(Allgemein) Vom Kriege
#16
(04.04.2022, 14:12)Facilier schrieb: "...
"Eine neue Studie zeigt: Rund 20 Prozent der 1,5 Millionen in den Irak entsandten Soldaten kehren mit der Krankheit PTSD, kurz Post Traumatic Stress Disorder, in ihre Heimat zurück."

Die Dunkelziffer dürfte womöglich noch höher sein, viele Verdrängen das ja auch.

..."

GEKÜRZT durch mich

Das liegt daran das in den VSA die Leute mehrheitlich nach heutigen westlichen Standards leben und sie dann in eine völlig andere Welt eintauchen.
Die sozio-ökonomisch-sozial-rassischen Unterschiede von Gesellschaften führen eben zu so etwas.
Gänzlich andere "Lebensregeln" im Irak.
Wie QF schon anmerkte, wenn man die Welt realer betrachtet und dabei nicht ins Barbarentum* abgleiten möchte, weil die eigenen Werte derart konträr zu dem stehen was man eigentlich kennt und evtl. "ausflippt" dann sollte man mental/wesenstechnisch auch - spätestens beim Militär - da Gesellschaft nicht mehr dazu imstande ist - darauf vorbereitet sein.

*Definiere, Barbar zu sein liegt ebenfalls im Auge des Betrachters und ich meine so etwas oft auch nicht negativ-wertend da ich einen anderen Wertestandard habe.
Für mich sind die Taliban bspw. Feindkräfte die mit - aus meiner Sicht - unanständigen Methoden zwangsweise kämpfen müssen weil sie derart unterlegen sind, Gefangene sollte man nur nehmen um an Informationen zu gelangen und danach entledigt man sich derer, da keinerlei Verwendung mehr - ist das nach westlichen Werteverständnis "barbarisch"? Nach den heuchlerischen Humanismuswerten sicherlich, interessiert mich aber nicht ernsthaft, denn die Gegenseite versteht diese Sprache definitiv und es wirkt.
Ich empfinde die Taliban auch nicht als "böse" oder so, in ihren Augen sind wir die "bösen Ungläubigen" die man gefälligst zu bekämpfen hat. Ihr Land, ihre Regeln, ob ich die gut finde? Nein, wäre ich aber als kleiner afghanischer Abdullah in einem Ziegenhirtendorf geboren und so sozialisiert - tät ich es wohl genau so sehen. Sie zu bekämpfen (Tötung) ist der Auftrag, daher wird er erledigt und das will man nicht mit beiden Händen hinter dem Rücken tun... Ein wenig wie Löwen und Hyänen, einfach zu verschieden und die Umstände führten zu der Begegnung aus der sich der Kampf ergab. Wer ist Löwe, wer Hyäne? Sichtweise.

Von Fällen wo man vereinzelte Pluderhosenträger auf die eigene Seite ziehen kann usw. usf. mal abgesehen.
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#17
Meiner Auffassung nach ist es eben nicht das Abtauchen in eine völlig andere Welt, den das müsste eigentlich die psychologische Beeinträchtigung reduzieren, es sind also keineswegs die sozial-kulturell / ökonomischen Unterschiede, sondern ganz im Gegenteil, dass man den Gegenüber zunehmend als Mensch wahrnimmt und eben nicht als fremde Entinität die man daher sehr viel leichter entmenschlichen kann.

Dazu kommt die Leere des heutigen Schlachtfeldes und das Gefühl der Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit gegenüber den eigenen Verlusten und das Wissen um die völlige Sinnlosigkeit derselben - den auch die eigenen Verluste werden durchaus psychologisch wegsteckt wenn man gleichzeitig sieht dass das eigene Handeln Wirkung hat und man aktiv etwas tun kann, statt einfach nur passiv einem geisteskranken System ausgeliefert zu sein welches den ebenso passiven eigenen Tod von einem verlangt, weil dies für die zivilen politischen Ziele so geboten erscheint.

Barbarische und Zivilisierte Kriegsführung unterscheiden sich im weiteren meiner Auffassung nicht in der Frage von Moral und Menschenrechten, sondern weit darüber stehend in der Frage ob man Kriege rein rational wissenschaftlich und einem Primat der Funktionalität folgend führt oder ob man sie irrational, ohne Impulskontrolle dem bloßen Naturalismus folgend und nicht-funktional führt. Das heißt durchaus, dass die Taliban da wo sie allein dem Primat der Funktionalität folgend gekämpft haben auf eine zivilisierte Weise Krieg geführt haben.

Deshalb gibt es im Krieg auch keine unanständigen oder anständigen Methoden. Es ist deshalb auch geradezu absurd einen menschenrechtskonformen Krieg führen zu wollen, ist jeder Krieg ohne Ausnahme für sich selbst bereits "unanständig", vielmehr unmoralisch und gegen die Menschenrechte gerichtet. Gerade darum geht es ja im Krieg. Es gibt daher auch kein Gut und Böse und der bloße Versuch nach diesen Kriterien zu agieren produziert zwingend nur noch mehr "Böses".

Die westliche Zivilisation ist nicht durch universelle Menschenrechte groß geworden, sie hat sich nicht deswegen global durchgesetzt und ihre Kultur bis in die letzten Winkel der Erde verbreitet, sondern die Menschenrechte in ihrer heutigen Form sind wie die aktuellen westlichen Werte erst ein Produkt, ein Symptom, eine Folge dieser Zivilisation und ihres militärischen Sieges über den Rest der Menschheit.

Das wesentlichste und verbreitetste Missverständnis aber ist es, dass die Tötung des Feindes der Auftrag sei, dass darin die Zielsetzung liegen würde. Man verwechselt hier Mittel und Zweck. Das Töten ist nur ein Mittel und daher nur dann funktional, wenn es dem Zweck dient. Eine zivilisierte Kriegsführung erkennt dies und eine barbarische Kriegsführung erkennt dies nicht, weshalb vieles was westliche Streitkräfte so in den letzten Jahren getrieben haben eben auch nur eine barbarische Kriegsführung war, weil alles was da geschah nicht funktional war und die Tötung des Gegners als Selbstzweck betrieben wurde (Stichwort beispielsweise extralegale Tötungen in anderen Ländern durch Drohnen).

Was ist ohnehin der moralische und ethische Unterschied zwischen einem Taliban der eine Bombe am Wegesrand versteckt um damit dann einen unserer Panzer anzusprengen und einem Drohnenpilot, der aus unerreichbarer Höhe wobei er in selbiger nicht einmal gesehen oder anderswie aufgeklärt werden kann dannn eine Bombe nach unten auf den Taliban abwirft? Die Antwort ist simpel: Der Unterschied ist lediglich, dass der Taliban wesentlich mutiger ist. Rein von einem Standpunkt der Ehre aus ist sein Handeln anständiger, sind seine Methoden anständiger als die unsrigen.

