Maghreb
#16
Die Maghreb-Staaten von Marokko bis Tunesien haben vieles gemeinsam - angefangen von der lokalen Form des Arabischen, das in allen drei Staaten verwendet wird, bis zur französischen Kolonialvergangenheit.
Die Differenzen zwischen zwischen der "linken" Militärregierung in Algerien und dem Königreich Marokko sind aber symptomatisch für die fehlende Kooperation. Dennoch möchte ich den folgenden Bericht aus Marokko unter "Maghreb-Staaten" einstellen, denn das Vorgehen könnte ein Vorbild für diesen Teil der nordarabischen Welt mit vergleichbaren geologischen Verhältnissen sein:
Hoffnungsschimmer aus Marokko: Abwasser wird zur Ressource – Video
Zitat: Marokko startet einen Umbruch gegen den Wassermangel: 5,6 Milliarden Dollar für sauberes Wasser in 223 Städten – selbst ärmste Regionen sollen künftig profitieren.

Eine gute Nachricht aus Afrika: Marokko startet das größte Abwasser-Programm des Kontinents. 5,6 Milliarden Dollar verwandeln Schmutzwasser in saubere Hoffnung für Millionen Menschen. Diese gute Nachricht zeigt, wie aus der Wasserkrise eine Chance wird. 223 Städte bekommen moderne Kläranlagen - besonders ländliche Gebiete, die jahrzehntelang benachteiligt waren.
Das Video zeigt, warum diese gute Nachricht ein Wendepunkt für ganz Nordafrika bedeutet.
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#17
das könnte fest auch unter dem Titel "Hoffnungsschimmer aus Marokko" laufen
Zitat:Strom aus der Wüste soll die Energiewende fördern
Die Initiatoren von „Sila Atlantik“ wollen preiswerten Strom aus Marokko nach Deutschland bringen. Das erinnert an das gescheiterte Projekt „Desertec“. Doch die Vorzeichen sind günstiger.


Die Initiatoren des Projekts „Sila Atlantik“ wollen große Mengen Strom aus erneuerbaren Quellen über ein Seekabel von Marokko nach Deutschland bringen. Die Planungen sind schon weit fortgeschritten. Auch mit dem Wirtschaftsministerium sind die Verantwortlichen schon im Gespräch.
...
ein Blick auf die Karte - von Marokko nach Spanien ist es gar nicht mal soweit, und spanische Enklaven liegen sogar an der afrikanischen Küste. Stromkabel unter Wasser zu verlegen dürfte wohl weniger problematisch sein, als Gasleitungen - der Rest ist Routine.
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#18
(17.09.2025, 18:58)Kongo Erich schrieb: das könnte fest auch unter dem Titel "Hoffnungsschimmer aus Marokko" laufen
ein Blick auf die Karte - von Marokko nach Spanien ist es gar nicht mal soweit, und spanische Enklaven liegen sogar an der afrikanischen Küste. Stromkabel unter Wasser zu verlegen dürfte wohl weniger problematisch sein, als Gasleitungen - der Rest ist Routine.

Mal wieder völlig unsinnig sich ohne Not von so einem Land abhängig machen zu wollen. Wobei das Projekt sicher sowieso nichts wird.
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#19
Die Jugend in Marokko wird unruhig:
Zitat: Generation Z in Marokko:
Sie wollen lieber Brot als Spiele

Marokko richtet bald den Afrika-Cup und die Fußballweltmeisterschaft aus. Die Generation Z kann mit solchen Prestigeprojekten nichts anfangen. Sie fordert bessere Krankenhäuser und Schulen.

...
ich glaube, das ist eine nicht nur in Marokko feststellbare Änderung der Prioritäten durch die jüngere Generation. Mit zunehmender Information wächst die Erkenntnis, dass prestigeträchtige Leuchtturmprojekte den eigenen Bedarfen nicht helfen. Die Jugend gibt sich nicht mehr mit eingefahrenen Realismen zufrieden. Sie begehrt auf, sie lässt die alten und verbrauchten Männer in den Teehäusern vor sich hin vegetieren und versucht, die eigene Zukunft gemeinsam besser zu gestalten.
Der "arabische Frühling" - ausgehend von Tunesien - war bereits ein konkretes Ereignis in dieser Richtung.
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#20
@Kongo Erich
Zitat:Die Jugend gibt sich nicht mehr mit eingefahrenen Realismen zufrieden. [...]

