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- hawkeye87 - 17.11.2005

Zitat:Shahab3 postete
Übrigens war Hekhmatyar ebenfalls für lange Zeit ein engerer Verbündeter der Iraner. Scheinbar haben sie sich aber inzwischen zerstritten. Bzw distanzieren sich die Iraner heute öffentlich von ihm, was sicherlich auch andere Gründe haben kann.
hekmatyar wird zumindest von peter scholl-latour als der potenste und gefährlichste militärische gegner der isaf- und nato-truppen eingeschätzt, neben den drogenbaronen und kriegsherren (was beides so ziemlich das gleiche ist Wink ).
Zitat:Dieser Konflikt ging aber über den Horizont der reinen Unterstützung kleinerer nahestehender Volksgruppen deutlich hinaus.
wobei sich die kleineren anrainerstaaten oft auf die unterstützung der ihnen nahestehenden stammesgruppen konzenztrierten und versuchten, ihren nachbarn macht und einfluss abzulaufen. die beiden supermächte versuchten dagegen ihre wirtschaftlichen interessen durchzusetzen (pipelinebau) und gleichzeitig wollten sie natürlich auch verhindern, dass der andere zuviel macht und einfluss bekam. um das durchzusetzen, stützten sie sich auch auf die mit ihnen verbündeten anrainerstaaten ab (die vereinigten staaten auf pakistan, russland bis zum 11.9 auf die zentralasiatischen staaten).
indien versuchte natürlich durch die unterstützung der nordallianz und anderer gruppen die durch pakistan unterstützten taliban und damit den einfluss pakistans in afghanistans und der region insgesamt zur unterdrücken.
Zitat:Ahmed Shah Massoud hatte es geschafft die verschiedenen Volksgruppen unter dem Banner Afghanistans zu einigen. Der Hauptaufhänger, war neben der Bekämpfung der Taliban, auch die unabhängigkeit Afghanistans. Eine der Grundphilisophien der Mujahedin-Bewegung!
wobei man nicht von "der einen mudschahedin-bewegung" sprechen, da sie sich wie gesagt aus einer vielzahl unterschiedlicher gruppen mit unterschiedlichsten motiven zusammensetzten, nur geeint durch den willen, die sowjets zu vertreiben. so lehnte z.b. hekmatyar die direkte zusammenarbeit mit den amerikanern ab.
massoud repräsentierte als tadschike aber auch nicht ganz afghanistan, selbst wenn er heutzutage als held afghanistans gefeiert wird. meines erachtens nach kommt sein ursprung wohl eher von seiner maßgeblichen rolle bei der vertreibung der sowjets und nicht durch sein standhalten gegen die taliban, obwohl letzteres sein ruhm (v.a. bei seinen stammesbrüdern und der nordallianz) vergrößerte. ich kann mir nicht vorstellen, dass die paschtunen, die die taliban zumindest teilweise unterstützten, masoud deshalb verehren.


- Wolf - 17.11.2005

Zitat:Shahab3 postete
@Wolf

Genau das Gegenteil scheint der Fall zu sein.
Wenn man diversen Pressemeldungen glauben schenken, dann haben die Anschläge in Afghanistan in den letzten Monaten zugenommen. Es gibt auch Berichte onach die Taliban und die Al-Kaida eine neue Infrastruktur errichtet haben und neue Finanzkanäle erschlossen haben. Davon abgesehen, sind die Taliban ja auch nur eine der Parteien in Afghanistan, von der Unruhe ausgehen kann.
Nee, die Art der Kampfführung hat sich stark verschoben. Während wir vor nem Jahr noch mehrfach Angriffe mit Boden-Boden Raketen und schweren Infanteriewaffen hatten, haben wir jetzt den "langweiligen" Selbstmordattentäter. Um einen Selbstmordattentäter auszubilden, auszurüsten und einzusetzen brauchst du nur eine Handvoll Leute - um irreguläre Infanterie auszurüsten und einzusetzen brauchst du sehr viel mehr - und du musst Aufklärung im Gelände betreiben (Patrouillen ausspähen u.a.).

Deshalb ist die Annahme sie seinen schwächer geworden nicht aus der Luft gegriffen. Um den Schaden der letzten Monate anzurichten genügt eine Organisation mit weniger als 100 Personen.


- Shahab3 - 18.11.2005

@Wolf

Sorry, aber der Strategiewandel vollzieht sich derzeit in die entgegengesetzte Richtung und wird durchdachter. Selbstmordanschläge gehören dabei weiterhin eher zu den Randerscheinungen, die sich auch nur in den Großsstädten ( von denen es in Afghanistan bekanntermassen wenige gibt) effektiv durchführen lassen. Im Gebirge kannste Dir nen langen Bart warten, bis mal ne Kolonne Amis vorbeirauscht...da muss man zwangsläufig aktiv suchen.

vgl.
Zitat:...
Laut Berichten aus Pentagon-nahen Kreisen haben sich die Taliban regruppiert und das Jahr 2005 bereits zum verlustreichsten für die US-Besatzer seit Beginn der Invasion Ende 2001 gemacht. In ihren Operationen gegen die ausländischen Truppen wenden die Taliban zunehmend die aus dem Irak bekannten Taktiken des dortigen Widerstands an. So haben allein die USA in den ersten neun Monaten dieses Jahres am Hindukusch 65 Soldaten verloren. Bis Anfang dieses Jahres wurden die Talibanangriffe meist von Einheiten aus einigen wenigen Kämpfern durchgeführt und fanden in der Regel nur in den Grenzgebieten zu Pakistan statt, wohin sich die Angreifer nach vollendeter Tat schnell wieder zurückgezogen haben. Jetzt operierten die Taliban dagegen mit Gruppen von 18 bis 20 Kämpfern auch wieder weit im Landesinneren. Dabei – so heißt es aus Pentagonkreisen – sei jeder Gruppe ein islamischer Kämpfer zugeteilt, der den anderen die im Irak entwickelten Kampftechniken beibringe. Dadurch hätte die Planung und Durchführung von Attacken einen bisher nicht erreichten Grad an Raffinesse erreicht.
...
.
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.jungewelt.de/2005/09-06/006.php">http://www.jungewelt.de/2005/09-06/006.php</a><!-- m -->


@Hawkeye

Zitat:massoud repräsentierte als tadschike aber auch nicht ganz afghanistan, selbst wenn er heutzutage als held afghanistans gefeiert wird. meines erachtens nach kommt sein ursprung wohl eher von seiner maßgeblichen rolle bei der vertreibung der sowjets und nicht durch sein standhalten gegen die taliban, obwohl letzteres sein ruhm (v.a. bei seinen stammesbrüdern und der nordallianz) vergrößerte. ich kann mir nicht vorstellen, dass die paschtunen, die die taliban zumindest teilweise unterstützten, masoud deshalb verehren.
Nein, für die Taliban repräsentiert er kaum den Nationalhelden ausnahmslos aller Afghanen. Das ist wohl verständlich, denke ich. Allgemein dürfte sein Ansehen bei den Pashtunen auch nicht überall das Beste sein. Sicherlich alles richtig!
Dennoch ist er der einzige würdige Volksheld der Afghanen, der die nötige Autorität und den Rückhalt gehabt hätte, die unter ihm kurzfristig vollzogene Einigung der Volksgruppen dauerhafter zu gestalten.
Einem Karzai sind diese Fußspuren deutlich zu groß und er kann vermutlich niemals aus diesem riesigen Schatten treten, den tausende Plakate und Wandbilder in Afghanistan von Massouds Abbild werfen.

Ich bin ja mit Dir einer Meinung, dass die Einigkeit der Stämme in Afgnanistan nur von zeitlicher Dauer und zweckgebunden war/ist. Meiner bescheidenen Meinung nach, hätte aber ein Massoud noch am ehesten >evtl.< die Ausstrahlung gehabt, daran etwas zu ändern.
Und damit beziehe ich mich direkt auf die aufgworfene Frage nach der Perspektive für Afghanistan.


- Wolf - 18.11.2005

Zitat:Shahab3 postete
@Wolf

Sorry, aber der Strategiewandel vollzieht sich derzeit in die entgegengesetzte Richtung und wird durchdachter.
Hm, obwohl ich die "JW" nicht mag, hast du wohl recht. Scheint als hätte das Medieninteresse für die Selbstmordattentäter bei mir den Eindruck erweckt als gingen die anderen Aktion zurück.


