(Allgemein) Vom Kriege
#31
Das (die von dir angesprochene moralisch-menschliche Seite) ist meiner Ansicht nach sogar HEUTE der wesentlichste Vorteil der Defensive. Du hast ja immer historische Beispiele genannt, aber ich will es mal völlig losgelöst von diesen rein militärwissenschaftlich umreißen. Da du dich bisher hier primär auf die strategische Ebene bezogen hast, will ich es mal auch auf dieser versuchen.

Die strategische Defensive hat meiner Meinung nach folgende drei primären Vorteile:

1. Den höheren moralischen Grund in der Darstellung für die Bevölkerung welche für den Kampf instrumentalisiert werden muss. Dies war historisch keineswegs immer so. Aber hier und heute ist eine Folge davon, dass der Verteidiger moralisch besser aussieht und deshalb zum einen:

1.1. Seine Bevölkerung mehr dazu motivieren kann organisierte Gewalt anzuwenden

1.2. eher Unterstützung von Dritten erhält.

2. Der Verteidiger hat den Vorteil der inneren Linie und dadurch logistische Vorteile, was gerade im modernen, extreme logistische Anforderungen erzeugenden Krieg ein erheblicher Vorteil ist. Zudem wird er selbst wenn er geschlagen und zurück gedrängt wird dabei immer weiter auf seine primäre Machtbasis zurück geschoben, verkürzt sich so die Versorgungskette noch und steigt eventuell sogar die Motivation der Kampftruppen. Der Verteidiger kommt näher an seine Versorgungsbasis wenn er wegschoben wird, der Angreifer entfernt sich von seiner. Dadurch sinkt zugleich die Menge an Friktionen für den Verteidiger, und steigt sie für den Angreifer, dies verstärkt noch diesen ohnehin vorhandenen Effekt weil der Angriff schwieriger und komplexer ist als die Verteidigung.

3. Der Angreifer beeinflusst durch seine Handlung nicht nur die Moral und damit den Informationskrieg, die Motivation der feindlichen Bevölkerung wie der Bevölkerung dritter, er verändert den Status Quo wenn er erfolgreich wäre auch real. Heutige (!) Kriege, selbst solche die andere führen, gefährden den Status Quo der globalen Eliten und deren Reichtum, Krieg ist der große Umverteiler, aus diesem Grund züchten die Eliten im Westen TM die Bevölkerungen so dermaßen in Richtung Friedensbefürwortung und hat es eine derartige Verschiebung der Werte und Sozialkultur gegeben. Das reicht bis hin ins Grundgesetz und die Gesetzgebung, deren Verdammung von Angriffskriegen ja historisch und moralisch/ethisch begründet wird, in Wahrheit aber hinter selbiger ganz konkrete Machtinteressen der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges standen und stehen. Das heißt die Vorteile des Punkt 1 sind auch die Folge einer gezielten Manipulation der Kultur und vieler anderer Bereiche aufgrund realer praktischer Nachteile die es hätte, wenn der Angreifer den für viele vorteilhaften Status Quo ändert. Entsprechend erhöht auch dies ganz direkt die Wahrscheinlichkeit einer Unterstützung durch Dritte.

Wenn dem aber so ist, warum erachte ich die Offensive hier und heute für trotzdem überlegen? Das inkludiert den Präventivschlag (den man ja auch als eine Defensive Aktion definieren könnte). Der Grund ist schlicht und einfach, dass unsere westlichen TM Gesellschaften einen langen Abnutzungskrieg real praktisch nicht führen können. Sie würden in einem solchen Krieg in der Defensive in sich zusammen brechen, noch bevor der Krieg überhaupt entschieden ist.

Wir sind heute eben nicht mehr eine mittelalterliche Feudalgesellschaft, oder Finnland im 2WK, die ganzen Umstände und Eigenheiten welche für das Funktionieren unserer Gesellschaft und das Überleben von Millionen in dieser erforderlich sind, sind heute eben völlig andere.

Deshalb hadere ich auch so sehr mit den steten historischen Vergleichen welche man so gern zu Rate zieht. Sie sind aufgrund der völlig anderen Umstände heute nicht anwendbar.

Schlußendlich muss man an die Sache von der Seite der Ziele heran gehen. Angreifer wie Verteidiger können beide entweder totalitäre Ziele verfolgen, oder begrenzte Ziel (in beliebiger Kombination). Die Erreichung eines totalitären Zieles erfordert im weitesten Sinne die Vernichtung des Gegners, dass heißt zuvorderst seiner Streitkräfte im weitesten Sinne, also aller Elemente welche Wiederstand leisten könnten. Der Gegner muss also vollständig ausgeschaltet und zu einem Nicht-Gegner gemacht werden. Dies erfordert eine deutliche Überlegenheit desjengien der so ein Ziel verfolgt.

Sind aber beide ähnlich stark, so kann dieses Ziel gar nicht erreicht werden. Dann endet es in einem begrenzten Abnutzungskrieg der schlußendlich damit endet, dass die Erreichung oder Nicht-Erreichung irgendwelcher Ziele irrelevant wird, sondern der dadurch endet, dass die Fortführung als negativer beurteilt wird (oder negativer ist) als die Beendigung des Kampfes.

Schlußendlich wird bei Form 1 (Totalitär) der Wille des Gegners dadurch gebrochen, dass der Gegner vernichtet wird (wortwörtlich wie übertragen). Und bei Form 2 (Begrenzt) indem sein Wille so weit beeinflusst wird, dass Ziele erreicht werden und der Frieden trotzdem auch für den Verlierer vorteilhafter erscheint oder auch ohne Erreichung der Ziele der Frieden eintritt.

Die schon angesprochene Anfälligkeit unserer heutigen westlichen TM Gesellschaften führt aber dazu, dass wir bei der Konfrontation mit einem Feind sehr anfällig dafür werden, dass unser Wille selbst dann schon im Sinne des Feindes beeinflusst werden kann, wenn rein militärisch gesehen dazu noch gar keine Notwendigkeit besteht. Dies geht umso leichter je schneller und je massiver der auftretenden Schaden ist. An einen in Salamitaktik eintretenden Schaden kann man sich (eventuell) noch gewöhnen, verliert man gleich zu Beginn die Auftaktschlacht auf drastische Weise, dann bricht hingegen heute alles sehr schnell in einer Spirale in sich zusammen bis zu dem Punkt wo man dann, wenn der Gegner eben kein totalitäres Ziel verfolgt auf seine begrenzten Ziele eingehen will, weil man auf sie eingehen muss, weil sonst jede Fortführung des Krieges ansonsten irrational wäre in ihrer Kosten/Nutzen Abwägung.

Diese sofortige Entscheidungsschlacht setzt zwei wesentliche Dinge voraus, damit sie die beschriebene vorteilhafte Form einnehmen kann: 1. Überraschung. Dies ist heute nur noch sehr schwer bewerkstelligbar, aber es geht durchaus wenn die Umstände richtig sind. 2. Derjenige welche in dieser Schlacht den ersten Schlag führt erlangt dadurch immense Vorteile, weil der Schaden den er dabei anrichtet (Pearl Harbour Szenario) vom Gegner HEUTE nicht mehr aufgeholt werden kann (im Gegensatz beispielsweise zum 2WK):

Der Verteidiger gerät so durch den erlittenen Schaden des Erstschlags in ein strategisches Ungleichgewicht. Er fängt sich aus diesem auch nicht mehr und damit werden alle oben genannten Vorteile der Defensive negiert. Das hat auch viel mit dem vernetzten Funktionieren unserer Gesellschaften zu tun, mit der technologischen Komplexität moderner Waffensysteme welche eben nicht mehr wie in früheren Kriegen einfach zeitnah ersetzt werden können und mit der geringen quantitativen Stärke wesentlicher Bestandteile moderner Armeen.

Diesen Initialschaden kann man als Verteidiger nicht anrichten (es sei denn, man würde einen Präventivangriff als defensive Aktion definieren). Den da der strategische Verteidiger ja eben nicht als erster zuschlägt, erleidet er zuerst den Schaden und reagiert dann erst darauf. Dies können sich westliche TM Gesellschaften in einem ernsthaften (!) konventionellen großen Krieg heute nicht mehr leisten.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass dies eine rein theoretische Abhandlung im luftfreien Raum ist. Die gesetzliche, gesellschaftliche und sozialkulturelle Unmöglichkeit von Angriffskriegen von unserer Seite ist mir vollauf klar und ebenso teile ich selbstverständlich ihre moralisch/ethische Beurteilung ! Dies gilt aber eben nicht für unsere Feinde ! (wie der Ukraine Krieg eindrucksvoll beweisen sollte)

Die logische Schlußfolgerung daraus ist, dass wir unsere Streitkräfte so aufstellen müssen, dass sie einen möglichen Erstschlag mit so wenig Schaden wie machbar überstehen, damit der Vorteil des Angreifers so weit wie möglich vermindert wird und schlußendlich die Vorteile der Defensive diesen hoffentlich übersteigen können. Und da sehe ich bei der aktuellen Verfasstheit unserer Streitkräfte dramatische Defizite, insbesondere in Bezug auf die Luftwaffe.

