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Re: Israel - Nightwatch - 13.07.2014

Onto schrieb:Naja aber du wirfst ihnen vor, dass sie auf Städte zielen und nicht auf militärische Anlagen. Sie treffen aber zum Teil nicht mal Städte als Ganzes, wie sollen sie also militärische Anlagen, bestehend aus ein paar Gebäuden, treffen?
Das ist letztens ihr Problem. Der Umstand, dass sie kaum Schaden anrichten werden rechtfertigt rechtlich gesehen nicht, illegale Ziele anzugreifen.
Da müssen sie sich etwas anderes einfallen lassen, ihre Raketen treffsicherer machen oder halt damit leben.

Onto schrieb:Woher willst du denn festmachen, auf was sie zielen, wenn die Einschläge kreuz und quer überall verteilt sind?
So kreuz und quer ist das garnicht.
Was man sich vielleicht vergegenwärtigen muss ist, dass es in Israel (erst recht im Süden) nicht die riesigen Metropolen gibt. Das was man da Städte nennt sind nach unseren Verständnis zumeist Kleinstädte in deren Umgebung massig weniger dicht besiedeltes und anderweitig genutztes Land liegt. Es ist da relativ schnell passiert das die Raketen nichts treffen auch wenn sie garnicht mal so ungenau sind.
Zudem hat Iron Dome seit 2012 gewaltige Fortschritte gemacht. Wir können aus früheren Konflikten schon ablesen, dass viele Raketen (bis zu 25%) etwas treffen würden. Dass das die Tage nicht mehr geschieht liegt allein an Iron Dome und nicht das die Raketen plötzlich ungenauer geworden sind.

Aber woran festmachen wohin sie fliegen? Einfach, die verkünden das doch noch stolz selber. Und in Israel braucht man nur in den Himmel zu sehen um zu erkennen wo da die Raketen abgefangen werden.



Onto schrieb:Die schießen doch die Raketen aus totaler Alternativlosigkeit ab. Die israelischen Medien haben über Einschläge berichtet, die in Wirklichkeit neben den wirklichen Einschlägen lagen, damit beim nächsten Angriff die Raketen noch weiter vom Ziel abweichen. Das sind Vorgehensweisen aus den Weltkriegen und das hat sogar funktioniert. Das zeigt doch, wie schlecht die Technologie und die "Aufklärung" überhaupt ist.
Wie gesagt, selbst wenn es Alternativlos wäre macht es das nicht weniger verbrecherisch. Wenn sie mit Raketen nichts erreichen können, dann müssen sie sich etwas anderes einfallen lassen. Das ist keine Rechtfertigung für unterschiedslose Angriffe auf zivile Flächenziele.
Davon abgesehen, ich sehe nach wie vor nicht, was sie daran hindert etwa statt Beersheba die Ramon AFB anzugreifen.

Onto schrieb:Sie haben doch gar nicht die Möglichlichkeit diese Raketen besser einzusetzen. Konsequent wäre also, sie gar nicht einzusetzen.

Wenn ich also auf eine Militärbasis ziele und ein Wohnhaus treffe und eine Familie töte, ist das in Ordnung?

Die Logik find ich nicht ganz nachvollziehbar.
Nach meinem Verständnis des Artikel 51 wäre es das, zumindest in gewisser Weise. Fehler können im Krieg immer passieren. Es kann auch immer etwas schief gehen. Nicht immer gibt es die perfekte, saubere Lösung
Das erkennt das Kriegsvölkerrecht durchaus an.
Deswegen liegt der Fokus bei der Beurteilung ob legal oder nicht viel weniger auf dem Ergebnis einer Aktion sondern auf den Intentionen die dahinter stehen.
Und da ist halt das Problem, dass die Hamas ihre komplette Strategie von vorneherein darauf ausrichtet, unterschiedslos zivile Flächenziele anzugreifen.