- ThomasWach - 18.11.2005

State- und Nationbuilding sind immer recht langwierige Sachen. Man bildet keinen funktionsfähigen Staat und kein sich als Nation fühlendes Gebilde in 10 Jahren aus.

Andererseits wäre ich nicht von vornerein pessimistisch. Es ist durchaus möglich, dass in 20 oder 30 Jahren Afghanistan ein stabiler und florierender Staat ist. Warlords und Zersplitterung kommen schnell, schneller, als dass sie gehen.
Das ewige Verhängnis halt, dass das Aufbauen immer länger dauert als das zerstören.
Afghanistan ist sicherlich sehr tribal geprägt. Das wurde von den Vorrednern schon ausführlich und gut behandelt. Andererseits im Gegensatz zu Irak oder Syrien gab es in der Geschichte auch ein afgahanisches Königreich und bei aller tribaler Unterschiedlichkeit, Ausländern gegenüber sind sie Afghanen- Dies ist ein großer Vorteil im Vergelich zum Irak, obwohl dort an Strukturen immer noch um ein vielfaches mehr existiert. Aber es gibt in Afghanistan Traditionen, auf die man sich berufen kann.
Daher kommt es auf zwei Dinge an:
- Die westliche Gemeinschaft muss einen sehr langen Atem haben. Karzai ist kein schlechter Politiker und auch sicher fähig, andere würden an dieser Aufgabe auch scheitern. Aber bei positiver Entwicklung könnte die Zentralregierung auch wieder Boden gut machen.
- Die umliegenden Staaten haben wie ausgeführt einen großen Einfluß. Daher wird viel davon abhängen, wie sich das Klima in Südasien und im Mittleren Osten weiter entwickeln wird. Da sind Pakistan und nachrangig auch Iran von großer Bedeutung. Gerade Pakistan und seine eigene innere Fragilität wird wohl zum Schlüssel werden für die weitere Stabilisierung Afghanistans. Gelingt es Pakistan aus seiner Situation der fragilen Stabilität rauszukommen (momentane vordergründige Stabilität bei großen strukturellen Problemen udn Rissen), so dürfte dies auch für Afghanistan positiv sein. Voralem muss es darum gehen die paschtunischen Gebiete innerhalb Pakistans mehr unter die Kontrolle Islamabads zu bekommen und die dortigen Islamisten ( die dort in dne Provinzen auch regieren) zu stoppen bzw. zu marginalisieren.

Denn der gewaltsame Widerstand der Taliban hält an. Denn bei aller Schlechtigkeit der Taliban, sie hatten immerhin für Ruhe gesorgt, wenn auch für Friedhofsruhe. Aber heute krankt die Situation noch an zu vielen widerstreiteitenden Kräften ( Dostum, Hekmatayr, diverse andere Warlords, in Mazar -al Sharif war noch ein wichtiger Paschtune, dessen Name mir entfallen ist...).
Da hilft aber nur Geduld, Zeit, Geld und Engagement.
Voralem muss man sich daran gewöhnen, dass dies langfristige Engagements sind, die erst in 20 jahren beurteilt werden können.


- hawkeye87 - 18.11.2005

Zitat:Thomas Wach postete
Andererseits wäre ich nicht von vornerein pessimistisch. Es ist durchaus möglich, dass in 20 oder 30 Jahren Afghanistan ein stabiler und florierender Staat ist. Warlords und Zersplitterung kommen schnell, schneller, als dass sie gehen.
ich kann mir beim allerbesten willen nicht vorstellen, dass es in afghanistan einen stabilen und florierenden staar geben wird. sobald die isaf- und nato-truppen abziehen, werden die jetzt auf niedrigstem niveau dahin köchelnden konflikte wieder offen ausbrechen, genauso wie jetzt auf dem balkan. und in bosnien-herzogwina ist die ausgangssitaution um einiges besser als in afghanistan: es gibt eine funktionierende infrastruktur und verwaltung, die bevölkerung ist bedeutend besser gebildet und die geographische lage ist bedeutend besser. unf trotzdem hat es die westliche staatengemeinschaft nicht geschafft, einen stabilen (demokratischen) staat aufzubauen. sobal die westliche truppen abgezogen sind, genügt ein funke und die gesamte region versinkt wieder im chaos.
Zitat:Die westliche Gemeinschaft muss einen sehr langen Atem haben. Karzai ist kein schlechter Politiker und auch sicher fähig, andere würden an dieser Aufgabe auch scheitern. Aber bei positiver Entwicklung könnte die Zentralregierung auch wieder Boden gut machen.
einen langen atem für was? es fehlt eine realistische (!!!) vision für die zukunft aghanistans, auf die dann zügig hingearbeitet werden kann. denn afghanistan ist meines erachtens nach den tod keines einzigen deutschen soldaten wert ...
Zitat:Da hilft aber nur Geduld, Zeit, Geld und Engagement.
Voralem muss man sich daran gewöhnen, dass dies langfristige Engagements sind, die erst in 20 jahren beurteilt werden können.
und wir haben kein geld - zumindest nich so viel geld, dass wir es in afghanistan zum fenster rauswerfen könnten. und wir haben vor unserer haustür bedeutend größere probleme, mit denen wir uns befassen sollten. und ob sich afghanistan in 20 jahren sehr verändert haben wird, halte ich doch für sehr, sehr fraglich ...
Zitat:Shahab3 postete
Ich bin ja mit Dir einer Meinung, dass die Einigkeit der Stämme in Afgnanistan nur von zeitlicher Dauer und zweckgebunden war/ist. Meiner bescheidenen Meinung nach, hätte aber ein Massoud noch am ehesten die Ausstrahlung gehabt, daran etwas zu ändern.
dem kann ich mir durchaus anschließen Wink


- Shahab3 - 18.11.2005

@Thomas Wach

Zitat:State- und Nationbuilding sind immer recht langwierige Sachen. Man bildet keinen funktionsfähigen Staat und kein sich als Nation fühlendes Gebilde in 10 Jahren aus.
Ich kannn diese Begriffe (State- und Nationbuildiung) nicht mehr hören. Wer sich das in den USA ausgedacht hat, hatte ohnehin keine Ahnung wovon er redet. Wahrscheinlich kommt dann wieder das Beispiel BRD. Tja, nur leider war das hierzulande auch vergleichsweise einfach. Eine Nation war seit je her vorhanden.
Woher Deine recht allgemeine Zeitspanne von 10 Jahren herrührt ist mir auch nicht ganz klar. Von 1 Jahr bis niemals lässt sich da wohl jede Theorie für Einzelfälle aufstellen. Für Afghanistan tendiere ich, so leid es mir tut, deutlich zum oberen Ende der Skala.

Zitat:Afghanistan ist sicherlich sehr tribal geprägt. Das wurde von den Vorrednern schon ausführlich und gut behandelt. Andererseits im Gegensatz zu Irak oder Syrien gab es in der Geschichte auch ein afgahanisches Königreich und bei aller tribaler Unterschiedlichkeit, Ausländern gegenüber sind sie Afghanen- Dies ist ein großer Vorteil im Vergelich zum Irak, obwohl dort an Strukturen immer noch um ein vielfaches mehr existiert. Aber es gibt in Afghanistan Traditionen, auf die man sich berufen kann.
Sehe ich ganz anders! Gerade in Afghanistan haben wir aus dem historischen Kontext heraus ( vgl. <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=9&land_id=1">http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/l ... &land_id=1</a><!-- m --> ) die vertrakte Situation, dass es ein Staat ist, bei dem so ziemlich jede Volksgruppe eine Herrschaft über Teile des Landes für sich beanspruchen kann.
Wechselnde Besatzungen und Einfall so ziemlich jeder Macht und Volksgruppe der Region ziehen sich wie ein roter Faden über tausend Jahre durch die Geschichte dieses Landstreifens.
Die Monarchie war nach der Aufgabe des britischen Proetktorats dabei noch die deutlich künstlichste von allen.
Von einem wirklichen afhanischen Nationalbewusstsein kann eher weniger die Rede sein. Viel wichtiger war es seit jeher, ob man Turkmenischer, Paschtunischer, Schitiischer, oder sontwelcher Herkunft war und ist.