Ein Pearl Harbour Szenario gegen unsere Luftwaffe könnte dazu führen, dass wir über viel zu lange Zeiträume (Wochen) hinweg die Luft nicht kontrollieren. Und selbst in einem noch umkämpften Luftraum würden wir am Boden sehr rasch den kürzeren ziehen, so wie unser Heer aktuell aufgestellt ist. Um es plakativ auf den Punkt zu bringen: selbst eine derart stümperhafte abstruse Operation wie in der Ukraine würde diese Bundesrepublik hier und heute nicht wegstecken und nicht abwehren können. An Stelle der Ukraine hätte diese Bundesrepublik mal eben bereits verloren.
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#32
Auch wenn ich nun ein wenig die Gefahr sehe, dass ich den Strang zu sehr in das historische Sujet entführe, so wollte ich nur gerne auf Facilier antworten:
Zitat:Dagegen spricht ja nichts. Es ist aber ein großer Unterschied, ob man von sich aus einen Angriffskrieg in ein womöglich gar entferntes Land startet - oder ob man aus der Defensive heraus offensiv wird und die Initiative an sich reisst. Und womöglich anschließend gar in die Hauptstadt des Gegners marschiert.
Im Kontext des Ukraine-Krieges habe ich mir ein Buch gekauft über den polnisch-sowjetischen Krieg von 1919/21 (Lehnstaedt, Stephan: Der vergessene Sieg. Der polnisch-sowjetische Krieg von 1919-1921 und die Entstehung des modernen Osteuropa. C. H. Beck, München 2020). Ich kann es übrigens durchaus empfehlen und habe es an einem Wochenende durchgelesen gehabt.

Und hierbei, um den Bogen zu Facilier zu schlagen und um ein Beispiel zur Stützung seiner These zu nennen, ist es interessant, wie zunächst die Polen unter Pilsudski auf Kiew marschierten (einen Krieg, den sie eigentlich eher "so halbwegs" organisiert hatten), wie die überraschte Rote Armee dann unter Budjonny und Tuchatschewski aus der Defensive zur beinahe unaufhaltsamen Gegenoffensive überging und bis Warschau vorstieß, und wie dann die arg gebeutelten polnischen Truppen völlig überraschend - wobei hier Weygands Einfluss deutlich überschätzt wird - wieder von der hoffnungslos wirkenden Defensive zur Offensive übergingen und der Roten Armee an der Schwelle der eigenen Hauptstadt eine schmachvolle Niederlage bereiteten (worüber sich Tuchatschewski und Stalin später fürchterlich zerstritten). Interessant ist dabei natürlich auch, dass wir es im Grunde nicht mit mechanisierten Verbänden zu tun haben, sondern dass die raschen Vorstöße mit der Kavallerie geführt wurden.

Abgesehen von der Philosophie-Thematik ist dieses Buch aktuell auch interessant hinsichtlich der Länderentwicklungen nach 1918 in Osteuropa, auch wie sich die ukrainischen Republiken bildeten und welche Strömungen damals dort vorherrschten.

Schneemann
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#33
Das ist an sich eine interessante Zeit die viel zu wenig Beachtung findet. Das muss man noch weiter spannen, der russische Bürgerkrieg sowie die Kämpfe der Bolschewisten in Asien sind allesamt hochinteressant und teilweise aktuell in ihren Schlußfolgerungen.

Für das spezifische Beispiel möchte ich anmerken, dass hier vor allem die hohe Querfeldeinbeweglichkeit, offensive Handlungen sehr leichter und sehr schneller Truppenverbände und die ersten de facto Technicals interessante Elemente der damaligen Erfolge waren. Was meine ich mich erste Technicals ?!

Die sogenannten Tatschankas, die heute im Westen weitgehend unbekannt sind. Eine Tatschanka ist eine Karre oder ein offener Wagen mit einem (selten auch mehreren) Maschinengewehren, schweren Maschinengewehren, selten (und später) auch leichten Automatikkanonen darauf, der von Pferden gezogen wurde. Sie wurden exakt so eingesetzt wie heute Technicals eingesetzt werden und waren teilweise extrem erfolgreich.

Es waren ausgerechnet die Ukrainischen Anarchisten, die sogenannte Schwarze Armee, welche diese Waffe meisterhaft einsetzten. Von dort aus wurde sie auch von der Roten Armee und auch von den Polen übernommen.

Die Polen waren dann die ersten, welche standardisierte und gezielt fürs Militär hergestellte Tatschankas produzierten und diese mit schweren Maschinengewehren eigener Produktion so ausstatteten, dass diese zugleich auch zur Flugabwehr verwendet werden konnten, und dann begannen auch die Sowjets solche Technicals standardisiert herzustellen. Sie spielten auch noch im zweiten Weltkrieg eine gewisse Rolle und wurden erst um 1950 herum ausgemustert.

Man kann davon einiges auf die heutige Kriegsführung ableiten, insbesondere auf die Verwendung leichter Truppen, von Panzerkavallerie und von Technicals im weitesten Sinne.

Beschließend noch zu den Kampfformen der Offensive und Defensive und welche davon militärisch überlegen ist:

Man kann von historischen Beispielen hier wie geschrieben nicht alles auf die Gegenwart ableiten, zu unterschiedlich sind die Umstände. Es gibt daher auch eine Theorie in der Militärwissenschaft, dass immer wieder wechselnd die Waffentechnologie selbst jeweils die Defensive oder die Offensive bevorzugt, beispielsweise MG die Defensive stärkten, während Panzer dann die Lage wieder zugunsten der Offensive kippten etc (Dyadic Technology).

Dessen ungeachtet ist hier und heute die Offensive grundsätzlich und immer überlegen. Um aber diese Aussage noch klarer verständlich zu machen: nur weil eine Kampfform überlegen ist, bedeutet dies nicht, dass der Verteidiger zwingend verlieren müsste. Denn das ist nur EIN Faktor von mehreren.

Ein Verteidiger kann gegen einen weit überlegenen Angreifer ebensowenig bestehen (Polen 1939, Frankreich 1940 etc) - wie umgekehrt ein sehr schwacher Angreifer einen überlegenen Verteidiger offensiv aus dem Feld schlagen könnte (Finnland 1939, Ukraine 2022). Interessant für die Beurteilung dieser Frage sind daher nur Fälle, in denen beide Seiten in allen anderen Faktoren de facto gleich stark waren. Und dann zeigt sich im modernen Krieg eine zunehmende Überlegenheit der Offensive.

Welche Kampfform überlegen ist, ist also nur ein Faktor von vielen. Man kann also die Überlegenheit der Offensive durch andere Faktoren ausgleichen, exakt das meinte ich als ich schrieb, dass wir aufgrund der zwingenden Umstände denen wir unterliegen (Verbot von Angriffskriegen, sozialkulturelle Unmöglichkeit solche zu führen etc) die Vorteile der Offensive durch gezielte Vorbereitungen möglichst weit ausgleichen müssen.
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#34
@Quintus
Zitat:Das ist an sich eine interessante Zeit die viel zu wenig Beachtung findet. Das muss man noch weiter spannen, der russische Bürgerkrieg sowie die Kämpfe der Bolschewisten in Asien sind allesamt hochinteressant und teilweise aktuell in ihren Schlußfolgerungen. [...]

Es waren ausgerechnet die Ukrainischen Anarchisten, die sogenannte Schwarze Armee, welche diese Waffe meisterhaft einsetzten. Von dort aus wurde sie auch von der Roten Armee und auch von den Polen übernommen.
Gerade die Geschichte der einzelnen ukrainischen Republiken bzw. Volksrepubliken und der radikalen Kräfte, anarchistische wie rechte, sind in diesem Buch relativ gut dargestellt. Auch wird das Lavieren der polnischen Republik mit den Ukrainern und die polnische Zerschlagung der westukrainischen Volksrepublik erläutert. Interessant, dass die Ukrainer einerseits die Bolschewisten, andererseits aber die Polen fürchteten. Manches spätere Gemetzel in Galizien und Wolhynien hat zu dieser Zeit seine Anfänge genommen. Und dass sich alle Fraktionen zeit- und wahlweise mit Zweckbündnissen auszubooten versuchten und ihre Einflussbereiche sichern wollten, unterstreicht, wie die Ukraine damals schon ein geopolitisches Spielbrett war. In gewisser Weise - auch wenn der Vergleich meinerseits nun arg grenzwertig ist - ist es eine Art europäisches "great game" in Osteuropa, begleitet von Massakern und Verbrechen, die eher an den Balkan erinnern.
Zitat:Ein Verteidiger kann gegen einen weit überlegenen Angreifer ebensowenig bestehen (Polen 1939, Frankreich 1940 etc) - wie umgekehrt ein sehr schwacher Angreifer einen überlegenen Verteidiger offensiv aus dem Feld schlagen könnte (Finnland 1939, Ukraine 2022).
In Polen trifft es sicherlich zu, aber Frankreich (mit dem BEF) war 1940 dem Deutschen Reich sogar rein zahlenmäßig überlegen (Ausnahme bei Anzahl der Flugzeuge). Eher war es hier so, dass der Verteidiger einfach nur statisch verteidigen wollte (Maginotlinie), da man von dieser Doktrin überzeugt war, und zugleich von der Vorgehensweise des Angreifers überrascht wurde bzw. man sich nicht darauf einstellen wollte oder konnte (Ausnahmen wie bspw. de Gaulle und andere fanden damals kein wirkliches Gehör). Hinzu kam, dass die Deutschen verdammtes Glück hatten. Der ganze Plan war ein auf Kante genähtes Hasardspiel und wenn auf alliierter Seite einer der weitsichtigeren Generäle zum Zuge gekommen wäre, hätte der Angriff sehr rasch scheitern können.

Schneemann
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#35
Zitat:aber Frankreich (mit dem BEF) war 1940 dem Deutschen Reich sogar rein zahlenmäßig überlegen (Ausnahme bei Anzahl der Flugzeuge).

