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RE: Afghanistan - KheibarShekan - 28.09.2022

Die externe Finanzierung ist ihnen weitestgehend weggebrochen, daher müssen die halt schauen, dass sie die afghanische Binnenwirtschaft unter Kontrolle bekommen. Sobald ausländische Financiers wieder in die Taliban investieren, werden sie davon wieder unabhängig. Aber in dem Modus sind sie gerade nicht. Die sind durch ihre neue Unabhängigkeit tatsächlich genötigt, mehr oder weniger seriös zu wirtschaften. Dazu gehört heute auch mehr, als der Sold ihrer Kämpfer, sondern auch Behörden und Infrastruktur wollen bezahlt und verwaltet werden.


RE: Afghanistan - Quintus Fabius - 28.09.2022

Man muss es mal offen sagen, auch wenn das sofort wieder Kopfschütteln bis Entsetzen auslösen mag, angesichts der extremen Umstände und der schier unlösbaren Probleme vor denen sie stehen - dass reicht von Volkswirtschaftlichen Fragen über die Fiskalpolitik, die Dürre und andere Umweltprobleme hin zur ausser Kontrolle geratenen Demographie, massivsten Umweltschäden, der ganzen völlig dysfunktionalen Nicht-Gesellschaft dort an sich und der Anwesenheit von bewaffneten Rebellengruppen bis hin zum IS Khorasan usw usw usf, ist die Leistung der Taliban bisher ziemlich gut. In etlichen Landesteilen kommen die besser zurecht als wir es taten und leisten real praktisch mehr, und dies mit viel weniger.


RE: Afghanistan - lime - 29.09.2022

(28.09.2022, 22:54)Quintus Fabius schrieb: Man muss es mal offen sagen, auch wenn das sofort wieder Kopfschütteln bis Entsetzen auslösen mag, angesichts der extremen Umstände und der schier unlösbaren Probleme vor denen sie stehen - dass reicht von Volkswirtschaftlichen Fragen über die Fiskalpolitik, die Dürre und andere Umweltprobleme hin zur ausser Kontrolle geratenen Demographie, massivsten Umweltschäden, der ganzen völlig dysfunktionalen Nicht-Gesellschaft dort an sich und der Anwesenheit von bewaffneten Rebellengruppen bis hin zum IS Khorasan usw usw usf, ist die Leistung der Taliban bisher ziemlich gut. In etlichen Landesteilen kommen die besser zurecht als wir es taten und leisten real praktisch mehr, und dies mit viel weniger.

Außerhalb der Städte läuft es in Afghanistan doch quasi schon immer auf Selbstversorgung hinaus. In 80% des Landes hat man doch bisher in den letzten 20 Jahren weder groß Kontakt zu den Taliban und erst recht nicht zu den ehemals dort stationierten westlichen Truppen. Und wenn mal etwas dorthin geliefert wurde egal von wem, dann werden die Lieferanten mal kurze Zeit beklatscht und dann quasi wieder vergessen. Der Westen hatte es mit Geld geschafft in diesen Gebieten die kleinen Proxiemilizen auf Linie zu bringen und die Taliban haben es schon immer genauso gemacht und Zug um Zug mit Geld ihren Einfluß ausgeweitet. Geld dafür scheint immer genug vorhanden gewesen sein und diese Geldquellen hätte man mal genauer unter die Lupe nehmen sollen. Allerdings wäre man da wohl sehr schnell auf von westlichen Staaten hofierte angeblich verlässliche Handelspartner gestoßen. Ich habe damals öfters von US Offizieren gehört dass man die Taliban schnell besiegt hätte wenn ein ganz anderes sehr kleines Land anstatt Afghanistans besetzt worden wäre, in dem man etliche große Finanziers der Taliban vermutet hatte.


