ukrainischen Streitkräfte auf der Stelle ausgelöscht und die Ukraine verliert und zwar haushoch und auf der Stelle !
Einen rein taktisch geführten, also begrenzten Atomkrieg kann aktuell niemand gegen Russland gewinnen, selbst die NATO hätte hier erhebliche Schwierigkeiten, da die Russen sich sozusagen darauf spezialisiert haben.
Jeder rein taktische Erstschlag der Ukraine auf einen konventionellen Angriff hin hätte also ebenso die sofortige Niederlage zur Folge, und dies mit erheblichen Verheerungen und Nebenwirkungen, da sich ein taktischer Atomkrieg ja gar nicht völlig getrennt von Land und Zivilbevölkerung führen lässt.
Und damit landet man dann sehr schnell in Eskalationsspiralen in welchen es dann doch zum strategischen Atomkrieg kommt. Warum haben die Russen dann überhaupt so viele taktische Atomwaffen wenn diese so wertlos sind ?! Die Antwort liegt genau darin: um jeden taktischen Einsatz eines nuklear bewaffneten Gegners auf dieser Eskalationsstufe völlig zu entwerten und damit diese Eskalationsebene auszuschließen und für den Feind zu entwerten. Der Feind wird dadurch gezwungen sich rein konventionell zu wehren oder den strategischen Atomkrieg zu führen, welchen er ebenso verliert.
Das heißt: die Ukraine verliert wenn sie Atomwaffen hat und diese einsetzt. Oder sie verliert konventionell. Wie man es dreht und wendet, sie verliert.
Ironischerweise ist der jetzige de facto Teilsieg der Ukraine sogar nur und allein nur dadurch möglich geworden, dass die Ukraine keine Atomwaffen hat. Ukrainische Atomwaffen hätten hingegen die Wahrscheinlichkeit für eine Niederlage der Ukraine erhöht, auch wenn dies für viele kontraintuitiv ist.
Zitat:Oder halt auch nicht, das weiß man schlicht nicht.
Und da sind wir beim nächsten Problem: den beim rein taktischen defensiv gedachten Erstschlag praktisch kaum einfangbaren Eskalationsspiralen, zumal taktische Angriffe zugleich auch immer sofort die Zivilbevölkerung mittreffen und zumal die Informationslage und weil alle folgenden Prozesse extrem zeitkritisch sind die Sache fast nicht auf dieser Eskalationsebene haltbar ist. In fast allen Fällen wird der Krieg strategisch eskalieren und dies rasant. Gerade eben weil man es nicht weiß, weil die Informationslage in jedem Fall unzureichend sein wird und weil die Sache so extrem zeitkritisch ist. Man muss also handeln, und man handelt also dann gezwungenermaßen, dies aber mit völlig unzureichenden Informationen. Wo doch gerade in diesem Szenario möglichst exakte Informationen notwendig wären.
Um es noch mal kurz zusammen zu fassen:
1. Rein konventioneller russischer Angriff - die Ukraine hat aber Atombomben, die Russen greifen trotzdem an weil sie davon ausgehen, dass der Einsatz der ukrainischen Atombomben vom russischen Arsenal abgeschreckt wird.
1.1. Die Ukraine siegt konventionell.
1.2. Die Ukraine verliert konventionell.
2. Die Ukraine führt einen rein taktischen Erstschlag durch als Reaktion auf den konventionellen russischen Angriff:
2.1. Die Russen halten den Krieg auf dieser Ebene und antworten rein taktisch, und siegen auf der Stelle weil ihr Arsenal in diesem Bereich weit überlegen ist. Die Ukraine verliert.
2.2. die Sache eskaliert strategisch, womit die Ukraine verliert.
3. Die Russen führen einen rein taktischen Erstschlag durch (aus was für Gründen auch immer):
3.1. die Ukraine hat bereits durch den taktischen Erstschlag auf der Stelle verloren.
3.2. Die Ukraine schafft es noch rein taktisch dagegen zu schlagen, sie verliert aber dann natürlich trotzdem.
3.3. Die Ukraine führt einen strategischen Gegenschlag durch oder der Krieg eskaliert strategisch, die Ukraine verliert.
Warum also sollten sich die Russen von einem ukrainischen Atomwaffenarsenal konventionell abschrecken lassen ?!
Und welche Nation (einschließlich der Ukraine) hat die Bereitschaft als REAKTION auf einen rein konventionellen Angriff Selbstmord zu begehen und sich selbst vollständig mit auszulöschen nur damit der Gegner nicht konventionell siegt ? Zumal man ihn etwaig sogar konventionell besiegen kann !
Und wäre diese Bundesrepublik tatsächlich Willens und in der Lage, sich selbst vollständig auszulöschen und den Gros der hier lebenden Menschen gleich mit, nur damit die Russen nicht konventionell siegen ?!
Nochmals und ganz kurz:
Atomwaffen ermöglichen konventionelle Angriffskriege, insbesondere auch gegen Staaten die selbst Atomwaffen haben. Das Risiko ist für den Angreifer geringer als für den Verteidiger und ein konventioneller Angriff nicht suizidal, während eine nukleare Verteidigung einfach nur Suizidal ist.
Wer aber ist wirklich Kamikazeartig zum Suizid bereit, nur um den konventionellen Krieg nicht zu verlieren ? Und worin liegt da die Logik sich selbst zu vernichten ?
Nun kommt aber dann immer als letztes das Argument der nuklearen Erpressung: ja wenn wir keine Atomwaffen haben, und keine Bündnispartner mit solchen, dann könnte die Atommacht ja alles nach belieben verlangen unter Androhung des Erstschlag. Aber das ist eine sehr unterkomplexe Betrachtung. Die Ukraine ist nicht im Bündnis mit der NATO, sie hat keine Atomwaffen, trotzdem hat Russland den Krieg dort durch den taktischen Einsatz von Atomwaffen nicht abgekürzt. Warum ?! Weil die NATO für die Ukraine den Weltuntergang durchführen würde ? Alle würden Suizid begehen für die Ukraine ? Das ist nicht glaubhaft.
Nein, die negativen Gesamtauswirkungen eines solchen Einsatzes wären für Russland zu groß gewesen, die Folgekosten hätten den Nutzen dieser Abkürzung des Krieges nicht ansatzweise gerechtfertigt.
Die Androhung des eigenen Selbstmordes ist hingegen nicht gleichermaßen abschreckend, weil sie zum einen irrational ist, also irrationale Akteure erfordert, und weil damit nichts gewonnen wird. Den eigenen Selbstmord und den Tod von Millilarden von Menschen anzudrohen um einen konventionellen Angriff abzuschrecken ist daher nicht glaubhaft !
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(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Werter Nightwatch:
Du schreibst an mir vorbei: ich schrieb nicht über einen russischen Erstschlag mit Atomwaffen, sondern über einen konventionellen russischen Angriff. Dieser wird durch eine ukrainische Zweitschlagfähigkeit oder selbst durch die Bereitschaft auf einen konventionellen Angriff mit einem Erstschlag zu reagieren nicht abgeschreckt, weil die gleiche Logik auch umgekehrt gilt: führt die Ukraine einen Erstschlag als Reaktion auf einen konventionellen Angriff aus, ist das ukrainische Volk vernichtet.