Zitat:- Die westliche Gemeinschaft muss einen sehr langen Atem haben. Karzai ist kein schlechter Politiker und auch sicher fähig, andere würden an dieser Aufgabe auch scheitern. Aber bei positiver Entwicklung könnte die Zentralregierung auch wieder Boden gut machen.
Karzai wird kaum wirlkich ernst genommen. Solanger er sich nich zu sehr ausserhabl Kabuls betätigt, wird er mit seiner Heerschar an Bodyguards wohl auch noch ein paar Jährchen überleben. Dabei ist nicht nur das rein politische Überleben gemeint. Rolleyes

Zitat:- Die umliegenden Staaten haben wie ausgeführt einen großen Einfluß.
Hat es schon immer gehabt. Es gab im Grunde kaum eine Phase in der Geschichte Afghanistans, in der sich das Land selbst regiert hat. Ganz im Gegensatz zu den von Dir genannten Ländern -Syrien und Irak-.


Zitat:Voralem muss es darum gehen die paschtunischen Gebiete innerhalb Pakistans mehr unter die Kontrolle Islamabads zu bekommen und die dortigen Islamisten ( die dort in dne Provinzen auch regieren) zu stoppen bzw. zu marginalisieren.
Durch eine konsequentere Bekämpfung der Taliban evlt. ja. Aber der Taliban-Faktor wird bei dem Problem des "Nationbuilding" <würg> maßlos überschätzt.


Zitat:Denn bei aller Schlechtigkeit der Taliban, sie hatten immerhin für Ruhe gesorgt, wenn auch für Friedhofsruhe.
Woas ?? :frag:

Unter den Taliban gabs an keiner Ecke des Landes Anzeichen von Ruhe und Frieden. Es herrschte ganz im Gegenteil Krieg und Terror an allen Orten und Lebensbereichen.

Zitat:Aber heute krankt die Situation noch an zu vielen widerstreiteitenden Kräften ( Dostum, Hekmatayr, diverse andere Warlords, in Mazar -al Sharif war noch ein wichtiger Paschtune, dessen Name mir entfallen ist...).
Karzai ? :laugh: Wink
Diese Krankhafte Situation gab es schon immer. Heute tragen die Akteure halt andere Namen. Die Parteien sind die selben, wie seit tausend Jahren.

Zitat:Da hilft aber nur Geduld, Zeit, Geld und Engagement.
Voralem muss man sich daran gewöhnen, dass dies langfristige Engagements sind, die erst in 20 jahren beurteilt werden können.
Das haben sich die Türken, Perser, Inder, Russen, Engländer, Mongolen, etc..auch alle gedacht...

Ich wiederhole es gerne nochmal : Massoud hätte potentiell eine historische Person in der Geschichte Afghanistans werden können und eine kurzfristige oder gar mittelfristige Einigkeit schaffen können. Halt aus einem Kontext des gemeinsamen Kampfes heraus, der ein seltenes Erlebnis war.
Heute, unter dem Druck der Besatzung, heisst es natürlicherweise Kopfeinziehen und Aussitzen der Lage. Auf das die traditionellen "Spiele" wieder auf ein Neues beginnen. Solche Veranstalungen, wie die Afgnaistan Konferenz etc..zeugen doch von einem Unverständnis der historischen Gegegebenheiten. Aber wie gesagt, diese und ähnliche Ideen haben andere Mächte schon vor hunderten von Jahren verworfen...


- ThomasWach - 20.11.2005

Auf gehts...

Zitat:ich kann mir beim allerbesten willen nicht vorstellen, dass es in afghanistan einen stabilen und florierenden staar geben wird. sobald die isaf- und nato-truppen abziehen, werden die jetzt auf niedrigstem niveau dahin köchelnden konflikte wieder offen ausbrechen, genauso wie jetzt auf dem balkan. und in bosnien-herzogwina ist die ausgangssitaution um einiges besser als in afghanistan: es gibt eine funktionierende infrastruktur und verwaltung, die bevölkerung ist bedeutend besser gebildet und die geographische lage ist bedeutend besser. unf trotzdem hat es die westliche staatengemeinschaft nicht geschafft, einen stabilen (demokratischen) staat aufzubauen. sobal die westliche truppen abgezogen sind, genügt ein funke und die gesamte region versinkt wieder im chaos.
Stabil und florierend sind relative Begrife, aber man kann dort durchaus auch ein funktionierendes Gemeinwesen mit Geduld und Aufwand hinzaubern. Dass das alles mit Problemen verbunden ist, würde ich nie bestreiten, nur darfst du das nicht so schwarz-weiß sehen. Die ISAF-Truppen werden noch lange dort bleiben müssen ( gleichsam als fast-permanente internationale Präsenz) um die Ausbildung von Strukturen zu assistieren und ein wenig die Zurückhaltung gewisser Gruppen sicherzustellen. Dass bei morgigem Abzug alles zusammenbricht, das ist klar.
Aber auch beim Thema Balkan möcht ich dir widersprechen und deine Schwarz-weiß-Malerei relativieren:
Mazedonien beispielsweise hält dank europäischer Überwachung (Operationen Artemis und Corcordia) doch ganz gut zusammen. Kroatien hat sich Richtung Europa gedreht und auch Serbien unter Kostunica streckt seine Fühler wieder Richtung Eu aus. Bosnien ist für die Schwere der Lage auch rehct stabil und die Fortschritte ok. Letztlich ist der Einfluß von uns dort aber zukünftig immer gegeben, denn allein die europäische Perspektive ( Europäischer Stabilitätspakt) sichert unseren Einfluß und unsere Einwirkung. Dass aber natürlich nicht immer alles optimal läuft, ist klar.

Zitat:einen langen atem für was? es fehlt eine realistische (!!!) vision für die zukunft aghanistans, auf die dann zügig hingearbeitet werden kann. denn afghanistan ist meines erachtens nach den tod keines einzigen deutschen soldaten wert ...
Genau die kann man nicht haben, wenn man etwas bewirken will. Akademisch gesprochen: Jede Finalitätskonstruktion muss als Entwurf aufgrund der nicht abbildbaren und überkomplexen dynamischen sozialen Realität in diesen fremden Ländern scheitern, da die Interaktion diverser Lebenswelten zum Zwecke der funktionalen Strukturanpassung nicht von vornerein intersubjektiv verläuft und jedes Missverhältnis und Mussverständnis unweigerlich afunktionale, unintendierte und dynamisierende Elemente in die Entwicklung bringt, die jeden Finalitäsentwurf obselt werden lassen.
Auf deutsch: Du kannst mit einer Endvision dort nicht arbeiten, da die Verhältnisse, die Lebenssichten und Einstellungen ganz andere sind. Du kommst mit deinen fertigen Schablonen dort an und willst die Verhältnisse dann entsprechend verändern. Aber da deine Pläne nicht passen zum Land und das Land und die Menschen sich nicht so einfach ändern lassen ( die basieren nur auf unseren Vorstellungen), wirst du scheitern. Das genau ist das Problem der amerik. Vorstellung von State- und Nationbuilding, die Shahab so schrecklich findet. Diese aber sehr inhaltlich schwachen und analytisch oberflächlichen Konzepte kritisiere ich doch auch selbst ( dürfte ja klar sein). Diese Leute hatten wohl sich nie ein Deut um Ethnologie und
Soziologie geschert ( dies als interdisziplinarische Kritik an amerik. Politikwissenscjaftlern Big Grin). Aber genau diese Kardinalfehler würde ich nicht machen wollen und dein Kommentar zeigt genau diese Schwäche. Man muss funktionsorientiert, zweckorientiert arbeiten: Also, wie bekomme ich die wirtschaftliche Misere unter den dortigen Verhältnissen hin, wie löse ich das Problem der Frauenmißhandlungen. Probleme musst du dabei als ständig bestehende Sachfargen sehen, die man nicht endgültig lösen kann, sondern die man in zu entwerfenden Strukturen bewältigen können mußt. Und mit der Zeit müssen diese Bewältigungen eben besser werde. Nur da smuss eben flexibel, unter dne dortigen Zuständen passieren. So funktioniert da sganze, nichgt anders...

