(Luft) Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger
(11.04.2023, 20:06)Quintus Fabius schrieb: Wäre es also möglich rein theoretisch einen Kampfhubschrauber mit Maximalkosten von - sagen wir frei heraus 35 Millionen zu bauen, der trotzdem alle genannten Anforderungen erfüllt ?

Ich bin ja immer sehr vorsichtig mit den Preisangaben, deshalb vielleicht ein paar Worte dazu:

Ein zivil durchaus erfolgreicher Leonardo AW189 liegt, wie hier bereits erwähnt, in der prinzipiellen Leistungsklasse eines mittleren Kampfhubschraubers und besitzt einen Listenpreis in der Standardversion ohne irgendwelche Modifikationen von etwa 17 Millionen Dollar. Eine reine Adaption für militärische Zwecke, also etwa eine Anpassung der Kommunikationsmittel, eine entsprechende Kabinenausstattung und ähnliches positioniert ein solches Muster im Bereich schnell über 20 Millionen Dollar, bei einer echten Miliarisierung landet man im Bereich von 30 Millionen Dollar plus. Mit “echter Militarisierung” meine ich Möglichkeiten zum Waffeneinsatz, kostengünstige passive Selbstschutzsysteme, Zusatzfähigkeiten wie Nachtsichttauglichkeit und so weiter. Erst im letzten Jahr hat Polen 32 AW149 (das ist die militärische Version des AW189) für 1,85 Milliarden Dollar geordert, mit entsprechenden für den Betrieb notwendigen Nebenkosten, nur um da mal ein konkretes Beispiel zu geben. Nominell kostet die Anschaffung also fast 58 Millionen Dollar pro Maschine (der reine Stückpreis wird da irgendwo bei den genannten 30 bis 35 Millionen liegen).

Der AW249 kommt von den westlichen Kampfhubschraubern der letzten dreißig Jahre dem angesprochenen Konzept am nächsten: er setzt auf zivile Komponenten auf, geht bei den militärischen Aspekten kein Risiko ein und ist explizit auf niedrige Unterhaltskosten ausgelegt, was sich natürlich im Einsatz erst noch beweisen muss (aber die Basis dafür stimmt auf jeden Fall). Er hat auch einiges mit dem zuvor erwähnten AW149/189 gemein. Die bisherige Planung geht bei einer Bestellung von 48 Maschinen von einem Systempreis 69 Millionen Dollar aus, was zu einem Stückpreis irgendwo im Bereich von 45 bis 50 Millionen Dollar liegen dürfte (aktuell tatsächlich weniger, weil der Kauf in Euro abgewickelt werden dürfte).

Für FARA war ursprünglich eine Kostenobergrenze von 30 Millionen Dollar festgelegt worden, die natürlich zeitlich angepasst werden muss. Realistische Schätzungen gehen von einem Stückpreis im Bereich von etwa 40 bis 45 Millionen Dollar aus, wobei da noch die weitere Preissteigerung bis zur tatsächlichen Einführung einkalkuliert werden muss.

Um das ganze einzuordnen, Polen hat für den Beschaffungsauftrag von 250 M1A2 einen Systempreis pro Fahrzeug von etwa 18 Millionen Dollar bezahlt, für die Beschaffung von 180 K2 wurde ein Systempreis pro Fahrzeug von etwa 19 Millionen Dollar genannt. Bei der norwegischen Beschaffung des Leo 2A7 liegt der Systempreis nochmals höher.

Die Preise sind jeweils in Dollar angegeben, weil das im Luftfahrtbereich die Standardwährung ist.

Deine 35 Millionen Euro wären aktuell etwa 38 Millionen Dollar, einen derartigen Preis erachte ich für schwer erreichbar, unter 50 Millionen Dollar ist in meinen Augen aber wie dargestellt durchaus realistisch.
Relevanter sind tatsächlich die Gesamtkosten, denn üblicherweise kommt über die Lebenszeit noch ein Vielfaches der Anschaffungskosten hinzu. Der AW249 hat konzeptionell das Potenzial, kaum höhere Flugstundenkosten (im Bereich +10-20%) als ein gut ausgestatteter AW149 aufzuweisen, das gilt es aber noch abzuwarten. Auf konkrete Zahlen verzichte ich an dieser Stelle, weil die sinnvoll vergleichbar sehr schwer aufzutreiben sind.

Rein von den finanziellen Aspekten wäre der AW249, sofern die Prognosen in einem bestimmten Toleranzrahmen stimmen, in meinen Augen durchaus ein kriegsökonomisch sinnvolles Muster. Hinsichtlich der Kampfkraft wären in meinen Augen allerdings noch im Sensorbereich Anpassungen notwendig, die den Preis nochmals etwas erhöhen dürften, aber trotzdem realistisch sinnvoll umsetzbar wären.