Die Ukraine gewinnt also nicht, wenn sie auf einen konventionellen Angriff einen Erstschlag androht. Sie verliert also in jedem Fall, während Russland hier nur in manchen Fällen verliert. Und genau aus diesem Ungleichgewicht sind Atomwaffen für die Verteidigung unbrauchbar und ist auch die Androhung eines nuklearen Erstschlags auf einen konventionellen Angriff in Wahrheit völlig wertlos. Die Ukraine würde doch nicht mit einem strategischen Angriff für den Fall einer Invasion drohen oder einen solche durchführen. Der Atomkrieg würde auf der taktischen Ebene beginnen. Wenn Russland dieses maximal eskaliert sterben sie nur als zweite. Daran können sie kein Interesse haben. Ergo keine Eskalation des Atomkriegs, ergo keine Invasion, die durch taktische Waffen gestoppt wird.
(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Doch, hätte es. Denn exakt dass ist aktuelle russische Doktrin. Greift jemand russische Streitkräfte mit taktischen Nuklearangriffen an, dann wird darauf nuklear geantwortet. Das ist ja gerade eben notwendig, um den taktischen Angriff abzuschrecken und damit zu verhindern. Natürlich wird darauf geantwortet. Es ist aber davon auszugehen, dass es sich die Antwort auf der gleichen Eskalationsstufe oder marginal darüber bewegt. In einer maximalen Eskalation verlieren sie schließlich genauso wie die Ukraine.
Nach einem begrenzten Schlagabtausch, der mit zerschlagenen Invasionsstreitkräften und jeder Menge zerstörter Ukrainischer militärischer Infrastruktur endet würde ein Patt entstehen und keine Seite wird Interesse bzw. Möglichkeiten haben den Krieg fortzuführen.
(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Wenn der Gegner glaubhaft strategische Angriffe als eine Reaktion auf einen taktischen Einsatz einsetzen wird, kann man die taktischen Einsätze in der Verteidigung bei einem ansonsten rein konventionellen Angriff vollkommen vergessen. Ja, aber es glaubt Putin niemand, dass er nach einem taktischen Einsatz gegen russische Panzerverbände irgendwo im russisch-ukrainischen Grenzgebiet Bomben auf Kiew und Kharkiv wirft wenn er anschließend Moskau und St. Petersburg verliert.
Ein strategische Angriff ist ein derart großer Eskalationssprung, dass damit kein taktischer Schlag abgeschreckt werden kann.
In den Planungen des Kalten Krieges mag das noch teilweise anders ausgesehen haben, weil man hier mehr Automatismen vermutete und ob der hohen Zahl verfügbarer taktischer Waffen die Grenzen zum strategischen Austausch wenigstens bezogen auf Europa diffus waren, aber selbst damals plante man seitens der Nato steht mit dem taktischen Einsatz und anschließenden Hoffen, dass es nicht weiter eskaliert.
(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Die Russen haben immens viel mehr taktische Nuklearwaffen bzw. für solche taktischen Einsätze vorgesehenen Waffen als die Ukraine oder sonst irgendein Staat in der Welt. Ein ukrainischer taktischer Erstschlag - beispielsweise gegen die Kolonne in Richtung Kiew hätte damit Russland das Recht gegeben, rein taktisch zu antworten und damit hätte Russland mittels seiner taktischen Waffen die gesamten ukrainischen Streitkräfte auf der Stelle ausgelöscht und die Ukraine verliert und zwar haushoch und auf der Stelle ! Ein solches russisches Vorgehen wäre die bewusste Eskalation hin zum strategischen Atomkrieg. Die Ukrainer würden entsprechend antworten und ihre Ziele immer weiter ausdehnen, auch auf russisches Staatsgebiet. Russland gewinnt damit nichts sondern eskaliert eine Auseinandersetzung in der sie nicht genau abschätzen können, wann für die Ukrainer die kritische Schwelle zum maximalen Einsatz überschritten ist.
Fehlkalkulationen sind hier zu erwarten, vor allen Dingen wenn die ukrainischen Nuklearstreitkräfte direkt angegriffen werden und die Machthaber in Kiew drohen/meinen die Kontrolle zu verlieren.
Sprich, auf diesem Weg hat Russland nichts zu gewinnen und am Ende alles zu verlieren. Eine Sackgasse.
Wie viele taktische Waffen man dabei selbst mehr als der Gegner hat ist doch nicht relevant. Entscheidend ist nur, dass die Ukrainer genug hätten um nach der Zerschlagung der russischen Invasionsstreitkräfte noch schlagfähig zu sein.
Ein (zu) kleines ukrainisches Arsenal erhöht dabei das Risiko für Russland, schließlich ist anzunehmen, dass die Ukraine die letzten verbliebenen Waffen so einsetzen würde, dass es den Russen wirklich weh tut.
(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Und damit landet man dann sehr schnell in Eskalationsspiralen in welchen es dann doch zum strategischen Atomkrieg kommt. Warum haben die Russen dann überhaupt so viele taktische Atomwaffen wenn diese so wertlos sind ?! Die Antwort liegt genau darin: um jeden taktischen Einsatz eines nuklear bewaffneten Gegners auf dieser Eskalationsstufe völlig zu entwerten und damit diese Eskalationsebene auszuschließen und für den Feind zu entwerten. Der Feind wird dadurch gezwungen sich rein konventionell zu wehren oder den strategischen Atomkrieg zu führen, welchen er ebenso verliert. Du definierst die Eskalationsstufen hier falsch. Es existiert nicht nur die Grenze zwischen taktischen und strategischen Angriffen sondern durchaus eine quantitative.
Wenn Russland sich dazu entscheidet einen begrenzten taktischen Schlag gegen angreifende Truppen mit massiven bzw. zahlreichen Angriffen auf militärische Infrastruktur zu beantworten verlässt es die vom Gegner gewählte Eskalationsstufe und geht je nach Größe und Umfang des Einsatzes einen Schritt oder mehr weiter.
Man entwertet die Eskalationsstufe mithin nicht für den Feind sondern für sich selbst. Den Kriegszielen hilft es nicht, die Invasion ist so oder so gescheitert. Man kann höchstens noch beidseitig eine ganze Menge mehr kaputt machen und geht dabei ins Risiko, dass der Gegner dieses Spiel nicht unendlich lange mitspielen können wird und daher maximal eskaliert.
Die Russen haben übrigens so viele taktische Waffen weil sie schlicht zu träge und zu dumm sind hier sinnvolle Abstriche zu machen. Sie könnten ihr Arsenal locker um fünfzig Prozent reduzieren, würden eine Menge Geld sparen und die Gesamtsituation würden sich keinen Meter ändern.
(27.02.2025, 10:54)Quintus Fabius schrieb: Das heißt: die Ukraine verliert wenn sie Atomwaffen hat und diese einsetzt. Oder sie verliert konventionell. Wie man es dreht und wendet, sie verliert. Das Kriegsziel der Ukraine ist die Invasion abzuwehren. Wenn sie die Invasionsstreitkräfte mit Atomschlägen zerstört ist die Invasion gescheitert. Russland kann dann auf der gleichen Eskalationsstufe im begrenzten Umfang militärische Infrastruktur mit Atomwaffen angreifen. Eine Menge geht zu Bruch, aber danach wäre das Geschehen vorbei.
Russland kann sich dazu entscheidend ihrerseits die gewählte Eskalationsstufe zu verlassen, massiv und unverhältnismäßig nuklear zu antworten. Das ändert auch nichts daran, dass die Invasion gescheitert ist. Eine ganze Menge mehr wird zu Bruch gehen und Russland wird seinerseits eine ganze Menge verlieren. Gewinnen können sie dadurch nichts mehr.
Im Worst Case kalkuliert jemand nicht wie erwartet und überschreitet Grenzen die zum strategischen Austausch führen oder die Ukraine wird in eine use it or loose it Situation gedrängt. Auch wieder nichts zu gewinnen.