Zitat:und wir haben kein geld - zumindest nich so viel geld, dass wir es in afghanistan zum fenster rauswerfen könnten. und wir haben vor unserer haustür bedeutend größere probleme, mit denen wir uns befassen sollten. und ob sich afghanistan in 20 jahren sehr verändert haben wird, halte ich doch für sehr, sehr fraglich
Failed States sind aber ein Problem, das man angehen muss. Einfach so sich die ihrem Schicksal überlassen können wir nicht, ansonsten werden die zu Brutstätten von Kriminalität und Terror ( oder werden es noch mehr als schon jetzt) und das tangiert uns in einer interdependenten Welt auch. Irgednwann bekommt man die Rechnung heutzutage schon präsentioert fürs Wegschauen und Ignorieren. Geld ist überdies international vorhanden, man muss es nur mobilisieren.
Dass das alles sehr schwierig ist, würd ich nicht bestreiten wollen. Wenn das alles so einfach wäre, dann hätte man das alles schon geöst. Aber etwas tun muss man trotzdem.


@Shahab

Zitat:Ich kannn diese Begriffe (State- und Nationbuildiung) nicht mehr hören. Wer sich das in den USA ausgedacht hat, hatte ohnehin keine Ahnung wovon er redet. Wahrscheinlich kommt dann wieder das Beispiel BRD. Tja, nur leider war das hierzulande auch vergleichsweise einfach. Eine Nation war seit je her vorhanden.
Woher Deine recht allgemeine Zeitspanne von 10 Jahren herrührt ist mir auch nicht ganz klar. Von 1 Jahr bis niemals lässt sich da wohl jede Theorie für Einzelfälle aufstellen. Für Afghanistan tendiere ich, so leid es mir tut, deutlich zum oberen Ende der Skala.
Mhm, zu der Sache von State und Nationbuilding hab ich oben schon was geschrieben, das wiederhole ich jetzt nicht nochmal.
M. E. sind solche Sachen wie Nation- und Statebuilding emminet wichtig, da es immer mehr failed States und failing states gibt, die die Entwicklungen der interdependenten und sich weiter vernetzenden Welt so nicht mitgehen können aufgrund innerer "Kaputtheit" (schlechte Strukturen, die keine Problem und Konfliktbewältigung sicherstellen...) und den innerem und äußeren Druck nicht verkraften können. Dabei verstärken sich die endogenen und exogenen Effekte noch ( ein Staat kommt in eine verheerende Wirtschaftskrise, da es Neuerungen am Weltmarkt nicht nachvollziehen kann und die eh schon bestehenden inneren Probleme von Clan-Fights werden dadurch verstärkt usw...).
Da muss man eingreifen und schwache Institutionen und Strukturen reparieren. Das verletzt zwar die Souveränitäzt der Staaten, aber in einer globalen Gesellschaftswelt kann man eh drauf pfeifen. Es hat so oder so seine Auswirkungen auf uns.
Also muss man eingreifen, aber natürlich nicht so plump und mit solch dümmlichen Final- und Zielvorstellungen wie die Amerikaner sie haben. Beratung und begleitende Hilfe ist angesagt ( um wie oben ausgeführt) die Problembewältigungsstrukturen innerhalb der Staaten zu stärken.

Sowas ist schwer, sowas dauert und im Falle Afghanistans ist dies sicherlich auch schwer. Aber für meinen Geschmack bist zu ein bißchen zu sehr Traditionsvernarrt.
Aber man kann imme rund überall bei vorsichtigem Vorgehen Strukturen udn Lebenswelten ändern. Auch in Afghanistan. Klar kommt da kein moderner Staat in 10 oder 20 Jahren heraus, aber es geht darum, eine Basis für eigene Entwicklung zu schaffen, für friedliche Konfliktbewältigung etc. Dies ist im falle Afghanistans sehr schwierig und wenn ich ein fertiges Konzept hätte würde ich mein Studium auch mal für ein sagen wir zwei- oder dreijährigen Aufenthalt in Afghanistan unterbrechen. Aber rein von der Theorie kann man so vermittelnd (mediatisierend) in die dortigen lebesnwelten einwirken, dass eben sie nicht mehr wie die Vormenschen sich stets und ständig die Köpfe einschlagen. Es sind immerhin Menschen und ich würde nicht denken, dass sie zu dumm wären oder zu brutal, als dass sie nicht friedlich leben könnten ( oder meinst du sowas??). Die Strukturen sind dort halt sehr problematisch und da was zu machen, darin liegt die MAmmuthafte von intelligentem Statebulding.

Zitat:Sehe ich ganz anders! Gerade in Afghanistan haben wir aus dem historischen Kontext heraus ( vgl. <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.auswaerti">http://www.auswaerti</a><!-- m -->[...];land_id=1 ) die vertrakte Situation, dass es ein Staat ist, bei dem so ziemlich jede Volksgruppe eine Herrschaft über Teile des Landes für sich beanspruchen kann.
Wechselnde Besatzungen und Einfall so ziemlich jeder Macht und Volksgruppe der Region ziehen sich wie ein roter Faden über tausend Jahre durch die Geschichte dieses Landstreifens.
Die Monarchie war nach der Aufgabe des britischen Proetktorats dabei noch die deutlich künstlichste von allen.
Von einem wirklichen afhanischen Nationalbewusstsein kann eher weniger die Rede sein. Viel wichtiger war es seit jeher, ob man Turkmenischer, Paschtunischer, Schitiischer, oder sontwelcher Herkunft war und ist.
Erstens: Ich will denen nicht ihre Identität nehmen. Auch bei uns gibt es Sachsen und Bayern, aber es geht darum, die Konfliktträchtigkeit dieser Identitäten zu reduzieren. Und da ist ein vorhandener nationaler Pretext - wie es ihn nunmal schon gab, egal ob künstlich oder nicht - durchaus positiv.

Und Syrien und Irak gab es nie als Staaten Wink.
Syrien war eine sehr viel größere Provinz des osmanischen Reiches, die vorher zwischen Seldschuken, diversen arab. Kalifaten und Fürstentümern, den Kreuzfahrer und Ostrom umstritten war bzw. früher noch zwischen Rom und den Parthern usw. . Und der Irak ist ja nunmal ein absolutes Kunstprodukt, der war als Zweistromland dauerhaft zwischen Rom/Ostrom/Arabern/Türken und Persern/Parthern/Persern umstritten. Aber dort haben sich halt Strukturen etabliert.


- Shahab3 - 20.11.2005

@Thomas

Zitat:M. E. sind solche Sachen wie Nation- und Statebuilding emminet wichtig, da es immer mehr failed States und failing states gibt, die die Entwicklungen der interdependenten und sich weiter vernetzenden Welt so nicht mitgehen können aufgrund innerer "Kaputtheit" (schlechte Strukturen, die keine Problem und Konfliktbewältigung sicherstellen...) und den innerem und äußeren Druck nicht verkraften können.
Dabei verstärken sich die endogenen und exogenen Effekte noch ( ein Staat kommt in eine verheerende Wirtschaftskrise, da es Neuerungen am Weltmarkt nicht nachvollziehen kann und die eh schon bestehenden inneren Probleme von Clan-Fights werden dadurch verstärkt usw...).
Nun, ob bestimmte Staaten -das dürfte wohl die große Mehrheit der Staaten weltweit betreffen- die Entwicklungen "der Welt" -wie Du es beschreibst- mitgehen können, ist in meinen Augen eine grundsätzliche Frage. Da liegt wohl der zentrale Unterscheid unserer Beatrachtungsweisen.
Ich verneine das, während Du die Hoffnung hegst das Missionierung Früchte trägt.
Die Frage ist schon derart grundsätzlich, dass man sie fast im Rahmen der "Globalisierung" oder dem "Kampf der Kulturen" -ohne Aussicht auf gemeinsamen Konsens- weiter diskutieren könnte.

Bei Afghanistan wiegt der Faktor, dass es sich dabei um eine derart fremde und mit dem westlichen Weltverständnis inkompatible Gesellschaft handelt, eben in meinen Augen derart schwer, dass ich eben vor allem aus dem traditionellen Kontext heraus, genau besonders dort eine erfolgreiche Missionierung für ausweglos halte. Das Selbstverständis der afghanischen Tribalkultur, ist eben nunmal so. Ob es Dir, oder sonstwem gefällt, ist eine andere Frage. Ich halte die Zustände dort nunmal für absolut und kaum änderbar. Der Vergleich mit Sachsen und Bayern zieht im Übrigen keinsfalls. Das Bild was sich uns heute bietet, ist eher mit dem zu verlgeichen, was sich den Römern bot, als sie die Regionen dies und jenseits des Rheins erkundeten. Wink

Zitat:Da muss man eingreifen und schwache Institutionen und Strukturen reparieren. Das verletzt zwar die Souveränitäzt der Staaten, aber in einer globalen Gesellschaftswelt kann man eh drauf pfeifen. Es hat so oder so seine Auswirkungen auf uns.
Nun es geht ja nicht darum, den Wilden beizugbringen, dass sie nicht mehr nackig runmlaufen sollen.
Du willst grundlegende und traditionelle Konflikte und Lebensweisen auf den Kopf stellen, die sich über jedwede ethnischen und religiösen Hintergründe Hinwegheben. Du Thomas mal ernsthaft...
Das Probieren in der Region alle Staaten seit Menschengedenken auf Ihre Weise und scheiterten bisher an allen Ecken und Enden. Die künstliche Einheit die Du schaffen willst, wäre derart fragil, dass sie wie im Irak (und spreche ich, wie bereits geschildert, eine deutlich homogeneres Nationalsbewusstsein zu) bei dem geringsten Aufhänger (und die lassen sich nicht vermeiden) wie ein Kartenhaus wieder zusammenfallen.