Um den Bogen zur Frage einer "Elitetruppe" zurück zu spannen: eine solche müsste zwingend eine eigene innere Kultur aufweisen, welche diametral zu dem entgegen gesetzt wäre, was die Gesellschaft hier und heute als moralisch/ethisch richtig beurteilt. Den nur so könnte sie tatsächlich von den psychologischen Beeinträchtigungen des Krieges unbeeindruckt bleiben. Mal abgesehen von der Unmöglichkeit dies real zu implementieren stellt sich dann vor allem auch die Frage nach dem Verhältnis einer solchen Elitetruppe zum Rest der Gesellschaft, welches nur ein negatives für beide Seiten sein kann. Entsprechend würde man hier im Kleinen eine Art neue, andere Gesellschaft schaffen.

Und auch dies wirkt sich insgesamt wiederum nur negativ auf die Kampfkraft aus, stehen sich hier doch dann zwei verschiedene Systeme, zwei unterschiedliche Sozialkulturen gegenüber, wobei die eine (Elite) von der anderen (Gesellschaft, Armee) in ihrer Versorgung und ihrem Unterhalt abhängig ist. Allein das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis wird sich dann bereits militärisch negativ auswirken.

Eine solche Truppe könnte dann zwar einen ernsthaften Krieg auf jede Weise besser führen und ihn auch psychologisch besser "wegstecken", aber sie wäre zugleich auch hochgradig demotiviert aufgrund ihrer zwingenden Ablehnung der Gesellschaft wie auch diese umgekehrt diese Truppe ablehnen würde.

Kurz und einfach: Dieses Spannungsverhältnis wäre daher rein militärisch gesehen nicht funktional.

PS: Pluderhosen sind übrigens im Gebirgskampf eine sehr gute Bekleidung, das meine ich sogar durchaus ernsthaft. Worauf ich aber eigentlich hinaus will ist, dass wir den Feind nicht verachten sollten, den auch dies ist nicht funktional, entsteht daraus doch sehr leicht eine rein militärisch äußerst nachteilige Geringschätzung und Unterschätzung des Feindes. Deshalb sind selbst solche einfachen leicht verächtlichungen Äußerungen über den Feind gar nicht so unproblematisch. Ebenso ist es fatal (!) den Gegner nicht in all seiner Komplexität begreifen zu wollen. Beispielsweise ist Gewalt bzw. das Töten des Feindes keineswegs DIE Sprache welche er DEFINITIV versteht. Und gerade deshalb wirkt das auch nicht, wenn man es einfach so aus dem Kontext gerissen für sich allein anwendet.
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#18
(04.04.2022, 16:46)Quintus Fabius schrieb: geht es dir also weder um die körperliche/physische Seite des ganzen (Elite durch größere physische Leistungsfähigkeit)

So pauschal würde ich das nicht sagen. Das kommt eben darauf an, wie wichtig die Physis im jeweiligen Einsatz-Bereich ist und ob sie ein entscheidener Faktor für Sieg und Niederlage ist. Ist jemand Kampfschwimmer? Dann ist die Physis sicher nicht "egal", sondern durchaus essentiell - das geht nicht mit "Bierbauch" und Puste aus nach 30 Sekunden, um es mal krass überspitzt zu sagen. Ist jemand Hacker an der "Heimatfront"? Dann wird körperliches Training sicher nicht kriegsentscheidend sein und das ließe sich auch mit "Plaunze" machen.

Das kann man dann auch weiter spinnen: Soll jemand primär in dicht bewaldeten Tropen-Gebieten bei 85% Luftfeuchtigkeit kämpfen oder im urbanen Gebiet in der Ukraine? Ersteres könnte ohne entsprechendes besonderes Training+Vorbereitung für böse Überraschungen sorgen beim durchschnittlichen Nordeuropäer.

(04.04.2022, 16:46)Quintus Fabius schrieb: Ich vermute, dass du mit einer deutlich "härteren" Ausbildung schlußendlich auf eine Art Prätraumatisierung hinaus willst, um damit psychologischen Beeinträchtigungen der Soldaten durch den Krieg vorab entgegen zu wirken.

Eine Streitkraft benötigt keine Männer, sie benötigt funktionales Menschenmaterial in einem technisch-maschinellen Sinne um es mal überspitzt auszudrücken, den der Krieg ist eine Maschine, schlußendlich also eine Mechanik. 2. Hölle. Solange du den Krieg als solche betrachtest stehst du dir bereits selbst im Weg und kannst keinen sinnvollen Umgang mit dem Krieg erlangen. Der Krieg ist keine Hölle und erzeugt auch keine solche. In Wahrheit ist es genau diese Fehlwahrnehmung mit welcher PTBS zur Zeit in vielen Armeen regelrecht gezüchtet wird. Die völlige Entfremdung von der Natur, von der Realität und die Überzivilisierung sind genau so schädlich wie sich dem primitiven gefühlsgesteuerten Barbarentum hinzugeben.

Erst einmal etwas Grundlegendes. Der Grund, warum das Millitär hier im Westen oft so einen schweren Stand hat, liegt an zwei Gründen:

a) Der Glaube, dass man alle Probleme mit Diplomatie lösen könnte, jeder Mensch mit etwas Smalltalk "zum Guten" überzeugt werden kann und jegliches Millitärisches somit überflüssig und sogar kontraproduktiv sei.
Dieser Kinderglauben verfällt ja seit dem russischen Einmarsch zusehends. Dass ein rot-grünes Bündnis 100 Millarden für die Bundeswehr locker macht, das ist ja schon mal eine Hausnummer.

b) Es gab auch von unserer Seite aus zu viele dumme, falsche und sinnlose Kriege, die man dann auch noch verloren hat (Russland führt derzeit ja auch exakt einen solchen Krieg). Vor allem in einer offenen Gesellschaft, wo alles beleuchtet wird, sollte man das nie unterschätzen, wie fatal sich das langfristig auswirken kann. Was gibt es demoralisierenderes als eine endlose Reihe an heimkehrende Soldaten, die berichten, sich für ihr Vorgehen zu schämen und zudem sinnlos verheizt worden zu sein - kombiniert mit immer mehr auffliegenden Lügen der Verantwortlichen? Das schafft Verachtung für die Truppe beim Volk und senkt tief im Unterbewußtsein die Moral auch bei den Soldaten in der Zukunft dauerhaft schon, bevor jemand überhaupt eine Waffe in die Hand nimmt.

