(Luft) Ergänzende Helikopter für die Bundeswehr?
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(16.09.2023, 14:25)Broensen schrieb: Okay, wenn ich dir jetzt mal folge und in meiner Abstufung für die leichteste Klasse den H145 ansetze (evtl. ergänzt um zivil betriebene Schul-H135), kannst du mir dann sinnvolle Argumente dafür liefern, darunter noch einen H125M zu betreiben? Was wären dessen Vorteile in welchen Rollen gegenüber dem H145M?

Es ist halt ein einmotoriger Hubschrauber, dadurch hat er selbst im Vergleich zum H145 sehr niedrige Flugstundenkosten, eine gute Ausdauer, und er ist relativ einfach konstruiert. Das und der interessante Flugleistungsbereich machen ihn zu einem recht tauglichen Muster für die Aufklärung, Überwachung, auch für die leichte Feuerunterstützung, alles insbesondere im Bereich IKM. Sofern es nur über kurze Distanzen geht, kann man damit auch mal etwas transportieren. Ich habe ihn ja mal zu einer Zeit ins Spiel gebracht, als es primär um Auslandseinsätze ging.

Zitat:Aus diesen Aufgaben ergeben sich mMn Größenanforderungen, die weit unter den Dimensionen von CH47/53 liegen. Es genügt dafür ein Frachtraum, der nur etwas breiter und höher als der des NH90 ist, der des Merlin wäre mehr als ausreichend. Insofern komme ich alles in allem auf ein Maximalgewicht von vielleicht 14-16 Tonnen, nicht von über 22 bei der Chinook oder gar 38 beim King Stallion. Und das macht dann wieder Unterschiede bei der erforderlichen Infrastruktur und den Betriebsanforderungen.

Das Maximalgewicht ist auch so eine sinnlose Angabe. Ich meine das nicht persönlich, mir ist bewusst, dass das gerne für Vergleiche verwendet wird, und dass danach sogar Hubschrauberklassen gebildet werden, aber es ist im besten Falle nichtssagend und im schlimmsten Fall irreführend. Relevanter, wenn auch nicht unbedingt relevant, wäre eine Gegenüberstellung der Leergewichte und der Triebwerksleistungen (im Sinne von SFC), dann hat man zusammen mit dem konkreten Wartungsaufwand einen Möglichkeit zur ökonomischen Gegenüberstellung. Warum ich das hier explizit erwähne ist tatsächlich der konkrete Zusammenhang mit den britischen Betrachtungen zum Chinook und Merlin, die tatsächlich keine operativen Vorteile für letzteres feststellten. Das ist auch eine Folge der konkreten Konstruktion, aber zeigt zumindest, dass die Problematik nicht so einfach auflösbar ist.
Die von dir so benannten "Unterschiede bei der erforderlichen Infrastruktur und den Betriebsanforderungen" ergeben sich abseits der Typenabhängigkeit aus der Nutzung, und solange die Unterschiede bei dieser nicht zu groß werden, sind es auch diese Unterschiede nicht. Soll heißen, Mit einer gegebenen Zuladung unterscheiden sich die tatsächlichen Abfluggewichte von Merlin und Chinook nicht signifikant voneinander, auch wenn die von letzterem höher liegen. Folgerichtig ist losgelöst von den typenabhängigen Faktoren der logistische und infrastrukturelle Aufwand nicht signifikant größer.
In Zahlen etwa ausgedrückt heißt dies, dass der Chinook beispielsweise in kanadischen Diensten konkret 25% teurer pro Flugstunde als ein Cormorant (AW101) ist, und das, obwohl letzterer eine höhere Flugstundenzahl pro Zelle und Jahr aufweist, was normalerweise die Flugstundenkosten reduziert. Bei ähnlichen Voraussetzungen würde ich von einem Unterschied im Bereich von unter 10% ausgehen.

