Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
Werter Nightwatch:

Zitat:Die JDAM auf Gräben sind doch nur ein Chiffre für die Bekämpfung eines Befestigungssystems aus der Luft. Selbstverständlich würde man zuvor so ziemlich alle anderen Ziele abarbeiten bis man bei Schützengräben angelangt ist.

Das ist schon klar, aber es kommt hier meiner Ansicht nach auf die Simultantiät an. Man muss die besagten anderen Ziele zugleich mit den Schützengräben angehen, wenn man wirklich schnell und effektiv einen Durchbruch erzielen will der dann eine Operation in die Tiefe ermöglicht. Zuerst das eine und danach das andere, ist meiner Meinung nach zu langsam. Die genannten Bereiche müssen zugleich angegangen werden und da habe ich eben Zweifel, ob dafür die Quantität der westlichen Luftwaffen im Verhältnis zu Raum / Zeit und feindlicher Luftraumverteidigung ausreichend ist.

Broensen:

Zitat:Im Prinzip gibt es eine Effizienz-Grenze bei der Reichweite, ab der sich die Einfachheit von Raketenartillerie gegenüber der Einfachheit von Rohrartillerie durchsetzt. Auf kurzen Distanzen sind einfache Granaten immer günstiger und auch oft besser geeignet als Raketen, aber ab einer gewissen Distanz dreht sich das um.

Exakt so ist es. Und genau deshalb Raketenartillerie. Zudem kann diese in kürzerer Zeit mehr Wirkung in eine größere Fläche bringen. Dafür ist das Feuer weniger dauerhaft und weniger durchhaltefähig. Zudem ist Raketenartillerie besser im Konterartilleriefeuer.

Und genau das ist die Lehre aus dem Ukrainekrieg, welche für uns eine wesentliche Bedeutung hat: man sieht im Ukrainekrieg klar den Vorteil welchen die höhere Reichweite bringt, dass gilt selbst für die bloße Rohrartillerie. Man sieht klar die Bedeutung, welche das Konterartilleriefeuer hat und welches die Maximierung der Wirkung in möglichst kurzen Zeiträumen hat. Zugleich ermöglicht die eigene höhere effektive Reichweite, dass man weniger stark geschützte oder nicht geschützte Systeme verwenden kann, welche dann allein daraus erneut weitere Vorteile ziehen können.

Die höhere Reichweite, die Fähigkeit in kürzerer Zeit auf einen Schlag mehr Feuerkraft bereit stellen zu können und dass dann auch die Transportplattformen einfacher gehalten werden können, sind alles immense Vorteile.

Dazu kommt noch, dass die für die Artillerie immens aufwendige Logistik "weiter hinten" leichten bewerkstelligt werden kann als "weiter vorne". Entsprechend ist es schwieriger Rohrartillerie im Kaliber 155mm dauerhaft mit Munition zu versorgen als Raketen größerer Reichweite. Durch den Wegfall von Streumunition ist die 155mm auch nicht mehr unbedingt das beste Artilleriekaliber was Rohrartillerie angeht (und es ist leider illusorisch zu glauben, wir würden wieder zu Streumunition zurück gehen). Entsprechend ist daher meine Auffassung, dass wir einfach komplett dieses Kaliber und die entsprechende Panzerartillerie dazu streichen könnten. Für die näheren Distanzen wären zielsuchende Munition und vor allem sehr viel mehr Mörser in den Bataillonen der Kampftruppen selbst wesentlich besser, entsprechend halte ich Mörser als organischen Bestandteil von Panzerbataillonen wie auch Panzergrenadierbataillonen für notwendig. Nicht nur damit die Bataillone selbst genug Steilfeuer einsetzen können, sondern auch beispielsweise um damit Nebel legen zu können (wesentlich) und auch zur Verlegung von Minen bzw. dem Überschütten feindlicher Panzer mit Minen. Und auf die größeren Distanzen hätte man entsprechend die Raketenartillerie in wesentlich größerer Stärke und Anzahl.

Zitat:würde aber für die BW anzweifeln, dass wir genug Truppen haben, um uns solche spezialisierten Großverbände leisten zu können.

Wir haben so oder so viel zu wenig Soldaten, viel zu wenig Kampfeinheiten und auch sonst von allem zu wenig. Selbst bei einer Einheits-Waffengattung - beispielsweise einer mit schweren Schützenpanzern ausgerüsteten Einheits-Infanterie hätte man immer noch zu wenig.