Tatsächlich vorhandene einsatzbereite und theoretisch für den Kampf verfügbare Kampfflugzeuge beider Seiten am 10.05.1940:

Frankreich 3097, Großbritannien 1150, Belgien 140, Niederlande 82 - Alliierte gesamt 4469
Deutsches Reich 3578

Der ausschlaggebende Faktor war hier eher, dass gerade Frankreich einen Gros seiner Kampfflugzeuge zurück gehalten hat, da der Krieg nach französischer Auffassung ja Jahre dauern würde und man sie daher als Reserve vorhalten wollte. Deshalb stationierten die Franzosen von ihrer immensen Anzahl von Kampfflugzeugen nur 1410 an der Front und setzten von diesen 1410 dann nur 879 ein, der Rest stand einfach sinnlos weiträumig im Hinterland disloziert herum und wurde bis zum Kriegsende einfach nicht verwendet. Hätten die Franzosen nur ein paar hundert Kampfflugzeuge mehr gegen den Maas-Übergang eingesetzt, hätte es das schon gewesen sein können.

Die Deutschen setzten von Beginn an über drei Viertel ihrer Kampfflugzeuge ein, die Franzosen weniger als ein Viertel, obwohl die Maschinen einsatzbereit waren und es genügend Munition und Treibstoff für sie gab und auch die notwendige Infrastruktur frontnah vorhanden gewesen wäre.

Abgesehen von der rein quantiativen Überlegenheit hättest du zudem noch die querschnittlich größere qualitative Überlegenheit Frankreichs in allen Bereichen (Artillerie, Kampfpanzer usw) nennen können.

Aber auch das alles ist alles nur EIN Faktor von mehreren.

Die Deutschen haben also einen Vorteil davon dass sie in der Offensive sind. Denn in der bloßen Defensive hätte das Deutsche Reich den Krieg gegen Frankreich verloren. Sie haben einen Nachteil davon, dass sie zahlenmässig und qualitativ unterlegen sind. Sie haben wiederum einen Vorteil durch die größere Befähigung ihrer Offiziere und die höhere Geschwindigkeit ihrer Entscheidungs- und Führungsprozesse usw usw usf

Erst aus einer Zusammenstellung aller Faktoren kann man dann festlegen, welche Seite überlegen war und das waren im vorliegenden Fall die Deutschen.

In diesem Kontext auch eine Buchempfehlung von mir: Blitzkrieg-Legende von Karl-Heinz Frieser. Meiner Meinung nach das Standard-Werk über den Westfeldzug 1940.

Zitat:Gerade die Geschichte der einzelnen ukrainischen Republiken bzw. Volksrepubliken und der radikalen Kräfte, anarchistische wie rechte, sind in diesem Buch relativ gut dargestellt.

Hab es mir soeben geordet, zumal ich mich ja schon länger vor allem mit den ukrainischen Anarchisten bzw. der schwarzen Armee beschäftige.
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#36
@Quintus
Zitat:Tatsächlich vorhandene einsatzbereite und theoretisch für den Kampf verfügbare Kampfflugzeuge beider Seiten am 10.05.1940:

Frankreich 3097, Großbritannien 1150, Belgien 140, Niederlande 82 - Alliierte gesamt 4469
Deutsches Reich 3578
Erscheint mir aber arg viel auf alliierter Seite, zumal die Briten ja nicht alle auf dem Festland waren. Meistens werden ca. 3.500 alliierte Maschinen gegenüber 4.500 bis 5.000 deutschen Flugzeugen genannt. Egal, sind wir hier eh im falschen Strang. Smile
Zitat:Denn in der bloßen Defensive hätte das Deutsche Reich den Krieg gegen Frankreich verloren.
Erscheint mir eher fraglich, zumindest bis zum Angriff der Deutschen auf die UdSSR verpuffte die alliierte (hauptsächlich britische) Blockade mehr oder minder wirkungslos - im Vgl. zum Ersten Weltkrieg, wo Deutschland quasi ausgehungert wurde. Eher wäre der "Sitzkrieg" bzw. "drôle de guerre" dann nicht über acht Monate gegangen, sondern eineinhalb Jahre oder länger, weil keiner so richtig angreifen wollte, dazu war das Grauen des Grabenkrieges 1914 bis 1918 noch zu lebendig in den Köpfen der Menschen auf beiden Seiten. Und man darf nicht vergessen, dass die Deutschen vor dem Krieg im Westen nach Norwegen ausgriffen. Aber jetzt werden wir zu kontrafaktisch in der Theorie - vllt. sollten wir da auf einen anderen Strang ausweichen? Ich glaube, irgendwo haben wir da noch einen Forum...
Zitat:Hab es mir soeben geordet, zumal ich mich ja schon länger vor allem mit den ukrainischen Anarchisten bzw. der schwarzen Armee beschäftige.
Klasse. Ich empfehle vor allem das Kapitel 4: Die Ukraine: Aufgerieben zwischen Polen und Russland. Aber auch darüber hinaus gibt es sehr interessante Hinweise zur Denke der Protagonisten (zumal Pilsudski - und bspw. auch Petljura hinsichtlich der Ukrainer) und auch z. B. zu den Minderheitenfragen (bspw. Juden und ihre Behandlung durch Polen, Ukrainer und Bolschewisten). Interessant weiter hinten im Buch auch, wie später die NS-Führung um Hitler anfangs - bis ca. 1935/36 herum - Pilsudski beinahe über den grünen Klee lobte...

Schneemann
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#37
Ich will diesen Strang bewusst als eine Art Sammelstrang für sozusagen Themenübergreifende Fragestellungen verstanden wissen, denn die Ausgangsthese von Facilier ging ja explizit in eine solche Themenübegreifende Richtung. Von daher können wir hier gerne abschweifen, in einem größeren Kontext gehöt dass alles zum Thema, ja selbst zur ursprünglichen Hypothese von Facilier.

Zitat:Erscheint mir aber arg viel auf alliierter Seite, zumal die Briten ja nicht alle auf dem Festland waren. Meistens werden ca. 3.500 alliierte Maschinen gegenüber 4.500 bis 5.000 deutschen Flugzeugen genannt. Egal, sind wir hier eh im falschen Strang

Der Westfeldzug gegen Frankreich ist sozusagen mein Spezialsteckenpferd. Die Zahlen sind absolut exakt.

Unmittelbar an der Front in Frankreich eingesetzt haben die Briten übrigens exakt 384 Kampfflugzeuge. In Großbritannien wurden 540 Jagdflugzeuge und 310 taktische Bomber zurück gehalten. Was ein schwerwiegender Fehler war! Diese hätte man nämlich durchaus in Teilen aufs Festland verlegen und dort einsetzen können. Nur ein Teil davon hätte genügt und der Maas Übergang wäre gescheitert und damit im weiteren alles andere. Im übrigen konnten die Briten teilweise auch von England aus über dem Festland eingreifen, es gab etliche britische Luftangriffe von englischen Flughäfen auf deutsche Verbände in Belgien und Frankreich.

Es ist geradezu eine Ironie, dass die Westmächte ihre immense Überlegenheit in der Luft einfach verschenkten, indem sie diese nicht einsetzten. Den auch so waren die deutschen Verluste in der Luft immens. Beispielsweise schossen die Franzosen nicht weniger als 733 deutsche Flugzeuge ab, verloren aber selbst im Luftkampf nur 306. Insgesamt verlor die Luftwaffe während des Westfeldzuges nicht weniger als 1559 Flugzeuge (inklusive 323 schwer beschädigte welche nicht kurzfristig wieder gefechtsklar gemacht werden konnten). Allein diese Zahlen zeigen schon auf, was hier von westalliierter Seite möglich gewesen wäre.

Warum aber kamen die weit überlegenen alliierten Streitkräfte hier nicht zum Zug? Weil sie einem Defensiv-Konzept nach eingesetzt wurden, statt sie möglichst offensiv und aggressiv zu verwenden. Es war gerade eben das westallierte Primat der Defensive, welches dazu führte, dass die Deutschen lokal immer wieder eine Überlegenheit ihrer Einheiten herstellen konnten, weil sie aufgrund der Offensive die Initiative hatten und daher den Gegner zum fortwährend Reagierenden degradierten.

Zitat:
Zitat: Denn in der bloßen Defensive hätte das Deutsche Reich den Krieg gegen Frankreich verloren.

Erscheint mir eher fraglich, zumindest bis zum Angriff der Deutschen auf die UdSSR verpuffte die alliierte (hauptsächlich britische) Blockade mehr oder minder wirkungslos - im Vgl. zum Ersten Weltkrieg, wo Deutschland quasi ausgehungert wurde. Eher wäre der "Sitzkrieg" bzw. "drôle de guerre" dann nicht über acht Monate gegangen, sondern eineinhalb Jahre oder länger, weil keiner so richtig angreifen wollte,

Was du hier außer Acht lässt sind die Produktionsraten. Auch das spricht für die Offensive. Denn: wenn der Krieg im Westen von beiden Seiten defensiv geführt worden wäre, dann hätte die Alliierte Rüstung innerhalb von eineinhalb Jahren oder länger ein derartiges Übergewicht erhalten, dass dann die Offensive von Alliierter Seite vom Deutschen Reich nicht mehr hätte aufgefangen werden können.

Desweiteren um bei kontrafaktorischen Überlegungen zu bleiben, welche das Für und Wieder von Defensive und Offensive darlegen könnten: hätten Frankreich und Großbritannien massiv angegriffen als die Wehrmacht in Polen stand, wäre die Sache ebenfalls insgesamt ganz anders verlaufen - Erneut sieht man hier einen klaren Vorteil der Offensive vor der Defensive.

Aber bleiben wir beim realen Kriegsgeschehen: es war ganz konkret der Plan auf französischer und britischer Seite die Deutschen erstmal durch massive Aufrüstung so weit zu überrunden, dass man dann mit deutlicher Überlegenheit in die Offensive gehen kann. Das wurde übrigens auch auf Deutscher Seite exakt so verstanden, gerade deshalb war man zu dem "Hasardspiel" im Westen überhaupt bereit. Hätte man dieses nicht versucht, wäre der Krieg im Westen verloren gewesen.Dazu ein paar exakte Zahlen und bleiben mir mal beim Bereich Flugzeuge:

Bereits 1939 haben sowohl die französische wie auch die britische Produktionskapazität der Luftfahrtindustrie die Deutsche überholt gehabt. Von Januar 1940 bis zum Beginn der Offensive gegen Frankreich stieg die britisch-französische Flugzeugproduktion auf exakt das doppelte der deutschen. Hinzu kamen noch die Lieferungen der Amerikaner. Frankreich hatte Ende 1939 bereits 4700 Kampfflugzeuge bei der französischen Industrie fest bestellt, und die Briten gaben Anfang 1940 nicht weniger als 14.000 Flugzeuge in Auftrag!