Onto schrieb:Es ist nämlich genau anders rum. Es ist entscheident was man trifft, nicht auf was man zielt. Der gute Wille, "ja aber wir wollten doch nicht das Wohnhaus treffen..", ändert nämlich nichts an der Tatsache. Und das sind tote Zivilisten...
Doch genau das ist der Punkt rechtlich gesehen. Entscheidend ist das was man tun wollte. Wenn dann Fehler passieren und etwas schief läuft ist es kein Verbrechen wenn man den Angriff nach besten Wissen und Gewissen im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften ausgeführt hat.
Nur der Vorsatz wird bestraft.
Ein Beispiel aus dem Gesetzestext; diese Herangehensweise kommt etwa in Art 51 Abs 5 Buchst b zum Ausdruck:
Ein Angriff ist unterschiedlos wenn [...] damit ZU RECHNEN ist, dass die entstehenden Verlust in keinem Verhältnis zum erwartbaren und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen.

Wenn damit zu rechnen ist... hier muss eine doppelte Beurteilung vorgenommen werden. Ist damit zu Rechnen das es zivile Verluste gibt? Und wenn ja, stehen die dann in keinem Verhältnis zum erwartbaren und unmittelbaren militärischen Vorteil?
Kommt man nach Beurteilung der Sachlage etwa zu dem Ergebnis, dass sich in dem Haus wahrscheinlich ein oder Zivilisten zusammen mit zwei oder drei Kämpfern befinden, dann ist der Angriff vertretbar.
Auch dann wenn sich herausstellt das diese Annahme falsch ist und zehn Zivilisten da drin waren. Oder auch dann wenn im Angriff versehentlich das falsche Ziel angegriffen wird und es dadurch zivile Verluste gibt.
So funktioniert Kriegsvölkerrecht. Es bürdet den Entscheidungsträgern eine große Verantwortung auf, unterstützt sie jedoch auch klar bei allen Friktionen die so im Krieg entstehen.
Und das ist dann auch der Grund warum die IDF als einige Armee weltweit jeden einzelnen Luftangriff durch Militärjuristen prüfen und freigeben lässt. Die Abwägung findet immer statt und viele Angriffe finden dann auch mal eben nicht statt weil sie rechtlich heikel sind.
Dementsprechend handeln sie voll im Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht - auch wenn mal was schief läuft.
Und die Hamas schießt derweil halt unterschiedslos auf israelische Städte.

Wie soetwas dann auch aussehen kann sehen wir aktuell an diesem Fallbeispiel:
Zitat:Pilot calls off strike on Gaza target after spotting children nearby

‘We are not going to strike this target now’, pilot says in video distributed by IDF upon identifying civilians close by. (mit Video)
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4542857,00.html">http://www.ynetnews.com/articles/0,7340 ... 57,00.html</a><!-- m -->


Re: Israel - Erich - 13.07.2014

aus dem letzten von mir verlinkten Beitrag
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.epochtimes.de/Leid-und-Schmerzen-In-Kliniken-von-Gaza-gehen-Vorraete-aus-a1166827.html">http://www.epochtimes.de/Leid-und-Schme ... 66827.html</a><!-- m -->
Zitat:...
Epoch Times, Sonntag, 13. Juli 2014 08:58
...

Die Cousins Kinan und Nur Hammad, beide fünf Jahre alt und schwer verletzt, liegen im vierten Stock des Schifa-Krankenhauses in Gaza. Kinan verlor bei einem israelischen Luftangriff den Vater, die Mutter und die Schwester; der kleine Nur den Vater, den Bruder und die Großmutter.
...

An ihren Betten sitzt Kinans Großmutter Amal Hammad. „Am Mittwochabend war die ganze Familie im kleinen Garten ihres Hauses beisammen“, berichtet die 54-Jährige. Plötzlich sei eine Rakete in dem Haus im Ort Beit Hanun im Norden des Gazastreifens eingeschlagen. Sechs Menschen, drei Männer und drei Frauen, seien getötet worden.

Die Familie traf sich im muslimischen Fastenmonat Ramadan zum Iftar, zum Mahl des Fastenbrechens bei Sonnenuntergang.
...

