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- Schneemann - 09.08.2010

Wenn man solche Meldungen liest, sollte man als halbwegs rationaler Mensch eigentlich erkennen können, weswegen unser Kampf dort stattfinden muss und sollte. Eine solche Denke ist nicht grenzbezogen und muss deswegen dort vernichtet werden, wo sie ihren Ursprung hat.

Schneemann.


- Erich - 10.08.2010

"Denke" kann nicht durch Gewalt eingegrenzt oder verbreitet werden, sondern durch Überzeugung - oder auch Agitation, wenn man es so meint - und durch Vorbild.
Da gabs schon vor hunerten von Jahren ein Lied in Deutschland:
"Die Gedanken sind frei ..."


- 7ig4 - 10.08.2010

Das ist zwar eine feine Einstellung, aber wenn man das als Maßstab nimmt, müsste die Nato rund um den Globus einmarschieren. Mich bringen solche Meldungen natürlich auch auf die Palme, aber wir führen nunmal keinen Krieg um die Welt zu retten, sondern ausschließlich für uns (den sog. Westen) selbst. Primär um unsere Wirtschaftsinteressen durchzusetzen, sekundär um dem Terrorismus den Boden zu entziehen, aber nicht für irgendwelche Menschenrechte.

Vor allem wird man die Verblendeten militärisch niemals ALLE erwischen. Wir hierzulande sind das beste Beispiel. Bei unserer Vergangenheit dürfte es hier keinen einzigen Idioten mit rechtem Gedankengut geben. Die Vorstellung der sog. Islamismus wäre durch Waffengewalt zu vernichten ist nichts anderes als naiv.

So bleibt uns nur das Land soweit es geht zu stabilisieren und dann zu gehen. Kapieren, dass ihr imaginärer Freund es nicht gut findet, wenn die sich gegenseitig abmetzeln, verstümmeln, etc. müssen sie selbst.


- Quintus Fabius - 10.08.2010

Erich:

Zitat:der Auftag der Bundeswehr im Rahmen von ISAF ist vor diesem Hintergrund kaum zu erfüllen - man wählt nur zwischen Pest und Cholera ...

Der Auftrag der Bundeswehr im Rahmen von ISAF war noch nie erfüllbar. Zu keinem einzigen Zeitpunkt seit Beginn der Kampfhandlungen war dieser Auftrag erfüllbar. Von niemandem.

Im übrigen ist dieses Gerede von Pest und Cholera ja recht niedlich, geht aber an der Realität vorbei: Wir haben die Wahl zwischen (nur teilweise korrupten) Fanatikern und völlig korrupten Kriminellen.

Die Wahl ist höchst einfach: völlig Korrupte Kriminelle denken viel mehr so wie wir, entsprechen unserem kapitalistischen Charakter am meisten. Weshalb wir auf der Seite der korrupten Kriminellen stehen. Was wir auch sollten, da diese Leute in Afghanistan die einzigen sind, die mit Vernunft (Geld - Leistung) erreichbar sind.

Die viel interessantere Frage ist:

Warum ist es uns und den Kriminellen nicht gelungen, eine Vorherrschaft durch Gewalt so weit durchzusetzen, daß wir abziehen können?!


- tienfung - 10.08.2010

Zitat:Selbstmordattentäter töten zwei Menschen

Bei einem Anschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind zwei Menschen getötet worden. Die Attentäter wollten das Gebäude einer Sicherheitsfirma stürmen. Afghanistans Präsident Hamid Karzai kündigte die Auflösung aller privater Sicherheitsunternehmen in seinem Land an...

...In ganz Afghanistan arbeiten etwa 40.000 Menschen für private Sicherheitsdienstleister. Private Firmen arbeiten dabei oft auch mit den internationalen Truppen am Hindukusch zusammen. .....

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,711175,00.html

Also eine Sicherheitsfirma stürmen versteh ich ja noch unter Stärke zeigen, das man noch was größeres als paar Autobomben drauf hat aber das Karzai alle Sicherheitsfirmen schließen will kann ich nicht so ganz nachvollziehn ?

Es passieren zwar auch Unfälle die Zivilleben kosten aber auf mehere dutzende tausend Sicherheitskräfte verzichten find ich da etwas übertrieben.. Die verschlingen zwar unsummen an Geld aber immerhin is die Moral besser als bei den meisten AFG Polizeikräften, die Angst vor der Rache nach dem Abzug haben .


- Shahab3 - 10.08.2010

Zitat:Also eine Sicherheitsfirma stürmen versteh ich ja noch unter Stärke zeigen, das man noch was größeres als paar Autobomben drauf hat aber das Karzai alle Sicherheitsfirmen schließen will kann ich nicht so ganz nachvollziehn ?