Von daher müssen wir in diesem Kontext uns immer fragen, was wir für das Bündnis bereit stellen können und was für Einheiten konkret im Bündnis mit den anderen welche Aufgabe konkret übernehmen sollen.

Zitat:Daher sehe ich hier eher eine Lösung darin, dass man die Brigaden einheitlich verschlankt und stattdessen spezialisierte Elemente auf Divisions- oder Korpsebene vorhält, mit denen die regulären Brigaden dann bei Bedarf für spezialisierte Aufgaben verstärkt werden.

Da sind wir ja seit jeher genau einer Meinung. Und schlussendlich benötigt man auch schlankere, kompaktere Divisionen. Aber auch das ergibt sich ja bei diesem Weg ganz von selbst.

Und auch das ist meiner Meinung nach eine Lehre des Ukrainekrieges, dass kompaktere Divisionen besser geeignet sind für die ernsthafte konventionelle Kriegsführung als Brigaden im heutigen westlichen Sinne und dass solchen Divisionen unterstellte kompakte Brigaden besser sind als die kleineren Bataillons-Kampfgruppen welche ansonsten aus den Brigaden heraus gebildet werden. Und das umgekehrt überblähte Divisionen wie eh und je nichts taugen:

Zitat:Als Beispiel: eine Division hat drei gleichartige Panzergrenadierbrigaden, von denen einer für den beauftragten Durchbruch dann ein Mineur/Sappeur-Bataillon gemäß Pkt. 5 sowie ein Panzerregiment beigestellt werden, während die beiden anderen Brigaden nachrücken, um die geöffneten Flanken zu sichern und Kavallerieregimenter gemäß Pkt.7 in die Tiefe vorstoßen. Das erfordert dann halt etwas mehr gemeinsame Übungen als von vornherein spezialisierte Großverbände.

Und genau das führt meiner Meinung nach zu leicht wieder zu überblähten Divisionen, welche dann zu viele Aufgaben aus ein und derselben Division heraus erledigen wollen. Das fängt schon bei der Zahl von drei Brigaden an. Warum nicht einfach zwei Brigaden ?! Und schon hätte man bei 6 Brigaden insgesamt nun 3 Divisionen statt nur 2 Divisionen. Und so pflanzt sich das fort.

Dein Stichwort bezüglich der Übungsintensität und der Frage des Umfangs der notwendigen Ausbildung ist allerdings sehr gut: eine Lehre des Ukrainekrieges ist, dass man in sehr viel weniger Zeit sehr viel effizienter ausbilden muss. Spezialisiertere Einheiten erleichtern dies und ermöglichen es, schneller entsprechende weitere gleichartige Verbände aufzustellen.

Die Bundeswehr könnte mit Leichtigkeit eine Durchbruchs-Divsion und zwei Divisionen für den Bewegungskrieg aufstellen, die dann allesamt bei um die 12.000 Mann zu liegen kämen. Das wäre machbar. Will man stattdessen diese Fähigkeiten alle in einer Division abbilden, entsteht zum einen zwingend eine deutlich größere Division (nachteilig) und zum anderen sind die Kräfte innerhalb dieser Division im Verhältnis zum Raum in welchem man da agiert etwaig immer noch unzureichend.

Wenn man beispielsweise einen erheblichen Durchbruch erzielen will, dann geht das nicht enfach mit einer Brigade. Dafür benötigt man ein vielfaches an Kräften wenn man sich mal vor Augen führt, wieviele Truppen ein entsprechend großer Raum binden kann.

Deshalb würde ich einfachere / schlichtere Konzepte bevorzugen, die weniger elaboriert sind, was das Zusammenspiel ihrer Untereinheiten angeht. Je einfacher und schlichter, desto weniger anfällig für Friktionen. Desto leichter führbar und einsetzbar. Desto schneller und kampfkräftiger. Das ist auch seit Jahren schon mein Hauptkritikpunkt an den barock überladenen Einheiten der Gegenwart. Diese Barock-Brigaden sind einfach nicht funktional, weil sie nicht schlicht genug sind.
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RE: Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg - von Quintus Fabius - 23.07.2023, 21:36
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