Wenn ich jetzt deine Anforderungen sehe, dann sehe ich da kein Muster oberhalb der bisherigen Leistungen des AW101, sondern eher eine moderne technische Interpretation von eben diesem. Also beispielsweise zwei statt drei Triebwerke, eine leichtere Zelle, und ansonsten lediglich eine technologische Auffrischung. Da stecken noch locker zwei Tonnen Potenzial in dem Muster (eher sogar noch mehr), und mit einem besseren Antriebsstrang kann man dann auch eher Zuladung und Treibstoff nutzen, etwas, dass aktuell ja beim Merlin gar nicht möglich ist.

(16.09.2023, 15:10)Quintus Fabius schrieb: Helios:

Die Standardkonfiguration des AW101 erlaubt maximal 27 vollausgerüstete Soldaten, wobei üblicherweise nur 25 Sitze genutzt werden (weil die Position in der Heckklappe nicht angenehm ist für längere Distanzen). Im CH-47F kommen in der Standardkonfiguration 33 vollausgerüstete Soldaten unter. Anders als beim Merlin sind beim Chinook zwei Doorgunner ohne Kapazitätseinbußen möglich.
In der engen Konfiguration sind es im übrigen beim AW101 40 Soldaten, beim Chinook 55.
Die Reichweitenangaben sind nicht normalisiert, die durchaus beeindruckenden Reichweitenleistungen des AW101 werden nur ohne großartige Zuladung erreicht. Bei einer Zuladung von 2,5 Tonnen etwa liegt der AW101 auf dem gleichen Niveau wie der NH90. Der CH-47F krankt an seiner geringen Treibstoffzuladung ohne Zusatztanks, die ja leider Deutschland nicht beschafft hat (und stattdessen die Luftbetankung nutzen will).

(16.09.2023, 15:26)Broensen schrieb: Mich würde auch mal interessieren, was die konkreten Kritikpunkte am AW101 sind.
Denn dass er bei den Briten in Kombination mit der ebenfalls betriebenen Chinook als Transporter schlecht abgeschnitten hat, sollte ja nicht verwundern. Viel interessanter ist doch aber, wie er im Vergleich mit dem NH90 abschneidet und wo dabei seine Leistungsgrenzen zum Problem werden. Oder ob er schlicht an der technischen Umsetzung krankt und woher das kommt.

Der AW101 ist als Langstrecken-ASW-Hubschrauber entwickelt worden, der zudem eine leichte Transportfähigkeit für SAR-Aufgaben besitzt. Und genau da liefert er gute Leistungen ab. Wenn man sich allerdings den Flugleistungsbereich anschaut, dann wird klar, dass aufgrund des geringen MTOW im Verhältnis zum Leergewicht die theoretischen Transportleistungen auf die Reichweite nicht umgesetzt werden können. Eigentlich bräuchte er zwei Tonnen mehr Spielraum, hat er aber nicht. Das ist auch eine Folge der Konfiguration mit drei Triebwerken, das hat für das Einsatzprofil der Marine durchaus Vorteile (tatsächlich wird zur Reichweitensteigerung ein Triebwerk im Reiseflug abgeschaltet), für eine Zuladungsorientiertes Muster wäre aber eine Konfiguration mit zwei leistungsstärkeren Antrieben die bessere Wahl gewesen. Durch die drei Triebwerke wurde der Wartungsaufwand deutlich erhöht, das wiederum erhöht die Flugstundenkosten, die deshalb beispielsweise im Vergleich zum Chinook nicht die Leistungsunterschiede widerspiegeln. Das war auch der Hauptgrund, weshalb die RAF dieses Muster nicht haben wollte: so aufwändig wie ein STH, aber keine Leistung wie ein STH.

Wenn eurer Meinung nach das hier von dir skizzierte Leistungsniveau sinnvoll und passend wäre für einen universellen Transporthubschrauber, und bei operativen Fragen bin ich ja eher der falsche Ansprechpartner, dann wäre es meiner Ansicht nach tatsächlich am sinnvollsten, die zukünftigen Entwicklungen in dem Bereich aufzuteilen und einen größeren, leistungsstärkeren Heeres- und einen leichteren, kleineren Marinehubschrauber zu entwickeln.
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RE: Ergänzende Helikopter für die Bundeswehr? - von Helios - 16.09.2023, 20:52

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