Die Erwartung also, dass die Ukraine eine Invasion nicht mit Atomwaffen abwehren würde fußt also auf der Annahme, dass die Ukraine glaubt, dass Russland nach einer gescheiterten Invasion bereit ist für nichts noch viel mehr selbst zu verlieren als ein paar Manövergruppen.
Das ist nicht realistisch, vielmehr würde man Putin einen solch irrationalen Kurs nicht zutrauen und darauf bauen, dass ein begrenzter Atomkrieg den Rest der Welt auf den Plan ruft und der Krieg eingefroren wird.
Oder anders gesagt: Einen Automatismus zum Selbstmord gibt es hier nur wenn Putin ihn will. Und da er nicht als der Totengräber des russischen Volkes in die Geschichte eingehen will würde er diesen Weg auch nach einem taktischen Einsatz nicht beschreiten.
Er möchte vielmehr den Krieg gewinnen und hinterher noch etwas davon haben - das kann er nicht sobald die Ukraine die Invasionsstreitkräfte mit Atomschlägen belegt. Entsprechend wird er es ganz lassen, solange die ukrainische Drohung Atomwaffen gegen russische Truppen einzusetzen politisch wie militärisch glaubwürdig ist.
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Zitat:Der Atomkrieg würde auf der taktischen Ebene beginnen. Wenn Russland dieses maximal eskaliert sterben sie nur als zweite. Daran können sie kein Interesse haben. Ergo keine Eskalation des Atomkriegs, ergo keine Invasion, die durch taktische Waffen gestoppt wird.
Aber es würde bereits ein begrenzter taktischer Gegenschlag genügen, damit die Ukraine den Krieg verliert. Entsprechend wird der ukrainische taktische Angriff dadurch abgeschreckt, dass man den begrenzten taktischen Nuklearkrieg verliert. Der ukrainische taktische Angriff macht deshalb keinen Sinn, weil er die Wahrscheinlichkeit der Niederlage erhöht.
Darüber hinaus sollte man an dieser Stelle einwenden, dass der Gegenschlag von dem du hier sprichst auf ukrainischem Gebiet stattfindet, man also Nuklearwaffen inmitten der eigenen Zivilbevölkerung zündet und die Russen würden sich zweifelsohne mitten unter die ukrainischen Zivilisten mischen, hätte die Ukraine Atomwaffen.
Das war ja schon in Kalter Krieg Zeiten russische Doktrin und der Grund für die Überbetonung von Geschwindigkeit und Angriff, dass man der Annahme war, dass ein solcher begrenzter Atomkrieg umso unwahrscheinlicher wird, je schneller und tiefer man inmitten der feindlichen Zivilbevölkerung steht. Und das ist auch heute noch offizielle russische Doktrin.
Ist es also allein schon daraus glaubhaft, dass die Ukraine ihre eigene Zivilbevölkerung mit Nuklearwaffen mit vernichtet, nur um damit den konventionellen Angriff vorübergehend (!) zu stoppen bzw. abzuwehren ?!
Und noch ein Aspekt: angreifende mechanisierte Einheiten werden durch Angriffe taktischer Atomwaffen weniger hart getroffen als in der Verteidigung stehende Truppen und insbesondere weniger als in der Verteidigung stehende Infanterie etc. Bei einem begrenzten taktischen Atomwaffenkrieg würde als die Ukraine aufgrund der Umstände selbst bei einem reinen Tit for Tat, immer je 1 Bombe für 1 Bombe den kürzeren ziehen. Sie müsste also mehr Bomben einsetzen um den gleichen Effekt zu erzielen, womit die Lage dann sehr schnell völlig außer Kontrolle gerät, oder man selbst für den Fall das nicht, das eigene Land dadurch in erheblichem Ausmaß verwüstet wird und erhebliche Anteile der eigenen Fläche verstrahlt werden, die eigene Zivilbevölkerung in erheblichem Umfang mitvernichtet wird usw.
Noch besser (schlimmer): die Russen könnten dann darauf verweisen, dass sie zunächst lediglich konventionell angegriffen haben. Die Ukraine aber ein Regime ist, dass bereit ist in erheblichem Ausmaß die eigene Zivilbevölkerung zu vernichten nur um den konventionellen Angriff abzuwehren. Es wäre dann im weiteren auch die Ukraine, welche hier den Erstschlag geführt hätte, mit allen politischen, wirtschaftlichen und sonstigen Folgen die das für sie hätte. Während Russland nur ein paar Soldaten verloren hat, die der russischen Elite vollkommen egal sind und die man mit der Zeit so oder so geopfert hätte.
Russland wäre durch einen solchen ukrainischen Erstschlag sogar in weiten Teilen der Welt im Nachhinein legitimiert in seinem Angriff, denn ein "verbrecherisches Regime" dass für den Machterhalt seiner Eliten (und nur darum geht es ja) bereit ist die eigene Zivilbevölkerung mit Nuklearwaffen zu vernichten hat sich weltweit praktisch delegitimiert.
Zitat:eine Invasion, die durch taktische Waffen gestoppt wird.
Man kann eine konventionelle Invasion aber eben nicht sinnvoll durch taktische Waffen stoppen. Genau diese Wahnvorstellung des Westens TM, dass Atombomben irgendwie auf magische Weise den Sieg erzeugen, ist der primäre Fehler im westlichen Denken in Bezug auf die Nuklearstrategie. Das ist weder glaubhaft in seiner letzten Konsequenz (taktische Nuklearwaffen auf eigene Zivilbevölkerung) noch ist es in allen anderen Fällen überhaupt begrenzt führbar (beispielsweise wenn man taktische Waffen in Russland selbst einsetzen würde). Es ist entweder wirkungslos oder es kann nicht begrenzt werden und damit bringt es rein gar nichts und kann die Gegenseite diesen nuklearen Bluff oder in unserem Fall dieses magische Denken aufrufen und wir würden dann in Wahrheit einknicken. Es käme noch nicht mal zum Selbstmordversuch, nur damit die Reichen / Eliten weiter ihre Pfründe erhalten können.
Zitat:Natürlich wird darauf geantwortet. Es ist aber davon auszugehen, dass es sich die Antwort auf der gleichen Eskalationsstufe oder marginal darüber bewegt. In einer maximalen Eskalation verlieren sie schließlich genauso wie die Ukraine.
Nehmen wir mal rein theoretisch an, es wäre möglich den Krieg auf der gleichen begrenzten Eskalationsstufe zu führen. Woran ich rein persönlich massivste Zweifel habe, ich halte dies nämlich für real praktisch kaum machbar. Aber mal rein theoretisch: dann verliert die Ukraine. Weil die Antwort auf der gleichen Eskalationsstufe für Russland vorteilhaft ist (Gründe u.a. siehe oben). Die Russen würden dann den begrenzten Nuklearkrieg gewinnen.
Nach einem begrenzten Schlagabtausch, der mit zerschlagenen Invasionsstreitkräften und jeder Menge zerstörter Ukrainischer militärischer Infrastruktur endet würde ein Patt entstehen und keine Seite wird Interesse bzw. Möglichkeiten haben den Krieg fortzuführen.
Angreifende mechanisierte Streitkräfte überstehen solche begrenzten Angriffe querschnittlich besser als in der Verteidigung liegende Truppen und sehr viel besser als in der Verteidigung liegende Infanterie und Artillerie. Die Invasionsstreitkräfte (auf eigenem Boden, inmitten der eigenen Zivilbevölkerung!) vollständig zu zerschlagen würde darüber hinaus eine Menge Atomwaffen erfordern, da unterschätzt du etwaig die dafür notwendige Menge. Und die Russen würden wie schon beschrieben sich inmitten der Zivilbevölkerung aufhalten und diese als menschliche Schutzschilde missbrauchen.