Diese Entwicklungen lassen sich auf jeden Bereich der anlaufenden französischen und britischen Kriegswirtschaft übertragen. Wäre Deutschland also im Westen passiv geblieben, wäre es dermaßen tot gerüstet worden, dass schon nach eineinhalb Jahren die Überlegenheit der Westalliierten derart extrem geworden wäre, dass man weder eine Offensive gegen die Westmächte hätte führen können, noch umgekehrt eine Offensive der Westmächte hätte aufhalten können.

Um die Sache nun zur eigentlichen Fragestellung zurück zu biegen:

Wenn ich lediglich defensiv bleibe, gibt das dem Gegner die Möglichkeit stärker zu werden, solange er ebenfalls nicht offensiv agiert. Hat dann der Gegner eine größere Rüstungsproduktion, so nimmt er im Verhältnis an Stärke zu und ich werde im Verhältnis immer schwächer. Unter solchen Umständen ist die Offensive das einzig mögliche, da sich ansonsten meine Situation ständig verschlechtert. Umgekehrt macht es natürlich Sinn zunächst defensiv zu bleiben, um an Stärke zu gewinnen, aber ab einem gewissen Zeitpunkt nimmt diese dann eine derartige Überlegenheit an, dass dann die Offensive mit Leichtigkeit geführt und gewonnen werden kann. Beides läuft also schlußendlich auf eine Offensive hinaus.
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#38
Zitat:Es war gerade eben das westallierte Primat der Defensive, welches dazu führte, dass die Deutschen lokal immer wieder eine Überlegenheit ihrer Einheiten herstellen konnten, weil sie aufgrund der Offensive die Initiative hatten und daher den Gegner zum fortwährend Reagierenden degradierten.

Nicht nur, bei den wenigen französischen Gegenangriffen, fehlte sowohl die Logistik (Sprit) als auch die Funkausrüstung der Panzer. Beide Bereiche waren in der französischen Defensivstrategie eher nebensächlich.
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#39
(20.04.2022, 18:09)Quintus Fabius schrieb: Die Zahlen sind absolut exakt.

Mittlerweile gibt es auch andere Zahlen: Hooton, E. R. (2007). Luftwaffe at War; Blitzkrieg in the West. Flugzeuge der Alliierten: <3000

("Hooton used the National Archives in London for RAF records, including "Air 24/679 Operational Record Book: The RAF in France 1939–1940", "Air 22/32 Air Ministry Daily Strength Returns", "Air 24/21 Advanced Air Striking Force Operations Record" and "Air 24/507 Fighter Command Operations Record". For the Armée de l'Air Hooton used "Service Historique de Armée de l'Air (SHAA), Vincennes".)

(20.04.2022, 18:09)Quintus Fabius schrieb: Wäre Deutschland also im Westen passiv geblieben, wäre es dermaßen tot gerüstet worden, dass schon nach eineinhalb Jahren die Überlegenheit der Westalliierten derart extrem geworden wäre, dass man weder eine Offensive gegen die Westmächte hätte führen können, noch umgekehrt eine Offensive der Westmächte hätte aufhalten können.

Das ist aber so nicht haltbar. Denn in diese Situation ist Deutschland nur geraten, weil es zuvor Polen offensiv angegriffen hat, wozu überhaupt keine Notwendigkeit bestand.

Weswegen auch Canaris 1939 schon nach dem Krieg gegen Polen gesagt hat: "„Der Krieg ist verloren, ganz gleich, wie viel Siege wir noch machen; aber er ist verloren.“"

Insofern hat die Offensive 1939 hier die erste Grundlage für den Untergang gelegt. Und 1941 hat widerrum die Offensive gegen die Sowjets den finalen Sargnagel fürs Ende geliefert.

Es ergibt für mich also sehr wenig Sinn, sich hier und da ein paar siegreiche Offensiven selektiv herauszupicken, und dann zu sagen "Prima. Offensive. So gehts!".

Und um mal einen Krieg weiter zurück zu gehen: Wie lief eigentlich die Offensivoperation des deutschen Herres im ersten Weltkrieg so? Ist uns das zum Guten geraten, den ersten Schuss abgegeben zu haben? Also ich erinnere mich daran, dass hier der Anfang vom Ende von Deutschland als Großmacht gelegt wurde.
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#40
Barbarossa hätte genau so gut auch gewonnen werden können, und im weiteren wäre alles anders geworden. Tatsächlich war Barbarossa die einzige reale Chance zum Sieg. Fast genau zum perfekten Zeitpunkt hat man angegriffen und hätte man gegenüber dem russischen Volk selbst eine andere Politik gefahren, wäre die Sowjetunition kollabiert.

Ebenso hätte man im Ersten Weltkrieg durchaus siegen können, hätte man vorher die Weichen in der Rüstungspolitik richtig gestellt.

Beide Beispiele sagen daher wenig über die Frage aus ob Offensive oder Defensive jeweils einen Vorteil bieten, sondern mehr über die sonstigen politischen Rahmenbedingungen.

Aber um das wesentlichste nochmal zu betonen: die Gewichtung welche Kampfform überlegen ist, das ist nur EIN Faktor von mehreren.

Im weiteren konzentrierst du dich hier erneut auf die rein politisch-strategische Ebene. Während meine ursprüngliche Aussage sich auf die rein militärische Seite des ganzen, primär sogar vor allem auf die operative und taktische Ebene bezogen hat.

Zitat: in diese Situation ist Deutschland nur geraten, weil es zuvor Polen offensiv angegriffen hat, wozu überhaupt keine Notwendigkeit bestand.

Es ist meiner Meinung nach unlogisch zu erklären: Wenn man gar keinen Krieg führt, dann sei dies der Beweis dafür, dass die Defensive im Krieg überlegen ist. Und exakt das tust du mit dieser Aussage.

Zitat:Mittlerweile gibt es auch andere Zahlen: Hooton, E. R. (2007). Luftwaffe at War; Blitzkrieg in the West. Flugzeuge der Alliierten: <3000

("Hooton used the National Archives in London for RAF records, including "Air 24/679 Operational Record Book: The RAF in France 1939–1940", "Air 22/32 Air Ministry Daily Strength Returns", "Air 24/21 Advanced Air Striking Force Operations Record" and "Air 24/507 Fighter Command Operations Record". For the Armée de l'Air Hooton used "Service Historique de Armée de l'Air (SHAA), Vincennes".)

Sind mir bekannt und mir ist auch bekannt wie er auf diese Zahlen kommt. Er rechnet nämlich die strategische Reserve einfach heraus, mit der Begründung, dass diese ja real nicht zur Verfügung stand.

Mir geht es aber um etwas ganz anderes: man hätte diese Reserve ja OFFENSIV einsetzen können, und wenn sicher auch nicht vollständig, so doch zu gewissen Anteilen. Und das hätte die Lage komplett gekippt.

Noch darüber hinaus kommt der von dir genannte Autor zu ungefähr den gleichen Prozentzahlen was die Frage der eingesetzten Flugzeuge angeht. Es spielt dann im weiteren gar keine Rolle, ob die West-Alliierten hier tausend Flieger mehr oder weniger gehabt haben, weil der entscheidende Unterschied der prozentuale Anteil ist, zu welchem die verfügbaren Systeme eingesetzt wurden und dieser sich so extrem unterscheidet (ca 1/4 zu ca 3/4)

Nehmen wir einmal rein theoretisch an, (reines Gedankenspiel!) die Deutschen hätten 4.000 Flugzeuge gehabt und die Alliierten hätten nur 2000 Flugzeuge gehabt (fernab der Realität!). Dann ergibt sich hieraus aufgrund der Verhältnisse von eingesetzten zu nicht eingesetzten Systemen ein Verhältnis von 3000 real eingesetzten deutschen Flugzeugen zu 500 real eingesetzten alliierten Flugzeugen. Die Übermacht der Deutschen wäre 1 : 6. Nun drehen wir das ganze aber mal einfach um! Und nehmen wir also an, die Alliierten hätten 4000 Flugzeuge gehabt und die Deutschen nur 2000. Aufgrund der genannten Prozentzahlen die auch Hooton ziemlich genau so ermittelt hat (er kommt meiner Erinnerung nach bei den Allierten auf irgendwas um die 23%), ergäbe das ein Verhältnis von 1500 deutschen Flugzeugen zu 1000 alliierten Flugzeugen und die Deutschen wären immer noch 1 : 1,5 überlegen gewesen.

Entscheidend war jetzt nicht, ob eine Seite ein paar hundert Flugzeuge mehr oder weniger hatte, sondern wie diese verwendet wurden.

Beim Maas Übergang war die deutsche Luftraumverteidigung an der absoluten Obergrenze, oder sogar noch etwas darüber hinaus. Ein paar alliierte Staffeln mehr und der ganze Maas Übergang wäre gescheitert. Die Luftschlacht über Sedan am 14 Mai war mit das entscheidende Element überhaupt. Hätten die Franzosen ihre Jäger und Bomber welche sinnlos in Frankreich in der Tiefe des Raumes auf Flugfeldern herum standen OFFENSIV über Sedan eingesetzt, wäre alles anders gekommen.