Krieg als Mechanik

Es ist zwar richtig, dass Krieg von Planungseite aus als etwas rein technisches angesehen werden muss. Für den einzelnen Soldaten ist das aber nicht so und es ist auch völlig irrational, dass das möglich wäre. Wenn du gerade im Schlamm liegst, dein Kamerad neben dir gerade getroffen wurde und du womöglich der nächste bist, dann möchte ich den mal sehen (sofern nicht betrunken oder völlig psychopathisch) an dem das als "Mechanik" vorbeigeht. Das IST eine Hölle, da gibt es gar nichts dran zu deuteln. Und dennoch kann man natürlich nicht "ausflippen", sondern muss gerade in solchen Situationen klar und handlungsfähig bleiben. Das geht aber nicht, in dem man sich am Schreibtisch sagt "Das ist alles Mechanik", sondern in dem solche Situationen vorher (soweit möglich) trainiert. Sich mental vorbereitet. So etwas meine ich: https://de.wikipedia.org/wiki/SERE-Training . "Der Inhalt der Ausbildung ist geheim, es wird jedoch versichert, dass nur das Überdauern und nicht Foltertechniken geübt werden. So soll psychedelische Musik zur Anwendung kommen, um den Gefangenen zu zermürben. Teil der Ausbildung ist Waterboarding."

Eine Hölle, die man vorher bereits gewissermaßen "antizipiert" hat, die man trainiert hat, die man schon halb durchlebt hat, die überrascht einen später nur ein Bruchteil von dem, wie sie einen völlig unbereiteten überraschen würde. Das o.g. Waterboarding gilt z.B. aufgrund der Todesangst als extram traumatisierend. Das schwächt sich aber massiv ab, sofern das Prozedere vorher in einem sicheren Umfeld trainiert wurde. Und so ist es auch mit allen anderen anderen Vorkommnissen in einem Kampfeinsatz.

Zur Psychologie der Truppe:

Ich glaube, es braucht weder eine Prä-Traumtisierung noch eine "Abstumpfung" noch eine "Entmenschlichung des Gegners" oder sonstewas. Das führt am Ende zu einer Meute neurotischer Kriegsverbrecher, die der Truppe extremen Schaden zufügen.

Nein, was wir brauchen sind Menschen, die der REALITÄT von Anfang an ins Auge sehen.

Ich persönlich bin ein durchaus feinfühliger Mensch. Sehe ich eine Spinne, setze ich sie nach draußen. Warum sollte ich dem Tier etwas tun, es hat mir nichts getan und will mir auch nichts tun. Doch wäre ich Ukrainer, hätte ich gar keine Bedenken, gegen die Russen anzutreten. Dazu muss ich sie nicht entmenschlichen und muss auch keineswegs auch nur 1% gefühlloser werden. Man könnte mir auch ein Video von dem gegnerischen Soldat zeigen, wie er gerade im Kreis seiner Freunde ist. So what? Das würde meine Kampfmoral keineswegs senken. Denn es ist jemand, der mich töten will. Also setzt man sich zur Wehr. Auch wenn er Mensch durch und durch ist und Familie und Freunde hat. Es würde nichts an der Tatsache ändern, dass dieser Mensch mich eben Putin zum Fraß vorwerfen will. So einfach ist es.

Da einige das aber nicht direkt realisieren, finde ich trotzdem, jeder sollte sich z.B. einmal ansehen, wie die "Gruppe Wagner" mit ihren Opfern umgeht oder auch die Taliban. Da gibt es auf Twitter genug Anschauungs-Material. Das sollte Pflicht-Material einer jeden Grund-Ausbildung sein. Nach dem Motto "Warum machen wir den Sch*** überhaupt?" Einigen ist ja entgangen, dass es auf dieser Welt eben auch üble Gesellen gibt. Der Realität ins Auge sehen, das genügt schon.

Wahrheit

Trotz aller Propaganda in Russland sind die russischen Soldaten demoralisiert. Sie ahnen den Schwachsinn des Einsatzes. Davon ab sind Soldaten in der Regel jung und selbst in Russland hat die junge Generation Zugang zum westlichen Internet und ist in der Regel recht gut "im Bilde".

Wäre ich Staatschef und Oberbefehlshaber, würde ich alles daran setzen, im Einklang mit der Wahrheit zu bleiben und keine schwachsinnigen Einsätze anordnen. Für nichts in der Welt. Wenn man glaubt, dass ein Einsatz warum auch immer notwendig ist, muss das vorher offen und ehrlich besprochen werden. Man sieht an der Moral der Ukrainer, wie effektiv ein Soldat kämpft, der hinter dem steht, was er tut.
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#19
Vorab: genau genommen hast du bis jetzt eigentlich immer noch nicht definiert, was exakt für eine Funktion deine Elitetruppe überhaupt inne haben soll. Um was für eine Truppengattung oder Truppengattungen soll es sich handeln? Was soll die militärische Aufgabe sein? Den allein davon leitet sich ab, was für spezifische Erfordernisse hier notwendig sind. Den ansonsten ist jeder Ruf nach physischer und psychischer Leistungsfähigkeit ohne Kontext.

Das Militär hat im Westen TM im weiteren vor allem deshalb einen so schweren Stand, weil es ein immer kleiner werdender Personenkreis ist, und innerhalb dieses immer kleineren Personenkreises die eigentliche Kampftruppe nochmals ständig kleiner und kleiner wird und darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit im Kampf zu fallen selbst bei Soldaten immer geringer wird, und gesamt auf die Bevölkerung gerechnet heute so niedrig ist wie noch nie. Das gilt übrigens auch für andere, nicht-westliche Gesellschaften. Der Grund hierfür ist die Technologie. Aufgrund der Technik kämpft prozentual ein immer kleinerer Anteil der Gesellschaft und sterben immer weniger Menschen im Verhältnis an kriegerischer Gewalt. Dies hat mit dem Fortschreiten der Technologie dazu geführt, dass der Krieger als gesellschaftlicher Typ auf eine absolute Rand- und Außenseiterposition gedrängt wurde.

Und gerade deshalb sind kriegerische Kulturen eher atavistisch und neigen zu technologischer Rückständigkeit. Auf der anderen Seite ist der Fortschritt in der Kriegstechnologie immanent notwendig, sich ihm zu verweigern hieße zu verlieren. Die sich zwingend daraus ergebende Schlußfolgerung ist der Krieg der Maschinen, und schlußendlich der autonomen Maschinen.

Eine Elitetruppe wird also die sein, welche eine vollautonome Kriegsführung betreiben kann und zugleich in einer solchen agieren und kämpfen kann. Die Anforderungen dafür sind teilweise deutlich verschieden von dem was man sich hier und heute unter einer militärischen Elitetruppe mit Drill, scharfer Disziplin usw vorstellt. Das USMC oder die Legion sind daher keine geeigneten Blaupausen für eine solche Truppe des zukünftigen Krieges.

Zitat:Das IST eine Hölle, da gibt es gar nichts dran zu deuteln.

Doch, exakt das muss für bzw. in einer Elitetruppe hinterfragt werden. Exakt das ist es, was dann den wesentlichen Unterschied zwischen einer Elitetruppe und anderen Einheiten ausmachen würde. Bestimmte Elitetruppen haben dies teilweise historisch gesehen auch schon so verstanden.