Der "arabische Frühling" - ausgehend von Tunesien - war bereits ein konkretes Ereignis in dieser Richtung.
Das ist korrekt.

Das schlimme hieran ist jedoch, dass wir - auch hier im Forum - bzw. die meisten Kommentatoren genau diese Darstellung, die auch weitgehend korrekt ist, so zu Papier bzw. in den digitalen Äther im Jahr 2011 und danach eingebracht haben, aber dass sie dennoch oftmals heute bzw. etwas mehr als zehn Jahre später in Abrede gestellt wird. (Das bezieht sich nicht auf dich.)

Dabei ist eigentlich jedem ersichtlich, dass diese Mischung - d. h. ein Konglomerat aus einer durchschnittlich sehr jungen und frustrierten Gesellschaft, der man die Perspektiven nimmt, wirtschaftlicher Stagnation, einer himmelschreienden Korruption, Repressalien und aus alten eingestaubten Potentaten, die auf ihren goldenen Sesseln thronen - eine geradezu klassische gesellschaftspolitische Sprengstoffmischung ist.

Und dennoch stellen sich heute teils Proponenten einer (vorzugsweise) antiwestlichen und auch Anti-US-Haltung hin, verschweigen diese ganzen innenpolitischen Unbilden und benennen als Auslöser für das Chaos im Maghreb - ich hatte da schon im Falle Libyens einige Diskussionen - und oder in Nahost dann unisono meistens hinterlistige und finstere Absichten der USA, der Europäer oder sogar der Israelis, während zugleich die (vermeintliche) Nichteinmischungspolitik, die angeblich Russen oder Chinesen propagieren, wie eine angegammelte Monstranz der Selbstverleugnung vor sich hergetragen wird. Im schlimmsten Falle werden die hiesigen Autokraten sogar schönfärberisch als "Lösung" definiert, da es unter deren Herrschaft ja "ruhig gewesen sei".

Schneemann
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#21
(18.10.2025, 11:05)Kongo Erich schrieb: Die Jugend in Marokko wird unruhig:
ich glaube, das ist eine nicht nur in Marokko feststellbare Änderung der Prioritäten durch die jüngere Generation. Mit zunehmender Information wächst die Erkenntnis, dass prestigeträchtige Leuchtturmprojekte den eigenen Bedarfen nicht helfen. Die Jugend gibt sich nicht mehr mit eingefahrenen Realismen zufrieden. Sie begehrt auf, sie lässt die alten und verbrauchten Männer in den Teehäusern vor sich hin vegetieren und versucht, die eigene Zukunft gemeinsam besser zu gestalten.
Der "arabische Frühling" - ausgehend von Tunesien - war bereits ein konkretes Ereignis in dieser Richtung.

Die werden schnell herausbekommen dass sehr viele einheimische Ärzte in die westliche Welt gelockt wurden und nun in Marokko fehlen. Welche Schlüsse die Jugend daraus zieht dürfte jetzt schon klar sein, nur im Westen will man das nicht wahrhaben.
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#22
(18.10.2025, 11:50)lime schrieb: Die werden schnell herausbekommen dass sehr viele einheimische Ärzte in die westliche Welt gelockt wurden und nun in Marokko fehlen. ...
das Problem sieht anders aus:
Zitat:Die wenigen Jobs, die es gibt, bekommen immer nur die, die der Regierung nahestehen. Oder die, die dafür Geld zahlen.
zitiert ZDF HEUTE einen Vertreter der Bewegung "GenZ 212".
Zitat:Das nordafrikanische Land hat mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Es verzeichnet zwar seit Jahren ein stabiles Wirtschaftswachstum, aber die Einkommensschere ist groß und gerade die Kaufkraft der niedrigen und mittleren Einkommen leidet.

Die Jugendarbeitslosigkeit liegt laut marokkanischer Statistikbehörde bei gut 36 Prozent. "Die jungen Leute sehen keine Zukunft mehr", erklärt Khadija Ryadi von der marokkanischen Menschenrechtsorganisation AMDH.
Zitat:Sie fordern das Recht, über die Verwendung öffentlicher Mittel mitzubestimmen. Etwa für Schulen und Krankenhäuser, statt für prestigeträchtige Großprojekte.
„Khadija Ryadi, Menschenrechtlerin

Damit sind unter anderem Baumaßnahmen gemeint, die die Regierung mit Blick auf die Fußball-Weltmeisterschaft, die 2030 unter anderem in Marokko ausgetragen wird, vorantreibt.