RE: Afghanistan - Quintus Fabius - 26.11.2022

Eine ausführliche Darstellung von Erkenntnissen aus dem Einsatz in Afghanistan:

https://www.sigar.mil/pdf/lessonslearned/SIGAR-21-46-LL.pdf


RE: Afghanistan - Quintus Fabius - 19.12.2022

Die schon seit November ständig vorfallenden Schießereien an der Afghanisch-Pakistanischen Grenze gehen aktuell immer noch weiter, mit der Tendenz zur Eskalation:

https://www.bbc.com/news/world-asia-63941387

https://www.aljazeera.com/news/2022/12/15/civilians-wounded-as-fighting-erupts-at-pakistan-afghan-border

https://warisboring.com/one-killed-15-injured-after-clashes-erupt-at-afghan-border-again/

Hintergrund sind vermutlich in Wahrheit Stammes / Clan / Schmuggler Auseinandersetzungen, aber davon löst sich das ganze zunehmend. So weit ich es im Netz heraus finden konnte feuern offizielle Talibankämpfer einfach ganz offen über die Grenze hinweg.


Und nachdem die australische SAS des Massenmordes an afghanischen Zivilisten überführt wurde (mal abgesehen von irrealen internen Ritualen bei der Ausbildung bis hin zum erzwungenen Geschlechtsakt mit Kindersexpuppen (nein, kein Scherz, das hat real stattgefunden) - ist nun die britische SAS zunehmend im Visier von Ermittlungen:

https://warisboring.com/investigation-launched-into-claim-british-sas-troops-killed-54-civilians-in-afghanistan/

Für das ermorden von afghanischen Zivilisten.

https://www.bbc.com/news/uk-63984311

https://www.aljazeera.com/news/2022/12/15/uk-launches-investigation-into-afghan-war-crimes-claims-sas

Man ermittelt da schon länger herum:

https://en.as.com/latest_news/bbc-investigation-finds-suspicious-killings-of-civilians-in-afghanistan-by-uk-sas-soldiers-n/

und kommt aus welchen Gründen auch immer auf keine Ergebnisse welche eine offene strafrechtliche Verfolgung zur Folge hätten.


RE: Afghanistan - KheibarShekan - 21.12.2022

Das sind die üblichen Konflikte zwischen den Taliban bzw. Paschtunen und dem pakistanischen Staat entlang der Durand Linie. Dass das britische Imperium durch die systematische Zerstörung, Ausrauben und willkürlichen Erfindungen von Ländern und Grenzen die Welt mit gewaltigen und nachhaltig wirkenden Kriegsverbrechen überzogen haben wurde nie von Dritten in seiner Legitimation hinterfragt, ist insofern auch nicht in einem Unrechtsbewusstsein verankert. Im Gegenteil sind die Briten immer noch stolz darauf und lassen sich dafür auch gern romantisch bewundern. Was soll man also von Soldaten des SAS erwarten oder aber auch von deren Kriegsgegnern? Einen zivilisierten, völkerrechtskonformen Umgang miteinander? Confused


RE: Afghanistan - lime - 28.12.2022

Man will scheinbar nicht verstehen dass jeder Cent der weiter in Afghanistan versenkt wird nur den Taliban nutzt ihre Herrschaft weiter zu festigen. Die Taliban werden genau die Gesellschaft aufbauen die sie von Anfang an geplant haben, selbst wenn dies scheibchenweise noch viele Jahre dauern sollte. Mädchen werden dann nicht einmal mehr lesen und schreiben lernen können. Das Einzige was realistisch betrachtet die Taliban noch aufhalten könnte ist wenn sie die Versorgung der Bevölkerung nicht mehr sicherstellen könnten. Der Westen samt seiner NGOs muss sich endlich komplett aus Afghanistan zurückziehen und jedwede Finanzhilfen einstellen. Nur so gibt es noch eine Chance dass sich dort etwas ändern kann.

https://www.tagesspiegel.de/internationales/herrschaft-der-taliban-was-der-westen-fur-afghanistan-tun-kann--und-muss-9093895.html


RE: Afghanistan - Quintus Fabius - 29.12.2022

Die können auch jetzt schon die Versorgung der Bevölkerung in etlichen Ecken des Landes nicht mehr sicher stellen. Darüber hinaus könnte (und wird meiner Meinung nach) China in die Bresche springen. Insgesamt wird sich die Talibanherrschaft bei einem größeren Zusammenbruch der Versorgung der Bevölkerung meiner Einschätzung nach sogar stabilisieren. Menschen die verhungern und erfrieren, rebellieren nicht.

All dessen ungeachtet hast du meiner Überzeugung nach völlig recht und es darf nicht ein einziger Cent mehr in dieses Land fließen.