Zitat:Das geht aber nicht, in dem man sich am Schreibtisch sagt "Das ist alles Mechanik"

Ich tätige solche Äußerungen keineswegs von einer Schreibtischposition aus. Und zu deinem Anwurf der Psychopathologie sei gesagt, dass in jeder militärischen Eliteeinheit der Kriegsgeschichte der Anteil von Psychopathen prozentual signifikant höher war als in der Gesamtbevölkerung. Frei von Moral und Ethik und jeder Wertung sind gerade Psychopathen in vielen Fällen die besseren Soldaten. Und auch das ist so ein Aspekt der gegen die von dir postulierte Elitetruppe spricht, gerade weil sie zu leicht ein Sammelbecken für solche psychischen Störungen sein wird, mit all den militärisch positiven und negativen Folgen die das hat.

Zitat:in dem solche Situationen vorher (soweit möglich) trainiert. Sich mental vorbereitet. So etwas meine ich: https://de.wikipedia.org/wiki/SERE-Training . "Der Inhalt der Ausbildung ist geheim, es wird jedoch versichert, dass nur das Überdauern und nicht Foltertechniken geübt werden. So soll psychedelische Musik zur Anwendung kommen, um den Gefangenen zu zermürben. Teil der Ausbildung ist Waterboarding."

Wir trainieren also wie man sich gefangen nehmen lässt.....das erhöht wahrlich die militärische Leistungsfähigkeit.....nicht.

Zitat:Ich glaube, es braucht weder eine Prä-Traumtisierung noch eine "Abstumpfung"

Anbei: dein SERE Training ist genau das, exakt das: eine Prätraumatisierung und nichts anderes. Genau darum geht es bei dem von dir beschriebenen psychologischen Mechanismus. Nur das daraus keine Elite entsteht, weil man von der ganzen Zielrichtung dieser spezifischen Ausbildung her nicht das erzeugt, was Kampfkraft generiert.

Zitat:es ist jemand, der mich töten will. Also setzt man sich zur Wehr. Auch wenn er Mensch durch und durch ist und Familie und Freunde hat. Es würde nichts an der Tatsache ändern, dass dieser Mensch mich eben Putin zum Fraß vorwerfen will. So einfach ist es.

Gerechtfertigte Selbstverteidigung also. Ich töte weil der andere mich töten will, also um mich dagegen zu wehren.

Und exakt dass ist es, was Elitetruppen nicht ausmacht. Es geht nicht darum sich zur Wehr zu setzen, sondern im stets anzustrebenen Idealfall wird der andere niedergemetzelt ohne dass er je eine Chance hatte und ohne dass er je dazu kommt auch nur den Versuch zu machen mich zu töten. Die zwei Grundfehler überhaupt liegen schon in dieser ganzen Selbst-Verteidigungs Annahme. Zum einen geht es im Kampf nicht um einen selbst, sondern allein der Feind steht im Mittelpunkt von allem. Nicht die eigene Person, nicht das eigene Leben, sondern nur der Feind ist alles was zählt. Also ist das Wort Selbst falsch. Der nächste Fehler ist der Gedanke der Verteidigung. Das reicht ja durch die gesamten Strukturen bis hin zum absurden Begriff des Verteidigungsministeriums. Das Primat hat der Angriff, weil die Aktion immer der Reaktion überlegen sein wird. Also geht es nicht darum zu verteidigen, sondern anzugreifen und den Angriff beizubehalten, weiter aufrecht zu erhalten und dann weiter anzugreifen.

Und beschließend zu deiner Forderung der steten Wahrheit. Das versucht beispielsweise die Bundeswehr im Bereich Informationskriegsführung, die bei diesem Verein verhalten zuerst Psychologische Verteidigung, dann Operative Information und inzwischen Operative Kommunikation hieß bzw. heißt. Allein schon die Degenerierung des Namens spricht Bände! Für eine Elitetruppe wäre im modernen Krieg absolut ausschlaggebend, dass ihr die Wahrheit vollkommen egal ist. Sie muss gegen Lüge wie Wahrheit gleichermaßen immunisiert sein. Sie benötigt sozusagen eine Art sozialkulturelle und psychologische Impfung, von der Auswahl der richtigen Charaktere über die Ausbildung bis hin zur inneren militärischen Kultur einer solchen Einheit, die sie immun macht gegen die militärische Leistungsfähigkeit störende Informationen, gleich ob diese nun wahr sind oder nicht.

Wenn man sich nun all diese Aspekte ansieht, sollte sofort klar werden, wie immens schwierig und problematisch die Aufstellung einer echten Elitetruppe wäre, insbesondere in dieser Gesellschaft. Und dann muss man anfangen sich zu fragen, ob der Aufwand und die ganzen Neben- und Fernwirkungen einer solchen Struktur den angenommenen Mehrwert in der Kampfkraft wert sind, oder ob man nicht eher in einen vollautonomen Drohnenschwarm investieren sollte.

PS:

Zitat:Wenn du gerade im Schlamm liegst, dein Kamerad neben dir gerade getroffen wurde und du womöglich der nächste bist, dann möchte ich den mal sehen (sofern nicht betrunken oder völlig psychopathisch) an dem das als "Mechanik" vorbeigeht.

IN der Situation selbst geht das an den allermeisten tatsächlich vorbei. Negative psychologische Auswirkungen kommen da fast immer erst hinterher. Im Moment selbst beeinträchtigt das in Wahrheit die wenigsten, man muss es aber vielleicht selbst erlebt haben um das nachvollziehen zu können. Zudem: Krieg kann auch ein immens erhebendes Gefühl sein, und selbst die beschriebene Situation kann Begeisterung, Glücksgefühle oder Erregung auslösen, schlußendlich kann man sogar süchtig danach werden. Das ganze normale zivile Alltags-Leben kommt einem dann nur noch schäbig, langweilig, sinnlos und unerträglich vor.
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#20
Der Mensch ist in der Lage schlimmste Ereignisse psychologisch zu überstehen und auch handlungsfähig zu bleiben. Wir sehen dies bei Naturkatastrophen.
Was Menschen zermürbt ist der dauerhafte Zustand von Gefahr und fehlender eigener Autonomie. Corona ist ja momentan das Musterbeispiel und dem enormen Anstieg von psychologischen Erkrankungen.

Daher ist ein überhartes physisches Training kein Weg um psychologische Belastungen entgegen zutreten sondern kurze Umlaufzeiten von Soldaten im Krieg und Einsatz.
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#21
Fehlende Autonomie! Sehr gut dass du das nochmal ansprichst. Das ist ein wesentlicher Punkt den ich nicht richtig heraus gearbeitet habe: wenn man ständig in der vollen Kenntnis der absoluten Sinnlosigkeit und Schwachsinnigkeit mit irgendwelchen Panzerfahrzeugen planlos in der Gegend herum fährt um dann angesprengt zu werden, um dem folgend wieder ebenso oder noch sinnloserem Kasernenhofdummfick im Lager unterworfen zu sein, dann erzeugt das nur Frust und man steckt jeden Stress der dann im Kampf auftritt deutlich schlechter weg.

