Vor 5 Stunden
(Gestern, 11:28)BenStöger schrieb: ....völkerrechtlich muss man zwischen einem Präventivschlag und einen Prepräventivschlag unterscheiden.
Völkerrechtlich gesehen dürfte man es mit einem Präventivschlag zu tun haben, der ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats erfolgt ist. Damit steht er im Widerspruch zum Gewaltverbot der UN-Charta. Diese rechtliche Dimension ist jedoch – zumindest aus machtpolitischer Sicht – zweitrangig.
...
Der Präfentivschlag dient der Abwehr eines (beweisbar) unmittelbar bevorstehenden Angriffs und ist völkerrechtlich zulässig.
Allerdings wird wohl niemand ernsthaft behaupten, der Iran wäre nur Stunden vor einem Angriff auf Israel entfernt gewesen.
Das behauptet auch Israel selbst nicht. Es handelt sich also allenfalls um einen Prepräventivschlag, der aber völkerrechtlich gerade nicht erlaubt ist. Die Argumentation der "in wenigen Wochen einsatzbereiten iranischen Atomwaffen" höre ich von Netanjahu seit ungefähr 30 Jahren. Tatsächlich hat der Iran - der den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet hat - seit 2003, also seit dem Ende seines "Intimfeindes" Saddam im Irak, jede Arbeit an einem militärisch nutzbaren A-Waffenprogramm eingestellt, das sagt die Internationale Kontrollbehörde, die das atomare Programm des Iran beobachtet.
Und auch nach aktueller Auffassung der US-Geheimdienste (Aussage vor dem US-Kongress) ist der Iran (wie auch schon 2003) noch "mehrere Jahre von einer Atombombe entfernt".
Demnach war der Angriff des Staates Israel auf den Iran nicht gerechtfertigt.
Und das gilt für die US-Attacken dann erst recht. Hier wurde und wird wohl genauso eine Schimäre aufgebaut wie seinerzeit mit den Chemiefabriklastern des Irak.
Wenn man jetzt auf die "Machtpolitik" abhebt, hinter der das Völkerrecht zweitrangig wäre - ich dachte, zwei Weltkriege oder auch Russlands Überfall auf die Ukraine hätten gelehrt, dass die "Machtpolitik des Stärkeren" nur Katastrophen erzeugt. Völkerrecht dient eben gerade dazu, Schwächere zu schützen und vor kriegerischen Attacken der Stärkeren zu bewahren.
Es ist nicht ohne Grund so, dass auch Aggressoren versuchen, Ihre Aktionen mit dem "Völkerrecht" zu legitimieren ("seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurück geschossen"). Bei manchen verfangen diese Narrative. Aber das entbindet nicht davon, gerade in kriegerischen Zeiten und wenn sogar die eigenen Dienste andere Auffassung sind, die jeweiligen Aussagen zu hinterfragen und nicht einfach aus seiner Blase heraus nach zu plappern was man selbst gerne glauben würde.
In dem Zusammenhang nur noch zur Erinnerung - es war DT, der die mühsam ausgehandelte Vereinbarung mit dem Iran in seiner ersten Amtszeit einseitig gekündigt hat, obwohl (!) alle einschließlich der eigenen Geheimdienste bestätigt haben, dass sich der Iran an die - über die Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages hinaus gehenden - Verpflichtungen gehalten habe.
Seit dieser Kündigung ist der Iran nur noch an den Atomwaffensperrvertrag gebunden, der sowohl zivilie Nutzung wie auch Urananreicherung erlaubt.
Was man zurecht fragen kann ist, wieso der Iran eine Urananreichung auf 60% weiter führt - das ist bekanntlich für Atombomben zu schwach und wird für zivile Zwecke in dieser Konzentration kaum benötigt.
Allerdings gäbe es dafür eine einfache Erklärung:
Haben nicht die USA schon vor Jahren (auch im Irak) Uran gehärtete Granaten (Uranmunition) zur Bekämpfung gepanzerter Fahrzeuge verwendet? Allein im Irakkrieg 2003 verschoss die „Koalition der Willigen“ zwischen 1000 und 2000 Tonnen Uranmunition. 21 Staaten (USA, Russland, Großbritannien, China, Schweden, Niederlande, Griechenland, Frankreich, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Türkei, Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait, Israel, Saudi-Arabien, Irak, Pakistan, Thailand, Südkorea und Japan) haben solche Munition in ihren Magazinen. Und diese Uranmunition fällt nicht unter den Begriff "Atomwaffe".
Sie ist sozusagen ein "Abfallprodukt" bei der Anreicherung von Uran.
Wenn der Iran solche Munition einsetzen will, dann muss er entweder dieses Abfallprodukt kaufen oder selbst Uran anreichern. In dem Fall wäre dann (umgekehrt) das "angereicherte Uran das Abfallprodukt".
Damit hätte der Iran also eine plausible und vertragsgerecht zulässige Begründung für seine Uran-Bearbeitung.
Und ich sehe - außer einem Bibi, der jede Gelegenheit nutzt um zu zündeln - niemand Verantwortlichen, der ernsthaftes Interesse daran haben kann, den Iran "in die Steinzeit zu bombardieren".
Ganz im Gegenteil:
Es kann niemand daran interessiert sein, einen "failed state" aus dem Iran zu machen, der sich in einem Bürgerkrieg unterschiedlicher Ethnien und religiösen Gruppen zerfleischt. Afghanistan oder Somalia sollten abschreckend genug sein. Damit hätte ich auch konkret auf Nightwatch geantwortet.
Das soll keine Verteidigungsrede für das Iranische Regime sein. Aber ein Regimewechsel - wie jetzt von Netanjahu als Ziel seiner Angriffe erklärt - ist nun einmal völkerrechtlich kein legitimes Kriegsziel. Dem Völkerrecht ist es schlicht egal, ob eine Demokratie oder eine Klerikale Kleptokratie einen Staat regiert.
Aber ich denke, es wird Zeit die aufgeheizte Debatte etwas zu versachlichen.