Zitat:Und noch eine Frage: eventuell hast du darauf schon irgendwo im Strang geantwortet, aber was hältst du vom Rooivalk an sich ? Und was getrennt davon (!) von seinem grundlegenden Konzept ?

Es ist die Frage, was du mit dem “grundlegenden Konzept” genau meinst? Der ursprüngliche Plan war die Entwicklung eines Kampfhubschraubers auf der technischen Basis eines Transporthubschraubers, was prinzipiell schon einmal ein guter Gedanke ist. Und die gewählte Basis ergibt im südafrikanischen Kontext natürlich Sinn, man hätte quasi ein technisches Grundmuster mit ausreichenden Leistungsreserven für den Einsatz in den örtlichen klimatischen und topographischen Bedingungen. Soweit so gut, nur kam dann Hybris und Geld ins Spiel und man meinte, die Leistungsreserven verwenden zu können um aus dem Rooivalk einen hochtechnologischen, komplexen und extrem Leistungsfähigen Kampfhubschrauber zu machen. Und das ist dann grandios gescheitert.

Von daher halte ich vom Rooivalk, so wie er sich tatsächlich präsentierte, und von dem hinter der finalen Version stehenden Konzept nicht viel. Der ursprüngliche Weg wäre in meinen Augen der erfolgversprechendere gewesen.

(11.04.2023, 21:52)Broensen schrieb: Tatsächlich halte ich die Technologie des Racers für eine denkbare Option bei einem Tiger-Nachfolger und hätte dazu gerne auch mal die Einschätzung der anderen hier gehört: Was ist zu halten von einem Tiger 2 in der Konfiguration des Racer? Der Vorteil: Industrieförderung pur und dadurch politisch im Vorteil. Eine staatlich finanzierte Serienreife des Konzeptes könnte Airbus weit nach vorne bringen für eine zivile Verwendung.

Ich halte davon gar nichts. Zum einen ist Airbus der größte Zivilhubschrauberhersteller der Welt, der in diesem Bereich sowohl technologisch wie ökonomisch sehr weit vorn dabei ist und nicht nur ein eigenes Interesse an der eigenverantwortlichen Entwicklungen neuer Technologien für den Zivilhubschraubermarkt hat, sondern auch die nötigen Ressourcen zur Umsetzung. Zum anderen ist das Racer-Konzept für einen Kampfhubschrauber in meinen Augen weitgehend untauglich, weil die hohe Geschwindigkeit keinen signifikanten Vorteil bei defensiven Operationen bringt, dafür aber Gewicht und Signatur deutliche Nachteile.

(11.04.2023, 21:55)Quintus Fabius schrieb: Beispielsweise ist ja nicht jedes Terrain gleichermaßen für Kampfhubschrauber gut geeignet und ich habe irgendwo schon vor Monaten mal eine Analyse gelesen, dass die hohen Verluste an Kampfhubschraubern in der Ukraine nicht zuletzt auch durch das Gelände mitverursacht werden.

In der Ukraine traf so ziemlich alles aufeinander, was einen erfolgreichen Einsatz von Kampfhubschraubern verhinderte. Aus diesem Grund sollte man auch tunlichst davon absehen, daraus die falschen Schlüsse zu ziehen. Was die Russen gemacht haben wir dermaßen dumm und überheblich, dass die Verlustzahlen noch geradezu gnädig aussehen, weil in der wichtigsten Phase auch auf ukrainischer Seite nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung standen.

Zitat:In diesem Kontext sollte dann die Frage sein, wie ein zukünftiger Kampfhubschrauber spezifisch für den Kriegsraum in Osteuropa beschaffen sein sollte und noch spezifischer für einen Einsatz im Baltikum weil dort meiner Meinung nach am ehesten eine solche Zone entstehen könnte, in welcher keine Seite im größeren Stil temporär andere Lufteinheiten einsetzen kann, womit dort dann Kampfhubschrauber zu einer Lösung werden könnten um schnell auf wechselnde feindliche Schwerpunkte hin Feuerkraft verlegen und konzentrieren zu können.

Er sollte über Sensorik im Mast oder zumindest auf dem Dach verfügen (definitiv eher ersteres), möglichst leicht und beweglich sein, effizient im Übergangsbereich und mit geringer Signatur - kommt einem irgendwie bekannt vor, oder. Wink
Darüber hinaus wäre eine einfache Wartbarkeit und insbesondere eine Wartungsfreiheit mit Blick auf Spezialwerkzeuge über einen relevanten Einsatzzeitraum relevant. Der Anschaffungspreis dürfte im Vergleich zu den laufenden Kosten sogar etwas höher sein (bedeutet aber nicht übertrieben hoch), denn bei letzteren geht final die Kriegsfähigkeit verloren.
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