Sobald man jedoch aktiv handeln darf, und handeln kann, steckt man die Belastung sofort sehr viel besser weg. Positive Gefühle und positives Denken entstehen daraus, dass man vor Problemen steht, durchaus auch vor erheblichen Gefahren aber zumindest eine Chance hat durch eigenes Handeln diese zu lösen bzw. zu bestehen. Sobald nichts mehr ein Problem darstellt oder wenn man umgekehrt nur noch vor Problemen steht die überhaupt nicht gelöst werden können und die völlig anonym, indirekt und übermächtig bleiben, so dass man diesen nur mit einem Gefühl der völligen Ohnmacht gegenübersteht, dann erzeugt dies Unzufriedenheit bzw. psychische Probleme.
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#22
(06.04.2022, 22:04)Quintus Fabius schrieb: Vorab: genau genommen hast du bis jetzt eigentlich immer noch nicht definiert, was exakt für eine Funktion deine Elitetruppe überhaupt inne haben soll.

Ich halte mich da an die Standard-Definition, die du in jedem Lexikon seit Jahrzehnten findeen kannst, wo "Eliteeinheit" folgendermaßen definiert ist:
Bessere Ausbildung/härteres Training/Strengere Soldatenauswahl/evtl bessere Ausstattung

Natürlich gibt es andere Definitionen, die mehr in Richtung dessen gehen, was früher die Waffen-SS war oder sein wollte, das sind aber nicht meine Ansichten.

(06.04.2022, 22:04)Quintus Fabius schrieb: Wir trainieren also wie man sich gefangen nehmen lässt.....das erhöht wahrlich die militärische Leistungsfähigkeit.....nicht.

Das war nur ein BEISPIEL dafür, dass das vorherige trainieren von extremen Situationen sinnvoll ist und von entsprechenden US-Einheiten auch gemacht wird. Die entsprechenden Trainings für operative militärische Leistungsfähigkeit haben eben keinen detaillierten Wikipedia-Eintrag, deshalb habe ich dieses verlinkt.

(06.04.2022, 22:04)Quintus Fabius schrieb: Anbei: dein SERE Training ist genau das, exakt das: eine Prätraumatisierung und nichts anderes.

Nein. Extreme Emotionen für sich sind nicht traumatisierend. Sie sind es nur dann, wenn das Individuum einen vollständigen gefühlten Kontrollverlust kombiniert mit völliger Überforderung erleidet. Das gibt es aber in Trainigs-Situationen nicht, es bleibt ein gewisser Rest von Kontrollgefühl. Ein Fallschirmsprung z.B. erzeugt bei vielen Anfängern mitunter sogar Todesangst und extrem überwältigende Gefühle. Dennoch sehen sie das locker, weil sie unterbewußt wissen "Es ist alles okay".

Allerdings bietet das kontrollierte Durchleben eben später einen gewissen Schutzschild, weil das Überwältungs-, Überforderungs- und Kontrollverlust-Gefühl dann deutlich geringer ausfällt.

(06.04.2022, 22:04)Quintus Fabius schrieb: Die zwei Grundfehler überhaupt liegen schon in dieser ganzen Selbst-Verteidigungs Annahme. Zum einen geht es im Kampf nicht um einen selbst, sondern allein der Feind steht im Mittelpunkt von allem. Nicht die eigene Person, nicht das eigene Leben, sondern nur der Feind ist alles was zählt. Also ist das Wort Selbst falsch. Der nächste Fehler ist der Gedanke der Verteidigung. Das reicht ja durch die gesamten Strukturen bis hin zum absurden Begriff des Verteidigungsministeriums. Das Primat hat der Angriff, weil die Aktion immer der Reaktion überlegen sein wird. Also geht es nicht darum zu verteidigen, sondern anzugreifen und den Angriff beizubehalten, weiter aufrecht zu erhalten und dann weiter anzugreifen.

Nein. Sorry, aber das ist völliger Quatsch. Warum das so ist, kannst du unter anderem in dem Artikel lesen, den du selbst verlinkt hast im RU-UKR Thread:

"[...] There has been much ink spilled on the idea of Russian resiliency. But it is worth noting that the Russians mustered their greatest successes in defense of their homeland against Napoleonic France and the Germans in WWII, not as an invading army. While on the offensive, they lost to the Japanese, they lost in Afghanistan, and they lost The First Chechen War." (https://warontherocks.com/2022/04/a-ukra...e-of-mind/)

Welche Chancen hätte wohl Finnland im Winterkrieg gehabt, hätten sie versucht, auf Moskau zu marschieren? Wink Stattdessen haben sie eine kluge Defensive gewählt und der roten Armee eine blutige Nase verpasst.

Und auch die Wehrmacht hätte der Roten Armee sehr wahrscheinlich eine blutige Nase verpasst, hätte Stalin irgendwann einmal von sich aus eine größere Invasion auf Europa gestartet. Das wäre dann eben nicht der "große Vaterländische Krieg" gewesen, sondern es wären ein paar mies gelaunte, demotivierte Rotarmisten fern der Heimat gewesen, genau wie die Russen heute in der Ukraine. Wie die Sache stattdessen ausgegangen ist, das muss man ja wohl niemand mehr erklären.

Natürlich will ich hier ebenfalls kein Pauschalurteil treffen, siehe Sechstagekrieg, wo der Präventivschlag auf die Luftwaffenbasen sehr erfolgreich war. Aber hier hatten die Feinde am Vorabend riesige Teile ihrer Armeen an der Grenze stationiert, weswegen kein Israeli daran zweifelte, hier einen Verteidigungskrieg zu führen.

(06.04.2022, 22:04)Quintus Fabius schrieb: Und beschließend zu deiner Forderung der steten Wahrheit. Das versucht beispielsweise die Bundeswehr

Mir geht es hier nicht um die Wahrheit innerhalb der Armee, denn die Armee ist ja nur ein Werkzeug der Politik. Die Politik eines Landes muss in einer modernen Demokratie und selbst einer gemäßigten Autokratie eine gewisse Ehrlichkeit und Nachvollziehbarkeit besitzen. Ist das nicht der Fall, sehen die Soldaten im Kampf auf kurz oder lang keinen Sinn und es endet wie bei der Ukraine-Invasion.
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#23
Als ehemaliger Ausbilder brennt es mir unter den Fingernägeln zu sagen:
Man kann den Körper nicht auf Mißbrauch durch Mißbrauch vorbereiten.
Die Härten der Ausbildung sind nicht als Stimulation gedacht. Sie machen Dich nicht besser. Sie sind entweder dezidierte Einsatzabsicht (sagen wir beispielsweise Stellungsbau bei klirrender Kälte) oder schlichtweg Test. Manchmal hat man einfach nur die A....karte gezogen, aber das ist nicht elitär.
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#24
Man muss da vielleicht auch unterscheiden zwischen dem was man trainieren kann, und dem was man von Grund auf mitbringt, wenn man so will der Grundkonstitution. Sehr viele extrem harte Ausbildungen haben, wie Pogu es so treffend angemerkt hat, eigenlich den Zweck als eine Art Test zu dienen, um damit diejenigen heraus zu finden, die eine entsprechende Konstitution bereit mitbringen.

