USA vs. Iran
(20.04.2025, 17:18)Quintus Fabius schrieb: Wer sich über die moralisch-ethische Außenpolitik der USA im Kontext des Iran ein Bild machen möchte, und über die Möglichkeiten einer verdeckten Zusammenarbeit hinter den Kulissen Big Grin dem sei empfohlen die Iran-Contra-Affäre zu studieren.

Ja, die Lieferung von TOWs und die für Silvester geeigneten HAWKS waren allerdings nicht für den Einsatz durch befreundete Staaten bestimmt. Geradezu gewieft, vor allem der direkte Kontext zur Finanzierung von US-freundlichen Terror-Banden in Südamerika. Aber es demonstrierte dem Iran das Potential der damals modernen ATGM gegen damals aktuelle russische Panzer. Es war ein Zündfunke für systematisches Reverse Engineering und Nachbau solcher Waffen. Wiederholte Versuche die iranische Logistik mit fehlerhaften Bauteilen gezielt zu versorgen, erhöhten den Bedarf möglichst eigene Komponenten zu verwenden.
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@KheibarShekan
Zitat:Scholl-Latour finde ich auch sehr gut, aber diese Aussagen von ihm über eine geplante Zusammenarbeit der USA mit dem Iran kurz nach dem Sturz von Pahlawi ist mir entgangen.
Im Kern stimmt es, dass er die Sanktionierung des Iran durch die USA für kontraproduktiv hält. Er beschreibt aber auch, man findet es in Das Schlachtfeld der Zukunft und Weltmacht im Treibsand, dass VOR der Botschaftsbesetzung die Regierung Basergan überlegte, wie man wieder Kontakte nach Washington knüpfen könnte. Und umgekehrt sah man dort Basergan auch als jemanden an, mit dem man reden könne. In dieses labile Zwischenstadium platzte dann die Botschaftsbesetzung, die mehr oder minder alles zunichte machte. Basergan trat vermutlich wegen dieser Ausschreitungen dann zurück.

Im Nachgang ist es sicherlich schwierig, die genauen Abläufe herauszufinden, aber Vermutungen gibt es, wonach radikale Kräfte innerhalb des Umsturzes eine Annäherung an die USA in jedem Fall unterbinden wollten, weswegen dann der Sturm auf die Botschaft initiiert wurde, was Basergan jegliche Verhandlungsoptionen nahm. Da die Regierung um Basergan vom Sturm allem Anschein nach überrascht wurde und da - auch dies findet man bei Scholl-Latour - wie mit dem Zauberstab einige Tage später die Randale sich legte und Pasdaran versuchten, wieder etwas Ordnung in das Chaos zu bringen, kann man vermutlich von einer konzertierten Aktion radikaler Kreise ausgehen, die Basergan jegliche Optionen nehmen wollten. Und das ist ihnen durchaus gelungen.
Zitat:Danach folgte die Unterstützung des mit Chemiewaffen geführten Krieges von Saddam Hussein und verschiedenen Terroranschlägen durch u.a. direkt von USA finanzierte "Oppositionskräfte".
Man sollte mal daran erinnern, dass...

a) diese Oppositionskräfte nicht vom Himmel fielen, sondern in großem Maße ein Produkt der Radikalität des Umsturzes von 1979 waren.
b) die USA den Iran auch heute noch vor drohenden Terrorakten warnen, was quasi gar nicht bekannt ist. (https://edition.cnn.com/2024/01/25/polit...index.html)
Zitat:...dass der US-gestützte Sturz des iranischen Premierministers Mossadegh im Jahr 1953 durch die CIA einen nachhaltig wirkenden, tiefen Bruch im Vertrauen zwischen den beiden Ländern verursachte.
Was eine sehr doppelbödige bzw. auch scheinheilige Kritik ist. Mossadegh war eigentlich den Briten ein Dorn im Auge mit dem Vorgehen gegen die AIOC. Aber London war nach dem Zweiten Weltkrieg fiskalisch und auch bzgl. der Kolonialpolitik ziemlich ausgelaugt, zwar stand die Aufgabe von East of Suez noch nicht direkt im Raum, aber die Kräfte waren faktisch nicht mehr da.

Also bat man Washington um Hilfe, ob man dort gegen die sozialistischen und zunehmend autokratischen Umtriebe von Mossadegh nicht etwas unternehmen könne. Der damalige US-Präsident Truman zeigte sich aber zunächst sehr spröde, zumal er sich in der Endphase seiner Präsidentschaft befand und in Korea die Sachlage noch nicht geklärt war. Anfang 1953 kam dann Eisenhower an die Regierung. In der Hochphase des Kalten Krieges (Stalin lebte zu diesem Zeitpunkt noch) und nach dem Mossadegh'schen Ermächtigungsgesetz vom Sommer 1952 entschied sich die Regierung Eisenhower um CIA-Chef Dulles dann zum Vorgehen gegen Mossadegh - auch um jedweder sowjetischen Einflussnahme auf die persischen Energiequellen einen Riegel vorzuschieben. Hinzu kam, dass die Tudeh zunehmend ihren Einfluss im Militär ausbaute, prosowjetische Propaganda betrieb und bewaffnete Mobs durch die Straßen jagte, um Mossadegh zu unterstützen - der Iran schien also auf der Kippe zu stehen.

