Ich denke, dass die ganzen Spekulationen ziemlich substanzlos sind, so lange es nicht wenigstens grob irgendwelche Anhaltspunkte gibt.
Was kann man sagen?
1.) Die Röhren sind nicht wirklich entscheidend für die Versorgung, eine Zerstörung um Europa zu schaden ergibt derzeit keinen wirklichen Sinn und wirkt sich marginal aus. Allenfalls könnte man von einer "Warnung" ausgehen nach dem Motto:
Schaut, wir können eure Infrastruktur treffen. Und dass es solche Aktionen geben könnte, davor haben fast alle Geheimdienste im Kontext des Krieges gewarnt. Zuletzt auch die CIA, die sogar die Deutschen explizit warnte.
2.) Die Röhren wurden wohl gesprengt. Hieße: Es müssten Sprengstoffreste auffindbar sein. Möglicherweise kann dies einen Hinweis auf Urheber und Hersteller später ergeben (muss aber nicht zwingend sein).
3.) Infrage kommt nur ein staatlicher Akteur. Die Operation müsste a) von Tauchern ausgeführt werden, die von einem Schiff aus abgesetzt werden müssten, oder b) von einem U-Boot. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, aktuelle Schiffbewegungen zu prüfen anhand Tracking. Dabei muss ich diejenigen, die meinen, die USA seien es gewesen, etwas enttäuschen, denn die 22nd Marine Expeditionary Unit war zwar in der Ostsee, aber nicht in der Nähe, als die Explosionen erfolgten.
4.) Die Explosionen an den Röhren fanden in ca. 80 bis 90 Meter Wassertiefe statt. Das ist keine klassische Tauchertiefe mehr (rund 40 Meter gelten als maximale Tiefe für Sporttaucher), sondern hier müssten schon Spezialtaucher mit entsprechender technischer/militärischer Ausstattung am Werk gewesen sein.
5.) Hieße also, dass ein Schiff in der Nähe gestanden haben muss, während die Taucher in der Tiefe arbeiteten. Und die Schiffe der 22nd Marine Expeditionary Unit standen dort nicht in der Nähe, geschweige denn lagen sie längere Zeit vor Bornholm stationär. Zwar wäre es denkbar, dass man einen Tauchtrupp per Helikopter absetzt (diesen würde man aber per Radar bemerken), aber dann müsste man die Taucher auch wieder über diesen aufgenommen haben. Das ist rein technisch aber nicht machbar, da Taucher, die in dieser Tiefe (80+ Meter) gearbeitet haben, erst einmal einen längeren Aufenthalt in einer Dekompressionskammer absolvieren müssten, da ansonsten der Ebullismus sie töten könnte. Würde man die Taucher also mit einem Helikopter wieder herausziehen an einer Winde, wären sie faktisch in Lebensgefahr, da Helikopter keine Dekompressionskammern an Bord haben. (Und die
Kearsarge hat übrigens auch keine.) Ich muss leider diejenigen, die die USA verdächtigen, also schon wieder enttäuschen.
6.) Könnte also sein, dass die Ladungen in der Tiefe von einem U-Boot angebracht/ausgelegt wurden. Wäre möglich, aber US-U-Boote waren keine in der Ostsee unterwegs. Zumal die großen US-Atom-U-Boote für die Ostsee eher ungeeignet sind. Ich muss leider diejenigen, die die USA verdächtigen, zum dritten Mal enttäuschen.
7.) Bliebe noch die Option, dass man die Ladungen schon vor längerer Zeit angebracht hatte und dass Zeitzünder zum Einsatz gekommen sind. Aber die Röhren werden überwacht und regelmäßig geprüft. Es hätte also ein sehr gut ausgewähltes Zeitfenster sein müssen - zudem birgt so eine Vorgehensweise, wenn man Ladungen länger irgendwo unter Wasser platziert lässt, das Risiko, dass sie zufällig gefunden werden oder technisch unzuverlässig werden, zumal hier die Mechanismen einem erheblichen Druck in 80+ Metern Tiefe ausgesetzt gewesen wären.
Fazit: Ich vermute, dass entweder die Ladungen mit einem U-Boot angebracht wurden (m. M. n. wahrscheinlichstes Szenario), zeitnah und ohne Zeitzünder, oder aber dass Taucher von einem Spezialschiff mit Dekompressionskammer etc. aus abgesetzt wurden und die "Arbeit" dann verrichteten. Letzteres erachte ich aber als relativ unwahrscheinlich, da es zwangsläufig aufgefallen wäre, zumal dieses Seegebiet dort sehr engmaschig befahren und deswegen entsprechend überwacht wird.
PS: Ich nenne absichtlich mal keinen Akteur, den ich verdächtige...
Schneemann