Und was ein geeigneter Mann da von Kindheit an aufgebaut hat, kann man später mit noch so viel Training nicht einholen, wenn dieser ebenso trainiert.

Facilier:

Zitat:Ich halte mich da an die Standard-Definition, die du in jedem Lexikon seit Jahrzehnten findeen kannst, wo "Eliteeinheit" folgendermaßen definiert ist:
Bessere Ausbildung/härteres Training/Strengere Soldatenauswahl/evtl bessere Ausstattung

Nun, im Prinzipg gibt es ja dann solche Eliteeinheiten bereits in der Bundeswehr. Beispielsweise ist die Ausbildung der Fallschirmjäger deutlich besser, härter und die Auswahl der Rekruten eine Bestenauslese und haben die Fallis eine bessere persönliche Ausstattung als beispielsweise ein Luftwaffenversorgungs-Regiment. Von daher wären die Fallis im Vergleich zum Versorgungs-Regiment deiner Definition nach eine Elitetruppe.

Nur, dass das Luftwaffenversorgungsregiment in einem ernsthaften Krieg wesentlich wichtiger und relevanter ist als eine Fallschirmjägereinheit.

Deine Grundidee abrer war ja, Eliteeinheiten deutlich besser zu entlohnen und ihnen spezifische Privilegien zu geben, dafür dass sie "mehr Leistung" bringen. Aber wie der Vergleich von EGB Kräften der Fallschirmjäger und einem Luftwaffenversorgungs-Regiment aufzeigt, ist dieses Mehr an Leistung gar nicht so einfach zu definieren.

Nur weil eine "Eliteeinheit" die genannten Kriterien erfüllt, bedeutet dies eben keinen Mehrwert für die Kampfkraft, keine Steigerung der Kriegsfähigkeit. Und ganz im Gegenteil senkt es vielleicht die Motivation und die Leistungsbereitschaft an anderer - entscheidenderer Stelle, beispielsweise in besagtem Versorgungs-Regiment das sich da sagt: wir kriegen weniger, also leisten wir auch weniger. Nur dass diese Minderleistung in einem viel kriegsrelevanteren Bereich dann die Mehrleistung der Elitetruppe nicht nur kompensiert, sondern das ganze dann zu einer negativen Rechnung machen kann.

Zitat:Nein. Sorry, aber das ist völliger Quatsch. Warum das so ist, kannst du unter anderem in dem Artikel lesen, den du selbst verlinkt hast im RU-UKR Thread:

Mal abgesehen davon, dass man auch in der Defensive auf ständige Angriffe setzen kann, um dadurch demjenigen der in der Offensive ist die Initiative zu entreißen und sich selbst anzueignen, geht es mir hier nicht um die Russen im speziellen (welche du hier als Beispiel führst) sondern um ganz grundlegene Prinzipien.

Dies wird so auch von vielen Militärtheoretikern geteilt, und ironischerweise am meisten von den Russen. Die Unfähigkeit einer Organisation zum Angriff bedeutet nun nicht, dass diese Grundprinzipien falsch wären, sondern lediglich, dass diese spezifische Organisation nicht in der Lage ist diesen Grundprinzipien zu folgen. Entsprechend hat diese Organisation erhebliche militärische Probleme.

Aber um etwas konkreter beim Thema zu bleiben: gerade die Russen betreiben heute einen gewissen Elite-Einheiten Kult und tatsächlich haben diese Eliteeinheiten gewisse Privilegien, teilweise auch eine höhere Entlohnung. Schlußendlich versucht Russland genau dein Konzept in der Armee umzusetzen. Wie man offenkundig sieht bringt das nicht viel in Bezug auf die Gesamtleistung.

Aber auch das heißt nichts, den die Gründe für die schlechte Gesamtleistung liegen in einem ganzen Faktorenbündel begründet und lassen sich daher nicht monokausal durch spezifische Strukturen in Bezug auf Eliteeinheiten zurückführen.

Noch ein möglicher Ausblick: das USMC wird ja als Eliteeinheit verstanden. Tatsächlich aber ist es eine komplette eigene Armee (auch wenn das andere aufgrund anderer Definitionen anders sehen). Interessant wird es nun, wenn man mal das Außerhalb des USMC ausblendet und nur dieses für sich allein betrachtet. Dann ist gerade das USMC seit jeher ziemlich egalitär. Ein Marine ist ein Marine, das ganze geht so weit, dass man sich lange gegen Spezialeinheiten (MARSOC) innerhalb des USMC gewehrt hat, weil solche Aufgaben ja jeder Marine nach Belieben ausführen kann und bis heute verfolgt man den Ansatz, dass die Einheiten des USMC Generalisten sind, und die exakt gleiche Einheit unter jedweden Umständen, klimatischen und geographischen Bedingungen und mit jedem Auftrag kämpfen können muss.

Dieser egalitäre Ansatz innerhalb des USMC als de facto Armee beweist meiner Meinung nach, dass die Gesamtleistung größer ist, wenn es innerhalb einer Armee oder innerhalb einer Teilstreitkraft (Heer) eben keine Eliteeinheiten gibt, sondern alle möglichst gleich sind.

Ein wesentlicher Aspekt um dies zu erreichen wäre der Ansatz des USMC, dass absolut jeder zuerst ein Infanterist ist und die gleiche Basis-Ausbildung hat und deren Kenntnisse auf weiter vorhalten muss, völlig unabhängig davon was er später macht (körperliche Leistung, Schießleistung mit Schützenwaffen etc).

Statt also dezidierte Eliteeinheiten vorzuhalten, wäre es sinnvoller insgesamt das Niveau zu heben und egalitäre Strukturen dadurch zu fördern, dass alle den gleichen Hintergrund teilen und dadurch einander näher stehen. So dass es keinen Unterschied gibt in der Sichtweise auf einen Fallschirmjäger und einen GeZi Schreiberling in einem Versorgungsregiment, weil beide sich gegenseitig als gleich wert und gleich betrachten.




Den letzten Beitrag auf meinen hier folgend habe ich mal hierhin verschoben:

https://www.forum-sicherheitspolitik.org...65&page=16
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#25
(14.04.2022, 21:28)Quintus Fabius schrieb: Statt also dezidierte Eliteeinheiten vorzuhalten, wäre es sinnvoller insgesamt das Niveau zu heben

Da gäbe es bei der Bundeswehr ja auch durchaus Luft nach oben.