Den siebenjährigen Chalid halten die Maschinen auf der Intensivstation des Schifa-Krankenhauses am Leben. Der Splitter einer israelischen Rakete, die auf einem freien Feld im Saitun-Viertel von Gaza explodiert war, hatte ihn am Kopf getroffen. Der Junge hatte am Donnerstagmorgen vor dem Wohnhaus der Familie arglos gespielt. „Ich frage (den israelischen Regierungschef Benjamin) Netanjahu: Warum bestehst du darauf, Frauen und Kinder zu töten?“, hadert Chalids Vater Madschid Abu Marahil (43) am Krankenlager seines Sohnes.

Abu Marahil will unter den frisch eingelieferten Verletzten im Schifa-Spital nur Frauen und Kinder gesehen haben.
...
Allerdings brächten die militanten Gruppen ihre Waffen und Kommandozentralen absichtlich in Wohnhäusern und Moscheen unter.
der Gaza-Streifen ist halb so groß wie Berlin und genauso dicht besiedelt.
Da sind zwangsläufig überall Wohnhäuser.
Zitat: ... 40 Prozent der Opfer der israelischen Angriffe seien Frauen und Kinder, sagen die Ärzte im Schifa-Krankenhaus. Das Personal dort kämpft mit zunehmenden Engpässen bei Medikamenten und Materialien, die sie zur Versorgung der Kranken und Verletzten benötigen - und vermehrt auch mit Schlafmangel. „In den letzten vier Tagen haben die Ärzte und Operationsschwestern rund um die Uhr gearbeitet“, sagt Aschraf al-Kidra, der Sprecher des örtlichen Gesundheitsministeriums.

„Wir arbeiten unter furchtbaren Umständen“, klagt einer der Ärzte. „Heute hatte ich nicht mehr das nötige Material, um die Wunden verletzter Patienten zusammenzunähen und musste stark improvisieren.“ Mahmoud Daher, der Vertreter der Weltgesundheitsorganisation WHO in den besetzten Gebieten, meint, dass im Gazastreifen der Kollaps des Gesundheitswesens drohe.
...



Re: Israel - Sapere Aude - 13.07.2014

Sollte auch keine Rechtfertigung für die Hamas sein.

Und wer beurteilt bitte, ob die Hamas nach besten Wissen und Gewissen die Raketen abschießt?
Die Auslegung ist total subjektiv.
Das Gleiche gilt für UN-Resolutionen. Der Eine bricht 3 und es ist mit ein Kriesgrund siehe 2003 Irak. Israel hat in zweistelliger Höhe Resolutionen gebrochen. Hab die Zahl nicht im Kopf. Will hier auch keine Hetze gegen Israel betreiben. Aber so einfach kann man sich "Fakten" zurechtlegen.

Beim Völkerrecht haben das gleiche Problem. Siehe Ukrainekrise. Der Eine sagt, es wurde annektiert, und der Andere, das alles im Rahmen ist, weil wir ja wählen haben lassen. Du kannst es drehen und wenden wie du willst. Nicht umsonst gibt es den Begriff Rechtsverdreher. Hier sehr zutreffend.

Die ganze Diskussion ob es rechtens ist oder nicht spielt doch gar keine Rolle. Das Völkerrecht ist doch nur Mittel zum Zweck für die öffentliche Wahrnehmung. Der eigentliche Gedanke, dass es ein Gesetzbuch für Staaten sein soll, trifft hier gar nicht zu. Längst ist es doch absolutes Instrument für Legitimation und Propaganda geworden.
Das weist du Nightwatch. Das Völkerrecht ist viel zu dünn um dort wirklich von Recht sprechen zu können. Vorallem im dem Sinne, wie es vll. jmd versteht, der in Ländern mit funktionierenden "Recht" aufgewachsen ist.

Welche unabhängige Institution untersucht schon jeden Fall und entscheidet, ob es völkerrechtswidrig ist? Wer entscheided ob es Fehler waren oder nicht?

Die Beurteilung der Lage anhand des Völkerrechts ist nicht sinnvoll.

Wer "dumme" Raketen "blind" nach Isreal schießt, nimmt genau so zivili Opfer in Kauf wie der, der aus x km Höhe eine Bombe auf ein Versteck in einem Wohngebiet wirft.

