(Luft) Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger
Grolanner:

Auch wenn das hier natürlich zu weit weg vom eigentlichen Thema des Strangs führt, so will ich doch durchaus gerne hier antworten, weil dies gleich eine ganz gute Überleitung zu zwei meiner Meinung nach wesentlichen Punkten ist.

Zunächst mal zur Frage was das konkrete Beispiel sollte: Es ging mir darum, dass man hier und heute nur noch deshalb mit Kampfhubschraubern in der von anderen hier beschriebenen Weise agieren kann, weil gegnerische mechanisierte Verbände zu wenige zur Abwehr geeignete Maschinenkanonen haben. Ein Verband der sehr viel mehr leistungsfähige Maschinenkanonen hat, kann damit zugleich in alle Richtungen (Rundumsicherung) so viele MK in jede Richtung vorhalten, dass jeder Kampfhubschrauber der zu Nahe an den Verband heran kommt abgeschossen wird. Und dies übrigens selbst dann wenn er so niedrig wie möglich bleibt und nur noch über das Mastvisier oberhalb des Rotors aufklärt usw. Dies könnte der Kampfhubschrauber dann nur noch vermeiden, indem er in vollständiger Deckung bleibt und indirekt wirkt, was zur Frage führt, wer dann die Ziele für ihn aufklärt (wenn der Helis Bodenfahrzeuge per Radar etc sehen kann, können diese ihn ganz genau so per Radar sehen etc). Womit man eben keine dezidierten Kampfhubschrauber mehr benötigen würde.

Zur Kadenz der 76mm. Es gibt seit Jahren schon Systeme die eine solche MK mit einer Kadenz von ungefähr 100 Schuß die Minute haben. Das ist völlig ausreichend.

Zur Frage des Munitionsvorrats: das bereits seit Jahren ausgereifte Draco System, ein FlaK Panzer hat beispielsweise eine 76mm Kanone und hat als Radpanzer (!) bei einem Gewicht von maximal 30 Tonnen einen Munitionsvorrat von 36 Schuß. Wobei die Munition vollautomatisch nach Belieben gewechselt werden kann, man also je nach Belieben zwischen verschiedenen Munitionssorten hin und her schalten kann.

Das 76mm Kaliber habe ich aber nur deshalb gewählt, weil es eben schon verfügbar ist, und ich dezidiert nur Serienreife und vollständig ausgereifte Systeme der Gegenwart nennen wollte. Und weil dafür Vulcano Munition zur Verfügung steht, man mit dem 76mm Kaliber auch artilleristisch wirken könnte und aufgrund der Vulcano Munition extrem zielgenau auch auf extrem große Entfernungen.

Prototypen leichter Panzer hatten schon vor Dekaden bei einem 75mm Kaliber einen Munitionsvorrat von 60 Schuß.

Zur Frage in welchem Verhältnis man welche Munition mitführt und/oder welchen Anteil der Panzer man für welche Ziele bereit hält: das hängt natürlich dann vom konkreten Gegner, vom Szenario, von den Umständen und vom Auftrag ab. Nehmen wir beispielsweise an, der Verband soll artilleristisch einen anderne Verband der gerade in ein Begegnungsgefecht verwickelt wird unterstützen, könnte man ad extremum alle 50mm nur für die Flugabwehr in einer Rundumsicherung abstellen und mit allen 76mm dann auf bis zu 40 km (!) Distanz absolut präzise den anderen Verband artilleristisch mit indirektem Feuer unterstützen. Ein Extrembeispiel, aber es soll nur plakativ aufzeigen, was für eine immense Flexibilität hier möglich wäre, in jede Richtung.

Es wurde hier ja auch bezweifelt, dass man heute artilleristisch feindliche mechanisierte Verbände auf große Distanzen präzise bekämpfen könnte, aber gerade die heutigen Möglichkeiten der Artillerie, insbesondere auch was INS und GPS Steuerung und Endphasenlenkung angeht, auch mit Infrarot oder auf anderweitig markierte Ziele sind so immens, dass ich diese Aussagen dazu eben nicht nachvollziehen kann. Und man mit diesen Fähigkeiten eben einen Gros der Fähigkeiten von Kampfhubschraubern vollumfänglich ersetzen kann und dies auf sehr große Distanzen. Mit der 155 GPS/SAL kann man beispielsweise auch fahrende Panzer präzise und auf immense Distanzen vernichten.

