16.06.2025, 09:28
Zitat:Darüber hinaus ist der Iran gesellschaftlich und v. a. religiös relativ homogen. Diese tribalistische und religiöse Zerrissenheit, die u. a. mit zur Lage in Irak, Syrien oder auch Libyen beitrug, gibt es so in Iran definitiv nicht.
Erstaunlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmung sein kann. Meiner Ansicht nach ist der Iran keineswegs homogen, sondern gesellschaftlich ziemlich zerrissen und gerade dem Iran fehlt meiner Meinung nach die von dir hier beschriebene Kohäsion.
Zunächst mal ist der Iran ein Vielvölkerstaat. Selbst wenn man sehr großzügig allerlei persisch-sprachige Gruppen zu den Persern rechnet, kommen diese gerade mal auf höchstens 60%. Wenn man es enger rechnet, sind nur 38,5% der Bevölkerung tatsächlich Perser. Die Kurden kommen auf bis zu 10%, die Azeris auf ungefähr 20% (anbei: in Azerbeidschan gibt es gerade ganz gefährliche Träume eines Groß-Azerbeidschan, die Widerrichtung des Reiches der Qaraqoyunlular und der Akkoyunlular ist dort ernsthaft ein politsches Fernziel.
Es gibt eine beträchtliche Anzahl von Afghanen, und das sind übrigens keineswegs alles Hazara. Afghanen sind immer ein Problem. Dann haben wir da noch die Belutschen, die Situation in Bezug auf diese sollte bekannt sein.
Über 50% der Menschen im Iran haben übrigens nicht Persisch als Muttersprache.
Und schließlich sind selbst die 38,5% Perser keineswegs geschlossen hinter der aktuellen Regierung, sondern da gibt es sehr radikale Gruppen welche diese immer noch aktiv bekämpfen und die auch im Iran höchst aktiv sind. Ohne diese Perser welche radikale Gegner der aktuellen Regierung sind, wären die Aktionen Israels im Iran auch gar nicht möglich.
Dieser Konflikt innerhalb der Perser selbst (Monarchisten, MEK usw.) stellt schon seit Jahren für den Iran ein erhebliches Problem dar.
Die religiösen Spannungen laufen inzwischen primär innerhalb der Schiiten selbst, dahingehend, dass sehr viele Iraner die aktuelle Form des Schiitentums und den Gottesstaat ablehnen. Sie sind teilweise erstaunlich säkular und vertreten ironischerweise einen sehr modernen, liberalen Islam. Das heißt die Schiiten sind zwischen sehr religiösen und liberalen stark gespalten.