Umgekehrt würden die russischen Atombomben wenn man sie geschickt einsetzt durchaus die ukrainischen Streitkräfte zum Zusammenbruch bringen. Und russische Reserven würden dann in einer zweiten Welle die Ukraine besetzen.
Zitat: es glaubt Putin niemand, dass er nach einem taktischen Einsatz gegen russische Panzerverbände irgendwo im russisch-ukrainischen Grenzgebiet Bomben auf Kiew und Kharkiv wirft wenn er anschließend Moskau und St. Petersburg verliert.
Mal abgesehen davon, dass wir in diesem rein theoretischen Szenario auch jemanden anderen als Putin an der Spitze Russlands haben könnten (und es gibt in Russland genug vollkommen irrationale Akteure) - muss er dies ja nicht einmal. Es genügt ja schon, auf den taktischen Einsatz zu reagieren und im begrenzte Gegenschlag zu bleiben. Allein dadurch verlieren die Ukrainer fast automatisch und wahrscheinlicher als im konventionellen Bereich. Es genügt der taktische begrenzte Gegenschlag und die Ukraine verliert, oder sie setzt so viel ein dass die Sache völlig außer Kontrolle gerät, was die Ukraine nicht tun wird wenn sie rational agiert.
Zitat:In den Planungen des Kalten Krieges mag das noch teilweise anders ausgesehen haben, weil man hier mehr Automatismen vermutete und ob der hohen Zahl verfügbarer taktischer Waffen die Grenzen zum strategischen Austausch wenigstens bezogen auf Europa diffus waren
Die Russen stecken übrigens mit ihrer Nuklearstrategie durchaus noch (zu viel) im Kalter Krieg Denken fest. Das ist auch noch so ein Problem in diesem Kontext.
Zitat:Die Russen haben übrigens so viele taktische Waffen weil sie schlicht zu träge und zu dumm sind hier sinnvolle Abstriche zu machen. Sie könnten ihr Arsenal locker um fünfzig Prozent reduzieren, würden eine Menge Geld sparen und die Gesamtsituation würden sich keinen Meter ändern.
Dem kann ich wiederum absolut zustimmen. Das sehe ich ebenso. Das resultiert aber halt gerade eben aus dem genannten veralteten russischen Denken bezüglich der Atomwaffen, die hängen halt geistig noch im Kalten Krieg fest.
Zitat:die Machthaber in Kiew drohen/meinen die Kontrolle zu verlieren.
Ist es glaubhaft dass die Eliten / Reichen / Machthaber ihr eigenes Volk auslöschen nur damit es nicht dem Feind in die Hände fällt ? Und sich selbst gleich mit ? Denn das ist die Drohung von der du hier sprichst: entweder hört ihr auf, oder wir vernichten uns selbst damit ihr nicht unsere Pfründe und unsere Lohnsklaven erbeuten könnt. Wäre die Ukraine als Staat dazu in der Lage, wäre sie es nicht mal wert weiter zu existieren. Dann wäre es tatsächlich besser, es gäbe diese Machthaber nicht.
Irgendwelche Psychopathen verhindern also dadurch Kriege, dass sie Psychopathen sind die bereit wären für den eigenen Machterhalt Millionen zu töten und ihr eigenes Volk zu vernichten. Und dass nennt man dann eine glaubhafte Nuklearstrategie ?!
Zitat:Ein (zu) kleines ukrainisches Arsenal erhöht dabei das Risiko für Russland, schließlich ist anzunehmen, dass die Ukraine die letzten verbliebenen Waffen so einsetzen würde, dass es den Russen wirklich weh tut.
Also sprechen wir hier von verbrecherischen Geistern die bereit sind, Millionen Unschuldiger zu ermorden nur um selbst nicht die Macht zu verlieren.
Zitat:Russland gewinnt damit nichts sondern eskaliert eine Auseinandersetzung in der sie nicht genau abschätzen können, wann für die Ukrainer die kritische Schwelle zum maximalen Einsatz überschritten ist.
Das können sie aber so oder so nicht - und umgekehrt (!) - Auch die Ukrainer wissen nicht, wann für die Russen die kritische Schwelle zum maximalen Einsatz überschritten ist. Genau deshalb halte ich den begrenzten Atomkrieg für praktisch kaum führbar. Und der unbegrenzte Atomkrieg macht keinen Sinn weil man dann ebenfalls verliert.
Zitat:Den Kriegszielen hilft es nicht, die Invasion ist so oder so gescheitert. Man kann höchstens noch beidseitig eine ganze Menge mehr kaputt machen
Was aus russischer Sicht das Ziel sein könnte. Wenn man die Ukraine nicht erobern kann, dann soll sie wenigstens für jederman offenkundig zerstört sein, um als abschreckendes Beispiel für die Abkehr von Russland und den Versuch der Veränderung zu dienen. Das würde exakt in die übliche Logik Putins fallen, der die Ukraine meiner Ansicht nach ohnehin primär aus innenpolitischen Motiven heraus angegriffen hat. Die Ukraine darf als Gegenmodell zum System Putin, sozusagen als besseres Russland nicht erfolgreich sein, weil sie das System Putin an sich dadurch in Frage stellt und damit gefährdet.
Und den Russen ist es nachweislich egal, wieviel mehr dabei kaputt geht. Den Ukrainern kann dies aber nicht egal sein.
Zitat:Es existiert nicht nur die Grenze zwischen taktischen und strategischen Angriffen sondern durchaus eine quantitative. Wenn Russland sich dazu entscheidet einen begrenzten taktischen Schlag gegen angreifende Truppen mit massiven bzw. zahlreichen Angriffen auf militärische Infrastruktur zu beantworten verlässt es die vom Gegner gewählte Eskalationsstufe und geht je nach Größe und Umfang des Einsatzes einen Schritt oder mehr weiter.
Das ist mir schon klar, gilt aber auch umgekehrt. Auch die Ukrainer können bei ihrem taktischen Erstschlag zu viel wirken. Und wie schon dargelegt führt auch der begrenzte Gegenschlag der Russen dazu, dass die Wahrscheinlichkeit der Niederlage der Ukraine massiv zunimmt. Und die paar toten russischen Soldaten mehr scheren die russischen Eliten nicht. Ein solcher ukrainischer Erstschlag wäre für das russische Volk sogar vermutlich eine erhebliche Motivationssteigerung. Die Kampfbereitschaft würde zunehmen, die Zustimmung zu Putin und man würde das Gefühl haben Recht gehabt zu haben, weil die Ukrainischen Eliten tatsächlich so sind wie es behauptet wurde.
Die Ambiguität der Esklationsstufen ist im weiteren ein erhebliches Problem in diesem Kontext. Ich halte das praktisch nicht für so fein nunanciert führbar.
Das Kriegsziel der Ukraine ist die Invasion abzuwehren. Wenn sie die Invasionsstreitkräfte mit Atomschlägen zerstört ist die Invasion gescheitert. Russland kann dann auf der gleichen Eskalationsstufe im begrenzten Umfang militärische Infrastruktur mit Atomwaffen angreifen. Eine Menge geht zu Bruch, aber danach wäre das Geschehen vorbei.