Und damit zu zwei meiner Meinung nach wesentlichen Punkten:

Helios:

1. Einteilung der möglichen Einsatzräume nach Gefährung und die Frage ob man Kampfhubschrauber benötigt - also nicht die Frage ob sie rein theoretisch doch einsetzbar sind, sondern oder ob man sie überhaupt benötigt:

Zitat:könnte man auch von sicherem, zweifelhaftem und unsicherem Gebiet sprechen. Defensiv eingesetzt wird der Kampfhubschrauber primär in sicherem Gebiet oder am fließenden Übergang zum zweifelhaftem Gebiet agieren, und da ist er meines Erachtens sowohl Überlebens- wie auch Duellfähig. Offensiv verwendet kann man ihn durchaus über zweifelhaftem Gebiet einsetzen, wenn er ein gutes Situationsbewusstsein besitzt um die größten Gefahrenquellen umgehen zu können, auch wenn das Risiko natürlich ansteigt.

IN sicherem Gebiet können auch meiner Ansicht nach Kampfhubschrauber weiter eingesetzt werden. Aber das war und ist ja nie mein Argument gewesen. Man kann alles mögliche in sicherem Gebiet einsetzen, aber nur weil das kann, heißt dass nicht, dass diese Systeme sinnvoll sind, militärisch effizient sind oder dass man mit dem gleichen Mittelaufwand nicht auf andere Weise beim Feind viel mehr Schaden anrichten kann.

Wenn ich die gleiche Menge an Mitteln welche ich für die Kampfhubschrauber einsetze für andere Systeme verwende und diese können bei der gleichen Menge an Aufwand dafür beim Feind mehr Schaden anrichten, wäre es unsinnig weiter Kampfhubschrauber zu verwenden.

Und in sicherem Gebiet können die Aufgaben von Kampfhubschraubern meiner Überzeugung nach mit anderen Systemen effizienter UND effektiver erledigt werden. Kurz und einfach: wir benötigen keine Kampfhubschrauber um damit Kampfkraft IN sicherem Gebiet zu generieren. Wir könnten und wir sollten diese Kampfkraft IN sicherem Gebiet daher auf andere, effizientere und zugleich effektivere Weise generieren. Ob Kampfhubschrauber in sicherem Gebiet überlebens- und duellfähig sind oder nicht, spielt dafür gar keine Rolle.

Und in zweifelhaftem Gebiet gilt genau das gleiche: man könnte die Fähigkeiten welche Kampfhubschrauber hier bieten bereits jetzt und heute mit anderen Systemen ganz genau so bereit stellen. Hier tritt aber zu dem Beschriebenen noch die Frage des erhöhten Risikos hinzu. Kampfhubschrauber können hier und heute in zweifelhaftem Gebiet agieren, weil der Gegner meist keine ausreichende Luftraumverteidigung hat, aus vielerlei Gründen. Eine solche ausreichende Luftraumverteidigung muss aber eben keine Hochtechnologie sein, es genügen dazu schon wesentlich mehr Maschinenkanonen und Boden-Luft Raketen. Solche wird der Gegner in der Zukunft aber aufgrund der Bedrohung durch Drohnen in viel größerer Quantität haben müssen. Drohnen und andere solche Systeme ermöglichen es, eine quantiativ sehr viel umfangreichere Schlachtfliegerei einzusetzen, bei gleichen Mitteln. Entsprechend werden sich die Gegner der Zukunft darauf einstellen müssen und mit den Mitteln mit welchen man Drohnen vom Himmel holen kann, könnte man dann auch Kampfhubschrauber abschießen - wenn man die entsprechenden Einsatzmittel so auslegt, dass sie für beide Ziele gleichermaßen geeignet sind, was Sinn macht weil es effizienter ist und deshalb auch so geschehen wird. Dazu kommt noch die Bedrohung aus der Luft in zweifelhaftem Gebiet durch Kampfflugzeuge.