Zitat:Beratung und begleitende Hilfe ist angesagt ( um wie oben ausgeführt) die Problembewältigungsstrukturen innerhalb der Staaten zu stärken.
lol. Das hösrt sich ja richtig nett an und würde unter der mehrzahl der Afghanen sicherlich ein Schmunzeln verursachen. Die würden sagen : "Hilfe ? Cool, weißer Mann! Dann schick mir doch ein paar modernere Waffen und ein paar Millionen Dollar. Dann wäre mir geholfen und Du bleibst für ne kleine Zeit mein Freund." :rofl:

Zitat:Sowas ist schwer, sowas dauert und im Falle Afghanistans ist dies sicherlich auch schwer. Aber für meinen Geschmack bist zu ein bißchen zu sehr Traditionsvernarrt.Aber man kann imme rund überall bei vorsichtigem Vorgehen Strukturen udn Lebenswelten ändern. Auch in Afghanistan.
Ich persönlich bin in keinster Weise "Traditionsvernarrt". Was die Afghanen betrifft, so trifft dies absolut zu. Ich bin da schlicht Realist.
Ich glaube auch vielmehr, dass Deine westliche -sorry, aber auch etwas naiv-idealistische- Vorstellung bei Afgnaistan auf eine sprichwörtlich "fremde Welt" trifft.

Zitat:wenn ich ein fertiges Konzept hätte würde ich mein Studium auch mal für ein sagen wir zwei- oder dreijährigen Aufenthalt in Afghanistan unterbrechen.
Och, mach das doch trotzdem mal. Dann unterhalten wir uns vielleicht nochmal über die realistischen Möglichkeiten Wink

Zitat:Aber rein von der Theorie kann man so vermittelnd (mediatisierend) in die dortigen lebesnwelten einwirken, dass eben sie nicht mehr wie die Vormenschen sich stets und ständig die Köpfe einschlagen.
Das tun wir hier in unserer "ziviliserten" Welt ja auch. Nur sind unsere Motive nicht so nieder und drehen sich um Rohstoffe und Befreiung fremder Völker und halt weniger um Religion und Ethnie.

Zitat:Es sind immerhin Menschen und ich würde nicht denken, dass sie zu dumm wären oder zu brutal, als dass sie nicht friedlich leben könnten ( oder meinst du sowas??).
Die Strukturen sind dort halt sehr problematisch und da was zu machen, darin liegt die MAmmuthafte von intelligentem Statebulding.
Dieser Satz verdeutlich für mich in besonderer Weise, dass Du tatsächlich nicht verstehst, warum und wieso die Dinge dort so sind und das sie auch durchaus so leben können und wollen.
Es ist ja nicht nur ein Land des Bürgerkrieges. Solang keine exogenen Einflüsse wirken, die eine der Parteien für seine Sache gewinnen will, lässt sich ein halbwegs freidliches Nebeneinander in einer Tribalkultur durchaus realisieren und solche Phasen hat es auch in Afgnaistan gegeben.
Die Verschlimmbesserung durch westliche Präsenz und Einflussnahme trägt aber nicht dazu dabei, sondern schafft nur Eifersucht, weil eben jede dieses Parteien aus dem historischen Kontext heraus einen berechtigten Ansrpruch auf eine gewisse Vorherrschafft hätte.
Da ich aber eben nicht davon ausgehe, dass man die Afghanen in Ruhe lassen wird, wird man auch eben die Tribalkultur immerieder ausnutzen, so wie man es in der Vergangenheit getan hat.

Zitat:Und Syrien und Irak gab es nie als Staaten
Das habe ich nicht gesagt. Es gab und gibt sie aber unter dem Mantel einer Nationen Einheit und Selbstverständnisses.


- bastian - 20.11.2005

Zitat:Och, mach das doch trotzdem mal. Dann unterhalten wir uns vielleicht nochmal über die realistischen Möglichkeiten
Hast du dich denn zwei Jahre in Afghanistan aufgehalten? Ich nehme an dass nicht, woher weisst Du dann was realistisch ist, was eine realistische Zukkunftsperspektive ist?
Naiv orientalische Weltsicht?

Was bisher in Afghanistan versucht wird, ist noch nie dort versucht wurden, ich wäre mir nicht so sicher ob das alles zum Scheitern verurteilt ist. Die Afghanen sind doch sicherlich an einer besseren Zukunft interessiert und mit einem verhaften in tribalistischen Strukturen ist der Sache nicht gedient.
Die Afghanen haben zum erstenmal einen gewählten Präsidenten, bald ein gewähltes Parlament, das sind doch Fortschritte. Der Bürgerkrieg bzw. die Kämpfe lodern auch auf sehr niedriger Flamme.
Ich wage mal die Behauptung, daß es in Afghanistan die letzten 25 Jahre nicht so friedlich wie jetzt war.


- Shahab3 - 20.11.2005

@bastian
Zitat:Hast du dich denn zwei Jahre in Afghanistan aufgehalten?
Nein Danke, Mallorca klingt irgendwie sympathischer. Cool

Zitat:woher weisst Du dann was realistisch ist, was eine realistische Zukkunftsperspektive ist?
Es geht doch eher darum, was ich für realistisch halte.
Ich habe keine Glaskugel, oder sonstige seherische Fähigkeiten.
Dennoch glaube ich gut begründen zu können, warum ich gewissen Zukunftsperspektiven eine deutlich größere Chance einräume, als anderen.

Zitat:Was bisher in Afghanistan versucht wird, ist noch nie dort versucht wurden, ich wäre mir nicht so sicher ob das alles zum Scheitern verurteilt ist.
Die konstituionelle Monarchie in Afghanistan ist gescheitert.
Jegliche Bestrebungen ausländischer Kräfte das wilde und unvergleichbar diversifizierte Afghanistan in einen kontrollierbaren Rahmen zu drücken, sind ebenso seit Jahrhunderten gescheitert. Und die haben die Probleme vermutlich deutlich besser verstanden, als die illustrie Runde der Bonner Afghanistankonferenz.

Es bedarf keiner großen Phantasie, um zu erkennnen, dass dieses Land unvergleichbar kompliziert in seiner inneren Struktur ist. Es gibt und gab nie eine wirklich brauchbare nationale Integrität, die über den gemeinsamen Kampf gegen etwaige Feinde hinausging. Es ist nunmal deutlich wichtiger Usbeke, Paschtune, oder Shiite zu sein, als Afghane.
Ein Dostum, wird niemals mit einem Hekhmatyar zusammenarbeiten, etc...Du kannst Dich nicht einfach so blauäugig über jahrhunderte alte ethnische und religiöse Konflikte hinwegsetzen.

Versuch doch mal einem Kurden beizubringen, dass er ab heute Türke zu sein hat. Versuch doch mal einem radikalen Sunniten beizubringen unter der Shia zu leben. Das ist doch völlig albern... Tito und Saddam haben solche "Wunder" auch nie wirklich vollbracht. Und das noch unter deutlich besseren Umständen.
Und schau Dir an, wie es heute im Irak oder Ex-Jugoslawien aussieht...

Auch wenn man mal die Wahl in Afgnanistan näher betrachtet: Die Menschen haben gewählt, was ihnen ihr Stamm vorgeschrieben hat. Die Akzeptanz der derzeitigen Verfassung ist erkauft und das ist kein großes Geheimnis. Karzai hat im Grunde null(!) Einfluss auf das was ausserhalb Kabuls vor sich geht. Ein größerer Einfluss wird ihm auch niemals gewährt werden. Wenn er einen solchen Versuch unternehmen sollte, war er längste Zeit Präsident, oder gar am Leben gewesen. Nicht mal für Geld, vermutlich...