Der Krieg ist aber nicht vorbei, nur weil die erste Invasionsstreitmacht zerschlagen wurde, mal abgesehen von dem dafür notwendigen quantiativen Ansatz (siehe vorherige Absatz!). Wie willst du auf einer derart großen Fläche derart viele mechanisierte Verbände zerschlagen, ohne sehr viele taktische Angriffe ? Und schon verlässt man die noch beherrschbaren Eskalationsstufen weit hinter sich !
Und umgekehrt schädigt der russische begrenzte Gegenschlag die Ukraine nochmals massiv zusätzlich zu den eigenen Angriffen welche das eigene Land verwüsten. Und dem folgend ist das Geschehen nicht vorbei, sondern kämpfen die Russen einfach von außen mit konventionellen Angriffen weiter. Und dann ?!
Zitat:Das Kriegsziel der Ukraine ist die Invasion abzuwehren.
Das für sich allein reicht aber nicht. Das Kriegsziel ist nämlich nur dann zu erreichen und wird auch nur dann erreicht, wenn der Krieg endet. Was er nicht tun wird, nur weil eine erste Invasionsstreitmacht mit Nuklearwaffen zerschlagen wurde. Ich kenne die Russen recht gut als Volk, die würden dann einem Frieden niemals zustimmen, unter keinen wie auch immer gearteten Umständen. Jede denkbare russische Regierung müsste den Krieg fortführen und dem folgend hätte die Ukraine damit nichts erreicht als mehr Schaden für sich selbst.
Zitat:Die Erwartung also, dass die Ukraine eine Invasion nicht mit Atomwaffen abwehren würde fußt also auf der Annahme, dass die Ukraine glaubt, dass Russland nach einer gescheiterten Invasion bereit ist für nichts noch viel mehr selbst zu verlieren als ein paar Manövergruppen.
Das ist nicht richtig. Die Erwartung dass die Ukraine wenn sie sinnvoll und rational agiert eine konventionelle Invasion nicht mit taktischen Angriffen abwehren wird fußt auf der Annahme, dass Russland einen begrenzten taktischen Nuklearkrieg gewinnen würde und dies die Wahrscheinlichkeit einer Niederlage der Ukraine erhöht.
Alles weitere angeführte kommt dann da noch oben drauf dazu.
Zitat:die Ukraine wird in eine use it or loose it Situation gedrängt.
Und ist es wirklich glaubhaft, ja überhaupt sinnvoll, derartige Dinge zu tun, nur damit man nicht seine Pfründe und seine Macht verliert ?! Wir verlieren also den konventionellen Krieg - also setzen wir Atomwaffen ein, auf eigenem Gebiet, inmitten der eigenen Zivilbevölkerung. Denn ansonsten verlieren wir ja unseren Reichtum und unsere Macht. Worin genau soll sich dann ein solches Regime überhaupt noch von Russland unterscheiden ?!
Im weiteren gäbe es noch viele andere Strategien wie man einer solchen Invasion im weiteren begegnen kann.
Zitat:Er möchte vielmehr den Krieg gewinnen und hinterher noch etwas davon haben - das kann er nicht sobald die Ukraine die Invasionsstreitkräfte mit Atomschlägen belegt. Entsprechend wird er es ganz lassen, solange die ukrainische Drohung Atomwaffen gegen russische Truppen einzusetzen politisch wie militärisch glaubwürdig ist.
Ist sie nicht, weder politisch noch militärisch und selbst wenn sie es wäre, überschätzt du den abschreckenden Effekt dramatisch, denn eine quantiativ begrenzter taktischer Atomkrieg schreckt die Russen gerade eben nicht ab, erhöht er doch ihre Chancen auf den Sieg. Und Putin hätte auch nach einem solchen begrenzten taktischen Atomkrieg immer noch genug von seinem Sieg, er hätte auch dann hinterher immer noch etwas davon.
Und im weiteren wären die verbrecherischen ukrainischen Eliten es, die als erste im Erstschlag Atomwaffen eingesetzt haben, womit Putins konventionelle Invasion auch noch nachträglich legitimiert wird. Man würde es in weiten Teilen der Welt so auffassen, dass es gut war, dass die Russen ein derart verbrecherisches und derart gefährliches Psychopathen-Regime beendet haben, und dies auch noch unter erheblichen eigenen Opfern.
Es wäre politisch für Russland der maximale politische Sieg, würde die Ukraine im Erstschlag taktische Nuklearwaffen einsetzen.
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Die sehr unterschiedliche Wahrnehmung bzw. Einschätzung ob und wann Nuklearwaffen eingesetzt werden, zeigt doch sehr eindrücklich wie wirksam ihre bloße Präsenz ist. Es ist und bleibt eine unbekannte in jeder Kalkulation und kann fürchterliche Folgen haben wenn sich da jmd. bei seiner Risikoanalyse verschätzt. Niemand weiß ob und in welchem Ausmaß ein Verantwortlicher diese Waffen tatsächlich einsetzt. Und genau diese Unsicherheit macht sie psychologisch so wirksam. Wenn Russland keine Nuklearmacht wäre, hätte der Westen schon zu Beginn des Krieges eine Flugverbotszone über der Ukraine eingerichtet. Russland hat während der Herbstoffensive 2022 ja offenbar in völliger Panik wirklich in Erwägung gezogen taktische Nuklearwaffen einzusetzen und wurde nur durch China und der amerikanischen Drohung eines konventionellen Gegenschlags davon abgehalten, was hier sehr diplomatisch dargestellt wird. https://www.tagesspiegel.de/politik/vorb...40634.html Daran sieht man was irgendwelche Doktrin wert sind wenn der Faktor Mensch und seine Psyche mit ins Spiel kommt. Ist zwar Belletristik, aber sehr gut recherchiert und zeigt aus meiner Sicht erschreckend eindrücklich wie die Dynamiken aussehen können, wenn die Dinge außer Kontrolle geraten. https://en.wikipedia.org/wiki/Never_(novel)
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Ich stimme dir zu, sehe aber genau darin die völlige Wertlosigkeit von taktischen Nuklearangriffen. Entweder strategischer Atomkrieg oder kein Atomkrieg.
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https://www.welt.de/politik/ausland/arti...rueck.html
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Quintus Fabius schrieb:Aber es würde bereits ein begrenzter taktischer Gegenschlag genügen, damit die Ukraine den Krieg verliert. Mein Argument ist: Die Ukraine möchte eine Invasion abwehren und ihre Zerschlagung verhindern. Russland kann dies nicht erreichen, wenn es nach einem begrenzten ukrainischen Atomschlag massiv Counter Force Angriffe fährt. Damit kann es die Ukraine entgegen des eigenen Kriegszieles nur zerstören – und sich selbst im gleichen Atemzug mit. Das ist irrational und konträr zu Putins Gedankenwelt vom neuen Großrussischen Reich.
Zitat:Darüber hinaus sollte man an dieser Stelle einwenden, dass der Gegenschlag von dem du hier sprichst auf ukrainischem Gebiet stattfindet, man also Nuklearwaffen inmitten der eigenen Zivilbevölkerung zündet und die Russen würden sich zweifelsohne mitten unter die ukrainischen Zivilisten mischen, hätte die Ukraine Atomwaffen.
Überspitzt gesagt: Sähe es denn irgendwo groß anders aus nachdem der Russe sich durchgewühlt hat nachdem man auch noch eine Atombombe draufgeworfen hätte? Also ich meine nicht.
Der Einsatz von Atomwaffen erfolgt im ukrainisch-russischen bzw. weißrussischen Grenzgebiet, nicht erst wenn der Russe in irgendwelche Ballungszentren gefahren ist (das sie das nicht können haben sie ja sehr anschaulich bewiesen. Ich sehe dann das Drama nicht. Man löscht maximal einige Dörfer aus. Das würde auch geschehen, wenn man dem Angriff eigene mechanisierte Kräfte entgegensetzen würde.
