19.03.2008, 14:53
@ Hoj
Schön, dann die nächste Runde im Diskurs Ethnologie vs. Soziologie/Geschichte (ich geh mal davon aus, dass du aus Hobby oder Studium was mit Ethnologie zu tun hast!?)
Und nachfragen werde ich nicht, sondern dich kritisieren. Ich geb halt net so schnell kkein bei und überlass in politischen Fragen doch net der Ethnologie das Feld :wink:
PS: Grundquellen bei mir: Die Pfeiler sozialwissenschaftlicher Lektüre in dem Bereich: Gellner, Acton, Benedict Anderson + Münkler (Imperium)
Klar, China als ehemaliges Imperium umfasste immer eine Unzahl von Völkerschaften, wie andere Imperien auch (Rom, Zartum Russland usw...). Die Frage aber ist, wie im Rahmen fortschreitender Modernisierung und gesellschaftlicher Umbrüche (hier ein Knackpunkt, wo deine ethnologische Perspektive versagt) nun neue Identitäten aus den alten entstehen. Und da muss man eben sagen, dass deine Definitionen etwas idealistisch sind und nicht beachten, dass in verschiedenen Gesellschaftstypen nunmal andere Identifikationsmuster dominieren. Und wie gesagt, wir schauen auch und gerade auf das sich modernisierende China, ergo sind Vergleiche zu ähnlichen Fällen durchaus angebracht und kaum unsinniger als Bezüge zu rein traditionalen Gesellschaften ( in meinen Augen fokussiert sich die Ethnologie allein darauf). Das Wort Ethnie ist dabei ein moderner Begriff (wie beispielsweise die Ethnologie auch eine moderne Wissenschaft ist, die gerademal vielleicht 150 Jahre alt ist in ihrer heutigen Fassung, Geschichte und Staatswissenschaft gibt es seit Thykikudies oder so... dem Geschichtsschreiber des Peloponnesischen Krieges) und bezieht sich auf eine soziale, kulturelle und sprachliche Gemeinschaft, die eben auch regional und politisch gefasst werden kann: Man siehe beispielsweise die Paschtunen als Ethnie für sich, mit ihrer Sprache und eigenen Identität, die noch in verschiedene Stämme zerfallen. Was du daher meinst, ist der Stamm aus der traditionalen Gesellschaft, der auf Familie und Clan abhebt. Aber da wäre ich rein begriffstechnisch sehr vorsichtig von Ethnie zu sprechen, weil aus Stämmen teilweise sehr verschiedene Ethnien und Nationen werden im Rahmen sozietaler Modernisierung. Und der Begriff Nation ist ja sowieso eine Sache für sich. Es gab zumindest in Europa diesen Begriff auch schon im Mittelalter. Nur damals bedeutete er eben etwas anderes als heute und fasste andere Sachen, weil das nunmal stratifizierte, ständische Gesellschaften waren. Aber das heilige Römische Reich Deutscher Nation bekam eben seine bezeichnung auch schon im Mittelalter. Das heißt, mehrschichtige Identititäten gab es auch in ständischen und feudalen Gesellschaften, aber eben mit sozialer Differenzierung. Du kannst das genauso gut auch am Römischen Reich durchexerzieren. Da gab es diverse Stämme/Völker (gentes) und eben die eine große "Nation", die auf Rom zurückging.
