Arabien - Arabische Liga
#60
was ist unter Pressefreiheit zu verstehen?

a)
die aktive Möglichkeit der Medien, sich ungehindert allüberall sämtliche Informationen der Welt zu beschaffen (dann gibts absolute Pressefreiheit nirgends)
oder
b)
die Möglichkeit, sich über eine Vielzahl von Medien unterschiedlichster Facon zu informieren (passive Informationsfreiheit)?

Ich hab mich wohl unpräzise ausgedrück: was ich meinte war die von mir so bezeichnete "passive Informationsfreiheit" der Öffentlichkeit, und da sind die Satellitenfernseher das wichtigste Medium der arabischen Welt, das auch gesehen wird, wenn ein Staat dem betreffenden Sender keine Arbeitsmöglichkeit im Lande gibt.

Das möchte ich an einem zugegeben krassen Beispiel erläutern:

Im Libanon unterhält die Hisbollah einen Fernsehsender ("Al-Manar"), der bei uns wohl unter dem Titel "Hassprediger" eingeordnet würde. Der Sender schürt Hass gegen Israel (das in seinem Sprachgebrauch "zionist entity" oder "Palestine 48" genannt wird), die USA (Bush und Hitler gleichgestellt) und ruft offen zu Selbstmordattentaten auf.
Der Sender gehört zu den fünf wichtigsten Fernsehstationen in der arabischen Welt, er wird tagtäglich von geschätzt rund 10 Millionen Zuschauern - insbesondere auch in den von Israel 1967 besetzten arabischen Gebieten - eingeschaltet. Bei insgesamt über 230 Mio. Menschen, die Arabisch als Muttersprache sprechen, ist das ein Anteil von knapp 5 %, der direkt von "Al-Manar" erreicht wird.
Das sind immerhin so viele "Konsumenten", dass Europäische Firmen wie der österreichische Red-Bull hersteller oder der schweizer Nestlé Konzern, Henkel (Allzweckreiniger) oder Milka und Maggi (Schokolade und Suppenwürfel) den Sender mit Werbegeldern mitfinanzieren - und US-Konzerne wie Microsoft oder Coca Cola nur aufgrund eines Verbots des US-Kongreß (Dezember 2002) nicht mehr dort werben.
Quelle: DIE WELT, 14.04.2005

Ein Gegenbeispiel für Information ist Al-Dschasira der auch israelischen Politikern ein Podium bietet (Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://lexikon.eventax.de/Al-Dschazira/">http://lexikon.eventax.de/Al-Dschazira/</a><!-- m -->).
Al-Dschasira soll bereits 2002 die Zahl von 35 Millionen Empfängern gehabt haben. Das war seinerzeit wohl die Zahl der Satellitenschüsseln in der arabischen Welt,
Zitat:und wenn das so ist, muss man die Zahl der Zuschauer vier- oder fünfmal höher schätzen, weil es ja so gut wie keine Single-Haushalte, aber sehr viele Großfamilien gibt.
In Syrien gilt Al Dschazira schon als erster Scheidungsgrund, weil die Männer die ganze Nacht vor dem Bildschirm hängen bleiben.
Quelle: "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vom 3.11.2002 - Interview mit Aktham Suliman, Deutschlandkorrespondent von Al Dschasira, <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel,,,,,,,C8121A0F08CADFF2E030DB95FBC34233,,,,,,,,,,,,,,,.html">http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel, ... ,,,,,.html</a><!-- m --> - und dem Sender gelingt eine "Kulturrevolution":
Zitat:Im arabischen Fernsehen treten immer mehr Frauen auf - nicht nur als Bauchtänzerinnen, sondern auch als Reporterinnen, Filmproduzentinnen und Moderatorinnen; sogar eine bedeutende Wirtschaftsjournalistin ist darunter. 64 Prozent aller Zuschauer im arabischsprachigen Raum sind Frauen, doch der wichtigste Trumpf, den der Sender al-Dschasira gegen die saudische Konkurrenz ausspielen kann, sind die Starjournalistinnen, deren Eloquenz nicht nur von den weiblichen Zuschauern geschätzt wird.
Quelle: Le Monde diplomatique 10.9.2004

Nun ist es nicht so, dass diese beiden Sender die Satelliten beherrschen. Es gibt eine Reihe von unterschiedlichsten arabisch sprachigen Sendern, die alle dieselbe Chance haben, in der Öffentlichkeit zu wirken (siehe mein letztes Posting).
Ich sag jetzt einfach mal: 2002 35 Mio. Satellitenschüsseln entsprechend geschätzt 140 Mio. Zuschauer - bei 230 Mio. "muttersprachlichen Arabern" werden mehr als die Hälfte (!) aller Araber inzwischen über ein Medium informiert, das eben nicht mehr national "kontrollierbar" ist.
Da haben auch die bisherigen Verbote von Al-Dschasira (z.B. in Jordanien Anfang August 2002) nichts geholfen. Die Funkwellen machen an der Grenze nicht einfach halt.

Und es gibt inzwischen eine weitere Quelle - unser Medium hier, das Internet:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.navius-onlinemagazin.de/Das_Internet_-_zwisc.74.0.html">http://www.navius-onlinemagazin.de/Das_ ... .74.0.html</a><!-- m -->
Zitat:Es liegt also am einzelnen Leser oder Zuschauer, Informationen zu bewerten.

....

Informationsvielfalt ist die Stärke des Internets. Gerade in diesen Tagen kann es diesen trumpf voll ausspielen. Propaganda zu streuen wird schwerer, denn Nachrichten sind überprüfbarer.
...
Wieder ist das Internet geboren - diesmal wieder als das was es ist:

Eine Plattform zum Informationsaustausch
Insofern bin ich optimistischer, was die Informationsvielfalt im arabischen Raum betrifft - und dass der Hisbollah-Sender nur von 10 Mio. Zuschauern, ein "revolutionärer Nachrichtenkanal" aber von wesentlich mehr Personen gesehen wird, sollte doch zu denken geben.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema

Gehe zu: