Polen
Sagen wir es einfach kurz und bündig: Die Beziehungen sind einfach nicht besonders zwischen Polen und Deutschland.
Polen ist tendenziell eher europaskeptisch, nicht in dem Sinne, dass die polnische politische Klasse das europäische Projekt als solches ablehnt, aber eher - ähnlich wie Großbritanien, Tschechien usw. - wird Europa als Zusammenschluss europäischer Nationen gesehen, nicht als föderales Projekt. Zudem ist Warschau eben aus der Geschichte heraus promaerikanisch und dezidiert antirussisch. Damit ergeben sich außenpolitisch nicht unbedingt eine 100% Schnittmenge mit Deutschland.
In den Bevölkerungen sieht diese Differenz sogar noch größer aus.
Für mich liegt der Knackpunkt da ein bißchen in den 90ern. Hier wurden vielleicht Chancen verpasst. Denn damals begannen im Zug der EU und NATO Erweiterung in vielen Teilen Polens alte Vorurteile gegen Deutschland zu bröckeln. Es wurde deutsch gelernt und das Deutschlandbild in Polen begann sich zu bessern, was allerdings eben aber nicht mit einer ähnlichen Entwicklung in Deutschland einherging. Polen war da eben das arme, verdreckte Osteuropa: Was da wirklich vor sich ging, interessierte bis auf ein paar Ausnamen niemanden.
Jetzt ändert sich das allmählich, aber nun herrscht in Polen momentan eine Art von Stagnation in der Entwicklung: Man ist wieder mehr mit sich beschäftigt: Was macht das moderne Polen aus? Wie definiert sich polnische Identität in der Schnittmenge von postmodernen Metropolen und vorindustriellen und traditionellen ländlichen Regionen. Hier passen auch die Auseinandersetzungen zwischen Konservativen und ehemaligen Kommunisten um die Vergangenheit Polens unter kommunistischer Herrschaft rein. Man versucht momentan wieder das zerrissene Land mit einer Identität zu versorgen, die Wendegewinnler in den postmodernen Städten wie Lodz, Warschau, Posnan oder Worclaw verbindet mit den armen, zurückgebliebenen ländlichen Regionen (vor allem in Ostpolen). Und das wird gerade von den Konservativen versucht über verstärkten katholisch orientierten, traditionellen Patriotismus und Nationalismus. Wobei das gerade in den Metropolen auf wenig Gegenliebe stößt.

Die polnische Seele ist also gerade empfindsam und mit sich selbst beschäftigt. Man achtet daher nicht wirklich mehr darauf, was anderswo tatsächlich passiert (ähnlich wie in Deutschland in den 90ern und auch noch teilweise heute, wenn man nach Ostmitteleuropa schaut, denn davon weiß man eben in Deutschlands nichts und auch die Medienberichte sind einfach nur durch Armut an Hintergrundwissen bekennzeichnetes Irrlichtern).
Daher reagiert man momentan in Polen auch derart stark auf auch so marginale Persönlichkeiten und Institutionen wie Erika Steinbach oder die Preußische Treuhand. Das ist ein Komplex aus historischer Erfahrung und innerpolnischer Problematik, wobei man sicherlich gerade Deutschland und den Deutschen schon seit einiger Zeit Uninformiertheit, oberflächliches Scheininteresse und keinerlei Sensibilität unterstellen kann.

Die Beziehungen werden sich auch nicht über Nacht verbessern und man sollte bitte nicht glauben, dass unter einer PO-Regierung sofort alle polnisch-deutschen Irritationen vergangen wären (das zu dem Punkt, dass alles an den Kaczynskis liegt). Dazu gibt es zu viel Unverständnis auf beiden Seiten der Oder.
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