Und in Moskau zeigte man sich durchaus interessiert: Schließlich hatte sich Stalin beharrlich geweigert, nach 1945, und trotz der 1941 und 1943 gegebenen festen Zusagen, die sowjetisch besetzten Gebiete Persiens in Aserbaidschan (siehe aserbaidschanische Volksrepublik: https://en.wikipedia.org/wiki/Azerbaijan...Government) wieder zu räumen. Anscheinend hat Truman sogar mit Atombomben gedroht, um dann 1946 den Abzug der Sowjets zu erzwingen. Von dieser Involvierung abgesehen - dass es hierbei Washington war, welches die territoriale Integrität Persiens wieder sicherstellte (vermutlich auch ein schlechtes Gewissen, da man 1941, als Briten und Sowjets den Iran unter sich aufteilten zwecks der Sicherung des "persischen Korridors", auf Hilfsbitten des Shahs in Washington nur ausweichend reagiert hatte - es ging ja gegen Hitler), wird heute jedoch weitgehend in Iran verschwiegen - hatte man in den USA aber relativ wenig Kenntnisse über den Iran.

Also benötigte die CIA Unterstützung vor Ort. Und man fand sie (ausgerechnet!) unter den Mullahs. Denn den schiitischen Geistlichen war der Gedanke an einen atheistischen Gottesstaat sozialistischer Prägung, und Mossadegh gab allen Anlass, dies zu befürchten, ein wahrer Alptraum. Und so kam es, dass CIA-Gelder nicht nur bei Shah-Anhängern landeten, sondern auch bei den Mullahs. Und beiden war es gemein, dass sie Mossadegh loswerden wollten. Und schnell hatte man so die "Fußtruppen" beisammen, die dann gegen Mossadegh losschlugen. Der Rest ist bekannt.

Kurzum: Wenn heute der Sturz Mossadeghs als eine böse Verschwörung der USA dargestellt wird und dies dann als Grund herangezogen wird, weswegen es einen Bruch zwischen beiden Ländern gibt, dann ist dies eine ziemliche Scheinheiligkeit, die die realen Hintergründe seinerzeit ausblendet und die auch die Involvierung der Mullahs (also der heutigen Herrscher) in den Umsturz ignoriert. Aber diese Legende wird eben nicht nur von den heutigen Herrschern in Iran gesponnen, sondern sie wurde von vielen linken bis linksliberalen Kreisen in Europa und auch teils in den USA gerne aufgegriffen (Mossadegh war ja der "gute" Sozialist), um den "Dämon" CIA und den "US-Imperialismus" zu geißeln.

Bittere Ironie dabei: Die Mullahkratie erhielt und erhält also mit ihrer selbstgestrickten Mossadegh-Legende geistige Unterstützung aus dem Ausland, und das ausgerechnet von jenen politischen Kreisen im Westen, die sie im Iran selbst wohl verhaften würden.

Schneemann
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Der Regierungssturz 1953 ist zweifelsohne ein vielschichtigeres historisches Ereignis. Und ja, die Rolle der iranischen Mullahs (bzw. interne politische Konflikte) wird in diesem Kontext oft ausgeblendet. Da könnte man das Zusammenspiel unterschiedlicher Interessen – nationalistisch, monarchistisch, religiös und westlich-strategisch – betrachten, was den Putsch aber nicht weniger brisant macht. Auch dass 25 Jahre später die Kommunisten mit den Mullahs gemeinsam die Royalisten stürzen, nur um hinterher den Machtkampf und sogar Krieg unter sich auszutragen, zeigt die komplexe Dynamik die sich bei kurzzeitigen Überschneidungen von Interessen in solchen Gemengelagen ergeben. Da bilden sich unheilige Allianzen, die sich auch wieder in Luft auflösen. Ganz wie in der Politik, nur plus Gewalt.

Ergo. Die CIA agierte damals sicher nicht im luftleeren Raum. Sie konnte bestehende Bruchlinien im iranischen Machtgefüge instrumentalisieren und das tut sie bis heute. Von der Angst vor dem Kommunismus über den Unmut monarchistischer Eliten bis hin zu konservativ-religiösen Kräften, die sich durch Mossadeghs Reformkurs marginalisiert fühlten sucht man sie jene mit fruchtbarem Boden. Menschen, die Hilfe brauchen.