Wer behauptet, die Afghanen würden diese "Chance" als einmalig erachten, übersieht die grundlegenden Fakten. Die derzeitge Chance heisst für alle ersteinmal Frieden, Geld, Konsolidierung und Chance des Wiedererstarkens.
Diese vermeintliche Ruhe ist trügerisch und wird nur so lange halten, bis der nächste interne Konflikt ansteht.
Wer soll das ohne dauerhafte ausländische Truppenpräsenz verhindern können ?
Wenn einer Dauerbesatzung durch ISAF in Deinen Augen eine langfristige Perspektive ist. Ok! Dann sag das aber auch dazu.

Aber da Du mir ja die Kompetenz zurecht absprichst, lasse ich zur Untermauerung meiner "Thesen" mal ein paar anerkannte Experten sprechen :

PSL:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/3/0,1872,2105635,00.html">http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/3/0,1872,2105635,00.html</a><!-- m -->
Zitat:...
Trotzdem wurde Karzai von der großen Ratsversammlung, der Loya Dschirga, an der Spitze Afghanistans bestätigt. Stammesführer, Mullahs, Warlords, ein paar Intellektuelle und eine umfangreiche Frauen-Delegation hatten sich zusammengefunden, doch von dieser Schura wusste man, dass die Akklamation Karzais durch Druck und Bestechung zu Stande gekommen war. Nach wie vor herrschen in den Provinzen Afghanistans weiterhin die lokalen "Warlords".
...
Prof. Albert A. Stahel :
Zitat:...
Dass diese Eindrücke nicht trügerisch sind, sondern einen realen Hintergrund haben, zeigt sich auch in Gesprächen mit afghanischen Entscheidungsträgern. Die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan, mit Ausnahme der ständigen Unruheprovinzen im Osten und Südosten, wird von den Entscheidungsträgern als relativ ruhig bezeichnet. Dies sei jedoch nicht den Aktivitäten der ISAF und KMNB bzw. der Koalition zu verdanken, sondern der Tatsache, dass ein breit abgestützter, wohlorganisierter Aufstand bisher ausgeblieben sei. Für die Zeit nach den Wahlen wird ein solcher von den Entscheidungsträgern jedoch nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil: Sowohl bei regierungsunabhängigen Entscheidungsträgern (Oppositionspolitikern) als auch bei der Bevölkerung machen sich Resignation und Frustration aus verschiedenen Gründen bemerkbar.
...
Friedrich-Ebert-Stiftung:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.bglatzer.de/aga/files/afgh_konfl.pdf">http://www.bglatzer.de/aga/files/afgh_konfl.pdf</a><!-- m -->
Zitat:Selbst in den relativ friedlichen Gebieten Afghanistans ist das Bild der Ruhe trügerisch, wie wir feststellten, trauen die Menschen dem Status quo nicht und befürchten neue Gewaltausbrüche, wenn zur Sicherung und zur wirtschaftlichen Gesundung nicht erheblich mehr als bisher geschieht.
Folgende Konfliktebenen werden in dieser Studie aufgezeigt:
· Die Kabuler Übergangsregierung
· Zentrum vs. Peripherie
· Regionale Zentren vs. regionale Peripherien
· Politisch- ideologische Konflikte
· Ethnizität
· Wirtschaft und Drogen
· Der Sicherheitssektor
· Ausländische Interventionen
Eine der Hauptkonfliktlinien verläuft quer durch die Übergangsregierung in Kabul. Auf der einen Seite steht eine wohlorganisierte kleine Minderheit von wenigen Familien aus dem Panjshir-Tal nördlich von Kabul, die die drei mächtigsten Ministerien (Außen- und Verteid igungsministerium und einen Großteil des Innenministeriums) mit der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst kontrollieren. Auf der anderen Seite steht Präsident Karzai mit Vertretern verschiedener Parteien und Gruppie rungen, die in den vergangenen Jahrzehnten sowohl gegeneinander als auch miteinander gekämpft haben und heute nicht mehr gut genug organisiert sind, um ein Gegengewicht zu der immensen Macht der Panjshiri-Fraktion (Shora- ye Nizar) zu bilden.
...



- bastian - 20.11.2005

Zitat:Es geht doch eher darum, was ich für realistisch halte.
Ich habe keine Glaskugel, oder sonstige seherische Fähigkeiten.
Dennoch glaube ich gut begründen zu können, warum ich gewissen Zukunftsperspektiven eine deutlich größere Chance einräume, als anderen
Schon okay, nur hast Du Thomas eine "westliche naiv-idealistische- Vorstellung bei Afghanistan" vorgeworfen und er habe keine realistische Vorstellung von der dortigen Kultur, weil er nie dort gewesen sei...
Zitat:Jegliche Bestrebungen ausländischer Kräfte das wilde und unvergleichbar diversifizierte Afghanistan in einen kontrollierbaren Rahmen zu drücken, sind ebenso seit Jahrhunderten gescheitert. Und die haben die Probleme vermutlich deutlich besser verstanden, als die illustrie Runde der Bonner Afghanistankonferenz
Glaube schon, daß die Briten und vor allem die Sowjets von den Verhältnissen in Afghanistan null Ahnung hatten, die Petersberger Afghanistankonferenz hat aber zumindest einen Funken Ahnung gehabt und im Vergleich zu anderen westlichen Interventionen (Somalia...) funktioniert die in Afghanistan leidlich besser.

Zitat:Du kannst Dich nicht einfach so blauäugig über jahrhunderte alte ethnische und religiöse Konflikte hinwegsetzen.
(...)
Wer behauptet, die Afghanen würden diese "Chance" als einmalig erachten, übersieht die grundlegenden Fakten. Die derzeitge Chance heisst für alle ersteinmal Frieden, Geld, Konsolidierung und Chance des Wiedererstarkens.
Diese vermeintliche Ruhe ist trügerisch und wird nur so lange halten, bis der nächste interne Konflikt ansteht.
Will ich auch gar nicht, die werden sich nicht hinsetzen und sagen "Jetzt sind wir alle Afghanen und die besten Freunde". Aber ich kann mir auch nur schwer vorstellen, daß die Kriegsherren und vor allem die Bevölkerung nach 25 Jahren Dauerkrieg noch ernsthaft Interesse oder den Willen dazu haben, sich weiter mit der AK in der Hand zu bekriegen.
Nach den Erfahrungen der letzten Jahre, vor allem nach dem Ende der sowjetischen Besatzung werden die Protagonisten doch über das Häufchen Restvernunft verfügen und erkannt haben, daß sich eine Partei ohne massive Hilfe von außen nicht den ganzen Staat unter den Nagel reissen kann und wenn doch hat man den Rest gegen sich und dann regelt das ganze sich von selbst.
Warum dann nicht im eigenen Machtbereich tun und lassen was man will, mit dem Rest in Frieden leben und den Präsidenten formelhaft Loyalität schwören und dabei einen guten Mann sein lassen?
Klar ist das keine perfekte Zukunft für einen Musterstaat, aber eine Perspektive für einen sehr föderalen, relativ friedlichen Staat.

Bin natürlich auch kein Fachmann und genausogut können die sich bei einem Abzug der ISAF und der US Truppen sofort wieder die Köpfe einschlagen.

Aber irgendwie kommt bei Afghanistan meine naiv westliche optimistische Weltsicht durch...

Karzai ist Herrscher über Kabulistan, das ist mir auch klar, aber nicht umsonst geht die ISAF jetzt auch in die Provinzen.


- Shahab3 - 20.11.2005

@bastian
Zitat:Schon okay, nur hast Du Thomas eine "westliche naiv-idealistische- Vorstellung bei Afghanistan" vorgeworfen und er habe keine realistische Vorstellung von der dortigen Kultur, weil er nie dort gewesen sei...
Ich habe ihm keinesfalls vorgeworfen, dass er nie dort gewesen ist, aber seine Sichtweise habe ich kritisiert. Es ging da insgesamt um die Sache/Aussage nicht um die Person. Nicht, dass wir uns mißverstehen...
Thomas sieht die Dinge meist schon relativ ausgewogen, aber in diesem Fall mbMn deutlich zu optimistisch und idealistisch. (was kein Verbrechen ist Wink )

Und da bezog ich mich im Speziellen auf die allgemeine westliche Arroganz/Einblidung die sich einredet, den Rest der Welt missionieren zu müssen und auch zu können.
In meinen Augen klaffen da aber Wunsch und Wirklichkeit auseinander und somit halte ich das nunmal (aus meiner Perspektive heraus) für eine etwas "westliche naiv-idealistische" Einstellung. Insbesondere beim Fall Afghanistan, wo die Variablen besonders ungünstig besetzt sind.