Aber auch umgekehrt gilt meiner Ansicht nach, dass die Aufgaben von Kampfhubschraubern in zweifelhaftem Gebiet weitgehend von Kampfflugzeugen übernommen werden können. (Fern)späher, Panzerkavallerie, Artillerie und Kampfflugzeuge können die Aufgaben die Kampfhubschrauber in zweifelhaftem Gebiet wahrnehmen können meiner Überzeugung nach bereits hier und heute zwischen sich aufteilen. Damit werden Kampfhubschrauber überflüssig.

Dann verbleibt noch der von dir genannte Spezialfall: dass beide Seiten sich zumindest temporär in einem Raum den Luftraum derart sperren, dass keine Kampfflugzeuge dort agieren können, und auch keine nennenswerten Mengen an Drohnen und dann, in diesem zweifelhaften Gebiet in welchem der Anteil des Luftraumes weitgehend unbenutzbar ist, dann Kampfhubschrauber Möglichkeiten über das hinaus bieten, was Bodeneinheiten (Späher, Panzerkavallerie, Artillerie) hier leisten können, insbesondere durch ihre Gefechtsautonomie. Nun könnte man argumentieren, dass auch eine Panzerkavallerie zwar ebenso eine hohe Gefechtsautonomie besitzt, aber ja nicht so mobil ist. Dafür sind sie umgekehrt aber auch nicht so vulnerabel.

Und wie häufig werden solche Spezialfälle sein? Dass ein zweifelhafter Raum über eine so lange Zeitspanne von beiden Seiten nicht in seinem Luftanteil mit Kampfflugzeugen benutzt werden kann, dass dies strategisch relevant ist ? Solche Gleichgewichtszustände sind in der Kriegsführung in der gesamten Kriegsgeschichte selten und wenn sie entstehen, dann immer nur vorübergehend. Und selbst wenn sie entstehen verbleiben zwei Fragen:

Warum sollte man auf einen solchen Zustand hin Kampfhubschrauber einsetzen, statt diesen Zustand selbst für sich in anderer Weise zu nutzen ?

Warum sollte dieser Zustand überhaupt den Einsatz von Kampfhubschraubern benötigen ? Ich sehe darin keine Logik zu sagen: es tritt ein solcher Zustand ein, nun müssen Kampfhubschrauber eingesetzt werden. Man könnte genau so gut auch keine einsetzen.

Und wenn insgesamt gesehen der Einsatzwert eines Systems so zweifelhaft ist, warum sollte ich es dann beschaffen und betreiben ? Nur weil ich es kann ? Weil es einsetzbar ist ?! Es gibt Aufgaben und diese muss man bearbeiten. Dazu benötigt man Werkzeuge. Wenn ich eine Aufgabe mit einem Werkzeug erledigen kann, ist es ineffizient dafür weitere speziellere Werkzeuge zu kaufen und mitzuführen.

Und deshalb schreibst du meiner Meinung nach immer etwas an mir vorbei (so zumindest meine Wahrnehmung). Du schreibst immer davon, dass man Kampfhubschrauber einsetzen kann. Von mir aus. Selbst wenn: nur weil man etwas einsetzen kann, heißt das nicht, dass man es einsetzen sollte, einsetzen muss und vor allem anderen nicht, dass man es erneut beschaffen muss nur weil es theoretisch weiter einsetzbar ist.

Man muss nicht alles beschaffen, vorhalten und einsetzen nur weil es einsetzbar ist.

2. Zur Frage was für ein technologisches Niveau notwendig ist um Kampfhubschrauber so weitgehend einzuschränken, dass sie sinnlos werden, weil sie unter die militärische Gewinnschwelle gedrückt werden:

Zitat:ich teile deine Einschätzung hinsichtlich der Möglichkeiten zur Technologieentwicklung und -entfaltung zumindest auf absehbare Zeit nicht, ich teile deine impliziten Gedanken zu Kosten und Risiken nicht

Zitat:Ich weise abermals auf die Grundproblematik hin, deine Vorstellungen einer Luftraumverteidigung basieren auf den Argumenten der Vernetzung und Autonomie, weil ohne diese weder die Choreographie noch die Reaktionsgeschwindigkeit sichergestellt werden kann, die für einen derartigen Verbund benötigt wird. Und diese Argumente sind abermals absolute Hochtechnologie, absehbar extrem aufwändig, teuer und mit neuen Risiken verbunden.