Was du in Europa aber hattest und auch im Ansatz eben in den sich entwickelnden Regionen der Welt, ist dass diese Identitäten sich neu strukturieren. Dein idealistisches Bild da in allen Ehren: Aber das ist halt so. In Europa wurde aus der umfassenden Nation eben die ethnisch-"völkisch" definierte enge Definition von Nation. Im sozialwissenschaftlichen Sprachgebrauch: Aus dem inklusiven Nationalismus und Nationsbegriff wird eben ein exklusiver Nationsbegriff. Das kannst du in allen möglichen ordentlichen sozial-historischen Werken zu diesem Thema nachlesen. Und in China, passiert eben genau das gleiche. Also, wir sagen das selbe, aber werten es eben aufgrund anderer Perspektiven völlig unterschiedlich. Du beharrst auf deiner ethnologischen Perspektive und ich aus der soziologisch-historischen Perspketive. Nimm es mir nicht übel bitte, aber die Ethnologie taugt halt in meinen Augen nicht so ganz für die Behandlung dieser Modernisierungsfragen. Für dich gibt es die Ethnie (womit du eigentlich den Stamm der traditionalen Gesellschaft meinst) und dann eben die moderne Nation in der industrialisierten und modernen Zeit. So ist das aber net, schließlich gab es auch in traditionellen Gesellschaften "Nationen" und imperiale Reiche und in modernen Zeiten gibt es eben auch verschiedene Nationsbegriffe. Die amerikanische Nation ist immer noch inklusiv, nehmen wir aber die Schotten beispielsweise, dann ist deren Definition sehr bezogen auf den Stamm/Ethnie der Schotten. Und in manchen Fällen wird eben aus der allgemeinen, historischen Nation (wie bei Deutschland, Polen) eben eine ethnisch sehr exklusive, eng definierte Nation, wobei aber da auch historische Stämme wie die Bayern, Sachsen, Alemannen, Schlesier, Kaschuben, Mazowier, Goralen, die Teilung in Großpolen und Kleinpolen mehr oder minder wegradiert wurden. Das ist eben alles kontingent, hängt von der Entwicklung ab. Und um deiner simplen Dichotomie ganz den Rest zu geben: Schaut man sich heute die ethnisch eng definierte Nationen der Deutschen und der Polen an, dann muss man von der realen ethnischen Verwandtschaft sagen, dass beide reinster Mischmasch sind: Die Deutschen sind von den historischen Stämmen her ein Gemisch aus germanischen Stämmen, ein paar Romanen und sehr viel slawischen Stämmen. Lusitzen, Wenden, ein Großteil der Sorben wurden über Jahrhunderte assimiliert und das war größtenteils auch sehr gewalttätig. Und die Polen sind ein Gemisch aus germanischen, und diversten slawischen Stämmen.
Wieso das auch für China relevant ist? Weil in Europa eben das schon geschehen ist, was soziale, politisch und kulturell China noch bevorsteht: Der Kampf um Identität und sozialer und politischer Verfasstheit. China ist eben ein sich moderniserendes Land, das in dieselben Probleme kommen wird wie Europa vor 150 und 100 Jahren. Ich denke, bei solchen Transformationsprozessen versagt die ethnologische Perspektive.
Ergo, in Sachen heutiger Ereignisse gehen wir konform, aber deuten aus den verschiedenen Perspektiven die Sache unterschiedlich. Deine Kritik da an mir geht ins Leere, weil China eben einfach heute in der Modernisieurng steckt und daher sich auch moderne Verständnisse von Nation und Identität entwickeln. Schließlich ist der heutige Nationsbegriff, mit den heutigen Bedeutungen, auch nur gut 150 jahre alt - so viel mal zu deinem Argument das alles sei universal, was ahistorisch argumentiert ist von dir. Nation war vor 1000 jahren etwas anderes als heute.