Mit "naiv" meine ich btw auch nicht "dumm-kindisch", sondern "idealistisch-selbstüberschätzend". Das hat also nichts damit zu tun, dass ich hier jemanden nicht für voll nehme. Das Gegenteil ist der Fall !

Zitat:Aber ich kann mir auch nur schwer vorstellen, daß die Kriegsherren und vor allem die Bevölkerung nach 25 Jahren Dauerkrieg noch ernsthaft Interesse oder den Willen dazu haben, sich weiter mit der AK in der Hand zu bekriegen.
Das sehe ich wohl genauso. Nur ist das gleichzeitig auch keine Basis für ein dauerhaftes abschwören von der AK. Leid sind sie den Krieg allemal, auch wenn die Afghanen schon immer ein kriegerisches Volk waren und der bewaffnete Konflikt im Grunde Teil der Kultur ist. Das Ausmass der letzten Jahre (Krieg mit UDSSR und Bürgerkrieg), hat aber ein enormes Ausmass gehabt.
Das Land ist vollständig und nachhaltig zerstört. Es gibt derzeit, das muss man so hart sagen, einfach nichts. Keine Arbeit, keine Infrastruktur, etc...Dafür viele Kriegsgeschädigte und Armut. Ich glaube schon, dass die Afghanen ihre internen Fehden hienanstellen und erstmal Ruhe wollen.
Die Frage ist halt, wie es mittelfristig ausschaut. Ich denke, insbesondere da malen wir ja unterschiedliche Zukunftsbilder.
Dabei muss ja in meinen Augen nicht gleich wieder ein totaler Bürgerkrieg ausbrechen. Aber ein blühendes, demokratisches Afghanistan, ohne Stammesfehden und zeitweilige Scharmützel/Kriege einzelner bewaffneter Volkgruppen und einer stabilen Zentralregierung, wäre wohl ein Wunsch der vermutlich nicht in Erfüllung gehen wird. Auch wenn ich diesen Wunschtraum natürlich teile.

Hierbei spielt die ausländische Einflussnahme, wie bereits von Euch gesagt wurde, eine zentrale Rolle.
Wie werden sich die umliegenden Länder und die Besatzungstruppen verhalten ?
Wird man einzelne Gruppen/Stämme unterstützen, oder Karzai ?
Wie wird sich das interne Machtgefüge dadurch verschieben?
Welche Volksgruppen werden bevorzugt behandelt ?
Werden die Taliban wieder erstarken, wenn die ISAF Truppen weg sind ?
etc..


- hawkeye87 - 20.11.2005

Big Grin kurz mal weg und schon gehts hier rund. irgendwei ist das immer so ... zufall? Rolleyes

also ... bezügl. des state- / nation-building: die beiden begriffe sind völlig unterschiedlich. zum nation-building gibts hier einen recht guten artikel: <!-- m --><a class="postlink" href="http://en.wikipedia.org/wiki/Nation_building">http://en.wikipedia.org/wiki/Nation_building</a><!-- m --> . da nation-building sich in der realität doch als relativ schwierig bis un möglich herausgestellt hat, wurde der begriff des "state-building" eingeführt.

Zitat:bastion postete
Aber ich kann mir auch nur schwer vorstellen, daß die Kriegsherren und vor allem die Bevölkerung nach 25 Jahren Dauerkrieg noch ernsthaft Interesse oder den Willen dazu haben, sich weiter mit der AK in der Hand zu bekriegen.
dann hast du dich noch nicht mit dem "warlordtum" und den sog. "neuen kriegen" beschäftigt. bei diesen kriegen handelt es sich nicht um kriege mit dem ziel einer staatsgründung oder einer machtübernahme mit dem ziel der schaffung eines funktionierenden staates, sondern die kriege werden gemäß der formel des 30jährigen kriegs geführt: "der krieg ernährt den krieg".
da die hautleidtragenden dieser kriege nicht die soldaten sondern die zivilisten sind, können die krieg praktisch endlos geführt werden, da zum einen die verluste unter den soldaten relativ gering sind und zum anderen auch genug "ersatz" für gefallene in form von perpektivlosen und arbeitslosen innerhalb der leidtragenden bevölkerung vorhanden ist.
der wichtigste punkt ist aber, dass die warlords mit ende des bürgerkrieges ihren gesamten einfluss und ihre gesamte macht zumindest teilweise verlieren würden - allein schon das schließt den ernsthaften willen für ein ende kampfhandlungen aus.
kriege dieser art wie in afghanistan können praktisch endlos geführt werden, da genug material - sowohl in form von menschenmaterial (s.o.) als auch in form von waffen - vorhanden ist und es an geld (durch waffen- und drogenhandel, organisierte kriminalität, erpressung, ausländische unterstützung) auch nicht mangelt. die andauernden versuche der hilfsorganisationen, das land aufzubauen, sorgen außerdem dafür, dass sich das plündern auch lohnt.

zur perspektive afghanistans: ich denke, in afghanistan gibt es zwei möglichkeiten - entweder eine demokratie nach westlichem vorbild mit den folgen der politischen anarchie oder eine starke zentralregierung mit diktatorischen zügen. in beiden fällen werden die lokalen kriegsherren aber ihre beherrschende stellung beibehalten - im ersten fall jedoch deutlich stärker ...


- ThomasWach - 21.11.2005

@ Hawkeye

Ich denke, dass sich Herfried Münkler über deinen Beitrag freuen würde. Natürlich handelt es sich hier nicht um klassische zwischenstaatliche Kriege, aber der begriff der "neuen Kriege" wiederum ist für mich etwas überbeansprucht und als Vokabel schon ausgeleiert.
Vorallem da das ganze ja in Afghanistan nix neues ist. Immerhin und da hat Shahab Recht, gab es solch tribale und regionale Führer in Afghanistan schon immer und die hatten nunmal auch das lo0kale Gewaltmonopol inne udn haben es zum größten Teil immer noch. Ob man da nun die schönen neuen Vokabeln des neuen Krieges oder des Warlords benutzt, das ist da nicht so wichtig.

Auf jeden Fall hat Shahab prinzipiell deine Anmerkungen schon inhaltlich gebracht, da er von Dauerfehde und Dauerkampf zwischen den ethnischen/tribalen Gruppen sprach.
Und natürlich geht es da darum durch den immer währenden Konflikt die Herrschaftstellung innerhalb der Hierachie zu behalten, durch den Kampf sich neue ökonomische Ressourcen bzw. neue Ausplünderungsmöglichkeiten zu erschließen. Diese (Neudeutsch) Gewaltökonomien sind aber nichts neues und wurden auch vor und nach dem Dreißigjährigen Krieg ( den Münkler da exemplarisch brachte) so durchgeführt.
Allerdings haben sie eine Schwachstelle: Sie sind irgendwann an einem natürlichen Ende. Irgendwann ist ein Land einfach einfach kaputt. Da gibt es auch die einstmals entrechten nichst mehr zu holen, da fast alles kaputt ist. In Afghanistan geht es letztlich höchstens noch um die Drogenanbaugebiete.

Nun aber zu Shahab:

Mhm, du mußt mir nicht lang und breit die Beharrungskräfte traditionaler Gesellschaften erklären. Die kann ich mir schon vorstellen. Andererseits solltest du dich auch mal mit der grundsetzlichen Evolution von Gesellschaften sowie mit dem Vorgang der Modernisierung beschäftigen:

Höchstwahrscheinlich hast du mich auch nicht ganz verstanden, zumindest nur so kann ich mir deinen verbalen Schnitzer von der naiv-westlich-idealistischen Sichtweise erklären.