Allgemein zu diesem Komplex:

Die Umstände sind heute eben andere als früher: man kann heute das im ersten Auftakt verlorene Kriegsgerät eben nicht mehr zeitnah genug ersetzen. WENN also die Eröffnungsschlacht sehr massiv ausfällt, dann gerät der Verteidiger dadurch (aufgrund des Umstandes der Überraschung und weil er als erster Verluste erleidet) in ein Ungleichgewicht aus dem er nicht mehr heraus findet. Sind beide Seiten sonst in allem exakt gleich stark, bedeutet dies HEUTE immer zwingend, dass der Angreifer siegt. Die Gründe sind primär kriegswirtschaftlicher Natur. Hier noch ein recht guter Artikel dazu:

https://warontherocks.com/2017/08/long-w...-ii-again/
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#41
@Quintus
Zitat:Unmittelbar an der Front in Frankreich eingesetzt haben die Briten übrigens exakt 384 Kampfflugzeuge. In Großbritannien wurden 540 Jagdflugzeuge und 310 taktische Bomber zurück gehalten. Was ein schwerwiegender Fehler war! Diese hätte man nämlich durchaus in Teilen aufs Festland verlegen und dort einsetzen können. Nur ein Teil davon hätte genügt und der Maas Übergang wäre gescheitert und damit im weiteren alles andere. Im übrigen konnten die Briten teilweise auch von England aus über dem Festland eingreifen, es gab etliche britische Luftangriffe von englischen Flughäfen auf deutsche Verbände in Belgien und Frankreich.

Es ist geradezu eine Ironie, dass die Westmächte ihre immense Überlegenheit in der Luft einfach verschenkten, indem sie diese nicht einsetzten. Den auch so waren die deutschen Verluste in der Luft immens. Beispielsweise schossen die Franzosen nicht weniger als 733 deutsche Flugzeuge ab, verloren aber selbst im Luftkampf nur 306. Insgesamt verlor die Luftwaffe während des Westfeldzuges nicht weniger als 1559 Flugzeuge (inklusive 323 schwer beschädigte welche nicht kurzfristig wieder gefechtsklar gemacht werden konnten). Allein diese Zahlen zeigen schon auf, was hier von westalliierter Seite möglich gewesen wäre.

Warum aber kamen die weit überlegenen alliierten Streitkräfte hier nicht zum Zug? Weil sie einem Defensiv-Konzept nach eingesetzt wurden, statt sie möglichst offensiv und aggressiv zu verwenden.
Dass die französischen Jagdflugzeuge, wenn sie denn gezielt eingesetzt wurden, den Deutschen zu schaffen machten, ist unbestritten. Das betrifft zwar nicht alle Muster, aber gerade z. B. Dewoitine 520 war ein hervorragendes Flugzeug, dass der Bf 109 E kaum nachstand. Dass die Jäger indessen nur unzureichend zum Zuge kamen, lag aber nicht alleine nur an der Defensivausrichtung, sondern auch daran, dass die Zahl der guten Entwürfe überschaubar war bzw. man eine Vielzahl von Flugzeugen in der Vorkriegszeit entwickelte und dadurch Ressourcen vergeudete bzw. sich verzettelte. So wurden z. B. Morane-Saulnier- oder Bloch-Modelle noch gebaut, obwohl man eigentlich wusste, dass es eher schwache Entwürfe waren und man lieber gerne die Dewoitine haben würde. Statt umzustellen, produzierte man auf Halde. Und auch das teils unübersichtlich. Das Ergebnis war, dass die Deutschen dann z. B. auf Flugplätzen hunderte Maschinen erbeuteten, denen noch die Propeller fehlten, da deren Produktion auf andere Modelle umgemünzt worden war, aber die Rumpfproduktion eben einfach weitergelaufen war.

Bzgl. der Briten: Sehe ich etwas anders. Man kann ihnen eigentlich mangelnden Kampfgeist nicht nachsagen. Und auch kein Verharren in der Defensive. Eher war es so, dass die wenigen bzw. zu diesem Zeitpunkt nur in geringem Umfang existierenden moderneren Varianten, etwa der Spitfire, weitgehend in Großbritannien verblieben zum Schutz des Heimatlandes - sie tauchten dann erstmals über Dünkirchen in nennenswerter Anzahl auf (da war es aber quasi schon zu spät). Die Flugzeuge jedoch, die man auf dem Kontinent hatte, setzten sich durchaus voll und tapfer ein. Auch gab es ja bspw. sehr starke Attacken gegen die deutschen Maas-Übergänge (deren Wichtigkeit man auf alliierter Seite sehr wohl erkannte). Aber es waren eben z. B. alte Fairey Battle oder Curtis-Modelle, die, als sie die Maas anflogen, reihenweise von Flak und Jägern abgeschossen wurden. Indessen ist die Frage, ob 200 oder 300 moderne Jäger aus England es geschafft hätten, die Wende über der Maas zu ermöglichen, nur schwer eindeutig zu beantworten. Ich denke eher nicht, dass es entscheidend gewesen wäre, auch wenn die Deutschen dann höhere Verluste erlitten hätten.
Zitat:Was du hier außer Acht lässt sind die Produktionsraten. Auch das spricht für die Offensive. Denn: wenn der Krieg im Westen von beiden Seiten defensiv geführt worden wäre, dann hätte die Alliierte Rüstung innerhalb von eineinhalb Jahren oder länger ein derartiges Übergewicht erhalten, dass dann die Offensive von Alliierter Seite vom Deutschen Reich nicht mehr hätte aufgefangen werden können.
Dass die alliierten bzw. britischen Rüstungsbemühungen, zumal im Jägerbau, nach grob einem Jahr (Herbst 1940) die deutsche Rüstung überflügelte, ist richtig. Während der Schlacht um England produzierte England mehr Jäger als Deutschland, gezwungenermaßen. Aber ein eineinhalbjähriger "Sitzkrieg" würde wiederum mit sich bringen, dass auch die deutschen Verluste viel geringer gewesen wären und die deutsche Industrie Zeit gehabt hätte, sich umzustellen. D. h. die Luftwaffe wäre wesentlich schlagkräftiger gewesen als sie es dann im Herbst 1940 nach den Verlusten in Frankreich tatsächlich war. Und ob dann die Offensive wirklich erfolgversprechend wäre, muss in Frage gestellt werden.

Genau genommen hätte, rein heruntergebrochen auf die Produktion, es nur ein sehr schmales zeitliches Fenster gegeben für einen Angriff, wenn er einigermaßen noch erfolgversprechend sein soll (und wenn man alles andere, etwa Krieg in Norwegen, die Atlantikschlacht und die Eroberung des Balkans mal außen vor lässt). Etwa grob zwischen Ende 1940 und Sommer 1941. Danach wäre die deutsche Produktion der britischen überlegen gewesen. Und man darf auch nicht vergessen, dass im Sommer 1940 Italien in den Krieg eintrat und britische Kräfte in Nord- und Ostafrika gebunden waren.
Zitat:Wäre Deutschland also im Westen passiv geblieben, wäre es dermaßen tot gerüstet worden, dass schon nach eineinhalb Jahren die Überlegenheit der Westalliierten derart extrem geworden wäre, dass man weder eine Offensive gegen die Westmächte hätte führen können, noch umgekehrt eine Offensive der Westmächte hätte aufhalten können.
Wenn dem so wäre, so wäre die Frage, wieso es Churchill ablehnte (trotz Eintritt der USA in den Krieg Ende 1941 und der davor bereits bestehenden Cash & Carry- bzw. Lend & Lease-Klausel), eine Landung auf dem Kontinent vorzunehmen vor ca. dem Jahr 1944?

21 Monate nach Kriegsbeginn trat die Wehrmacht mit über 3 Mio. Soldaten gegen die Sowjetunion an. Und bekanntermaßen traten ca. 70% der deutschen Verluste später auch an der Ostfront ein. Wenn ich mir nun vorstelle, dass diese Kräfte nun frei wären und alle irgendwie im Westen stünden, so kann ich mir nicht vorstellen, wie eine (erfolgversprechende) Offensive der Westalliierten Ende 1940/Anfang 1941 aussehen könnte, selbst wenn man alle Dominions und den Commonwealth mit einspannt und alle anderen Kriegsschauplätze ausklammert (Nordafrika, Kreta, Balkan, Atlantikschlacht)? Es rechnet sich hinten und vorne nicht...

Schneemann
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#42
Jetzt schreibst du aber an mir vorbei:

WENN Deutschland gegenüber Frankreich Defensiv geblieben wäre, dann wäre Frankreich ja nicht erobert worden. Es ist daher falsch wenn du hier 1. nur die britischen Produktionskapazitäten den deutschen gegenüber stellst, den dann wären die französischen Produktionskapazitäten ja weiterhin zu den britischen noch dazu gekommen. und 2. wäre die Invasion ja dann nicht über See aus Engelland erfolgt, sondern vom Rhein her direkt nach Deutschland hinein. Das sind ja völlig verschiedene Umstände. Um das nochmal heraus zu arbeiten:

Zitat:Wenn dem so wäre, so wäre die Frage, wieso es Churchill ablehnte (trotz Eintritt der USA in den Krieg Ende 1941 und der davor bereits bestehenden Cash & Carry- bzw. Lend & Lease-Klausel), eine Landung auf dem Kontinent vorzunehmen vor ca. dem Jahr 1944?

Ich schrieb:

Zitat:Wäre Deutschland also im Westen passiv geblieben.....

Das heißt keine Eroberung Frankreichs, also eine Defensive Kriegsführung nach Westen hin. Das heißt du müsstest hier dann deutlich schwächere deutsche Produktionskapazitäten (den Frankreich stellte sowohl Rohstoffe wie auch Beutematerial wie auch Arbeiter / auch Zwangsarbeiter etc) gegen die Französischen + Britischen Produktionskapazitäten setzen. Und die Invasion wäre dann aus der Sicherheit der Maginot Linie heraus geführt worden, direkt in deutsches Gebiet hinein. Also eben keine Landung auf dem Kontinent, sondern der Angriff wäre gleich direkts ins Ruhrgebiet hinein gerollt.