Was nun die Geschichte angeht, so sehe ich da hier das Problem eben in deinen ahistorischen Begriffsverständnissen. Dir entgehen soziale Wandlungsprozesse und damit auch semantische Umdeutungen. All die Nachfolgereiche der Han sahen sich eben als Nachfolgereiche, beanspruchten die Legitimität dieser Reiche. All diese Reiche waren damit chinesisch, wobei chinesisch eben damals etwas anderes war als heute. Das Römische Reich von vor 2000 Jahren ist auch nicht dasselbe wie da heutige Rom bzw. Italien und das Deutsche Reich von vor 1000 jahren ist auch nicht dasselbe wie das heutige Deutschland, dennoch bestehen kulturelle und historische Kontinuitäten. Aber das ist doch selbstverständlich. Deutsch, italienisch/römisch/chinesisch sind nur Etikettierungen, Kategorien, Zurechnungen. Man erinnere sich bitte an Benedict Andersons Ausspruch von den imagined communities, schließlich sind Identitäten immer je nach Umständen produziert. Was da dann jewels drin ist, ist eben je nach Zeit und Umständen eine ganz andere Frage. Aus einer rein ethnischen Perspektive war das sicher kein chinesisches Reich vor 1000 Jahren, da magst du Recht haben. Aber dann existiert Deutschland erst seit 1949, Polen seit 1945, Frankreich seit frühestens 1800 und Großbritannien hat es nie gegeben bzw. aufgrund der ganzen ethnischen Durchmischung bräuchten wir ja eigentlich völlig neue Bezeichnungen für unsere Nationen. Und wenn dann die Türken bei uns drin sind, dann sind wir auch nicht mehr Deutschland, weil wir wieder eine neue Ethnie drin haben und eshalb wieder alles anders ist und Deutschland wieder nicht mehr Deutschland ist. So, wenn man deine rein blutsverwandtschaftliche Perspektive übertreibt, kommt man im Nirgendwo an, weil eben Identitäten mehr und mehr fragmentieren (schon mal was gehört von der Individualisierung in modenen Gesellschaften???) Das ist eine in meinen Augen nicht gewinnbringende Perspektive, die für politische und soziale Fragen völlig unhandlich ist. Das mag ja ganz nett sein, wenn man kleinere Völker irgendwo untersucht und deren Verwandtschaftsbeziehungen in traditionellen Gesellschaften, aber wenn es um politische und wirtschaftliche Machtfragen geht, um die Erzeugung von Identitäten, um den Wechsel und die Umettikettierung und den Inhaltswechsel ist die ethnische Perspektive aufgrund ihrer ständigen Varianz eine oberflächliche Herangehensweise. Viel wichtiger ist doch, wieso bestimmte Vorstellungen existieren, wieso heute dies und was denn früher unter der Bezeichnung China verstanden wurde. Das ist wichtig. Auch im alten Römischen Reich lebten nicht überall ethnische Römer und waren das nicht alles überall römische Beamte, aber Staaten, politische Gemeinschaften, Imperien haben nunmal auch ihre identitätsstiftende Wirkung. Und relevant war nicht, ob der Beamte ein Kantonchinese war oder ein Mongole, sondern wichtig war, dass ein in Jahrhunderten in chinesischen Reichen entstandenes Beamtensystem bestand und weiter geführt wurde und dass eben jener Untertan des chin. Kaisers war. Und auch heute kann man natürlich beklagen, dass die Minderheiten assimiliert werden sollen, aber was ist daran neu oder besonders? Nehmen wir das Zartum Russland, genau dasselbe passierte dort in den Zeiten der problematischen Modernisierung im 19. Jahrhundert oder nehmen wir auch andere Beispiele: Es gibt zahllose Staaten, in denen aus politischen Gründen bestimmte Einheitsvorstellungen lanciert werden. Und da muss man fragenb, wieso das so ist und ob das klappen wird oder nicht. Natürlich kann man das beklagen, aber der historische Vergleich zeigt, dass ein exklusiver Nationalismus zur Modernisierung mit dazugehört. Das, was du also so stark kritisierst, ist schon zig Mal in Asien und Europa passiert. Ich hab daher nie verstanden, was du eigentlich willst, aber aus meiner Perspektive ist das eben eine unschöne, aber normale Entwicklung.
Denn, aus welchem idealistischen Wissenschaftsverständnis dein Begriff von Ethnogesene kommt, dass will ich erst gar nicht wissen. Sowas taugt vielleicht wirklich für die Feldforschung in traditionellen Gesellschaften, aber nicht für komplexe, stratifizierte, transformierende und moderne Gesellschaften und deren Entwicklung... Schließlich kann man die Entwicklung staatlicher Strukturen und damit auch die Anwendung von Gewalt und Macht aus solchen Prozessen nie ausschließen... sonst diskutiert man einfach an den historischen Realitäten vorbei.
Daher: ich lasse dir gerne deine perspektive, aber ich bleibe dann doch lieber bei meiner.
Schön, dann die nächste Runde im Diskurs Ethnologie vs. Soziologie/Geschichte (ich geh mal davon aus, dass du aus Hobby oder Studium was mit Ethnologie zu tun hast!?)