RE: Afghanistan - lime - 29.12.2022

(29.12.2022, 02:10)Quintus Fabius schrieb: Die können auch jetzt schon die Versorgung der Bevölkerung in etlichen Ecken des Landes nicht mehr sicher stellen. Darüber hinaus könnte (und wird meiner Meinung nach) China in die Bresche springen. Insgesamt wird sich die Talibanherrschaft bei einem größeren Zusammenbruch der Versorgung der Bevölkerung meiner Einschätzung nach sogar stabilisieren. Menschen die verhungern und erfrieren, rebellieren nicht.

All dessen ungeachtet hast du meiner Überzeugung nach völlig recht und es darf nicht ein einziger Cent mehr in dieses Land fließen.

Also dass China die Taliban aktiv aus so einer Situation retten würde glaube ich weniger. Und selbst wenn könnte China nur über Badakshan liefern. Und diese Provinz ist für die Taliban auch jetzt schon zu großen Teilen unsicheres Terrain.
Wenn man davon ausgeht dass ein Zusammenbruch sozusagen adhoc einsetzt dann würde ich dir sogar Recht geben dass die Taliban davon profitieren würden, aber so schnell verhungert man nicht. Die Taliban würden bei Versorgungsmangel ihre eigenen Hochburgen bevorzugt beliefern was den Unmut in den benachteiligten Provinzen schnell steigern würde. Und gerade in Afghanistan ist es üblich dass lokale Milizen mal schnell umflaggen wenn sie keine Vorteile mehr aus der aktuellen Flagge ziehen. Insofern würde es dann gerade bei tadschikischen und usbekischen Talibanunterstützern zügig zu Absatzbewegungen kommen, die sich dann an vorhandene Widerstandsstrukturen angliedern würden. Natürlich wäre das der günstigste Fall. Gibt sicher auch Szenarien in denen es schlechter laufen würde.


RE: Afghanistan - Quintus Fabius - 29.12.2022

Die Minderheiten (Usbeken, Tadschiken) würden sich aber nicht gegen die überwältigende Mehrheit der Paschtunen durchsetzen können. Das würde also nur für gewisse Teile des Landes mehr Leid bedeuten, und zugleich eine gute Rechtfertigung für ethnische Säuberungen bieten, welche die Taliban nur allzu gerne vornehmen würden und meiner Einschätzung nach auch noch vornehmen werden.


RE: Afghanistan - lime - 30.12.2022

(29.12.2022, 15:58)Quintus Fabius schrieb: Die Minderheiten (Usbeken, Tadschiken) würden sich aber nicht gegen die überwältigende Mehrheit der Paschtunen durchsetzen können. Das würde also nur für gewisse Teile des Landes mehr Leid bedeuten, und zugleich eine gute Rechtfertigung für ethnische Säuberungen bieten, welche die Taliban nur allzu gerne vornehmen würden und meiner Einschätzung nach auch noch vornehmen werden.

Wikipedia gibt an: 42% Paschtunen, 27% Tadschiken, 9% Hazara, 9% Usbeken und 13% kleinere Minderheiten. Eine überwältigende Mehrheit sind sie also eher nicht. Hinzu kommt dass die Besiedlung sehr ungleichmäßig ist.


RE: Afghanistan - lime - 04.01.2023

Ein Beispiel für beginnende Vertreibungen in Afghanistan

https://kabulnow.com/2023/01/taliban-seize-lands-to-give-to-supporters/


RE: Afghanistan - Quintus Fabius - 28.05.2023

Im Februar wurden ja im italienischen Fernsehen Vorwürfe erhoben, Katar habe die afghanische Regierung mit Geld bestochen den Taliban keinen Widerstand zu leisten:

https://www.thecanary.co/uk/analysis/2023/02/03/leaked-documents-suggest-qatar-bribed-us-backed-afghan-leaders-to-avoid-resisting-taliban/

Katar erklärte daraufhin umgehend, die Dokumente seien eine Fälschung:

https://dohanews.co/leaked-document-designed-to-discredit-qatar-in-afghanistan-is-a-fake/

Seitdem habe ich nichts mehr darüber gehört oder gelesen und finde auch im Netz keine aktuellen Neuigkeiten darüber. Ist es inzwischen erwiesen dass es Fälschungen sind ?!

https://www.khaama.com/leaked-documents-show-qatar-bribed-prominent-leaders-a-month-before-the-collapse-of-afghanistan/

Wer hätte eigentlich überhaupt einen Nutzen von so einer Fälschung (wenn es denn eine war) ?


