(Luft) Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger
Aus dem von Jason77 vernetzten Artikel:

Zitat:Während die (Industrie-) Politik mit dem traditionell starken Einfluss süddeutscher Abgeordneter die Airbus-Hubschrauber bevorzugen, wird von der Bundeswehr eine amerikanische Lösung präferiert.

Die Viper von Bell war hingegen bereits seinerzeit als Zwischenlösung zwischen dem Tiger und dem Next Generation Rotorcraft im Gespräch gewesen und durch Teile des Deutschen Heeres favorisiert worden. Vor allem die gute Bewaffnung sowie die einfache Schulung sprechen für das Modell. Wie der Behörden Spiegel erfahren konnte, läge der Stückpreis bei der Viper bei 30 bis 40 Millionen pro Hubschrauber und Bell würde zudem die Produktion zu 100 Prozent aus Deutschland garantieren.

Angesichts der slowakischen Beschaffung (siehe Artikel oben) sowie damit in Zusammenhang stehenden weiteren Entscheidungen anderer osteuropäischer Länder ergibt sich somit ein interessanter Ansatz auch für Deutschland, wenn nicht nur die Hubschrauber, sondern wohl auch Ersatzteile sowie Trainingsmöglichkeiten in Deutschland aufgebaut würden.

Bahrain hat übrigens etwas über 69 Millionen Euro pro Stück bezahlt, Pakistan ungefähr 60 Millionen Euro pro Stück (Paketpreis mit allem drum und dran - von wegen also 30 bis 40 Millionen......

Interessant ist natürlich, dass sowohl die Tschechei als auch die Slowakei dieses System betreiben (und auch das USMC).

Helios:

Zitat:das ist für mich nicht nachvollziehbar, denn der ureigenste Zweck des Kampfhubschraubers ist es ja, quantitative Nachteile der eigenen Streitkräfte (völlig egal auf welcher Ebene man nun "eigene" meint) auszugleichen.

Zum einen ist der Kampfhubschrauber dazu aber nicht ausreichend in der Lage, weil seine Wirkungsmöglichkeiten gegenüber einem modernen Gegner dafür zu beschränkt sind, er zu anfällig ist, zu sehr auf Abstand bleiben muss und man einen Einsatz von Raketen auf so große Distanzen anders, wesentlich kostengünstiger, einfacher und effizienter gestalten kann - zum anderen bedingen gerade seine hohen Kosten diese quantitativen Nachteile mit. Er gleich also den Mangel an Quantität nicht aus, überspitzt gesagt verschuldet er ihn sogar mit.

Zitat:Gefechtsautonomie bedeutet für mich die Fähigkeit einer Einheit bzw. eines Systems, das Gefecht unabhängig von anderen unmittelbaren Einheiten bzw. Systemen zu führen. Damit sind keine mittelbaren Unterstützer gemeint, also solche, die nicht in der Gefechtssituation selbst wirken oder diese unmittelbar vorbereiten (bzw. nachbereiten).

Konkret auf das Strangthema bezogen ist ein moderner Kampfhubschrauber (was der Tiger konzeptionell ist) in meinen Augen durchaus in der Lage, in einem symmetrischen Konflikt eine hohe Gefechtsautonomie zu erzielen.

Dem kann ich schon zustimmen, aber die Frage ist dann für mich, ob man die Gefechtsautonomie im Sinne dieser Definition so hoch gewichten sollte.

Denn ganz allgemein ist meist ein Verbund von Systemen die zusammen wirken dem Einzelsystem überlegen, während der Vorteil alles unabhängig von anderen leisten zu können gerade bei einem Kampfhubschrauber dahingehend fragwürdig ist: weil er auf einem modernen Schlachtfeld

1. primär über eigenen Kräften agieren müsste (dann wäre er aber eben nicht mehr wirklich autonom, weil sein Überleben von der Präsenz dieser Kräfte abhängt, auch wenn er ansonsten völlig unabhängig von diesen ist) - oder weil er

2. ansonsten einen sehr hohen Abstand zum Feind einhalten müsste und dieser hohe Abstand und die großen Distanzen auf welche man wirken müsste mit anderen Systemen besser, effektiver und effizienter abgedeckt werden können.

Noch ein weiterer Aspekt, die meiner Meinung nach sinkende Autonomie bei den Kampfhubschraubern:

Die Grenzen des Einsatzes von Raketen auf große Distanzen zwischen Kampfhubschraubern, Panzerjägern (bspw. Spike NLOS (welche ja auch nun von Kampfhubschraubern eingesetzt wird)) und Raketenartillerie verschwimmen meiner Ansicht nach zunehmend. Und auch Kampfhubschrauber setzen zunehmend auf einen Verbund mit Drohnen beispielsweise, welche für sie aufklären sollen.

Entsprechend sinkt meiner Ansicht nach die Gefechtsfeldautonomie bei Kampfhubschraubern zunehmend. Somit verbleibt lediglich der Vorteil, die Plattform welche auf von Drohnen aufgeklärte Ziele dann Raketen hoher Reichweite schießt schneller und bodenunabhängig verlegen zu können. Das hat aber stark erhöhte Kosten und eine höhere Anfälligkeit zur Folge. Angewiesen auf Drohnen die für sie aufklären würde ich entsprechende Kampfhubschrauber die dann ebenfalls Spike NLOS abfeuern eben nicht mehr als so autonom bezeichnen, sondern (überspitzt) nur als eine überteuerte Form von bodenunabhängiger leichter Raketenartillerie.

Zitat: Er kann in einem vorher zugewiesenen Gebiet selbstständig hinreichend aufklären, wirken und sich gleichzeitig dem Feind entziehen, weil er dessen Wirkmöglichkeiten aufgrund seiner Einsatzart, also beispielsweise der Geländeausnutzung, bereits deutlich beschränkt.