Aber genau darin liegt auch das Problem: Der Sturz eines demokratisch legitimierten Premierministers durch ausländische Geheimdienste, was stets nur unter aktiver Mithilfe lokaler Akteure gelingt, hat eine langfristige Dynamik in Gang gesetzt, die das Vertrauen in westliche Einmischung dauerhaft beschädigte.
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Man unterschätzt meiner Meinung nach, wie negativ das damalige Geschehen im Iran bzw. von Iranern wahrgenommen wird. Dafür spielt es keine Rolle, ob dies zu Teilen eine Folge von Propaganda ist, oder inwieweit iranische Gruppen selbst involviert waren oder wie weit die Verantwortung des Westens TM hier tatsächlich reicht, sondern völlig unabhängig davon und auch unabhängig von jedweder geschichtswissenschaftlichen Richtigstellung wird das meiner Wahrnehmung nach im Iran als ein Schlüsselerlebnis wahrgenommen, welches jedwedes Vertrauen in den Westen nachhaltig beschädigt hat. Dafür sind die genaueren Umstände irrelevant. Das war ein regelrechtes Erweckungserlebnis welche die feste Überzeugung vieler Iraner begründet hat, dass jedwede westliche Politik nichts als Lüge, Heuchelei und Heimtücke ist und auch nichts anderes sein kann.
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@Quintus
Zitat:Dafür spielt es keine Rolle, ob dies zu Teilen eine Folge von Propaganda ist, oder inwieweit iranische Gruppen selbst involviert waren oder wie weit die Verantwortung des Westens TM hier tatsächlich reicht, sondern völlig unabhängig davon und auch unabhängig von jedweder geschichtswissenschaftlichen Richtigstellung wird das meiner Wahrnehmung nach im Iran als ein Schlüsselerlebnis wahrgenommen...
Das sehe ich anders. Es mag manche ältere und politisch eingefärbte Kreise geben, die dieses Ereignis noch als ein Schlüsselerlebnis wahrnehmen wollen, aber die Masse der jüngeren Iraner schert sich darum wenig, wenn sie es denn überhaupt weiß, was vor 72 Jahren mal passiert ist.

Der große Teil der jüngeren Bevölkerung in Iran sorgt sich eher um Teuerungen, sichere Jobs, hohe Mieten, Zukunftsperspektiven, schwierige Familiengründung usw. und sieht sich von einem verkrusteten, übermäßig moralisierenden, stramm religiösen und repressiven System zunehmend eingeengt und teils durch deren Apparatschiks übervorteilt, und selbst wenn es nur der dämliche Behördengang ist. D. h. das, was letztlich mit zum Sturz des Shah beitrug, könnte, wenn sie nicht aufpassen, auch den Mullahs drohen.

Schneemann
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(24.04.2025, 05:57)Schneemann schrieb: @Quintus
Das sehe ich anders. Es mag manche ältere und politisch eingefärbte Kreise geben, die dieses Ereignis noch als ein Schlüsselerlebnis wahrnehmen wollen, aber die Masse der jüngeren Iraner schert sich darum wenig, wenn sie es denn überhaupt weiß, was vor 72 Jahren mal passiert ist.
...

Schneemann
ich denke, da muss man differenzieren
= zwischen dem, was bewusst wahrgenommen wird,
= und dem, was an Auswirkungen fort besteht.

Die Auswirkungen eines Geschehens könnten sehr viel nachhaltiger sein als das Geschehen selbst, das möglicherweise gar nicht wahrgenommen wird.
Und insofern - ja, wahrgenommen wird das Ereignis von vor über 70 Jahren sicher vielfach nicht mehr - es ist im täglichen Leben "verdrängt", falls es überhaupt bewusst wahrgenommen wurde.
Aber das Ereignis hat mit Sicherheit prägende Spuren in der Gesellschaft hinterlassen - etwa ein tief manifestiertes Misstrauen und Unbehagen gegen die US-Regierung, während gleichzeitig der "american way of life" ein (eher unpolitisches) Faszinosum gerade für jüngere Iraner darstellt. Und dieses Faszinosum übt dann gleichzeitig wieder politische Sehnsüchte ein.

ganz neue Töne aus den USA?
Zitat:Atomstreit mit Iran: US-Aussenminister Rubio warnt, dass Militäraktion gegen Iran grösseren Krieg auslösen könnte
... Ein Überblick über die Ursprünge der Konfrontation und die jüngsten Ereignisse.
...
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Schneemann:

Auch wenn Alltagssorgen natürlich eher das Leben der Menschen dominieren, insbesondere der jungen Generation, so unterschätzt du meiner Meinung nach den kulturellen Einfluss dieser Vorgänge. Wie Erich es schon angerissen hat, beeinflusst so was die grundsätzliche Einstellung und Haltung im Leben gegenüber anderen.

Spezifisch für den Iran habe ich im Laufe vieler Jahre im Gespräch mit vielen Iranern immer wieder und wieder eine erstaunliche Verbitterung und Zynismus als prägende Elemente festgestellt. Man ist einfach zutiefst verbittert, und dass hatte durchaus damals so seine Anfänge.

Natürlich wurde das noch verstärkt, insbesondere verstärkt durch das aktuelle Regime und die Umstände welches dieses hervorgerufen hat, aber es ist insbesondere diesem Regime immer wieder gelungen, diese Verbitterung welche sicher in weiten Teilen intern massiv verstärkt wird auch nach außen abzulenken und dem Westen TM zuzuschieben.

So überträgt sich die tiefe Unzufriedenheit mit den Mullahs dann zumindest teilweise auf den Westen TM. Und greift dann jene Wurzeln und Ursachen auf, die hier genannt wurden. So dass eine grundsätzliche tiefe Verbitterung über den Westen dadurch genährt wird.
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