Zitat:Dass die alliierten bzw. britischen Rüstungsbemühungen, zumal im Jägerbau, nach grob einem Jahr (Herbst 1940) die deutsche Rüstung überflügelte, ist richtig.

Auch die französischen Rüstungsbemühungen waren größer als die Deutschen und wären entsprechend weiter gelaufen und man hätte sie entsprechend dazu rechnen müssen. Die französische Armee war 1940 rein vom Material her für sich allein bereits der Wehrmacht deutlich überlegen.

Zitat:Aber ein eineinhalbjähriger "Sitzkrieg" würde wiederum mit sich bringen, dass auch die deutschen Verluste viel geringer gewesen wären und die deutsche Industrie Zeit gehabt hätte, sich umzustellen. D. h. die Luftwaffe wäre wesentlich schlagkräftiger gewesen als sie es dann im Herbst 1940 nach den Verlusten in Frankreich tatsächlich war. Und ob dann die Offensive wirklich erfolgversprechend wäre, muss in Frage gestellt werden.

Und nochmal: damit lässt du außer Acht, dass dann die Franzosen ebenfalls Zeit gehabt hätten sich 1. umzustellen und 2. weiter zu produzieren und dann musst du eben die französische Produktion noch aufschlagen auf die britische und dann hätte Deutschland in diesem Rüstungswettlauf keinerlei Chance gehabt.

Zitat:Und man darf auch nicht vergessen, dass im Sommer 1940 Italien in den Krieg eintrat und britische Kräfte in Nord- und Ostafrika gebunden waren.

Was eventuell dann auch nicht geschehen wäre, wenn Frankreich noch völlig ungeschlagen in einem Rüstungswettlauf mit den Deutschen gestanden hätte. Im weiteren hat der Kriegseintritt Italiens für das Reich mehr Probleme produziert als irgend etwas gebracht. Sowohl was Zeit als auch Kräfte angeht war der Kriegseintritt Italiens einfach nur nachteilig für die Deutschen.

Zitat:Auch gab es ja bspw. sehr starke Attacken gegen die deutschen Maas-Übergänge (deren Wichtigkeit man auf alliierter Seite sehr wohl erkannte). Aber es waren eben z. B. alte Fairey Battle oder Curtis-Modelle, die, als sie die Maas anflogen, reihenweise von Flak und Jägern abgeschossen wurden. Indessen ist die Frage, ob 200 oder 300 moderne Jäger aus England es geschafft hätten, die Wende über der Maas zu ermöglichen, nur schwer eindeutig zu beantworten. Ich denke eher nicht, dass es entscheidend gewesen wäre, auch wenn die Deutschen dann höhere Verluste erlitten hätten.

Es war weniger der Mangel an modernen Jägern, sondern vor allem der Mangel an Bombern welcher hier den Ausschlag gab. Nur einige Staffeln Bomber mehr und der Maas Übergang wäre gescheitert und der deutsche Vorstoß wäre in Sedan hängen geblieben. Weitere Luftwaffeneinheiten der Franzosen hätten die deutschen Kolonnen in den Ardennen zusammen bomben können. Insgesamt hätte Frankreich die Mittel gehabt den deutschen Vorstoß durch die Ardennen aus der Luft nicht nur zu stoppen, sondern in eine Katastrophe für das deutsche Reich zu verwandeln.

Die französische Armeeführung hatte dafür aber kein Konzept, sondern wollte die Luftwaffe zurückhalten und schonen für den erwarteten jahrelangen Stellungskrieg.

Ein offensiver Einsatz der französischen Luftwaffe gegen die deutschen Truppen in den Ardennen und bei Sedan, insbesondere nur ein paar Staffeln mehr an der Maas hätten den größten deutschen Triumph in die größte deutsche Niederlage verwandelt. Im weiteren hätte die Gegenoffensive dann breitflächig ins Reich hinein rollen können.

Um General Billote zu zitieren:

"La victoire ou la defaite passent par ces ponts!"

TROTZ dieser richtigen Erkenntnis setzten die Franzosen in den entscheidenden Tagen (13., 14. und 15. Mai) gerade mal 43 Bomber gegen Sedan ein. Rein theoretisch aber hatte die französische Luftwaffe in Frankreich selbst (also ohne alle Flugzeuge die in den Kolonien stationiert waren) nicht weniger als 932 einsatzbereite Bomber !

Das was im Raum Sedan operierte an Alliierten Luftstreitkräften konnte gerade eben so durch die deutsche Luftraumverteidigung (FlaK, Jäger) abgewehrt werden, gerade eben so. Deshalb sprach Guderian selbst von einem Wunder (wortwörtlich) dass es den alliierten Luftstreitkräften nicht gelang die Brücke zu zerstören über die dann am 14. und 15. Mai nicht weniger als 600 deutsche Panzer rollten. Trotz des ganzen FlaK-Hagels wurden von den 43 französischen Bombern übrigens nur 5 abgeschossen!

Man stelle sich nun vor, Frankreich hätte statt ca 40 Bombern nun ca 200 Bomber gegen die Brücke eingesetzt und im weiteren mit seinen Bombern mit höherer Reichweite gezielt die deutschen Fahrzeugkolonnen in den Ardennen angegriffen, den diese hätte die Luftwaffe nicht einmal mehr decken können, so sehr war sie bei Sedan gebunden (primär aufgrund britischer Jäger etc). Nehmen wir also mal an, man hätte zeitgleich die Brücke mit dem 5 fachen an Bombern angegriffen und nochmal 200 Bomber gegen die deutschen Kolonnen weiter hinten eingesetzt, das wäre es gewesen !

Frankreich hätte damit nicht einmal die Hälfte seiner Bomber eingesetzt ! Und der Zweite Weltkrieg wäre de facto von Frankreich gewonnen und erstickt worden, noch bevor er sich so richtig ausbreiten hätte können.

Aber es gab keinerlei Koordination zwischen französischem Heer und französischer Luftwaffe. Jede Anfrage um Luftnahunterstützung musste extrem komplizierte überlange Wege gehen und wurde dann oft von höheren Stellen im französischen Heer einfach ignoriert. Die französische Luftwaffe war so wenig präsent, dass von französischen Befehlshabern regelmässig die Frage kam:

Que fait notre aviation?, Aucun avion francais dans l´air. Absence totale de notre aviation. usw usw Wo bleibt unsere Luftwaffe? war die ständige Frage französischer Offiziere.

Und noch ein Punkt zu den französischen Produktionskapazitäten:

Ironischerweise verfügte die französische Luftwaffe am Tag des Waffenstillstandes über mehr Flugzeuge als am Tag des Kriegsbeginnes. Allein vom 01.09.1939 bis zum 01.05.1940 liefen der französischen Luftwaffe nicht weniger als 1732 neue Flugzeuge zu. Und nach dem deutschen Angriff bis zum 12 Juni nochmal weitere 1131 neue Maschinen. Dazu wurden noch Kampfflugzeuge aus den USA gekauft und importiert was kaum jemand weiß, nicht weniger als weitere 340 Kampfflugzeuge und bis zum Tag des Waffenstillstandes belief sich die Zahl der US Kampfflugzeuge in der französischen Luftwaffe bereits auf 544 Stück.

Eine Kontrollkommission zählte kurz nach dem Waffenstillstand in Frankreich nicht weniger als 4268 Flugzeuge !

Diese Zahlen sind so irrsinnig, dass der Fakt, dass ein Gros der französischen Luftwaffe einfach nicht vor Ort an der Front agierte vielen Historikern bis heute ein Rätsel bleibt.

In den ersten Tagen der Offensive hätte die französische Luftwaffe im Alleingang im Endeffekt das deutsche Heer am Boden in den Ardennen weitestgehen niedermetzeln können. Das war die einzigartige Chance Frankreichs in diesem gesamten Krieg, aber man tat: rein gar nichts, oder zog die Flugzeuge noch weiter nach hinten in Richtung Südwestfrankreich ab. Die Ardennen hätten 1940 das Grab der deutschen Panzerwaffe werden können, aber die französische Armeeführung verstand nicht ansatzweise was sich hier bot. Beispielsweise bot der französische Luftwaffenbefehlshaber in diesem Bereich, General d´Astier de la Vigerie jeden Tag überzählige nicht eingesetzte Luftwaffeneinheiten für Angriffe an und fragte bei den Kommandeuren vor Ort nach, ob es Aufträge gäbe, und dies wurde verneint. Und auf eigene Faust ohne solche Anforderung seitens einer Armeeführung agierte die französische Luftwaffe nicht auf der taktischen Ebene.

Und deshalb ist auch dieses Zahlen einsatzbereiter Systeme vergleichen unzureichend: die deutschen Maschinen waren nicht nur vor Ort im Kampfeinsatz durchgehend mehr, obwohl die Luftwaffe insgesamt weniger Maschinen hatte, sie flogen aufgrund solcher Umstände auch noch durchgehend wesentlich mehr Einsätze pro Maschine. Beispielsweise kamen deutsche Kampfflugzeuge auf 4 Einsätze pro Tag, französische Jäger hingegen nur auf 0,9 und französische Bomber nur auf 0,28 Einsätze pro Tag. Ein primärer Grund dafür war die katastrophal schlechte Kommunikation und nicht vorhandene Koordination zwischen französischem Heer und französischer Luftwaffe. Aber das reicht alles als Erklärung immer noch nicht:

Der primäre Grund warum Frankreich hier eine einzigartige historische Chance vertan hat war vor allem anderen das dahinter stehende DEFENSIVE Konzept, die strategische Defensive.