Es geht also nicht um's "weglocken", sondern darum, dass es im Land keine ausreichende Anzahl von stabilen Arbeitsplätzen gibt. Und die "herrschende Gruppe" verkennt die Problematik, weil sie selbst davon nicht betroffen ist.
Wer Geld verdienen will, der hat - soweit er eben nicht zu einem privilegierten Personenkreis gehört - gar keine andere Chance, als "ins Ausland" zu gehen. Und dort trifft das Interesse der marokkanischen Arbeitsinteressenten auf einen ausgesprochenen Fachkräftemangel. Das betrifft auch nicht nur die Ärzte, sondern durchgehend alle Berufsfelder. Mir persönlich ist das für die Pflege persönlich bekannt.
Und meine persönliche Erfahrung ist auch, dass unser deutscher Bürokratismus diese Arbeitsmigration nicht etwa fördert, sondern mit allen möglichen Hürden blockiert.
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#23
Also wenn man sich die marokkanische Diaspora anschaut und selbige dann in Relation zu den anscheinend im Ausland praktizierenden Ärzten setzt - irgendwo zwischen 10.000 und 14.000 (?) -, darunter wohl 8.000 in Deutschland und Frankreich, dann ist das keine überbordende Quote. Und wenn man hierzu noch die Umstände hinzunimmt, dass es das marokkanische Königreich den Ärzten schwer macht durch bürokratische Gängelungen im Bereich Arbeitszeiten und Renten, dann ist es eigentlich verwunderlich, dass nicht noch mehr studierte Mediziner in den Westen abgewandert sind. Und genau diese Gängelungen sind es auch, die die jetzige junge Generation auf die Straße treibt.

In jedem Fall ist das orakelhaft-nebulös wirkende Statement...
Zitat:Welche Schlüsse die Jugend daraus zieht dürfte jetzt schon klar sein, nur im Westen will man das nicht wahrhaben.
...sinnbefreit und zielt hier an der eigentlichen Debatte vorbei.

Schneemann
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#24
(19.10.2025, 10:15)Schneemann schrieb: In jedem Fall ist das orakelhaft-nebulös wirkende Statement...
...sinnbefreit und zielt hier an der eigentlichen Debatte vorbei.

Schneemann

Na dann warten wir mal ab. Ich denke der "arabische Frühling" in Marokko wird genau so in die Hose gehen und zu mehr Islamismus führen wie der in Syrien.

(18.10.2025, 18:30)Kongo Erich schrieb: Es geht also nicht um's "weglocken", sondern darum, dass es im Land keine ausreichende Anzahl von stabilen Arbeitsplätzen gibt. Und die "herrschende Gruppe" verkennt die Problematik, weil sie selbst davon nicht betroffen ist.
Wer Geld verdienen will, der hat - soweit er eben nicht zu einem privilegierten Personenkreis gehört - gar keine andere Chance, als "ins Ausland" zu gehen. Und dort trifft das Interesse der marokkanischen Arbeitsinteressenten auf einen ausgesprochenen Fachkräftemangel. Das betrifft auch nicht nur die Ärzte, sondern durchgehend alle Berufsfelder. Mir persönlich ist das für die Pflege persönlich bekannt.
Und meine persönliche Erfahrung ist auch, dass unser deutscher Bürokratismus diese Arbeitsmigration nicht etwa fördert, sondern mit allen möglichen Hürden blockiert.

Spanien hat seit Jahrzehnten eine ähnliche hohe Quote bei der Jugendarbeitslosigkeit.

(19.10.2025, 10:15)Schneemann schrieb: Also wenn man sich die marokkanische Diaspora anschaut und selbige dann in Relation zu den anscheinend im Ausland praktizierenden Ärzten setzt - irgendwo zwischen 10.000 und 14.000 (?) -, darunter wohl 8.000 in Deutschland und Frankreich, dann ist das keine überbordende Quote.