Und nachfragen werde ich nicht, sondern dich kritisieren. Ich geb halt net so schnell kkein bei und überlass in politischen Fragen doch net der Ethnologie das Feld :wink:
PS: Grundquellen bei mir: Die Pfeiler sozialwissenschaftlicher Lektüre in dem Bereich: Gellner, Acton, Benedict Anderson + Münkler (Imperium)
Zitat:An sich sind die Identitäten verschachtelt und bauen häufig aufeinander.
Ethnische Identität baut auf der Clan/familärer Identität. Nationale baut aur regionaler, kultureller und sozialer Identität. und so weiter. du betonst zwar die vielschichtigkeit aber du sezt dich gar nicht damit auseinander wie die sich innerhalb Chinas zusammensetzen. Dazu noch versuchst du Europa als ein Beispiel zu benutzen. An sich weit unterschiedliche soziale und politische Schwerpunkte. (China ist national-Ethnisch-Kommunistisch(sozial-politisch), Europäische ist national-relligios-kulturel-politisch)
Klar, China als ehemaliges Imperium umfasste immer eine Unzahl von Völkerschaften, wie andere Imperien auch (Rom, Zartum Russland usw...). Die Frage aber ist, wie im Rahmen fortschreitender Modernisierung und gesellschaftlicher Umbrüche (hier ein Knackpunkt, wo deine ethnologische Perspektive versagt) nun neue Identitäten aus den alten entstehen. Und da muss man eben sagen, dass deine Definitionen etwas idealistisch sind und nicht beachten, dass in verschiedenen Gesellschaftstypen nunmal andere Identifikationsmuster dominieren. Und wie gesagt, wir schauen auch und gerade auf das sich modernisierende China, ergo sind Vergleiche zu ähnlichen Fällen durchaus angebracht und kaum unsinniger als Bezüge zu rein traditionalen Gesellschaften ( in meinen Augen fokussiert sich die Ethnologie allein darauf). Das Wort Ethnie ist dabei ein moderner Begriff (wie beispielsweise die Ethnologie auch eine moderne Wissenschaft ist, die gerademal vielleicht 150 Jahre alt ist in ihrer heutigen Fassung, Geschichte und Staatswissenschaft gibt es seit Thykikudies oder so... dem Geschichtsschreiber des Peloponnesischen Krieges) und bezieht sich auf eine soziale, kulturelle und sprachliche Gemeinschaft, die eben auch regional und politisch gefasst werden kann: Man siehe beispielsweise die Paschtunen als Ethnie für sich, mit ihrer Sprache und eigenen Identität, die noch in verschiedene Stämme zerfallen. Was du daher meinst, ist der Stamm aus der traditionalen Gesellschaft, der auf Familie und Clan abhebt. Aber da wäre ich rein begriffstechnisch sehr vorsichtig von Ethnie zu sprechen, weil aus Stämmen teilweise sehr verschiedene Ethnien und Nationen werden im Rahmen sozietaler Modernisierung. Und der Begriff Nation ist ja sowieso eine Sache für sich. Es gab zumindest in Europa diesen Begriff auch schon im Mittelalter. Nur damals bedeutete er eben etwas anderes als heute und fasste andere Sachen, weil das nunmal stratifizierte, ständische Gesellschaften waren. Aber das heilige Römische Reich Deutscher Nation bekam eben seine bezeichnung auch schon im Mittelalter. Das heißt, mehrschichtige Identititäten gab es auch in ständischen und feudalen Gesellschaften, aber eben mit sozialer Differenzierung. Du kannst das genauso gut auch am Römischen Reich durchexerzieren. Da gab es diverse Stämme/Völker (gentes) und eben die eine große "Nation", die auf Rom zurückging.