Die Söldner töten zu viele afghanische Zivilisten (also schwangere Frauen und Kinder und all das) und vertreten letztlich nur die wirtschaftlichen Interessen der Besatzungsmächte. Also versucht er sie nun aus seinem Land zu vertreiben, weil sie sein Ansehen belasten.


- 7ig4 - 11.08.2010

Was für ein Ansehen? (...und warum sind Frauen hier eigentlich immer schwanger?)


- Shahab3 - 11.08.2010

Sein Ansehen als afghanischer Präsident.

Schwanger sind Frauen in solchen Diskussionen immer dann, wenn Mord an Zivilisten plakativ gemacht werden soll. Also um Taliban auf der einen oder NATO auf der anderen Seite zu verurteilen. Dabei sind sie in Wahrheit beide moralisch schlecht und sehr "erfolgreich" darin Zivilisten zu töten, Leid und Unheil zu verbreiten.


- Schneemann - 11.08.2010

Zitat:Dabei sind sie in Wahrheit beide moralisch schlecht und sehr "erfolgreich" darin Zivilisten zu töten, Leid und Unheil zu verbreiten.
Moralisch schlecht ist der, der Schwangere totprügeln oder steinigen oder sonstwie umbringen lässt. Die NATO tötet zwar auch Zivilisten, aber mir wäre kein Fall bekannt, dass die NATO eine Afghanin dafür hat pulverisieren lassen, weil sie unverheiratet eine Affäre hatte und von dieser schwanger war.

Schneemann.


- 7ig4 - 11.08.2010

Also was ich so mitbekomme ist der Herr Karzai weder national, noch international sehr beliebt. Um das internationale schert er sich recht wenig, er hat imho schlicht angst der nächste Nadschibullah zu werden und schmeisst deshalb die bösen Ausländer raus.


- Tiger - 11.08.2010

@Schneemann
Zitat:Moralisch schlecht ist der, der Schwangere totprügeln oder steinigen oder sonstwie umbringen lässt.
Ein typisch europäischer Gedankengang.
Wir sind in dieser Hinsicht durch das Mittelalter mit seinem Ideal der Ritterlichkeit vorgeprägt.
Ein Afghane, und nicht nur ein Taliban, könnte so etwas oft nicht nachvollziehen.


- Shahab3 - 11.08.2010

Schneemann schrieb:Moralisch schlecht ist der, der Schwangere totprügeln oder steinigen oder sonstwie umbringen lässt. Die NATO tötet zwar auch Zivilisten, aber mir wäre kein Fall bekannt, dass die NATO eine Afghanin dafür hat pulverisieren lassen, weil sie unverheiratet eine Affäre hatte und von dieser schwanger war.

Es sind dutzende Fälle von Misshandlungen, Vergewaltigungen, Plünderungen und Mord durch NATO Soldaten im Irak und Afghanistan bekannt geworden. Die Dunkelziffer dürfte wie immer deutlich darüber liegen. Der wachsende Hass auf die NATO Truppen kommt halt auch nicht von ungefähr.


- Quintus Fabius - 11.08.2010

Wenn man über Söldner in Afghanistan spricht, dann ist wenig bekannt, daß unsere Feinde dort auch sehr viele Söldner einsetzen.

Die Kämpfer der Taliban bestehen in etlichen Provinzen inzwischen sogar zu einem erheblichen Teil aus Söldnern. Gerade diese Entwicklung hat die Kämpfe härter und gefährlicher gemacht, weil diese Söldner vorsichtiger und intelligenter als die unerfahreneren Überzeugungstäter vorgehen.

Und umgekehrt verdingen sich selbst fanatische Taliban immer wieder mal als Söldner für die Drogenbarone/Warlords und führen allerlei militärische Dreckarbeiten für diese aus (um mit den Einnahmen aus solchen Aufträgen ihren Krieg gegen uns weiter zu finanzieren).


- Shahab3 - 12.08.2010

Quintus Fabius schrieb:Wenn man über Söldner in Afghanistan spricht, dann ist wenig bekannt, daß unsere Feinde dort auch sehr viele Söldner einsetzen.

Die Kämpfer der Taliban bestehen in etlichen Provinzen inzwischen sogar zu einem erheblichen Teil aus Söldnern.

Das ist absolut richtig und mir ist das nicht neu. Angeblich zahlen die Taliban auch einen gut doppelt so hohen Sold, wie die afghanische Armee. Vermutlich auch mehr als die Armeen der jeweiligen Herkunftsländer. Bei westlichen Söldnern ist das nicht viel anders. Auf beiden Seiten stehen sich mehrere Zehntausend Söldner gegenüber.

Es dreht sich zwar hier nicht um Blutdiamanten, aber um Drogen, Energie und Stützpunkte bzw. "Reviere" der Auftraggeber.

Zitat:Gerade diese Entwicklung hat die Kämpfe härter und gefährlicher gemacht, weil diese Söldner vorsichtiger und intelligenter als die unerfahreneren Überzeugungstäter vorgehen.

Ein Söldner wird allerdings unter keinen Umständen bereit sein zu sterben und hat nicht die geringste Skrupel jeden der vor die Flinte läuft zu töten. Söldnern fehlen einfach ganz grundsätzliche Dinge, die Überlegenheit im Krieg eigentlich ausmachen (können). Also Moral, Überzeugung, bestimmte (kapitalübergreifende) Handlungs und Denkmuster, Nationalbewusstsein und Opferungsbereitschaft, eine sprituelle Ebene. Insofern schwächen die Söldner im Grunde die Kampfkraft der Überzeugungstäter in ihren eigenen Reihen. Eigentlich sind sie schlicht und ergreifend Dreck. Andererseits bringen sie natürlich auch eine Menge praktischer Erfahrung mit.

Zitat:Und umgekehrt verdingen sich selbst fanatische Taliban immer wieder mal als Söldner für die Drogenbarone/Warlords und führen allerlei militärische Dreckarbeiten für diese aus (um mit den Einnahmen aus solchen Aufträgen ihren Krieg gegen uns weiter zu finanzieren).

Wer dort mit wem Geschäfte macht ist ohnehin nicht durchschaubar, weil das irgendwie jeder mit jedem tut.

7ig4 schrieb:Also was ich so mitbekomme ist der Herr Karzai weder national, noch international sehr beliebt. Um das internationale schert er sich recht wenig, er hat imho schlicht angst der nächste Nadschibullah zu werden und schmeisst deshalb die bösen Ausländer raus.

Karzai muss sich als Präsident eines Landes -wie auch immer gut- kontrollierten Wahlen stellen. Als amtierender Präsident Afghanistans hat er in Bezug auf nationale und internationale Freundschaften sowieso die Arschkarte gezogen. Insofern ist er als Politiker gezwungen populistisch in die eine wie andere Richtung zu agieren. Und außerdem ist das doch Teil der Demokratie, die man den Afghanen vermitteln will und darf deshalb nicht verurteilt zu werden. Es sei denn man möchte Karzai ganz gerne als Marionette missbrauchen, wie ihm seine Gegner unterstellen. Anderenfalls muss man ihm das zugestehen. Weitere Fälle sind mir nicht bekannt.


- fazer600 - 12.08.2010

Zitat:Shahab:
Dabei sind sie in Wahrheit beide moralisch schlecht und sehr "erfolgreich" darin Zivilisten zu töten, Leid und Unheil zu verbreiten.

Schneemann:
Die NATO tötet zwar auch Zivilisten, aber mir wäre kein Fall bekannt, dass die NATO eine Afghanin dafür hat pulverisieren lassen, weil sie unverheiratet eine Affäre hatte und von dieser schwanger war.

Folgende Zahlen zu getöteten Zivilisten gab die UNO am Dienstag in Kabul bekannt:
Im ersten Halbjahr 2010 wurden 1271 Zivilisten getötet und 1997 verletzt. Das sind 31% mehr als in 1-6 2009. Für 76% der Fälle sind die Aufständischen verantwortlich, für 12% die Allierten, 12% lassen sich nicht eindeutig zuordnen. Hinrichtungen und gezielte Morde an Zivilisten durch die Aufständischen hätten sich fast verdoppelt und die Aufständischen töteten 55% mehr Kinder und 6% mehr Frauen, 29% der Opfer sterben durch Sprengfallen.
Die Zahl der durch die Allierten getöteten Zivilisten sank dagegen um 64% ! Die meisten Opfer gibt es durch Luftangriffe. Im Einzatzgebiet der BW in Nordafghanistan stieg die Zahl der Opfer um 136% !
(Quelle: Wetzlarer Neue Zeitung vom 11.8.2010)

Was sagen uns diese Zahlen:
Die "Taliban" gehen ausserordentlich rücksichtslos vor und machen auch vor Kindern nicht halt und sind klar für 3/4 aller zivilen Opfer verantwortlich ! Die veränderten Einsatzregeln der Allierten zeigen ihre Wirkung durch weniger getötete Zivilisten und im Norden wird es immer gefährlicher.
Dass es auch mehr getötete und verwundete allierte Soldaten gibt, liegt sicher daran, dass man in diesem Jahr offensiver und vor allem mit mehr Bodentruppen gegen die "Taliban" vorgeht..............