(14.04.2022, 21:28)Quintus Fabius schrieb: Mal abgesehen davon, dass man auch in der Defensive auf ständige Angriffe setzen kann, um dadurch demjenigen der in der Offensive ist die Initiative zu entreißen und sich selbst anzueignen, geht es mir hier nicht um die Russen im speziellen (welche du hier als Beispiel führst) sondern um ganz grundlegene Prinzipien.

Also Gegenangriffe und auch weitergehende Offensiven, nachdem man angegriffen wurde - dagegen bin ich ja gar nicht.


(14.04.2022, 21:28)Quintus Fabius schrieb: Die Unfähigkeit einer Organisation zum Angriff bedeutet nun nicht, dass diese Grundprinzipien falsch wären, sondern lediglich, dass diese spezifische Organisation nicht in der Lage ist diesen Grundprinzipien zu folgen. Entsprechend hat diese Organisation erhebliche militärische Probleme.

Nun, wir leben weder in einer perfekt berechenbaren Welt, noch in einer Welt mit perfekten Armeen. Und selbst wenn man eine solche Armee schaffen will, hat man weder immer die Zeit noch die Mittel. Und selbst wenn man die Zeit hätte, hat man sie trotzdem nicht, denn oft genug rüstet der Gegner dann ebenfalls entsprechend auf. Und dann gibt es ja zudem auch noch den Irrtum: Man glaubt, man hätte alles richtig gemacht und in der Kriegs-Praxis zeigt sich dann auf einmal, dass man dieses und jenes versäumt oder falsch eingeschätzt hat.

Und dann gibt es ja auch noch ein paar andere ganz gewichtige Faktoren: Mit einem Angriffskrieg kann man je nach politischer Situation auch mal schnell einen Weltkrieg auslösen oder zumindest einen, bei dem das angriffene Land plötzlich von vielen anderen Ländern unterstützt wird. Und so weiter und so fort.

Fazit: Die Probleme kann man also gar nicht final aus der Welt schaffen.

Und weil das alles so ist, ist ein der Angriff eben (fernab aller Moral) auch millitärisch nicht immer das Gelbe vom Ei.
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#26
Grundaxiom:
Nur der Angriff führt zur Vernichtung des Feindes.
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#27
Facilier:

Zitat:Und selbst wenn man die Zeit hätte, hat man sie trotzdem nicht, denn oft genug rüstet der Gegner dann ebenfalls entsprechend auf.

Das ist ein wichtiger Punkt den du da ansprichst und über den ich auch schon seit jeher schreibe, das was ich mit wechselseitiger Aufhebung bezeichne. Wir steigern die Kampfkraft von Systemtyp A um +1 und dem folgend steigert der Gegner die Kampfkraft von Systemtyp A auf seiner Seite um +1. Beide Seiten haben so nichts hinzu gewonnen, sondern die Situation ist exakt gleich wie sie es vorher war.

In den heutigen Armeen wird dieser Effekt noch dadurch verstärkt, dass man zu sehr gleiche Systeme gegen gleiche Systeme andenkt. Beispielsweise: Kampfpanzer sind das beste Mittel gegen andere Kampfpanzer. Kampfpanzer sind die beste Panzerabwehr. Jagdflugzeuge jagen andere Jagdflugzeuge, Artillerie bekämpft Artillerie mit Konterartillerieffeuer usw usw kurz und einfach, man denkt zu symetrisch.

Tatsächlich wäre es vorteilhafter bewusst Assymetrien zu explorieren und Systeme heraus zu finden, die im Verhältnis zu ganz anderen Systemen so stehen, dass der Gegner hier nicht einfach durch den gleichen Rüstschritt kontert, sondern dass er diesen sozusagen verpasst. Dazu muss man einerseits den Feind sehr gut kennen, seine Mentalität, den Charakter und das Wesen seiner Führung, seine Doktrin, seine laufenden Rüstungsbemühungen, und vieles mehr und zum anderen muss man herausfinden wo solche Stellen sind, die der Feind entweder nicht kontern kann oder nicht kontern wird (aus welchen Gründen auch immer) um durch diese dann einen zumindest etwas länger andauerenden militärischen Vorsprung zu erlangen.

Den auf Dauer wird jeder Vorsprung irgendwann auch wieder verloren gehen und er muss daher immer wieder neu gewonnen werden. Entscheidend ist daher auch das was ist in ständig neuen Wegen zu denken, also neue Nutzungsmöglichkeiten für bestehende Systeme zu finden, diese so vielseitig wie möglich zu verwenden und in Bezug auf neue Systeme ebenfalls solche zu bevorzugen, die möglichst vielseitig und flexibel eingesetzt werdenn können.

Das gleiche gilt für Strukturen. Das gleiche gilt für Einheiten aller Art. Und um zum Thema zurück zu biegen: es ist daher vorteilhafter völlig "fachfremde" Einheiten (bspw Nicht-Kampftruppe) in einem ihnen anderen Einsatzgebiet (Kampftruppe) zu befähigen statt dezidierte Eliteeinheiten zu schaffen, welche besonders befähigt sind. Eine breitere Streuung von Kampffähigkeiten ist insgesamt gerade heutzutage wesentlich vorteilhafter, weil die Truppenstärken so stark abgesunken sind.

Um diese doch recht theoretische Ausführung mal am einfachsten denkbaren Beispiel praktisch darzustellen: Logistik- und Transporteinheiten sollten vollumfänglich zum infanteristischen Kampf befähigt werden. Damit werden sie in die Lage versetzt sich viel besser selbst zu sichern und können gerade in den primär von leichter Infanterie des Gegners bedrohten rückwärtigen Räumen und entlang der Versorgungsketten selber leistungsfähig kämpfen. Das hätte viel mehr Wert als jedwede denkbare Eliteinheit die man dann dafür abstellen müsste solche Versorgungslinien zu sichern usw

Zitat:Fazit: Die Probleme kann man also gar nicht final aus der Welt schaffen.

Probleme sind der Kern des Krieges, dessen wahre Natur das CHAOS ist, dass sich selbst bei einer perfekten Planung und einer perfekten Armee und trotz aller Bemühungen in einer endlosen Menge von Friktionen dennoch verwirklichen wird.

Es kommt also gar nicht darauf an Chaos zu vermeiden, den Krieg ordnen zu wollen, alle Faktoren zu berücksichtigen etc, sondern darauf, wer in einem solchen Chaos nicht nur besser zurecht kommt als der andere, sondern wer besser als der andere dazu in der Lage ist es zu seinem Vorteil zu nutzen und die Probleme in Möglichkeiten zu verkehren.

Zitat:Und weil das alles so ist, ist ein der Angriff eben (fernab aller Moral) auch millitärisch nicht immer das Gelbe vom Ei.