Keine der beiden Vorgehensweisen ist zielführend. Wie du sagst, wenn was nicht funktioniert, sollte man sich was anderes einfallen lassen. Das wäre mal dringend notwendig...


Re: Israel - Nightwatch - 13.07.2014

Onto schrieb:Sollte auch keine Rechtfertigung für die Hamas sein.

Und wer beurteilt bitte, ob die Hamas nach besten Wissen und Gewissen die Raketen abschießt?
Die Auslegung ist total subjektiv.
Verstehe ich nicht. Wenn die Hamas von sich aus schon freimütig einräumt auf zivile Ziele zu schießen erübrigt sich doch jede Diskussion ob sie es tun.

Onto schrieb:Das Gleiche gilt für UN-Resolutionen. Der Eine bricht 3 und es ist mit ein Kriesgrund siehe 2003 Irak. Israel hat in zweistelliger Höhe Resolutionen gebrochen. Hab die Zahl nicht im Kopf. Will hier auch keine Hetze gegen Israel betreiben. Aber so einfach kann man sich "Fakten" zurechtlegen.

Beim Völkerrecht haben das gleiche Problem. Siehe Ukrainekrise. Der Eine sagt, es wurde annektiert, und der Andere, das alles im Rahmen ist, weil wir ja wählen haben lassen. Du kannst es drehen und wenden wie du willst. Nicht umsonst gibt es den Begriff Rechtsverdreher. Hier sehr zutreffend.

Die ganze Diskussion ob es rechtens ist oder nicht spielt doch gar keine Rolle.
Das Völkerrecht ist doch nur Mittel zum Zweck für die öffentliche Wahrnehmung. Der
Völlig korrekt. Allgemein kann man sagen: Das Völkerrecht ist im Prinzip kaum mehr als eine Theaterrequisite. Man kann damit wunderbar argumentieren und Handeln rechtfertigen oder verdammen. Aber eigentlich ist war und ist es immer völlig wurscht ob jemand das Völkerrecht einhält oder dagegen verstößt. Nur deswegen gab es noch nie Konsequenzen für irgendwen. Und warum auch. In der Welt der großen Geopolitik ist Recht nur ein Propagandainstrument, es interessieren lediglich Interessen der Akteure und entscheidend ist Frage, ob sie die Hard und Softpower haben diese auch durchzusetzen.
Nur darüber dann gewinnen solche Requisiten wieder an Bedeutung.

Dementsprechend, wenn manche hier meinen unbedingt juristische Kritik an Israel üben zu müssen dann kann man durchaus herausstreichen, dass dem eben nicht so ist.
Auch wenn im Geopolitischen Ringen in dieser Sache niemals so etwas wir Art 51 des 1. Zusatzprotokolls zur Konvention von 1949 eine Rolle spielen wird.

Onto schrieb:Das weist du Nightwatch. Das Völkerrecht ist viel zu dünn um dort wirklich von Recht sprechen zu können. Vorallem im dem Sinne, wie es vll. jmd versteht, der in Ländern mit funktionierenden "Recht" aufgewachsen ist.
Zu dünn ist es nicht. Es wäre schon möglich damit Recht zu sprechen. Vielleicht nicht Gerechtigkeit, aber damit hat Recht nie was zu tun.
Nur wie wir beide sehen, es hat im Geopolitischen Ringen keine wirkliche Relevanz.
Es ist eine schöne Übung hier im Forum der Frage nachzugehen wie es rechtlich aussieht. Beeinflussen werden die rechtlichen Tatsachen aber niemals.
Das sieht man ja auch schön in dem Diskussionsverlauf hier. Der rechtlichen Argumentation werden einfach ein paar tote Zivilisten gegenübergestellt über die man sich empören kann. Und schon ist die gewollte Linie wieder hergestellt.


Onto schrieb:Welche unabhängige Institution untersucht schon jeden Fall und entscheidet, ob es völkerrechtswidrig ist? Wer entscheided ob es Fehler waren oder nicht?