Was du in Europa aber hattest und auch im Ansatz eben in den sich entwickelnden Regionen der Welt, ist dass diese Identitäten sich neu strukturieren. Dein idealistisches Bild da in allen Ehren: Aber das ist halt so. In Europa wurde aus der umfassenden Nation eben die ethnisch-"völkisch" definierte enge Definition von Nation. Im sozialwissenschaftlichen Sprachgebrauch: Aus dem inklusiven Nationalismus und Nationsbegriff wird eben ein exklusiver Nationsbegriff. Das kannst du in allen möglichen ordentlichen sozial-historischen Werken zu diesem Thema nachlesen. Und in China, passiert eben genau das gleiche. Also, wir sagen das selbe, aber werten es eben aufgrund anderer Perspektiven völlig unterschiedlich. Du beharrst auf deiner ethnologischen Perspektive und ich aus der soziologisch-historischen Perspketive. Nimm es mir nicht übel bitte, aber die Ethnologie taugt halt in meinen Augen nicht so ganz für die Behandlung dieser Modernisierungsfragen. Für dich gibt es die Ethnie (womit du eigentlich den Stamm der traditionalen Gesellschaft meinst) und dann eben die moderne Nation in der industrialisierten und modernen Zeit. So ist das aber net, schließlich gab es auch in traditionellen Gesellschaften "Nationen" und imperiale Reiche und in modernen Zeiten gibt es eben auch verschiedene Nationsbegriffe. Die amerikanische Nation ist immer noch inklusiv, nehmen wir aber die Schotten beispielsweise, dann ist deren Definition sehr bezogen auf den Stamm/Ethnie der Schotten. Und in manchen Fällen wird eben aus der allgemeinen, historischen Nation (wie bei Deutschland, Polen) eben eine ethnisch sehr exklusive, eng definierte Nation, wobei aber da auch historische Stämme wie die Bayern, Sachsen, Alemannen, Schlesier, Kaschuben, Mazowier, Goralen, die Teilung in Großpolen und Kleinpolen mehr oder minder wegradiert wurden. Das ist eben alles kontingent, hängt von der Entwicklung ab. Und um deiner simplen Dichotomie ganz den Rest zu geben: Schaut man sich heute die ethnisch eng definierte Nationen der Deutschen und der Polen an, dann muss man von der realen ethnischen Verwandtschaft sagen, dass beide reinster Mischmasch sind: Die Deutschen sind von den historischen Stämmen her ein Gemisch aus germanischen Stämmen, ein paar Romanen und sehr viel slawischen Stämmen. Lusitzen, Wenden, ein Großteil der Sorben wurden über Jahrhunderte assimiliert und das war größtenteils auch sehr gewalttätig. Und die Polen sind ein Gemisch aus germanischen, und diversten slawischen Stämmen.
Wieso das auch für China relevant ist? Weil in Europa eben das schon geschehen ist, was soziale, politisch und kulturell China noch bevorsteht: Der Kampf um Identität und sozialer und politischer Verfasstheit. China ist eben ein sich moderniserendes Land, das in dieselben Probleme kommen wird wie Europa vor 150 und 100 Jahren. Ich denke, bei solchen Transformationsprozessen versagt die ethnologische Perspektive.
Ergo, in Sachen heutiger Ereignisse gehen wir konform, aber deuten aus den verschiedenen Perspektiven die Sache unterschiedlich. Deine Kritik da an mir geht ins Leere, weil China eben einfach heute in der Modernisieurng steckt und daher sich auch moderne Verständnisse von Nation und Identität entwickeln. Schließlich ist der heutige Nationsbegriff, mit den heutigen Bedeutungen, auch nur gut 150 jahre alt - so viel mal zu deinem Argument das alles sei universal, was ahistorisch argumentiert ist von dir. Nation war vor 1000 jahren etwas anderes als heute.