Aber wenn wir schon bei fiktiven Szenarien sind können wir auch einfach in den Raum stellen, dass die Ukrainer, weil sie mit einem Atomschlag planen die Bevölkerung der betroffenen Gebiete noch vor Invasionsbeginn in weiten Teilen evakuiert hätte.
Zitat:Und noch ein Aspekt: angreifende mechanisierte Einheiten werden durch Angriffe taktischer Atomwaffen weniger hart getroffen als in der Verteidigung stehende Truppen und insbesondere weniger als in der Verteidigung stehende Infanterie etc.
Weniger hart ist immer noch ausreichend hart. Rufe dir doch mal in Erinnerung wie das 2022 gewesen ist. Die Russen rückten in riesigen Kolonnen entlang von Hauptverkehrsadern vor. Wenn du da an Engstellen drei, vier Bomben im niedrigen einstelligen kT Bereich abwirfst geht da gar nichts mehr.
Demgegenüber, was wollen die Russen im Gegenzug bombardieren? Verteidigende Infanterie wird schwierig, die Infanterie hat überhaupt keine Stellung bezogen, die Angriffsspitzen des Feindes sind verdampft und der Nachschub badet gerade im Fallout. Natürlich werden sie frustriert einige Bomben auf irgendwelche militärischen Einrichtungen werfen, aber das war es dann auch wenn man ihnen nicht größte Irrationalität unterstellen will.
Zitat:Noch besser (schlimmer): die Russen könnten dann darauf verweisen, dass sie zunächst lediglich konventionell angegriffen haben.
Jo, schön. Und die Ukrainer können darauf verweisen (und es im Vorfeld ankündigen), dass es ihr gutes Recht ist sich mit allen Mitteln zu verteidigen und russische Invasionstruppen völlig legitime Ziele sind. Erst recht wenn die Bomben (größtenteils) noch über ukrainischen Gebiet niedergehen. Wenn der Russe dann auch noch atomar zurückschlägt (und weitaus umfangreicher wie du in dem Raum stellst) ist das kein sonderlich tragfähiges Argument für irgendetwas.
Zitat:Man kann eine konventionelle Invasion aber eben nicht sinnvoll durch taktische Waffen stoppen.
Definiere sinnvoll. Was in der Realität 2022 von den Russen fabriziert wurde hätte sich ausgezeichnet durch taktische Waffen stoppen lassen. So massiert wie die Russen vorgerückt sind hätte wahrscheinlich ein Dutzend Sprengköpfe gereicht um die Hauptachsen der Invasion zu zerschlagen. Demgegenüber hätten sich die ukrainischen Truppen im Feld disloziert und ein russischer Gegenschlag in ähnlicher Größenordnung wäre im Vergleich ziemlich wirkungslos geblieben.
Zitat:Nehmen wir mal rein theoretisch an, es wäre möglich den Krieg auf der gleichen begrenzten Eskalationsstufe zu führen. Woran ich rein persönlich massivste Zweifel habe, ich halte dies nämlich für real praktisch kaum machbar. Aber mal rein theoretisch: dann verliert die Ukraine. Weil die Antwort auf der gleichen Eskalationsstufe für Russland vorteilhaft ist (Gründe u.a. siehe oben). Die Russen würden dann den begrenzten Nuklearkrieg gewinnen.
Wie soll denn ein Sieg aussehen? Da gibt es keinen Sieg, nur sinnlose Zerstörung auf beiden Seiten. Wenn die Ukraine zur Abwehr eine Invasion eine Handvoll Bomben mit einer Gesamtsprengwirkung von unter 200kT einsetzt und damit den Hauptteil der Invasionsstreitmacht vernichtet, gibt es nichts was Russland mit Gegenschlägen in ähnlicher Größenordnung anrichten könnte um den Krieg zu gewinnen. Erst recht nichts um seine ursprünglichen Kriegsziele – Zerschlagung und Übernahme der Ukraine – zu erreichen. Es mag durchaus sein, dass Russland zurückschlägt und damit viel militärische Infrastruktur der Ukrainer vernichtet. Haben sie deswegen gesiegt, wenn es dann dabei bleibt? Sehe ich nicht. Die Ukrainischen Streitkräfte stehen immer noch (disloziert) im Feld und frischen russischen Kräften würde ein ganz ähnliches Schicksal erwarten wie der ersten Welle.
Wie schon geschrieben, Russland hat da garnichts zu gewinnen. Es kann nur stumpf und sinnlos weiter eskalieren und wird damit nur viel mehr verlieren als seine mechanisierten Verbände. Die Ukraine dagegen muss nur die Invasion abwehren und den kolportierten Atomkrieg nicht maximal eskalieren um am Ende weiter unabhängig von Russland zu existieren.
Das wahrscheinlichere Szenario: Nach einem begrenzten Schlagabtausch kommt es zu einer internationalen Intervention, diesen Unfug sein zu lassen und sich zu einigen.
Zitat:Ist es glaubhaft dass die Eliten / Reichen / Machthaber ihr eigenes Volk auslöschen nur damit es nicht dem Feind in die Hände fällt ? Und sich selbst gleich mit ? Denn das ist die Drohung von der du hier sprichst: entweder hört ihr auf, oder wir vernichten uns selbst damit ihr nicht unsere Pfründe und unsere Lohnsklaven erbeuten könnt. Wäre die Ukraine als Staat dazu in der Lage, wäre sie es nicht mal wert weiter zu existieren. Dann wäre es tatsächlich besser, es gäbe diese Machthaber nicht.
Dieses extreme Szenario wäre: Russland überzieht die Ukraine nach einem begrenzten ukrainischen Schlag gegen die Invasionsverbände mit massiven, unverhältnismäßigen Angriffen. Die Ukraine kann diese Eskalation ein stückweit mitgehen und ihrerseits Ziele in Russland angreifen (Bahnhöfe, Don-Brücken, Fliegerhorste usw.). Wenn dieser Verlauf nicht durch eine Intervention von außen gestoppt wird und Russland nicht gewillt ist seine Angriffe einzustellen wird zwangsläufig irgendwann der Kulminationspunkt erreicht sein, dass auf Ukrainischer Seite soviel zu Bruch gegangen ist, dass man das eigene Überleben eh nicht mehr als gegeben ansieht und man die Russen nur noch in den Untergang mitnehmen kann.
Es mag Führer geben, die dann eher kapitulieren und das eigene, eh schon tote Volk dem langsamen Dahinsiechen in einem zerstörten und verstrahlten Land unter der Knute der Unmenschen die ihnen das angetan haben aussetzen würden – mindestens ebenso viele würden Freiheit, Ehre, Bestrafung und Vergeltung höher gewichten und es an diesem Punkt final beenden. Auch in Verantwortung gegenüber dem Rest der Welt: Wenn nicht wir, dann wird ihn ein anderer stoppen müssen. Unter den selben Vorzeichen.
Sofern also in so einer Situation dann überhaupt noch rationale Überlegungen möglich sind könnten sich Russland alles andere als sicher sein, dass der Krieg nicht mit der Zerstörung von Moskau und St. Petersburg endet.
Und weil sie das nicht können geht es die ganze Eskalationskette zurück, bis zu dem Punkt an dem sie erkennen, dass die einzig sinnvolle Option ist nicht einzumarschieren. Ihre Kriegsziele können gegen eine nuklear bewaffnete Ukraine schlicht nicht erreicht werden.