Kann leichte Raketenartillerie mit entsprechender Aufklärung / Einbindung in einen Gesamtverbund ganz genau so. Was recht gut zu dem Punkt von voyageur überleitet: ein zukünftiger Kampfhubschrauber wird in jedem Fall in den Gesamtverbund eingebunden, anders wäre es ja auch nicht sinnvoll. Entsprechend ist er eben nicht ein autonomes System dass für sich alleine agiert, sondern er agiert ganz genau so in einem Verbund. Nur weil er selbst nicht auf die anderen angewiesen ist (abgesehen von seiner zumindest indirekten Abhängigkeit von anderen Kampftruppen) und unabhängig davon, dass moderne Kampfhubschrauber immer weitergehender zusammen mit Drohnen agieren, so ist er trotzdem nur ein Teil eines Gesamtverbundes und nimmt in diesem eine bestimmte Rolle ein. Und auch diesem Grund sollte man sich meiner Meinung nach fragen, ob man diese Rolle nicht besser mit anderen Systemen abdecken kann und sollte.

Zitat:Der Kampfhubschrauber soll eine quantitative Unterlegenheit kontern, was natürlich nur in einem begrenzten Rahmen möglich ist (aber das ist ja immer alles).

Kann er aber auf dem Schlachtfeld der Zukunft genau so gut oder schlecht wie andere Raketenartillerie auch. Zwar hat er im Vergleich zu dieser Vorteile in Bezug auf seine Mobilität, aber dafür hat diese wiederum andere Vorteile. In einem Gesamtkontext gesehen rechtfertigt der Mobilitätsvorteil des Kampfhubschraubers eben nicht seine immens hohen Kosten.

UND: man könnte auch andenken, eine leichte Raketenartillerie über andere Typen von Hubschraubern ganz genau so mobil zu machen. Das hatten wir ja schon im Strang über die Frage der Luftmechanisierung mehrmals. Um Raketen über größere Distanzen abzufeuern und bodenunabhängig mobil zu sein, benötigt man nicht zwingend Kampfhubschrauber. Das ließe sich auch mit anderen Hubschraubern bewerkstelligen.

Zitat:Wenn die geringe Zahl an Kampfhubschrauber den geringen praktisch-realen Bedarf widerspiegeln würde,

Sprachliche Ungenauigkeit meinerseits, so meinte ich das nicht.

dann müsste die Verringerung deiner "fundamentalen" Fähigkeiten ja auch deren geringen praktisch-realen Bedarf aufzeigen. Und da würdest du vermutlich nicht zustimmen, sondern dies im Gegenteil als Fehlentwicklung bezeichnen. Genau das sehe ich bei der geringen Zahl an Kampfhubschraubern inzwischen ähnlich (auch wenn ich da früher mal anderer Meinung war).

Und genau darauf wollte ich hinaus: in der geringen Stückzahl, bei derart hohen Kosten, mit derartigen und zunehmenden Einschränkungen was die Einsetzbarkeit angeht und bei der meiner Meinung nach sinkenden Gefechtsautonomie, machen dezidierte konventionelle Kampfhubschrauber wie man sie bisher beschafft hat meiner Meinung nach keinen Sinn mehr.

Beschließend möchte ich natürlich die Möglichkeit einräumen, dass eine neue Art von Kampfhubschrauber denkbar wäre, die dann doch sinnvoll ist, weil sie aufgrund anderer Auslegung, anderer Konzeption, anderer Doktrin und deutlich geringerer Kosten und deutlich größerer Anzahl dann doch sinnvoll ist.

Die Frage ist, ob man einen Kampfhubschrauber so gestalten könnte, dass er diese vielen, sich teils wiedersprechenden Anforderungen überhaupt erfüllt.

In den frühen Werken über die Luftmechanisierung, bspw. von Senger und Etterlin oder Simpkin ging man ja noch davon aus, dass die Kosten für Hubschrauber abnehmen würden, dass sie also mit der Zeit günstiger würden und man verfolgte auch noch die Idee technisch vereinfachter Hubschrauber etc

Davon ist man hier und heute weit weg. Deshalb fand ich deine Aussage so interessant, dass 80% der Leistung des Tigers reichen würden. Und ich fand auch die Idee von Jason77 bezüglich der Cobra aus diesem Grund interessant, oder deshalb habe ich mich lange für den Rooivalk begeistert etc: der Grundidee ein technisch einfacheres, günstigeres System zu beschaffen, ich kann deshalb auch die Kritik beispielsweise am Raider X oder Defiant X deshalb nachvollziehen.

Nur insgesamt glaube ich, dass man die Fähigkeiten welche der Kampfhubschrauber liefert auch in diesem Fall mit anderen Systemen kompensieren müsste.

Aber um noch mal auf diesen letzten Satz von dir dazu zurück zu kommen: wenn man schon Kampfhubschrauber beschaffen und einsetzen will, dann brauchen wir viele davon, und nicht nur so geringe Anzahlen von nur teilweise funktionierenden / einsetzbaren Systemen, sondern viele Kampfhubschrauber mit einer im Einsatz möglichst hohen Standfähigkeit / Durchhaltefähigkeit / Einsatzdauer am Stück (mit letztgenanntem meine ich nicht die Flugdauer).

Oder man schafft sie ab.

Worauf es aber meiner Befürchtung nach wieder hinaus laufen wird ist, dass man erneut nichts halbes und nichts ganzes tun wird, und dies für das doppelte der Kosten aufwärts.
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Nachfolge Kampfhubschrauber Tiger - von Helios - 18.03.2023, 10:45
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