Die Beurteilung der Lage anhand des Völkerrechts ist nicht sinnvoll.
Es ist die einzige Beurteilung die wir vornehmen können, wenn wir uns mit der Frage befassen wollen ob die Angriffe legal sind oder nicht.
Wir können selbstverständlich auch sagen, dass uns die Frage nach der Legalität nicht interessiert und die tatsächlichen strategischen Hintergründe der Auseinandersetzung beleuchten.
Nur das wäre nicht sehr Deutsch, oder?


Onto schrieb:Keine der beiden Vorgehensweisen ist zielführend. Wie du sagst, wenn was nicht funktioniert, sollte man sich was anderes einfallen lassen. Das wäre mal dringend notwendig...
Ja, aber was? Welche Mechanismen können greifen? Mir fällt nicht viel ein. Tragfähige Lösungen außerhalb von realtiätsfernen Lalala wir haben uns jetzt alle lieb lassen sich nicht finden.
Das ist auch so eine Wahrheit mit der wir hierzulande arge Probleme haben: Manche Konflikte lassen sich in der realen Welt einfach nicht lösen und das was stattfindet - einmal alle zwei Jahre mit dem Rasenmäher drüber - ist tatsächlich die beste aller Lösungen.


Re: Israel - Quintus Fabius - 14.07.2014

Der "Rasenmäher" mäht nur leider den Rasen nicht ausreichend kurz. Oder noch einfacher: er löst das eigentliche Problem, dass der Demographie nicht.


Re: Israel - Nightwatch - 14.07.2014

Wenn es denn überhaupt existiert ist die Demographie ein sehr langfristiges Problem. Bis es mal wirklich relevant wird kann sehr viel passieren.

Die jetzigen Aktionen sind natürlich weder dazu geeignet noch dazu gedacht sich damit auseinanderzusetzen.


Re: Israel - Sapere Aude - 14.07.2014

Hast ja meine Gedanken gut präzisiert. Sehe ich nämlich genau so.

In der Region wird es wohl erst ruhiger, wenn etwas Wohlstand einkehrt und vll. dieser Wohlstand von friendlicheren Zusammenleben abhängig ist.
Das wird aber schwer, wenn es immer und immer wieder Krieg gibt.
Aber selbst Wohlstand und Wirtschaftsaufschwung ist kein Allheilmittel für arme Länder gegen religöse Spinner. Gibt ja die ein oder andere Industrienation, in der der Einfluss religöser Neokonservativer immer noch viel zu groß ist.

Zitat:Es ist die einzige Beurteilung die wir vornehmen können, wenn wir uns mit der Frage befassen wollen ob die Angriffe legal sind oder nicht.
Wir können selbstverständlich auch sagen, dass uns die Frage nach der Legalität nicht interessiert und die tatsächlichen strategischen Hintergründe der Auseinandersetzung beleuchten.
Nur das wäre nicht sehr Deutsch, oder?

Was ist denn heutzutage noch "sehr Deutsch"?

Die Beurteilung findet aber in irgendeinem Raum statt, in dem Anwalt und Staatsanwalt ohne Richter streiten. Der Raum ähnelt wohl nicht mal einem Gerichtsraum. Vll. wie du angedeutet hast, eher einem Theater.

Ich bin Realist. Zumindest ist das meine Einschätzung.
Also ist wohl die einzige Möglichkeit und der richtige Umgang mit dem Thema, nicht Gespenstern wie dem Völkerrecht nachzujagen, sondern zu hinterdenken, warum wo was passiert? Kann man diese Kette beeinflussen, kann man den Ausgang verändern.

Was sind also deiner Meinung nach die strategischen Hintergründe?


Re: Israel - Nightwatch - 14.07.2014

Onto schrieb:Was sind also deiner Meinung nach die strategischen Hintergründe?
Der Hamas steht das Wasser bis zum Hals, ihre Position war von dem Waffengang seit der Machtübernahme noch nie so schlecht.
Es plagen sie vor allem vier Punkte:
1. Man überwarf sich mit den Iranern und der Hisbollah wegen dem Syrischen Bürgerkrieg weil man dort eher zu den Aufständischen hielt. Der Iran stelle als Folge seine Finanzhilfen ein und stärkte die Unterstützung für Konkurrenzorganisationen im Gazastreifen. Zuforderst islamischer Jihad, es ist kein Zufall das diese Gruppierung bei den weitesten Raketenangriffen prominent vertreten ist.
2. Mit dem Militärputsch in Ägypten brach mit den Muslimbrüdern der größte Verbündete der Hamas weg. Mehr noch, das neue ägyptische Regime sieht die Hamas als feindlich an und hat mittlerweile nahezu alle Tunnel nach Gaza dicht gemacht und im Sinai gewaltig aufgeräumt. Nachrüsten wird nach dem Krieg sehr schwer...
3. Als Folge von 1 und 2 fehlt der Hamas in Gaza Geld und Hardware. Vor allem aber ersteres. Sie können seit Monaten ihre Angestellten nicht mehr bezahlen. Auf dieser Basis lässt sich natürlich schwerlich eine Machtbasis erhalten.
4. Um das Geldproblem zu lösen versuchte man über die Einheitsregierung an Gelder der Fatah zu kommen. Das funktionierte aber auch nicht, die Fatah lies die Hamas am ausgestreckten Arm verhungern und die Hamas erleidet durch die Einheitsregierung noch einen ziemlichen Prestige Verlust.

Logische Folge ist der Waffengang. Damit kommt wenigstens wieder Geld und Aufmerksamkeit in den Gazastreifen. Blöd natürlich, das die Auseinandersetzung für die Hamas gelinde gesagt bescheiden verläuft. Ihre Raketenschießerei hat sich effektiv überlebt. Das wird ihnen schon jetzt gewaltig Kopfzerbrechen bereiten.

Netanyahu auf der anderen Seite hat natürlich auch einige Gründe warum ihm der Waffengang so ganz gut passt. Das heißt weniger das er ihn provoziert und gewollt hat, aber es könnte echt ungelegener kommen.
Es werden wahrscheinlich mittelfristig wieder Wahlen sein, da ist so eine Aktion für den oft als zu weich wahrgenommen Netanyahu nicht zu verachten. Kurzfristig bekommt er zudem an der innenpolitischen Front Ruhe, Liebermann hat die Likud Beitenu Fraktion zwar aufgekündigt, aber mehr wird da nicht draus werden. Und vor allem, nach dem Waffengang hat er die amerikanischen Fantasten mit ihren 'Friedensbemühungen' für mindestens ein Jahr vom Hals, ohne das im groß vorgeworfen wird den 'Prozess' mehr zu torpedieren als Abbas.


Re: Israel - Mitleser - 14.07.2014

Wenn die Raketen sich für die Hamas als untaugliches Mittel erwiesen haben, besteht eigentlich die Möglichkeit, dass wieder vermehrt Selbstmordanschläge in Israel verübt werden ?
Es gab ja eine Zeit, da war Israel deshalb schwer unter Druck.


Re: Israel - Nightwatch - 14.07.2014

Deswegen wurde ja die Mauer gebaut - mit der Folge das die Selbstmordattentate auf nahezu null zurückgegangen sind.
Sicher werden sie den ein oder anderen durchbringen wenn sie sich wirklich anstrengen, aber der Nutzen wird in keinem Verhältnis zum Aufwand und vor allem den Kosten stehen.


Re: Israel - Mitleser - 14.07.2014

Nightwatch schrieb:Deswegen wurde ja die Mauer gebaut - mit der Folge das die Selbstmordattentate auf nahezu null zurückgegangen sind...

Wenn man bedenkt, was die für einen Aufschrei ausgelöst hatte ... manchmal ist es nur noch makaber.