Und damit biege ich das ganze mal wieder zurück zur aktuellen Fragestellung: hätte Frankreich in einer Offensivkultur zumindest seine Luftwaffe ihren realen Möglichkeiten nach eingesetzt, sowohl gegen die Brücke über die Maas als auch gegen die deutschen Verbände um Sedan als auch insbesondere in den ersten Tagen gegen die deutschen Kolonnen in den Ardennen, dann wäre der ganze Plan der Deutschen nicht aufgegangen, es hätte sogar mit Leichtigkeit eine der größten militärischen Katastrophen der Kriegsgeschichte daraus werden können. Warum also hat man das vertan? Weil man einem Primat der strategischen Defensive folgte und davon ausging, dass man seine Kräfte für mehrere Jahre eines defensiv geführten Krieges einteilen müsse.

Das ganze ist also kriegsgeschichtlich ein gutes Beispiel um die inhärenten Vorteile der Offensive gegenüber der Defensive im MODERNEN Krieg darzustellen. Man hatte ideale Werkzeuge für solche offensiven Handlungen in Form einer der stärksten Bomberstreitmächte der Welt, setzte diese aber höchst defensiv und zurückhaltend ein, weil man einer ganz anderen Doktrin und ganz anderen grundsätzlichen Auffassung vom Krieg folgte.

Daher verschenkte man die Offensiv-Mittel die man eigentlich gehabt hätte selbst da, wo es eigentlich gar keinen anderen Einsatz als einen Offensiven gegeben hätte (Luftwaffe). Man verschenkte sie weil man auf die Überlegenheit der Defensive setzte.

Allgemein:

Heute wird diese grundsätzliche Frage noch durch die ständigen Kostensteigerungen und die damit einhergehenden immer kleineren Armeen stark beeinflusst. Den wenn die Armee immer kleiner wird, entstehen immer größere Räume sehr geringer Truppendichte. Diese kann und wird der Feind explorieren. Allein daraus verbietet sich für solche geschrumpften Armeen wie wir sie heute haben die Defensive, führt diese doch dazu, dass der Feind die quantiative Schwäche unserer Streitkräfte explorieren kann.

Wenn wir eine Defensive Strategie fahren wollten, dann würden wir ganze Andere Streitkräfte benötigen, mit einer anderen Doktrin, einer anderen Struktur, einer anderen Ausrüstung und dann stehen wir aber vor dem Problem, dass wir aufgrund unserer geographischen Lage mit solchen Defensiv-Streitkräften passiv zusehen müssten wie unsere Verbündeten militärisch geschlagen werden.

Gerade aufgrund seiner geographischen Position benötigt daher Deutschland im Rahmen seiner Bündnisse Streitkräfte die eher Offensiv ausgerichtet sein müssen als dies bei unseren östlichen Verbündeten der Fall ist.

Beschließen will ich mit einem Zitat von Napoleon:

"Wer hinter seiner Verschanzung bleibt, der ist geschlagen."
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#43
(20.04.2022, 19:37)Quintus Fabius schrieb: Es ist meiner Meinung nach unlogisch zu erklären: Wenn man gar keinen Krieg führt, dann sei dies der Beweis dafür, dass die Defensive im Krieg überlegen ist. Und exakt das tust du mit dieser Aussage.

Nein. Ich habe es deswegen erwähnt, weil bei dir das Gegenteil von "Offensive Operation" automatisch "Defensive Operation" zu sein scheint. Das ist aber eben NICHT der Fall: Ein Angriffskrieg, den man nicht führt, muss nicht dazu führen, dass der Gegener diesen führt: Es kann auch einfach nichts passieren und man spart sich jede Auseinandersetzung.

Und das wäre sehr wahrscheinlich gewesen, hätte Hitler Polen nicht angegriffen. Die Briten übten sich in Appeasement und was die Franzosen anging:

"In nahezu allen gesellschaftlich bedeutenden Gruppen, einschließlich des Militärs, waren damals pazifistische Strömungen vorherrschend. Die linken Parteien forderten sogar eine eigene einseitige Abrüstung ohne entsprechende Gegenleistungen der anderen Seite (Deutschlands). Der Sozialist Léon Blum, kommender Ministerpräsident der Volksfront-Regierung (4. Juni 1936 bis 29. Juni 1937), vertrat die Ansicht, der Staat werde allein durch sein moralisches Ansehen unantastbar und unverletzlich, und er würde dadurch andere Staaten zwingen, seinem Beispiel zu folgen" (https://docserv.uni-duesseldorf.de/servl...6/1286.pdf)

Ich bin ja auch nicht der einzige der das so sieht, sonst hätte es ja nicht die Septemberverschwörung 1938 gegeben:
https://de.wikipedia.org/wiki/Septemberv...%C3%B6rung

Dass die Mitglieder Postmodern oder besonders pazifistisch gewesen seinen, kann man wohl ausschließen. Sie haben einfach Hitlers Hazardspiel gesehen und dass er die Sicherheit des Reiches gefährdet.

Hitlers Hazardspiel begann aber faktisch schon mit der Absetzung von Hjalmar Schacht. Die Aufrüstung wurde ab einem gewissen Punkt über die Notenpresse durchgeführt und war wirtschaftlich überhaupt nicht mehr gedeckt, sondern massiv inflationär und destruktiv. Sehr zu empfehlen hierzu: "Adam Tooze - Ökonomie der Zerstörung: Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus" (https://www.amazon.de/%C3%96konomie-Zers...70554074/r) Der Krieg musste also ab einem gewissen Punkt faktisch geführt werden, damit das System weiterlaufen konnte.

(20.04.2022, 19:37)Quintus Fabius schrieb: hätte man ... gewinnen können

Und hätte das römische Herr Dinge anders gemacht, wären wir vielleicht alle heutzutage noch Römer.
Im Nachhinein kann man natürlich immer leicht sehen, was man anders hätte machen können. Man hat es aber nicht gemacht. Und auch in Zukunft werden Regierungen Fehler begehen. Weswegen ich eben zur generellen VORSICHT mahne. Man sollte nicht leichtfertig die Existenz des eigenen Landes für ein Hazard-Spiel riskieren.

Jedoch:
Hitler 1939 mit dem gesamten französischen+britischen Heer angreifen, als er in Polen war und in Deutschland nur 10 Divisionen verblieben? Das widerrum hätte man machen können von a. Seite aus, nach dem man gesehen hat, dass er ständig neue Kriege und Konflikte beginnt und man ja Polen eine Beistands-Garantie gegeben hatte. Wenn Putin Polen angreifen würde, würde ja auch die gesamte NATO helfen, ohne dass das jemand verdammen würde.

(20.04.2022, 19:37)Quintus Fabius schrieb: Das ganze ist also kriegsgeschichtlich ein gutes Beispiel um die inhärenten Vorteile der Offensive gegenüber der Defensive im MODERNEN Krieg darzustellen.

Warum immer so statisch? Ich finde, die Russen bei Zitadelle wie auch Manstein bei Charkow 1943 beweisen recht gut, dass eine clevere Defensive, die anschließend in eine Gegen-Offensive übergeht, ein sehr wirksames Instrument sein kann.
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#44
Facilier:

Zitat:Man sollte nicht leichtfertig die Existenz des eigenen Landes für ein Hazard-Spiel riskieren.

Wenn du meine Einträge insgesamt betrachtest wirst du feststellen, dass ich gerade auf dieser Ebene eher zu äußerster Vorsicht neige. Beispielsweise habe ich mehrfach das Vorgehen der NATO im aktuellen Ukraine Krieg kritisiert weil es mir zu offen offensiv erscheint. In diesem Punkt sind wir also vollkommen einer Meinung.

Aber nochmal, weil wir da wirklich aneinander vorbei schreiben: mir geht es nicht darum ob man Kriege anfangen soll oder nicht, ob man Angriffskriege führen sollte, oder sich ausschließlich auf Verteidigungskriege nur für den Fall das man angegriffen wird konzentrieren sollte, sondern mir geht es primär darum wie es sich IM Krieg verhält. Die Grundvoraussetzung, die Grundannahme von mir bezüglich meiner Aussage war also, dass bereits ein Krieg stattfindet. Und dann stellt sich die Frage was IN diesem Krieg Vorteile erbringt.

Deshalb schreibst du auch immer noch an mir vorbei:

Zitat:Ich habe es deswegen erwähnt, weil bei dir das Gegenteil von "Offensive Operation" automatisch "Defensive Operation" zu sein scheint. Das ist aber eben NICHT der Fall: Ein Angriffskrieg, den man nicht führt, muss nicht dazu führen, dass der Gegener diesen führt: Es kann auch einfach nichts passieren und man spart sich jede Auseinandersetzung.

Meine Aussage bezieht sich nur darauf, dass die Offensive EINER VON MEHREREN Vorteilen ist, die ich IN einer Auseinandersetzung erlangen kann. Deshalb ja meine Ausführungen bezüglich des Westfeldzuges 1940. Die Deutschen griffen an. Hätte Frankreich nun seine Luftwaffe gleich zu Beginn so offensiv wie möglich eingesetzt, wäre der deutsche Angriff in den Ardennen und bei Sedan liegen geblieben.

Mir geht es darum, wie es sich IN einem Krieg verhält. Die Frage ob und unter welchen Umständen man solche anfangen sollte oder nicht, ist demgegenüber eine komplett andere Fragestellung.

Zitat:Jedoch: Hitler 1939 mit dem gesamten französischen+britischen Heer angreifen, als er in Polen war und in Deutschland nur 10 Divisionen verblieben? Das widerrum hätte man machen können von a. Seite aus, nach dem man gesehen hat, dass er ständig neue Kriege und Konflikte beginnt und man ja Polen eine Beistands-Garantie gegeben hatte.

