Wie sich Deutschland von Frankreich entfernt
#18
Es sollte gemeinhin bekannt sein, dass ich gelinde gesagt kein Freund von Exporten bin und seit Jahren schreibe ich nichts anderes, als dass ich eigentlich jedwede Exporte von militärischen Gütern oder auch nur Dual-Use Systemen aus der EU heraus strikt ablehne. Von daher wäre das beispielsweise ein Opfer dass ich FÜR Frankreich erbringen würde, weil es absolut gegen meine Grundüberzeugung läuft (ginge es aber nach dieser, bräuchte es natürlich keinerlei Exporte mehr, die Rüstungsindustrie könnte gar nicht so viel liefern wie ich mir vorstelle und für erforderlich halte).

Ich würde im weiteren aber auch die Frage der Kampfkraft - welche ja gerade für mich eine so wesentliche ist - nicht zu sehr von der genauen Ausgestaltung der Systeme her abhängig machen. Deshalb kann ich deine Annahme eines Widerspruch zwischen Kommerzieller Ausrichtung und Kampfkraft so nicht teilen. Auch mit einer Optimierung auf die Kommerzialisierung lässt sich ganz genau so eine hohe Kampfkraft generieren, und ganz allgemein kommt diese ja eben nicht primär von den Systemen und der verwendeten Technik her, und deshalb gewichte ich die Technik in diesem Kontext nicht so hoch (auch wenn sie natürlich zweifelsohne sehr wichtig ist).

Man muss hier meiner Meinung nach von den realen Begebenheiten ausgehen. Der Feind (Russland) ist Gott sei es gedankt deutlich schwächer im konventionellen Bereich als ich dies noch vor wenigen Monaten angenommen habe, und recht vieles an Systemen ist im Verhältnis zu den realen Anforderungen technisch gesehen schon fast unnötig weit entwickelt. Hier wäre ein Ansatz der von den realen Anforderungen ausgehend eine größere Quantität ermöglicht meiner Meinung nach eventuell zielführender als die Idee technisch unbedingt überall voraus sein zu müssen. Gleichzeitig würde dies die Kosten senken.

Ich sehe darin auch keinen Widerspruch zu einem gemeinsamen großen Heimatmarkt, sondern ganz im Gegenteil, könnte so eine Auslegung auf eine größere Quantität unter bewusstem Verzicht auf die allerneueste denkbare technische Qualität in manchen Bereichen gerade eben erst einen solchen Heimatmarkt auch auf andere EU Ländern ausdehnen und es diesen ermöglichen daran teilzunehmen. Gerade dadurch, dass der Schwerpunkt bei der Optimierung der Systeme eben nicht auf dem jeweils höchsten technischen Stand liegt, könnte so ein Heimatmarkt entstehen. Ich halte daher insgesamt die französischen Überlegungen dazu teilweise für zielführender als die unseren.

Bezüglich der Wertigkeit von Partnerschaften, von echten tatsächlichen Freundschaften, die tiefer reichen als die bloßen nationalen Interessen, halte ich das Französisch-Deutsche Bündnis für absolut alternativlos und alles entscheidend. Die Erben Karls des Großen werden zusammen finden, oder es wird absolut gar nichts in dieser EU militärisch zusammen kommen. Es ist doch sehr fragwürdig, ob Länder wie beispielsweise Polen, deren Nationalismen und deren nationaler Egoismus und deren tatsächlich auch reale Deutschlandfeindlichkeit zunehmend ein Problem darstellen mit uns besser kooperieren können als ausgerechnet Frankreich, zu dem wir inzwischen einen einzigartigen historischen Bezug haben, der aber in der praktischen realen Sicherheitspolitik weder ausreichend genutzt, geschweige den voll ausgeschöpft wird.

Von daher sage ich es ganz klar und offen: Frankreich ist mehr Wert als andere "Partner". Es gibt hier auch real eine ganz andere Wertigkeit was die Partnerschaft angeht und es muss diese geben, den ansonsten wird meiner Einschätzung nach niemals in der EU ein ausreichendes Momentum entstehen, dass dann andere europäische Länder mitreißt.

Und natürlich kann dies nicht nur durch kleine und schleichende Maßnahmen geschehen, dass war und ist doch gerade eben mein Punkt in dieser Sache: ich schrieb ich ja explizit, dass sehr viel mehr auf politischer und industrieller Ebene passieren muss, dass wir einen richtigen "Paukenschlag" brauchen, dass etwas wirklich großes Geschehen muss damit hier endlich etwas voran kommt und vor allem anderen: damit es schnell genug geht. Es läuft uns rasend die Zeit davon ! Da schließen sich überall die Türen welche gerade mal einen Spalt breit offen standen.

Und gerade weil für einen substanziellen Umschwung ein Schwerpunkt notwendig ist, gerade deshalb erachte ich die Legung dieses Schwerpunktes auf das Französisch-Deutsche Sonderbündnis für so relevant. Wenn man anfängt mal mit diesem, mal mit jenem kleinen unbedeutenden und militärisch irrelevanten EU Land lauter kleine verschachtelte und verwurstelte Sonderstrukturen aufzubauen, langsam und ohne jedes wirkliche tiefergehende strategische Konzept, dann ist die daraus erwachsende Struktur meiner Überzeugung nach nicht ausreichend Kriegsfähig.

Eine vollständige europäische militärische Souveränität kann nur dadurch entstehen, dass Neustrien und Austrasien wieder militärisch zusammen finden, und dies muss schnell, sehr viel weitgehender und entschlossener geschehen als dies bis jetzt angedacht wird. Wir benötigen einen Französisch-Deutschen Schwerpunkt, gerade eben weil Frankreich als Partner über den anderen steht und gerade eben weil sein Wert so viel größer ist.
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RE: Wie sich Deutschland von Frankreich entfernt - von Quintus Fabius - 05.09.2022, 12:07

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