RE: Afghanistan - Quintus Fabius - 17.06.2023

Über den sich anbahnenden (erneuten) Krieg der Taliban gegen die Drogen - welcher natürlich auch dazu dient, den Mohnanbau im ganzen Land ausschließlich und zentralisiert unter ihre Kontrolle zu kriegen, damit keine Regionalmächte mit Drogenhandel eigene Streitkräfte gegen sie finanzieren können - und dann ist das darüber hinaus auch noch Allah-gefällig, wie vortrefflich.

https://www.youtube.com/watch?v=W-gMRFEZOGY

Etliche Fanatiker in den Reihen der Taliban meinen es aber durchaus ernst mit der Bekämpfung des Drogenhandels, weil Islam. Zitat (von anderer Stelle): Und wenn alle deswegen verhungern, oder sonstwie sterben, was für eine Rolle spielt das ?! Sie werden von Gott gerichtet.

Mal sehen ob die Taliban den Mohnanbau erneut in den Griff kriegen werden, dass wird auch eine der entscheidenden Fragen für Afghanistan sein, wo doch die gesamte Volkswirtschaft in der Zeit unserer Anwesenheit dort vollständig vom Mohnanbau abhängig geworden ist. Dass wieder zurück zu bauen zu den Zuständen bevor wir dort waren, ist rein volkswirtschaftlich eigentlich schon gar nicht mehr möglich.

Welch bemerkenswerte Leistung der Westen da doch vollbracht hat. Mit unzähligen Milliarden schlussendlich eine ultrakorrupte Narkowirtschaft zu etablieren, die vollständig vom Mohnanbau durchdrungen ist. Das ist doch mal weit entfernt von der einst erträumten Schweiz Zentralasiens ......


RE: Afghanistan - Quintus Fabius - 17.06.2023

Während die Taliban seit unserem Abzug in Helmand den Anbau von Mohn nachweislich (Auswertung von Satellitenbildern durch die UN !) um 99% reduziert haben, und landesweit sogar um die 80%

https://tolonews.com/afghanistan-183684

beklagt man im Westen, wie schlecht das doch für die Menschen vor Ort ist, oh nein.

https://www.usip.org/publications/2023/06/talibans-successful-opium-ban-bad-afghans-and-world+

Dabei waren wir es, die diese Zustände dort geschaffen haben. Wir sind dafür verantwortlich, dass die Menschen derart wirtschaftlich davon abhängig wurden.

Man könnte ja mal überlegen, ob man nicht aufgrund dieser Verantwortlichkeit humanitäre Hilfe für die betroffenen Bauern bereit stellt aber ich vergaß: die kriegen keinerlei Geld solange die Taliban nicht die Frauenrechte nach westlichem Maßstab einführen. Sollen die Frauen und Mädchen lieber verhungern als weiter einen Schleier tragen zu müssen......

Und überhaupt: wie sollen Hilfsorganisationen denn ohne Frauen arbeiten ?! Geht ja gar nicht, nur mit vielen Frauen als Mitarbeiterinnen kann man wahrlich helfen.

Und hat hier schon mal jemand an die Drogensüchtigen hier bei uns gedacht ?!

https://www.politico.eu/article/taliban-afghanistan-europe-fentanyl-drugs-health-care-opium-alert/

Wenn die pösen Taliban so weitermachen, werden ganz viele Heroinsüchtige also an Fentanyl sterben, so böse sind diese Taliban. Wir sollten glatt wieder einmarschieren, um endlich in Afghanistan Gleichberechtigung, LGBTQIASS+ Rechte und repräsentative Demokratie einzuführen, denn das ist es ja wahrlich, was Afghanistan vor allem anderen jetzt benötigt. Und natürlich wieder den Mohnanbau kräftig zu fördern, damit unsere Drogensüchtigen nicht an Fentanyl sterben.......Zum Glück aber sind ja wenigstens die Saudis nicht so wie die Taliban, so dass wir den Saudis ganz unbeschwert Waffen liefern können, um dann von Katar als Finanzier der Taliban Flüssiggas zu kaufen.......aber egal, in Saudi-Arabien gibt es ja Frauenrechte et al, dass macht halt den Unterschied aus.