Re: Israel - Erich - 14.07.2014

ich zitiere aus dem heutigen SPIEGEL (print) S. 80, in dem der palästinensische Arzt Bassim Naim zitiert wird. Naim "hat in Erlangen Medizin studiert und zehn Jahre in Deutschland gelebt. Er ist einer der führenden Hamas-Vertreter in Gaza, ... hatte ... zeitweise gleich mehrere Ministerposten inne, zugleich gilt er als enger Vertrauter von Chalid Maschaalm den exilierten Anführer der Bewegung."
Zitat: ... Den Ärzten gehen schon jetzt die Medikamente aus, es fehlt an Betäubungsmitteln und an Antibiotika.

Und all die Raketen, die die Hamas nach Israel schickt?

"Was sollen wir denn machen?" Fast zwei Jahre lang habe seine Organisation alles getan, um den Waffenstillstand mit Israel einzuhalten, sagt Naim. Seit der letzten Konfrontation zischen Israel und der Hamas im November 2012 herrschte tatsächlich überwiegend Ruhe. Dann aber, sagt Naim, seien die drei Jugendlichen entführt worden, und Netanjahu habe sofort die Hamas beschuldigt. "Aber wir haben keine Ahnung, wer das war. Wir waren das nicht."

Netanjahu habe die Entführung instrumentalisiert, sagt Naim, um etwas zu tun, was er seit Langem plante: die Hamas zu zerstören und damit auch die palästinensische Einheitsregierung zu sabottieren. Deshalb das unverhältnismäßige Vorgehen der Armee im Westjordanland, die Massenverhaftungen. Nahezu alle Gefangenen, die von der Hamas im Austausch gegen den von ihr entführten Soldaten Gildas Schalit freigepresst wurden, seien wieder in israelischen Gefängnissen.

"Er weiß, dass wir im Moment schwach sind", sagt Naim. Doch die Hamas könne sich nicht alles gefallen lassen, nicht einfach so "in Ruhe sterben." Deshalb werde nun geschossen. Es ist en wiederkehrendes Muster in Nahost, die Demonstration von Stärke um jeden Preis.
ich halte diese Analyse, wonach Netanjahu den erstbesten Vorwand genutzt hat, um die ohnehin massiv geschwächte Hamas zu zerschlagen, zumindest nachvollziehbar.
Und der Artikel geht unter anderem damit weiter:
Zitat:Die Frage sei, sagt Bassim Naim, "was komt nach uns, war kommt nach der Hamas?". Immerhin habe die Hamas die Extremisten des Islamischen Dschihad und anderer Gruppierungen erfolgreich im Zaum gehalten. Die Palästinenser hätten, sagt er, nicht mehr viel zu verlieren, so oder so. Die Arbeitslosigkeit sei hoch, die Armut groß, es gebe keine Bewegungsfreiheit, für einige nicht einmal mehr Strom oder fließend Wasser.
Es gehe jetzt um Grundrechte, um Grundbedürfnisse für die Bevölkerung, sagt Naim. Die Blockade durch Ägypten und Israel müsse aufgehoben werden, Gaza müsse die Chance bekommen, ein Ort zu werden, an dem man leben kann.
...
auch diese Hypothesen halte ich zumindest für bedenkenswert.


Re: Israel - Nightwatch - 14.07.2014

Zitat:ich halte diese Analyse, wonach Netanjahu den erstbesten Vorwand genutzt hat, um die ohnehin massiv geschwächte Hamas zu zerschlagen, zumindest nachvollziehbar.

Absurd angesichts der Tatsache das die Hamas selbst der Raketenbeschuss aufgenommen und eskaliert hat.
Ohne diese Aktionen wäre keine einzige Bombe auf Gaza gefallen.

Und nein, Netanyahu will die Hamas auch nicht zerschlagen.


Re: Israel - Erich - 14.07.2014

Absurd, wenn man bedenkt, dass der Raketenbeschuss durch die Hamas erst nach den israelischen Luftangriffen auf den Gaza-Streifen aufgenommen wurde.
Ohne diese massiv verstärkten Luftangriffe hätte die Hamas nicht begonnen, ihr Raketenarsenal zu leeren.

Hier die Reihenfolge der Abfolge, zusammen gestellt aus israelischen Quellen:
Am Montag, 30.06. flog die IAF Angriffe auf 34 Ziele (min. 4 verletzte Araber).