Schneemann

Wenn man bedenkt dass in Marokko nur ca. 28.000 Ärzte praktizieren sind 10.000 - 14.000 schon eine sehr große Zahl. In Deutschland praktizieren etwa 9x mehr Ärzte auf die Einwohnerzahl gerechnet als in Marokko. Per Braindrain ziehen wir die Ärzte aus den Regionen ab in denen sie viel mehr gebraucht würden.
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#25
@lime
Zitat: Per Braindrain ziehen wir die Ärzte aus den Regionen ab wo sie viel mehr gebraucht würden.
Die Frage ist eher, ob wir sie "abziehen" oder aber ob sie freiwillig gehen, weil das dortige System sie derart unzufrieden zurücklässt, so dass sie bereit sind zu gehen und ihrem Land den Rücken zu kehren (was im Übrigen keine leichte Entscheidung ist)?

Werbung kann man immer machen, um irgendwen von irgendwoher anzuwerben, aber wenn die eigenen Landsleute schlicht wegrennen, dann sollte man sich hinterfragen, ob das System nicht Schwächen hat. Schließlich haben wir die DDR-Bürger auch nicht "abgezogen", sondern sie gingen meistens freiwillig gen Westen, weil sie den Sermon und die Umstände in der "realsozialistischen Beglückung" daheim nicht mehr aushielten.

Schneemann
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#26
(19.10.2025, 11:10)Schneemann schrieb: @lime
Die Frage ist eher, ob wir sie "abziehen" oder aber ob sie freiwillig gehen, weil das dortige System sie derart unzufrieden zurücklässt, so dass sie bereit sind zu gehen und ihrem Land den Rücken zu kehren (was im Übrigen keine leichte Entscheidung ist)?

Werbung kann man immer machen, um irgendwen von irgendwoher anzuwerben, aber wenn die eigenen Landsleute schlicht wegrennen, dann sollte man sich hinterfragen, ob das System nicht Schwächen hat. Schließlich haben wir die DDR-Bürger auch nicht "abgezogen", sondern sie gingen meistens freiwillig gen Westen, weil sie den Sermon und die Umstände in der "realsozialistischen Beglückung" daheim nicht mehr aushielten.

Schneemann

Wenn in Frankreich und Deutschland ca. 70-80% der aus Marokko abgewanderten Ärzte praktizieren kann man schon davon ausgehen dass wir diese hierher locken, sonst wäre es global gesehen wesentlich gleicher verteilt. Eine verantwortungsvolle Regierung würde nicht derartig handeln. Es ergibt absolut keinen Sinn einerseits großzügig Entwicklungshilfe und Klimagelder zu zahlen und andererseits den betroffenen Ländern das Humankapital abzuziehen.
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#27
@lime
Zitat:Wenn in Frankreich und Deutschland ca. 70-80% der aus Marokko abgewanderten Ärzte praktizieren kann man schon davon ausgehen dass wir diese hierher locken, sonst wäre es global gesehen wesentlich gleicher verteilt.
Nein, wieso denn? Es ist geschickter im nahen Europa einen Job zu finden als nach Asien oder über den Atlantik zu gehen. Und die Anrainer im Umfeld sind für studierte Köpfe sicher auch nicht so prickelnd, entweder politisch, finanziell oder infrastrukturell.
Zitat:Eine verantwortungsvolle Regierung würde nicht derartig handeln. Es ergibt absolut keinen Sinn einerseits großzügig Entwicklungshilfe und Klimagelder zu zahlen und andererseits den betroffenen Ländern das Humankapital abzuziehen.
Also das Argument mit der "verantwortungsvollen Regierung" ist ein vorgeschobenes Scheinargument. Wir wissen beide ganz genau, dass a) sich die Regierung hierzulande harsche Kritik anhören müsste, wenn es Ärztemangel geben würde und wenn sie dann zugeben müsste, dass man "medizinische Fachkräfte" nicht berücksichtigt habe bei der Suche nach Fachkräften. Zugleich ist es b) völlig egal, ob man großzügig Entwicklungshilfe und Klimagelder zahlt oder nicht - wenn die Lage vor Ort nicht passt, würden die besser ausgebildeten Köpfe so oder so abwandern, wenn sie eine Chance auf ein besseres Leben in der relativ nahen Umgebung hätten.

Schneemann
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