Zukunft (Groß-) Syriens
#3
Und jetzt (ausserhalb der Forums-Ettikette, hunter1, ich hoffe, Du kannst mir verzeihen) möchte ich gleich auch meine eigene Antwort dazu geben:

Erst mal ist es interessant, die beiden Karten, die Shahab3 gepostet hat, nebeneinander zu legen. Sie zeigen, dass die Konflikte genau an den Grenzen der ethnischen Siedlungsgemeinschaften auftreten
- in Syrien erst im drusischen Araa
- und dann von Aleppo über Hama und Homs bis nach Damaskus.

Syrien - das ist offensichtlich - scheint an seinen Ethnien zu zerbrechen, genauso wie der Libanon und der Irak. Es hat sich über Jahrzehnte hin, seit der Existenz dieser nachkolonialen "Kunst-"Staaten, kein übergeordnets nationales "Wir-"Bewustsein gebildet. Die gleiche Situation haben wir ja auch im Irak, in dem die Briten mehrere osmanische Provinzen in einen Staat gezwängt haben.
Damit wird zwangsläufig die Frage virulent, ob diese nachkolonialen Grenzen dauerhaft sein können. Ich meine, sie können es nicht innerhalb eines Zentralstaates sein.

Alawiten, Shiiten, Sunniten, Kurden, Christen und Drusen bilden relativ klar umrissene Siedlungsgebiete, die allerdings (zum Teil) nicht zusammen hängen. Daher muss ein erster Schritt zur Entspannung und Befriedung der Situation zwangsläufig darin bestehen, diesen einzelnen Siedlungsgebieten nach dem "Subsidiaritätsgrundsatz" möglicht große Autonomie zuzugestehen.
Dies ist insbesondere im kulturellen (schulischen Bereich) und der (kommunalen, regionalen) Selbstverwaltung - bis hin zu eigenen, regionalen und gut ausgestatteten Polizeieinheiten zu fordern.

Und das betrifft den gesamten Bogen des "fruchtbaren Halbmondes" - vom Libanon über Syrien und die Türkei (Kurden) bis hin zum Irak.

Gleichzeitig wird man aber auch zugestehen müssen, dass viele dieser regionalen Territorien für sich alleine wirtschaftlich nicht (über-)lebensfähig sind. Diese (insbesondere die isolierten Enklaven) werden nach wie vor auf einen möglichst reibungslosen Wirtschaftsaustausch mit dem umliegenden Gebieten angewiesen sein.
Ein solcher ungestörter Wirtschaftsaustausch (Handel, Dienstleistungen) setzt aber voraus, dass die Enklaven weiterhin in einen gemeinsamen Staat mit den Nachbarregionen eingebettet sind - zumindest solange, wie nicht (etwa nach dem Vorbild der europäischen Union) eine größere Wirtschaftsgemeinschaft aus mehreren Staaten entsteht.

Das ist dann auch wieder die Chance für eine "übernationale" Lösung. Ich setze "übernational" in Anführungszeichen, weil etwa die Weiterentwicklung der arabischen Liga zu einer überstaatlichen Wirtschaftsgemeinschaft der arabischen Staaten eigentlich eine "national-arabische Lösung" wäre.
Bisher ist diese Entwicklung an den konträren Interessen der einzelnen Staatenführer gescheitert.
Aber das muss nicht endgültig sein.
Der "arabische Frühling" zeigt, dass in den arabischen Ländern eine demokratische Bewegung gewachsen ist, die sich zumindest von Tunesien bis Syrien auf einer vergleichbaren Basis gründet.
Von Marokko bis Irak und vom Atlantik bis zum Indischen Ozean verbreiten arabische Medien (Al Jazeera) nicht nur Nachrichten aus der arabischen Welt, sondern mit "soaps" auch ein unterschwelliges gemeinsames Lebensgefühl. Die Menschen kommen sich näher, verstehen sich, haben eine gemeinsame "Erlebniswelt" - und (was ich immer betone): weil der Mensch "in seine Sprache denkt" dient die gemeinsame Sprache auch dem Gedanken- und Ideenaustausch. Sie bildet den Kern der "Nation", der eben alle arabischen Länder (unabhängig von ihrer eigenen regionalen Identität) umfassen könnte.
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