Et voilà ein perfektes Beispiel für die Überlegenheit der Offensive im modernen Krieg. Aber man hielt von britischer wie französischer Seite die Defensive für überlegen und wollte abwarten bis die Deutschen angreifen um diese dann in der Defensive auszubluten.

Zum Ende des Polenfeldzuges hin anzugreifen hätte das deutsche Heer noch darüber hinaus in einem ziemlich erschöpften Zustand getroffen, auch die Munitionsvorräte waren erschöpft, es herrschte sogar eine regelrechte Munitionspanik (mit Blick auf die lauernden Westmächte). Und die 10 Divisionen in Deutschland selbst waren unbrauchbar, da fehlte es an allem, teilweise sogar an Uniformen (kein Scherz ! die liefen da teilweise mit Armbändchen mit der Aufschrift Wehrmacht rum). Kurz und einfach: eine entschlossene französische Offensive hätte zu diesem Zeitpunkt den Zweiten Weltkrieg beendet noch bevor er überhaupt richtig angefangen hätte.

Zitat:Warum immer so statisch?

Da hast du leider recht, das wirkt jetzt so. So meine ich es aber gar nicht. Es gibt im Krieg natürlich keine Axiome, von daher kann überhaupt keine Aussage absolut sein. Aber um es nochmal zu betonen: unabhängig davon dass es keine Axiome gibt, gibt es dennoch Faktoren die eine Sache beeinflussen. Beispielsweise Mannstärke, Zahlenmässige Überlegenheit, Technische Überlegenheit, Führungsüberlegenheit usw. usw. Das sind alles Faktoren die einen Einfluss nehmen. Oder auch nicht. Oder nicht so wie erwartet.

Und so ist auch der Vorteil der Offensive vor der Defensive im modernen Krieg mit seinen Mitteln EIN solcher Faktor. Ein Einfluss, von vielen.

Und daraus erklären sich auch alle scheinbaren Gegenbeispiele die du hier anführst. Den der Erfolg oder Misserfolg resultiert extremst selten nur aus einem Faktor heraus. Beispielsweise gab es ja noch eine ganze Reihe weiterer Faktoren welche im Westfeldzug eine wesentliche Rolle spielten, beispielsweise die bizarr schlechte Kommunikation zwischen Luftwaffe und Heer bei den Franzosen, die viel zu langsame Kommunikation und Informationsverarbeitung beim Heer und die vielen Beschränkungen und prozessualen Hürden und Probleme welche den Einsatz französischer Kampftruppen behinderten, der Mangel an Funkgeräten wie auch an Funkern und noch vieles mehr. Es hätte sogar schon genügt wenn man die Maginot Linie einfach noch weiter nach Norden gezogen hätte.

Schlußendlich ist es also praktisch gesehen nie ein Faktor für sich allein. Ich nannte aber explizit den Westfeldzug 1940 und sein Vorfeld, weil hier von Kriegsbeginn 1939 an durchgehend der Glaube an die Überlegenheit der Defensive bei den Westalliierten eben ein sehr wesentlicher Faktor war und ihr Handeln insgesamt massiv prägte und sich dies für jederman sofort erkennbar als nachteilig heraus stellte.

Zitat:Im Nachhinein kann man natürlich immer leicht sehen, was man anders hätte machen können. Man hat es aber nicht gemacht. Und auch in Zukunft werden Regierungen Fehler begehen.

Auch damals war es leicht zu sehen und manche (De Gaulle) haben es auch ganz klar schon vorher gesehen. Und man hätte es anders machen können, ganz leicht sogar. In Wahrheit ist Krieg führen gar nicht so schwer, im Krieg ist in Wahrheit alles einfach, aber dieses Einfache ist im Krieg immens schwer.

Daher kommt alles darauf an einfache Systeme und einfache zentralreduzierte Hypothesen zu haben, die gut genug sind, vorausgesetzt sie erhöhen durch die Vereinfachung die Geschwindigkeit und gerade diese ist der entscheidende Faktor im modernen Krieg. Und heute noch umso mehr, den die Zeitfenster in denen man überhaupt Krieg führen kann (bis der Krieg dann unführbar wird) werden immer kleiner, aus einer Vielzahl von Faktoren heraus. Daher muss man dass immer kleiner werdende Zeitfenster immer intensiver nutzen und dies geht ebenfalls querschnittlich besser in der Offensive.

Natürlich kann im jeweiligen Einzelfall (und jeder Krieg muss für sich allein als ein absolut einzigartiger Einzelfall betrachtet werden) dann trotzdem genau auf das Gegenteil kommen und die Defensive genau richtig sein. Das hängt halt von den gesamten Umständen ab, von allen Faktoren zusammen. Wenn der Vorteil den man durch die Offensive erlangt widerum in anderen Bereichen so viele Nachteile erzeugt, dass der erzielte Offensiv-Vorteil dadurch mehr als überkompensiert wird, dann macht die Offensive keinen Sinn.

Deshalb hadere ich auch immer mit den ganzen historischen Vergleichen. Meiner Meinung nach klammert man sich beim Militär zu sehr an der Vergangenheit fest und versucht zu sehr aktuelles militärisches Geschehen mit historischen Ereignissen zu vergleichen und daraus Ableitungen und Schlußfolgerungen zu ziehen. Man nehmen beispielsweise die Besessenheit der Preußen und dann des Deutschen Reiches von Cannae in militärischen Belangen.

Daraus resultiert meine Forderung nach einem militärischen Futurismus, der sich von jedem Bezug zur Vergangenheit befreit um gerade dadurch militärisch voran zu kommen. Der militärische Futurismus muss dazu zuvorderst alles was Tradition und überkommene Überlieferung ist gnadenlos abschneiden und sich davon komplett trennen. Auf jeder Ebene und in jedem Bereich darf allein die extremste opportunistische Zweckmässigkeit in Bezug auf den Auftrag das einzige Leitmotiv sein. Dem alles andere zum Opfer fallen muss. Statt sich geistig zu beschränken und in Strukturkonservatismus zu verfallen, benötigt man mehr Gedankenfreiheit.

Und aus dieser Gedankenfreiheit heraus: ja natürlich kann auch die Defensive absolut sinnvoll und die einzig richtige Entscheidung sein.

Beispielsweise schreibe ich seit Jahren davon, dass die ganze Struktur der Streitkräfte im Baltikum ineffektiv und ineffizient ist, weil sie nicht Defensiv genug ist und man hier eine ganz andere Doktrin, eine ganz andere Struktur und auch eine ganz andere Bewaffnung und Ausrüstung benötigen würde.

Dein Eindruck also, dass ich gedanklich zu statisch wäre ist meiner Meinung nach der Beschränktheit der schriftlichen Kommunikation in wenigen begrenzten Foren-Einträgen geschuldet. Ich bin in Wahrheit gedanklich gar nicht so steif wie ich da jetzt die letzten Einträge wohl erscheinen mag. Den das würde meiner grundsätzlichsten Auffassung der Überlegenheit des millitärischen Futurismus wohl eindeutig zuwieder laufen.
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#45
M. E. hat Quintus Fabius recht, denn die Quantität ist personell und materiell nicht gegeben, um im Stile des Kalten Krieges mechanisierte Operationen durchführen zu können. Deutschland, Frankreich und Großbritannien planen Heere im Umfang von 10 Brigaden, da hat Polen selbst mehr.
Die materielle Ausstattung ist so gering, dass in Deutschland lediglich etwas mehr als eine Mechanisierte Division (Pz. bzw. PzGren) ausgestattet werden kann. Das ist in Frankreich und Großbritannien ähnlich.
Bei einem Vortrag beim Reservistenverband wurde erläutert, dass alleine um die baltischen Staaten verteidigen zu können 6 Brigaden zusätzlich notwendig wären.
Daher ist dem Vorschlag von QF zuzustimmen sich auf Verteidigung auszurichten, dafür wäre es unerlässlich sich darauf zu konzentrieren. Deutschlands Aufgabe wäre es m. M. nach ein ausgewogenes Heer aufzustellen im Umfang von 15-21 Brigaden, die dann sich aufteilen in 2-3 leichte Divisionen (FJ, LL, GJ, Jg. [Jäger auf MTW Boxer zählen für mich zu den leichten Kräften]) und 3-4 schwere Divisionen (Pz, PzGren).
Teile dieser Kräfte könnten auch in Polen oder in der Slowakei stehen, bilateral versteht sich [nicht NATO, um die Verträge zu wahren].
Dieses würde jedoch bedeuten, dass alleine zwischen 900-1200 Kampfpanzer und auch genauso viele Schützenpanzer beschafft werden müssten, alleine der Wiederaufbau der schweren Kompanien bei den Jägern und PzGren erfordert je Bat. 10 Mörserträger.
Das einzige was ich offensiv planen würde, wäre die Neutralisierung der Oblast Kalingrad, diese allerdings zwingend. Eine Verteidigung des Baltikums ist m. E. nur möglich wenn die Oblast neutralisiert wurde und selbst dann nur kann lediglich Litauen verteidigt werden.
Extreme Vorschläge, wie sie bspw. Lutz Unterseher in der ÖMZ formuliert haben, halte ich für etwas monofunktional, weil gemäß Clausewitz auch defensiv in offensiv umschlagen kann und Kanonenjagdpanzer, wie sie Unterseher vorgeschlagen hat, eben kaum für offensive Operationen taugen.

Letztlich ist es aber wichtig, Russland in die westliche Sicherheitsarchitektur zu integrieren. M. a. W. trotz dieser m. E. notwendigen Rüstung ist es die politische Aufgabe gerade Deutschlands Russland zu integrieren. Ich bin weder ein Russlandversteher, noch ein Appeasement-Politiker, denn für mich gehören auch MRBM zu einem BW-Inventar, anstatt sich in schwachsinnigen Abwehrsystemdebatten von ballistischen Raketen zu vertiefen.
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