Alles was ich nannte ist hier und heute verfügbar, ist keine Zukunftsmusik, sondern dass sind Systeme die bereits von der Stange weg kaufbar wären. Nehmen wir das einfache Beispiel einfacher Maschinenkanonen: die von mir skizzierte Vorstellung einer Luftraumverteidigung basiert in Bezug auf die Maschinenkanonen weniger auf irgendwelcher omniöser Hochtechnologie, sondern sie basiert schlicht und einfach auf einer anderen Doktrin, einer anderen Struktur / Organisation und einer anderen Ausrüstung von Verbänden, mit Systemen die hier und heute marktverfügbar sind und damit vor allem anderen auf einer bloßen deutlichen Erhöhung der Quantität an MK in einem mechanisierten Verband.

Deshalb schreibst du auch hier meiner rein persönlichen Wahrnehmung nach etwas an mir vorbei, dahingehend, dass du schreibst, dass ich irgendwelche Hochtechnologie anstreben würde, während ich von der bloßen Anzahl der Maschinenkanonen schreibe. Wenn heute eine komplette Kampfgruppe teilweise gerade mal 4 FlaK-Panzer dabei hat, mit dann de facto 4 Maschinenkanonen im Kaliber 35mm, dann ist es selbsterklärend, dass so ein Verband von Kampfhubschraubern angegangen werden kann und dass der Kampfhubschrauber gegen einen solchen Verband duellfähig ist. Das bezweifle ich dann ja auch gar nicht.

Wenn ich ein Panzer-Bataillon habe, mit 45 Kampfpanzern mit BK in 120mm oder 130mm oder was auch immer, und dafür gerade mal 4 (in Worten VIER) MK in einem 35mm Kaliber zur Luftraumverteidigung, dann ist klar, dass Kampfhubschrauber einen solchen Verband angehen können und duellfähig sind. Und dass sie es auch in Zukunft sein werden, wenn der nächste Kampfpanzer erneut nichts anderes ist als Strukturextrapolierung.

Ich hatte aber explizit und mit genauen Zahlen beschrieben, wie ein Verband mit aktueller und marktverfügbarer Technologie so ausgestattet werden könnte, dass Kampfhubschrauber eben nicht mehr duellfähig und auch nicht mehr überlebensfähig wären woraufhin du geantwortet hast, dass es solche Verbände ja hier und heute nicht gäbe und sie ohne die konkrete Bedrohung von Kampfhubschraubern so ja auch nicht aufgestellt werden würden.

Und da kommen wir zu dem Punkt der Kaffeesatzleserei welche du mir hier vorwirfst:

Zitat:Meiner Meinung nach ist der ganze Abschnitt ein reines Totschlagargument basierend auf Kaffeesatzleserei. Niemand von uns weiß jetzt, wie in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren (symmetrische) Kriege ausgefochten werden.

Genau weiß man es nicht, aber wenn man gar nichts wüsste, dann könnte man sich nicht nur jede Diskussion sparen, sondern auch jede Vorbereitung. Ungeachtet der Lücken gibt es meiner Wahrnehmung nach durchaus eindeutige Tendenzen, die sich seit Jahren abzeichnen und immer klarer greifbar werden. Und eine davon ist, dass die Bedrohung aus der Luft, sowohl direkt wie auch indirekt immer mehr zunehmen wird. Und das deshalb auch die Luftraumverteidigung stärker werden wird. Das zum einen die Schlachtfliegerei und die taktische Luftnahunterstützung immens ausgeweitet werden wird und auch andere Systeme wie zielsuchende Munition und Artillerie dies noch weiter verdichten werden, zum anderen dass deshalb C-RAM Systeme immer mehr an Bedeutung gewinnen werden.

Aus dieser Dialektik heraus wird meiner Ansicht nach schon in naher Zukunft eine wesentlich leistungsfähigere Luftraumverteidigung vorhanden sein, ungeachtet der Frage ob noch Kampfhubschrauber vorhanden sind oder nicht. Und diese Leistungssteigerung in der Luftraumverteidigung - welcher meiner Überzeugung nach kommen wird - macht Kampfhubschrauber fragwürdig von ihrem Preis-Leistungsverhältnis, insbesondere aber von ihrem Einsatzrisiko her.
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Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger - von Helios - 18.03.2023, 10:45
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