Also es sieht doch folgendermaßen aus:
Egal wem es gefällt, die Globalisierung und hier insbesondere die Vernetzung der Gesellschaften und die verstärkte Abhängigkeit von Gesellschaften und Volkswirtschaften voneinander schreitet voran. Das ist weder konstruiert, noch ne Verschwörung einiger weniger. Schau dir die Verbindungen (Wirtschaft, Technologie, Kommunikation, auch Kultur teilweise) zwischen der Triade USA(Nordamerika), Europa und Ost/Südostasien an. Diese drei Schwerpunkte sind der Motor der Globalisierung, das sind die Zentren von Wohlstand und Modernität. Aber nur zwei davon sind originär westlich.
Ost/Südostasien hat es dagegen geschafft, dass an westlicher Modernität zu übernehmen und zu adaptieren, was es braucht, um die westliche Moderne einzuführen, um den technologischen und wirtschaftlichen Rückstand auf den Westen einzuholen. Sie haben es geschafft, oberflächlich westliche Strukturen zu übernehmen ( da sie einfach mal im Grundriss überlegen, effizienter und zur technologischen Moderne passen) und sie entsprechend an ihre Gesellschaften anzupassen. Dabei haben sich aber auch ihre Gesellschaften verändert, ihre Strukturen, Lebenswelten und Einstellungen. Aber dies ging gut, da sie es zum großen teil selbstverantwortlich gemacht haben bzw. so intelligent waren, dies anzunehmen. Aber sie haben dabei traditionelle Strukturen auch bewahrt und in ihre Art der Moderne miteingebaut. Und es ist doch ein Erfolgsrezept und nur wenige dieser Staaten sind klass. westliche Demokratien, die unseren Menschenrechststandards genügen bzw. selbst wenn sie es jetzt tun, als ihre Entwicklung begann, war dies nicht der Fall.
Sehen wir uns mal Indien an.
Indien beginnt nun mit der weiteren Modernierung, mit der Anpassung ihrer Gesellschaft an neue Arbeitsweisen, an neue Technologien und an mehr Wohlstand.
Und Indien hat wohl an sich mindestens genauso viele diverse Tribes udn Ethnien wie in Afghanistan, es gibt sogar noch untersch. Religionen!
Und historisch war Indien immer regional umkämpft, Maharadschas teilten das Land unter sich auf, Ausländer intervenierten immer wieder. Selbst die Mogulherrscher mußten mit starken "Warlords", den hindu. Rajputen kämpfen.
Aber Indien hat es geschafft im Rahmen eigener Entwicklung, brit. Einflüße und eigener Eigenentwicklung einigermaßen stabile Verhältnisse zu etablieren.
Natürlich ist Indien keine Vorzeigedemokratie, Hinduistenfundis udn Moslems liefern sich gerne mal gegenseitig blutige Anschlagsserien und auch in sachen Menschenrehcte liegt viel im Argen.
Aber wer wäre schon so dumm oder idealistisch hier nach westlichen Werten und Standards in Reinform zu fragen. ich siche rnicht, weil das nicht paßt. Aber es gibt diverse Muster und Strukturen, die in allen Formen menschl. Zusammenlebens funktional positiv sind und auch mit moderner Technologie und funktional ausdifferenzierter Wirtschaft harmonisieren
(funktional ausdifferenzierte Wirtschaft--> alles was eben über bloße Landwirtschaft hinausgeht udn Richtung Industrie geht).
Aber die Inder haben auch trotz großer Probleme es geschafft, dass es einigermaßen funktioniert, sie haben ihre eigene Interpretation der Modernität gefunden bzw. sind gerade dabei sie für sich zu definieren beiu allen verständlichen Problemen.

Und nun haben wir die islamische Welt, die da noch sehr am Suchen ist und ein großes Problem hat mit der Anpassung ihrer Lebenswelt an die moderne Realität transnationaler wirtschaftlicher Vernetzung, Interaktion und Kommunikation.
Die Moslems haben da keine so guten ANtworten bisher, daher hängen sie auch so hinterher.
Und Afghanistan ist da ein besonders schlimmer Fall, der noch mitten um Mittelater steckt.
Und Anfghanistan hat die einfache Wahl:
Entweder sie lassen sich helfen ( da es solch ein schwieriger Fall, muss eben der endogenen Entwicklung etwas anchgeholfen werden per Statebuilding) oder aber sie bleiben ewiglich zurück und werden zu einem weißen Fleck auf der globalen Landkarte, vergleichbar mit Schwarzafrika.
Das Shahab, das ist kein Idealismus, das sind Tatsachen.
Mit traditionalen Gesellschaften und mittelalterlicher fehde läßt sich weder Wohlstand, noch gesichertes Leben herstellen.
Und hier aber ist der springende Punkt. Afghanen sind auch nur Menschen und nicht alle leben dabei hinterm Mond. Manch einem wird kaum entgangen sein, dass die Moderne auch Segnungen wie Wohlstand und gutes Leben bringt und aufgrund des Einsickern solcher moderner Einflüsse ( Kommunikation, Heimkehrer aus der westlichen Welt) wird es auch immer Leute geben, die eben nicht mehr auf traditionale Fehde stehen.
Das ist der Ansatzpunkt. Und den hat Bastian, etwas anders formuliert schon gebracht: Die Leute sind da unten Kriegsmüde, sie lassen sich jetzt ertsmal helfen und dies ist gerade eine Chance, auch wenn du sie nicht erkennen willst oder sie mit Idealismus pomadig machst.
Es geht doch nicht darum, Afghanistan zu einer Demokratie zu machen,zu einem Land mit westlichen Menschenrechten. Auf diese dumme Idee kommt doch niemand. Auch sicher ich nicht. Es geht aber darum, dass wir so wie wir nunmal da sind, versuchen müssen, überbrückende Strukturen zu schaffen, Regelumgsmechanismen um Frieden zu erhalten. Die basieren zuerst mal auf Bestechungsgeldern und der Drohung von B-52 Bombern.
Aber so etwas kann man flexibel weiter ausbauen. Zur Not nietet man auch mal einen Warlord heimlich um oder man instrumentalisiert die anderen um den Mächtigsten auch zu killen. Alles nette Spielchen, die man zuerst machen muss. Aber man kann langsam die Moderne mitbringen, behutsam, vorsichtig. Neue technologien, Bildung für Frauen usw.All dies verändert langsam, aber beständig die Verhältnisse dort und was auch wichtig ist: Man stachelt durch neue Einflüsse die leute an, sich zu verändern, sich anzupassen.
Dass, was Ostasien geschafft hat, was Indien gerade schafft, das muss man hier auf sehr sehr niedriger Ebene eben anstoßen. Man Versucht probleme zu lösen, man bringt den leuten vor Ort bei, wier man friedlich auch mal ne Sache löst und wenn man das mit vorgehaltener waffe und genügend Bestechung auch mal ne Zeitlang macht, dann können sich Lerneffekte einstellen. Es können sich Lerneffekte einstellen, es müssen sich die auch nicht einstellen.
Aber jeder Eingriff, vorallem wenn er behutsam ist und Rücksichjt nimmt, hat Strukturverändernde Wirkung.
Und das hat mit Idealismus nun schon gar nichts zu tun, das ist reine Kenntnis systemisch-gesellschaftlicher Vorgänge. Denn selbst solch eine relativ starre, undifferenzierte und tribal-segmentäre Gesellschaft wie die von Afghanistan ist kein Monolith und unterliegt auch dem Wandel, vorallem, wenn man das intelligent und behutsam macht. Das ist natürlich keine Dynamik wie bei uns oder in Ostasien. Hier müssen erstmal langsam die ersten Entwicklungsschritte vollzogen werden. Aber dies ist Alternativlos, wenn Afghanistan nicht zum Niemandsland werden soll. Eien andere Chance zur Entwicklung haben sie nicht. Und da sind die Einwirkungen der nachbarschaftlichen Staaten wichtig, viel wichtiger aber ist, wie geschickt und wie druckvoll (Zuckerbrot und Peitsche) man die Entwicklungen in Afghanistan fördert.

Wie gesagt, dass ist kein Idealismus, höchstens in dme Punkt, dass man nicht will, dass Afghanistan zum weißen Fleck auf der Landkarte wird. UNd mit Missionierung hat dies nix zu tun. Es geht nur darum, ein entwicklungsschwaches Land etwas anzuschubsen, damit es zumindet zur Ruhe kommt und erst überhaupt mal anfangen kann sich zu entwickeln.
Dass das alles nicht einfach ist, ist klar. Wie gesagt, die Beharrungskräfte sind groß, nur es geht ja darum, dagegen as zu tun und da kann man mit flexibler Projekt und Funktionsausrichtung durchaus was bewegen....