Was nun die Geschichte angeht, so sehe ich da hier das Problem eben in deinen ahistorischen Begriffsverständnissen. Dir entgehen soziale Wandlungsprozesse und damit auch semantische Umdeutungen. All die Nachfolgereiche der Han sahen sich eben als Nachfolgereiche, beanspruchten die Legitimität dieser Reiche. All diese Reiche waren damit chinesisch, wobei chinesisch eben damals etwas anderes war als heute. Das Römische Reich von vor 2000 Jahren ist auch nicht dasselbe wie da heutige Rom bzw. Italien und das Deutsche Reich von vor 1000 jahren ist auch nicht dasselbe wie das heutige Deutschland, dennoch bestehen kulturelle und historische Kontinuitäten. Aber das ist doch selbstverständlich. Deutsch, italienisch/römisch/chinesisch sind nur Etikettierungen, Kategorien, Zurechnungen. Man erinnere sich bitte an Benedict Andersons Ausspruch von den imagined communities, schließlich sind Identitäten immer je nach Umständen produziert. Was da dann jewels drin ist, ist eben je nach Zeit und Umständen eine ganz andere Frage. Aus einer rein ethnischen Perspektive war das sicher kein chinesisches Reich vor 1000 Jahren, da magst du Recht haben. Aber dann existiert Deutschland erst seit 1949, Polen seit 1945, Frankreich seit frühestens 1800 und Großbritannien hat es nie gegeben bzw. aufgrund der ganzen ethnischen Durchmischung bräuchten wir ja eigentlich völlig neue Bezeichnungen für unsere Nationen. Und wenn dann die Türken bei uns drin sind, dann sind wir auch nicht mehr Deutschland, weil wir wieder eine neue Ethnie drin haben und eshalb wieder alles anders ist und Deutschland wieder nicht mehr Deutschland ist. So, wenn man deine rein blutsverwandtschaftliche Perspektive übertreibt, kommt man im Nirgendwo an, weil eben Identitäten mehr und mehr fragmentieren (schon mal was gehört von der Individualisierung in modenen Gesellschaften???) Das ist eine in meinen Augen nicht gewinnbringende Perspektive, die für politische und soziale Fragen völlig unhandlich ist. Das mag ja ganz nett sein, wenn man kleinere Völker irgendwo untersucht und deren Verwandtschaftsbeziehungen in traditionellen Gesellschaften, aber wenn es um politische und wirtschaftliche Machtfragen geht, um die Erzeugung von Identitäten, um den Wechsel und die Umettikettierung und den Inhaltswechsel ist die ethnische Perspektive aufgrund ihrer ständigen Varianz eine oberflächliche Herangehensweise. Viel wichtiger ist doch, wieso bestimmte Vorstellungen existieren, wieso heute dies und was denn früher unter der Bezeichnung China verstanden wurde. Das ist wichtig. Auch im alten Römischen Reich lebten nicht überall ethnische Römer und waren das nicht alles überall römische Beamte, aber Staaten, politische Gemeinschaften, Imperien haben nunmal auch ihre identitätsstiftende Wirkung. Und relevant war nicht, ob der Beamte ein Kantonchinese war oder ein Mongole, sondern wichtig war, dass ein in Jahrhunderten in chinesischen Reichen entstandenes Beamtensystem bestand und weiter geführt wurde und dass eben jener Untertan des chin. Kaisers war. Und auch heute kann man natürlich beklagen, dass die Minderheiten assimiliert werden sollen, aber was ist daran neu oder besonders? Nehmen wir das Zartum Russland, genau dasselbe passierte dort in den Zeiten der problematischen Modernisierung im 19. Jahrhundert oder nehmen wir auch andere Beispiele: Es gibt zahllose Staaten, in denen aus politischen Gründen bestimmte Einheitsvorstellungen lanciert werden. Und da muss man fragenb, wieso das so ist und ob das klappen wird oder nicht. Natürlich kann man das beklagen, aber der historische Vergleich zeigt, dass ein exklusiver Nationalismus zur Modernisierung mit dazugehört. Das, was du also so stark kritisierst, ist schon zig Mal in Asien und Europa passiert. Ich hab daher nie verstanden, was du eigentlich willst, aber aus meiner Perspektive ist das eben eine unschöne, aber normale Entwicklung.
Denn, aus welchem idealistischen Wissenschaftsverständnis dein Begriff von Ethnogesene kommt, dass will ich erst gar nicht wissen. Sowas taugt vielleicht wirklich für die Feldforschung in traditionellen Gesellschaften, aber nicht für komplexe, stratifizierte, transformierende und moderne Gesellschaften und deren Entwicklung... Schließlich kann man die Entwicklung staatlicher Strukturen und damit auch die Anwendung von Gewalt und Macht aus solchen Prozessen nie ausschließen... sonst diskutiert man einfach an den historischen Realitäten vorbei.
Daher: ich lasse dir gerne deine perspektive, aber ich bleibe dann doch lieber bei meiner.