Am Dienstag wurden daraufhin morgens 5 Raketen vom Gaza-Streifen abgeschossen.
Mehrere Rakete landeten in offenem Gelände; eine Straße wurde beschädigt; ein Feuer entstand auf einem Feld; ein weiteres in der Nähe einer Fabrik in Eshkol; eine beschädigte mehrere Fahrzeuge in einem Dorf in der Eshkol-Region.

Am Mittwoch 02.07. flog die IAF gegen 19:00 Uhr einen Angriff. Direkte Treffer wurden bestätigt.
Bis 21:00 Uhr wurden darauf hin min. 18 Mörsergranaten und 2 Kassam-Raketen (15 km Reichweite, 15 kg Sprengkopf) auf Israel abgeschossen. In der Nacht zum Donnerstag wurden 10 Raketen auf Israel / Sderot geschossen.
Zwei weitere wurden durch IronDome abgefangen.

Am Donnerstag, 03.07. flog die IAF Angriffe auf 15 Ziele im Gazastreifen, bei denen lt. arabischen Medien 10 Araber verletzt wurden. Daraufhin wurden 23 Raketen und Mörsergranaten in Richtung Israel abgeschossen.
Einige schlugen noch im Gazastreifen ein, einige wurden von IronDome abgefangen, andere fielen in offenes Gelände, eine schlug im Kibbutz Nir Yitzhak ein und verursachte Sachschaden.

Am Freitag, 04.07. flog die IAF Angriff auf 3 Ziele im südl. Gazastreifen. iIsraelische Soldaten beschossen Araber am Grenzzaun zu Gaza.

Am Samstag 05.07. beschoss die IAF 3 vermutete Hamas-Ziele im südl. Gazstreifen, sowie Terroristen, die gerade einen Raketenabschuss vorbereiteten - direkter Treffer wurde festgestellt.
Aus dem Gaza-Streifen wurden daraufhin 25 (?) Raketen und Mörsergranaten in Richtung Israel geschossen.
Neben den üblichen Einschlägen in offenem Gelände oder noch im Gazastreifen wurden mehrere von IronDome abgefangen; es brach ein Feuer aus und ein Soldat wurde verletzt.


In der Nacht zum Sonntag, 06.07. wurden 9 (o. 10) Ziele im Gazastreifen von der IAF angegriffen - ein Verletzter.
24 (?) Raketen/Mörsergranten wurden daraufhin im Laufe des Tages in Richtung Israel geschossen. In Netiv Haasarah Brach dadurch ein Feuer aus.

In der Nacht zum Montag, 07.07. beschoss die IDF gegen Mitternacht Terroristen, die gerade Raketen abschießen wollten.
Bei insgesamt 17 Angriffen in der Nacht beschoss die IAF 21 Ziele im Gazastreifen - lt. Araber 9 Tote (7 in einem Tunnel - Zusammenhang unsicher) und weitere 19 Verletzte.
Daraufhin wurden wurden 32 Raketen auf Israel abgeschossen bzw. abzuschießen versucht - 3 explodierten beim Start, eine landete im Gazastreifen.
Gegen 17:00 flog die IAf 3 Angriffe auf angebliche Abschussstellungen - lt. Araber wurde ein 4jähriger verletzt.
Darauf hin wurde um 18:30 eine Patrouille am Gazastreifen beschossen.

Am Di 08.07. wurde von Israel die Operation "Protective Edge" begonnen
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.iaf.org.il/4410-42163-en/IAF.aspx">http://www.iaf.org.il/4410-42163-en/IAF.aspx</a><!-- m -->


Re: Israel - Nightwatch - 14.07.2014

Ich habe dir die Mechanik zwischen Angriffen der radikaler Proxys und den Antworten der IAF sowie dem dahinter stehenden stillschweigenden Übereinkünften mit der Hamas bereits zweimal erklärt. Ebenso wie dieses Konstrukt durch die gezielte und gewollte Eskalation der Hamas zusammenbrach.
Mehr ist dazu nicht mehr zu sagen.