Rein militärisch schon. Ob dann dadurch irgendwelche politischen Ziele verwirklicht werdenn oder nicht, spielt dafür gar keine Rolle. Hätten die Russen beispielsweise den Angriff auf die Ukraine richtig durchgeführt und nicht derart den ganzen Krieg vergeigt, wäre die Ukraine bereits seit geraumer Zeit gefallen und russisch besetzt, entsprechend wären die ganzen Folgen entsprechend völlig andere und hätte man nicht das Problem, dass die Ukraine mit westlichen Waffen, Geld, Geheimdienstinformationen, Aufklärungsergebnissen, militärischer Beratung usw zugemüllt wird. Auch die eigenen Kriegskosten wären dramatisch niedriger.

Es geht hier also um die rein militärische Betrachtung des ganzen. Ob das dann moralisch/ethisch richtig ist, oder ob es politisch sinnvoll ist, dass ist davon völlig unabhängig. Rein militärisch ist ein Angriff immer vorteilhaft, die Frage verbleibt halt, ob man überhaupt dazu in der Lage ist. Dies gilt für die westlichen TM Gesellschaften noch umso mehr, da wir aus einer Vielzahl von Gründen gar nicht mehr in der Lage sind einen zermürbenden defensiven Abnutzungskrieg überhaupt führen zu können. Beispielsweise wäre diese Bundesrepublik bei einem Angriffsgeschehen wie es gerade in der Ukraine stattgefunden hat bereits kollabiert, die Bundeswehr zerschlagen und das Land besetzt. Wir könnten insgesamt dieses Ausmaß an kriegerischer Gewalt in der Defensive gar nicht so wegstecken wie das die Ukrainer gerade tun. Und wie wäre das dann erst bei einem ernsthaften Angreifer! Seien wir also einmal mehr glücklich über unsere Bündnisse und dass andere unsere Sicherheitskosten tragen.

Da unsere hochvernetzten und empfindlichen westlichen TM Gesellschaften keinen defensiven Abnutzungskrieg aushalten können ohne wirtschaftlich und gesellschaftlich vollständig zu kollabieren muss stattdessen eigentlich so schnell wie möglich eine Entscheidungs"schlacht" geführt werden, welche den Krieg nicht unbedingt sofort beendet, die aber dem ganzen auf der Stelle ein derartiges Ungleichgewicht gibt, dass der weitere Ausgang klar ist. Aufgrund dieses dann im weiteren klaren Kriegsverlaufes kann man dann umgehend Verhandlungen anbieten und die Sache schneller zu Ende bringen, was hier unbedingt das Ziel sein muss.

Für die Entscheidungs"schlacht" gleich zu Beginn, die also alles entscheidende Auftaktphase deren Ergebnisse man nie mehr gerade biegen kann, bieten sich erneut Eliteeinheiten militärisch nicht an, sondern es muss stattdessen insgesamt ein hohes egalitäres Niveau erzeugt werden. Dies geht nur indem man bewusst gerade eben keine Eliteeinheiten zulässt.
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#28
(16.04.2022, 21:42)Quintus Fabius schrieb: Rein militärisch schon.

Auch das würde ich deutlich verneinen. Und zwar mit Blick auf die Geschichte.

Hier hatten wir ja die Angriffsoperation Barbarossa und wir wissen, wie sie ausgegangen ist: Mit dem Untergang des Reiches.

Hingegen konnte das kleine Finnland seine Staatlichkeit bewahren, gegen zwei Angriffe der Roten Armee. Bei der zweiten sowjetischen Offensive gar gegen 600.000 Rotarmisten. Das war 1940, nur ein Jahr vor Barbarossa. Und gegen das deutsche Reich von damals war Finnland ein Witz, millitärisch wie wirtschaftlich.

Ergo: Auf die Defensive zu setzen gegen Stalin wäre deutlich sinnvoller gewesen, als einen selbstmörderischen Angriffskrieg zu starten. Nicht nur politisch oder moralisch, sondern eben auch rein millitärisch.
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#29
Weiterhin ist das die politisch-strategische Ebene welche du hier benennst und nicht die rein militärische.

Solange die Rote Armee in der Defensive versuchte zu halten, wurden ihre Verbände vernichtend geschlagen.

Und die Finnen waren auf der taktischen Ebene teilweise hochoffensiv. Im übrigen ist ein militärisches Geschehen nicht immer von freiwilligen Entscheidungen geprägt
bzw. prägbar. Man wird halt in eine bestimmte Kampfform gezwungen, und dies selbst dort wo diese nachteilig für einen ist.

Schlußendlich muss man aber gleichgültig wie die Umstände es herbei zwingen immer versuchen dort wo es geht die Initiative an sich zu reißen und offensiv zu werden.

Wenn dies strategisch und operativ nicht möglich ist, dann halt auf der taktischen Ebene. Gerade die Ukraine zeigt zur Zeit exakt den Wert solcher lokaler begrenzter Gegenangriffe.
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#30
(19.04.2022, 20:32)Quintus Fabius schrieb: Schlußendlich muss man aber gleichgültig wie die Umstände es herbei zwingen immer versuchen dort wo es geht die Initiative an sich zu reißen und offensiv zu werden.

Wenn dies strategisch und operativ nicht möglich ist, dann halt auf der taktischen Ebene. Gerade die Ukraine zeigt zur Zeit exakt den Wert solcher lokaler begrenzter Gegenangriffe.

Dagegen spricht ja nichts. Es ist aber ein großer Unterschied, ob man von sich aus einen Angriffskrieg in ein womöglich gar entferntes Land startet - oder ob man aus der Defensive heraus offensiv wird und die Initiative an sich reisst. Und womöglich anschließend gar in die Hauptstadt des Gegners marschiert.

Das hat mitunter ganz einfach psychologische Gründe: Stalin hätte die Rote Armee niemals auf eine anständige Moral bringen können, hätte die Wehrmacht ihm nicht den gefallen getan, das Land zu überfallen. Eine große Volks-Armee besteht eben nicht nur aus "eiskalten Elite-Killern", sondern aus ganz gewöhnlichen Menschen mit ihren Schwächen, Launen und Einschätzungen. Stalin war in vielen Sowjetrepubliken sogar extrem verhasst, die Ukrainer haben die Wehrmacht anfangs gar mit Blumen als vermeintliche Befreier begrüsst.

Für mich gehört die Einschätzung der Kampfmoral abhängig von der geplanten Aktion (Angriff oder Verteidigung?) definitiv zum millitärischen dazu. Das ist für mich nichts rein politisches oder strategisches. Jemand, der (bei versprochen guter Behandlung) im Zuge eines Angriffskrieg, dessen Ziele er nicht teilt, womöglich gar seine Waffe abliefert und überläuft - wird aber womöglich bis zum letzten seine Heimat verteidigen, greift man ihn offensiv an und brennt sein Land nieder. Und das ist doch rein millitärisch ein großer Unterschied.
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