Zitat:Das für sich allein reicht aber nicht. Das Kriegsziel ist nämlich nur dann zu erreichen und wird auch nur dann erreicht, wenn der Krieg endet. Was er nicht tun wird, nur weil eine erste Invasionsstreitmacht mit Nuklearwaffen zerschlagen wurde. Ich kenne die Russen recht gut als Volk, die würden dann einem Frieden niemals zustimmen, unter keinen wie auch immer gearteten Umständen. Jede denkbare russische Regierung müsste den Krieg fortführen und dem folgend hätte die Ukraine damit nichts erreicht als mehr Schaden für sich selbst.
Immer dieser russische Opfermythos. Es ist das eine, wenn Freiwillige in der Ukraine sterben. Die Aussicht den eigenen Hintern in Moskau oder St. Petersburg ins Atomfeuer zu halten etwas sehr anderes. Im realen Leben schreckt Putin seit Jahr und Tag aus guten Gründen davor zurück zu mobilisieren und wir werden wahrscheinlich schon bald sehen, wie weit das mit dem „niemals und unter keinen Umständen Frieden“ wirklich her ist.
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Ich weiß nicht ob es dafür eine Blaupause gibt. Die Diskussion über taktische und strategische Angriffe bzw. welche Waffen auf Grund ihrer Sprengkraft strategisch oder taktisch sind hatten wir ja hier schonmal und lässt sich nicht genau trennen. Aus deutscher Sicht würde ich sagen, dass eine sehr schwache Police besser ist als gar keine, weshalb Verhandlungen mit FR und GB zwingend notwendig sind und hoffentlich klug geführt werden.
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Die werden mit Sicherheit genau hirnrissig geführt wie vor 70 Jahren.
Man sollte jeden deutschen Politiker der irgendwas von EU Abschreckung faselt, direkt in den Knast stecken. Die lernen es sonst nie.
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Diogenes:
Zitat:Man sollte jeden deutschen Politiker der irgendwas von EU Abschreckung faselt, direkt in den Knast stecken. Die lernen es sonst nie.
Schade das kein Daumen-hoch Lachgesicht gibt !
Werter Nightwatch:
Zitat:Mein Argument ist: Die Ukraine möchte eine Invasion abwehren und ihre Zerschlagung verhindern. Russland kann dies nicht erreichen, wenn es nach einem begrenzten ukrainischen Atomschlag massiv Counter Force Angriffe fährt. Damit kann es die Ukraine entgegen des eigenen Kriegszieles nur zerstören – und sich selbst im gleichen Atemzug mit. Das ist irrational und konträr zu Putins Gedankenwelt vom neuen Großrussischen Reich.
Mein erstes Argument ist: Russland muss keine massiven Counter Force Angriffe fahren um einen begrenzten Atomkrieg auf taktischer Ebene gewinnen zu können. Die Schäden wären im weiteren insgesamt betrachtet nicht größer als sie es jetzt auch sind, denn wie du richtig schreibst, sieht die Landschaft wenn sich die Russen durchgewühlt haben nicht Gros anders aus.
Die Ukraine schnell einzunehmen und schnell zum kollabieren zu bringen ist im weiteren exakt Putins Gedankenwelt vom neuen Großrussischen Reich. Ein begrenzter taktischer Nuklearkrieg (so er denn führbar wäre), würde daher genau Putins Zielsetzung entsprechend, weil er das Geschehen insgesamt leichter macht und ein ukrainischer Erstschlag den begrenzten Einsatz russischer taktischer Atomwaffen legitimieren würde.
Mein zweites Argument aber ist: dass eine Doktrin die auf einen rein konventionellen Angriff mit einem Erstschlag mit Atomwaffen reagiert nicht funktional ist, weil sich der Abtausch meiner Überzeugung nach praktisch überhaupt nicht begrenzen lässt. Damit endet jeder solche taktische Erstschlag im strategischen Atomkrieg. Und weil dies Fakt ist, wäre es unsinnig und einfach nur Selbstmord eine solche Doktrin zu verfolgen. Natürlich können Personen welche dies nicht erkennen, nicht verstehen oder anderweitig nicht wahrhaben wollen dann ignorieren und trotzdem auf die Wahnidee kommen, man käme mit einem begrenzten taktischen Erstschlag durch.
Nun ist in Wahrheit dein primäres Argument, dass genau diese Unbeherrschbarkeit und die Gefahr dass die Sache strategisch eskaliert die konventionelle Invasion verhindert. Die Kausalkette sei: Da eine konventionelle Invasion glaubhaft den taktischen Erstschlag auslöst führt dies automatisch zum strategischen Atomkrieg und damit führt der konventionelle Angriff zur beiderseitigen Vernichtung und kann daher nicht durchgeführt werden.
Wäre dem so stellt sich die Frage, warum dann überhaupt einen solchen taktischen Erstschlag ?! Dann könnte man auch gleich auf eine konventionelle Invasion strategische Erstschläge androhen. Im Kalten Krieg gab es übrigens insbesondere in Frankreich genau solche Überlegungen. Zuerst einen taktischen Angriff für den Fall der Invasion Frankreichs selbst, aber dies primär als Probe, als eine Art Test. Wenn der Gegner darauf hin sich zurück zog und selbst keine Atomwaffen einsetzte, dann wären im weiteren auch keine eingesetzt worden, im anderen Falle aber strategisch eskaliert worden.
In Wahrheit sind solche perversen Überlegungen aber einfach nur leicht daher geschrieben, in der praktischen Realität aber nicht umsetzbar.
Meine Haupthese ist daher: der begrenzte taktische Atomkrieg ist real praktisch nicht führbar, er eskaliert fast immer zwingend in unbeherrschbare Formen und damit ist er wertlos. Denn die ganze Idee, dass der taktische Erstschlag die konventionelle Invasion abwehrt bringt ja rein gar nichts, wenn beide Seiten dabei drauf gehen. Da könnte man auch gleich kapitulieren.
Und damit kommen wir zum Hauptproblem deiner Nuklearstrategie: der mangelnden Glaubhaftigkeit. Wenn der taktische Erstschlag schlussendlich die Bereitschaft zur gegenseitigen Vernichtung wegen einer konventionellen Invasion demonstrieren soll (und genau das sollte er beispielsweise in der früheren französischen Atomdoktrin), dann muss dahinter die Bereitschaft zum Massensuizid stehen und zur gnadenlosen Auslöschung des eigenen Volkes nur für den bloßen Machterhalt der Eliten die dieses beherrschen.
Diese Eliten müssten also dahingehend glaubhaft sein, ihr eigenes Volk auszulöschen, nur damit jemand anders es nicht regiert, und dass ist nicht glaubhaft im Fall der Ukraine. Es wäre ebensowenig glaubhaft wenn die Ukraine noch Atomwaffen gehabt hätte.
Deiner Nuklearstrategie fehlt die Glaubhaftigkeit, es gibt keinen begrenzten taktischen Atomkrieg da dieser real praktisch nicht geführt werden kann, aber selbst wenn: nehmen wir es mal rein theoretisch an es ginge doch, dann fehlt deinem begrenzten taktischen Atomkrieg der praktische Effekt. Denn entweder ist er begrenzt, dann ist er für den Verteidiger unzureichend, oder er ist nicht ausreichend begrenzt, dann eskaliert er.
Als praktisches Beispiel im Kontext der Ukraine:
Zitat:Der Einsatz von Atomwaffen erfolgt im ukrainisch-russischen bzw. weißrussischen Grenzgebiet, nicht erst wenn der Russe in irgendwelche Ballungszentren gefahren ist das sie das nicht können haben sie ja sehr anschaulich bewiesen.
Wenn die Ukraine aber taktische Nuklearwaffen hätte und eine glaubhafte Doktrin diese im Erstschlag bei einer konventionellen Invasion einzusetzen, dann würden die Russen absolut alles daran legen müssen, so schnell wie möglich sich in Ballungszentren festzusetzen. Desweiteren würden sie ihre Truppen dann stark dislozieren (müssen). Entsprechend wäre die Wirkung auf die Russen selbst massiv reduziert und die Wirkung auf die eigene Zivilbevölkerung drastisch erhöht.
Und da kommen wir meiner Meinung nach zu dem entscheidendsten Gedankenfehler bei dir: du beschreibst hier ein Szenario in welchem die Ukrainer Atomwaffen haben und eine glaubhafte Erstschlagdoktrin, aber die Russen handeln genau gleich wie bei ihrer Invasion 2022. Sowohl Angriffszeitpunkt als auch Angriffsachsen als auch Truppenkonzentration - auf russischer Seite alles gleich, aber auf ukrainischer Seite ist alles anders einschließlich Atomwaffen und Erstschlagdoktrin.
Das geht nicht zusammen. Wäre es so, würden auch die Russen (gezwungenermaßen) völlig anders handeln. Ein Musterbeispiel für diesen deinen Primär-Fehler:
Zitat:Rufe dir doch mal in Erinnerung wie das 2022 gewesen ist. Die Russen rückten in riesigen Kolonnen entlang von Hauptverkehrsadern vor. Wenn du da an Engstellen drei, vier Bomben im niedrigen einstelligen kT Bereich abwirfst geht da gar nichts mehr.
Hätte die Ukraine Atomwaffen und eine Erstschlagdoktrin, hätte es weder einen Angriff zu diesem, äußerst ungünstigen Zeitpunkt gegeben, noch hätte man solche Kolonnen gebildet.
Die übrigens von westlicher Artillerie und Kampfflugzeugen ebenso ganz leicht zerschlagen worden wären. Dafür braucht man nicht einmal taktische Atombomben. Aber wenn die Ukraine diese hätte, wären die Russen niemals zu diesem Zeitpunkt so vorgerückt und auch nicht entlang dieser Angriffsachse. Im übrigen widersprach das was die Russen da real gemacht haben selbst im rein konventionellen Bereich allen normalen militärischen Grundsätzen. Wäre die Ukraine nicht ebenfalls so unfähig gewesen und wäre sie nicht strategisch überrascht worden, dann wären diese Kolonnen noch ganz ohne jeden taktischen Atomwaffeneinsatz das Ende der Invasionstruppen gewesen.
Die Wahrscheinlichkeit dass die Russen derart immense Fehler machen sinkt aber, wenn sie der Gefahr taktischer Atomangriffe ausgesetzt sind. Die Wahrscheinlichkeit dass man ihre Invasionsstreitkräfte dann greifen kann, ist in diesem Fall dann sogar geringer.
Zitat:Demgegenüber, was wollen die Russen im Gegenzug bombardieren? Verteidigende Infanterie wird schwierig, die Infanterie hat überhaupt keine Stellung bezogen
Zum einen haben die Ukrainer durchaus etliche Truppenkonzentrationen gehabt, insbesondere bei der Artillerie. Der Gros der Ukrainer stand zudem recht geballt im Osten im Donbass. Desweiteren kann sich ein Verteidiger nicht nach belieben dislozieren, da er gewisse strategische Punkte, Räume, Linien usw. halten muss, ohne welche seine Verteidigung ganz genau so zusammen bricht.
Die Russen hätten sowohl im Osten die ukrainischen Stellungs- / Festungssysteme zerstören können einschließlich der dort stehenden ukrainischen Truppen, als auch sonst den Durchbruch auf wesentliche Punkte welche von den Ukrainern durchaus mit Stellungssystemen der Infanterie gehalten wurden erzwingen können. Man unterschätzt ganz allgemein, wie sehr der Erfolg der Ukrainer 2022 rein konventionellen Methoden geschuldet war, insbesondere auch ukrainischen Großkampfverbänden, einschließlich mechanisierten Einheiten und Artillerie. Das Bild der Drohnen war zu keinem Zeitpunkt weniger relevant als in der Anfangsphase.
Zitat:die Ukrainer können darauf verweisen (und es im Vorfeld ankündigen), dass es ihr gutes Recht ist sich mit allen Mitteln zu verteidigen und russische Invasionstruppen völlig legitime Ziele sind. Erst recht wenn die Bomben (größtenteils) noch über ukrainischen Gebiet niedergehen.
Wenn sie dies tun und dies glaubhaft ist, hätten die Russen nie in der Art angegriffen wie sie es dann getan haben. Es hätte weder die Kolonnen gegeben noch Kiew als erstes Primärziel. Und man hätte stattdessen mit der strategischen Überraschung welche ja geglückt ist zunächst mal mit Hochdruck seine Truppen inmitten der ukrainischen Bevölkerung untergebracht.
Mal abgesehen von allen berechtigten Zweifeln an der Glaubwürdigkeit einer solchen ukrainischen Selbstmordstrategie, die Wirkung wäre bei einem begrenzten Erstschlag für die Russen verkraftbar gewesen. Ad extremum hätte man nicht einmal mit Atomwaffen zurückschlagen müssen und hätte konventionell weiter kämpfen können.
Du überschätzt meiner Überzeugung nach in immensen Ausmaß die Wirkung von begrenzten taktischen Angriffen auf dislozierte mechanisierte Verbände. Die dislozieren können, weil die Ukrainer ja ebenfalls nicht konzentrieren können.
Zitat:Was in der Realität 2022 von den Russen fabriziert wurde hätte sich ausgezeichnet durch taktische Waffen stoppen lassen.
Dafür hätte man nicht einmal taktische Waffen benötigt. Was die Russen da 2022 fabriziert haben, spottet selbst im rein konventionellen Bereich jeder Beschreibung. Selbst die Ukrainer hätten hier in Wahrheit bessere Resultate erzielen können.
Aber der wesentlichste Punkt von allen ist, dass die Russen das was sie da in der Realität fabriziert haben, bei der Präsenz ukrainischer Atomwaffen mit Erstschlagdoktrin niemals fabriziert hätten. Entsprechend fällt damit deine ganze Argumentation diesbezüglich vollkommen weg. Es spielt überhaupt keine Rolle ob man die Russen 2022 unter den damaligen Umständen so hätte vernichten können. Es hätte diese Umstände so ja gar nie gegeben !
Zitat:Demgegenüber hätten sich die ukrainischen Truppen im Feld disloziert und ein russischer Gegenschlag in ähnlicher Größenordnung wäre im Vergleich ziemlich wirkungslos geblieben.
Du kannst dich als Verteidiger aber nicht so stark dislozieren, ohne die Gefahr einer konventionellen Niederlage. Darüber hinaus stand der Gros der Ukrainer im Osten recht geballt in den Stellungssystemen dort. Nun könntest du argumentieren, dass diese Truppen sich dann ja auch disloziert hätten. Dann hätten sie aber besagte Stellungsysteme nicht halten können etc.
Du schreibst den Russen fest bestimmte Vorgehensweisen und Strategien zu, tust dies aber bei den Ukrainern nicht, die in deiner Diskussion völlig handlungsfrei sind. Das ist schlicht und einfach falsch, weil dem nicht so wäre, wenn die Umstände derart anders wären.
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