Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
(07.10.2022, 20:56)Quintus Fabius schrieb: Aber ist es nicht bezeichnend dass du eine rein kriegswissenschaftlich / philosophische Erwägung sogleich als Problem diesbezüglich ansiehst? Ist nicht genau das ein Ausfluss eben jenes Legalismus welchen ich hier als militärisches Problem ansehe?
Nein! Ich habe mit diesen Erwägungen (die weder etwas mit Philosophie oder gar Wissenschaft zu tun haben) ein Problem, weil sie unsere Verfassung und insbesondere Art 1 GG - den zu verteidigen oberste Priorität allen staatlichen Handelns ist - außer Kraft setzen würde.
Nachteile für zweckdienliche militärische, polizeiliche oder sonstige staatliche Maßnahmen sind insbesondere für diesen Artikel in unserem Staat (also auch für die militärische Sichtweise) grundsätzlich vollkommen irrelevant.
Natürlich ist jedem Verantwortlichen gerade im Sicherheitsbereich völlig bewusst, dass Leute die sich nicht an Regeln halten (und z.b. durch Folter Geständnisse erzwingen) praktische Vorteile haben. Dem wird auch Rechnung dahingehend getragen, dass man z.b. versucht Kommandosoldaten allerorten sehr intensiv auf solche "Befragungen" vorzubereiten.
Ebenso ist (gerade aktuell) das Beheizen von Gefängniszellen für die Finanzminister der Länder und somit dem Steuerzahler ebenfalls nicht zweckdienlich, jedoch auch bei Zahlungsunfähigkeit nicht diskussionswürdig und wird diesbezüglich auch nicht "philosophisch" oder "wirtschaftswissenschaftlich" bei der Haushaltsaufstellung eigenständig beachtet, selbst wenn unser Staat am wirtschaftlichen Abgrund stehen würde.
(07.10.2022, 20:56)Quintus Fabius schrieb: Diese Überbetonung der Formen vor den Inhalten ist der Kern des überbordenden Legalismus. Und eines der wesentlichsten Merkmale unserer aktuellen sozialkulturellen Grundströmung. Diese ist also nicht die Grundlage des Grundgesetz, wie du es richtig anmerkst, sondern sie ist der Grund für die Auswüchse, die sich von dieser Grundlage aus gebildet haben.
Nein! Legalismus hat viele Abstufungen und Du vermengst hier immer wieder mindestens zwei Themen/Rechtsgebite die messerscharf voneinander zu trennen sind, da sie nichts miteinander zu tun haben.
Es gibt in der Rechtsordnung von funktionierenden Rechtsstaaten wie der Bundesrepublik Rangfolgen die einzuhalten sind, weshalb es auch vom einfachen Amts- oder Verwaltugsgericht ein langer Weg zum Bundesverfassungsgericht oder dem EUGH ist.

1. Die "Überbetonung", also das bestehen auf die Artikel der Verfassung ist selbstredend die Grundlage des Grundgesetzes. Sie sind eben nicht utilitistisch wie einfache Gesetze oder Verwaltungsvorschriften, sondern sollen für sich stehen. Insbesondere Artikel 1 besitzt hierzulande einen Selbstzweck und ist niemals von irgendjemandem verhandel- oder gar anfechtbar.
2. Das "Überbetonen" einzelner Gesetze oder gar Verwaltungsvorschriften bei der Bw oder sonst wo ist selbstverständlich oftmals sinnfrei, zwecklos, überflüssig und hat (auch wenn Bürokraten das gerne anders sehen) rechtlich eben keinen Selbstzweck und kann natürlich jederzeit sehr deutlich moniert und angefochten werden.

Ferner haben solche bürokratischen Auswüchse auch nichts mit der Verfassung oder irgendwelchen Strömungen zu tun wie der Bürokratiewahn in den meisten Diktaturen unter Beweis stellt.
(07.10.2022, 20:56)Quintus Fabius schrieb: Spezifisch für die Ukrainer muss man beispielsweise feststellen, dass sie deine steifere, rigidere Auffassung der Befolgung des Rechts im Krieg so beispielsweise nicht anwenden. Reihenweise brechen auch die Ukrainer in diesem Krieg das Recht, an welches sich die Bundeswehr minutiös halten will und meiner Einschätzung nach auch halten würde.
halten MUSS! Bitte Rangfolge beachten. Die Rechtsordnung in unserem Land gilt unabhängig von meiner Auffassung.
(07.10.2022, 20:56)Quintus Fabius schrieb: Kurz und einfach: andere Nationen folgen deiner Auffassung nicht,
Etwas länger und möglichst einfach:
Die bestehende Rechtsordnung in unserem Land ist zum Glück wie bereits mehrfach dargelegt vollkommen unabhängig von meiner, Deiner oder der Auffassung irgend eines anderen Individuums oder Gemeinschaft.
Sie ist durch die Verfassung vorgegeben und unsere Staatsgewalt in Form von Legislative, Judikative und Exekutive haben sich nach ihr zu richten und im Zweifelsfall hat jeder Bürger das Recht sich gegen Einzelfallentscheidungen, Übergriffe oder gar Willkür des Staates rechtlich zur Wehr zu setzen.

Diese Möglichkeit sich gegen den Staat rechtlich zur Wehr zu setzen ist übrigens ganz wesentlich für die Feststellung ob es sich um einen Rechts- oder Unrechtsstaat wie der ehemaligen DDR handelt.

Dass sich Menschen im In- und Ausland oder Staaten mit unserer Verfassung/Rechtsordnung, der UN Charta oder dem Völkerrecht nicht anfreunden können liegt in der Natur der Sache, sonst gäbe es keine Gestzesbrecher die ihre persönlichen Auffassungen in die Tat umsetzen, wie mit 180 durch eine 30 Zone zu brettern, Lollis klauen oder einen Angriffskrieg gegen souveräne Staaten anzuzetteln.
Für die rechtliche Einordnungen in einem Rechtsstaat ist es auf Grund der Egalität vorm Gesetz hingegen vollkommen irrelevant, ob es sich bei einem Kriegsverbrecher oder Lolliklauer um einen Russen, Ukrainer, Präsidenten oder Postboten handelt.
Auch ein Russischer Soldat, der in einem Kampfgebiet einen arglos auf der Toilette sitzenden Ukrainischen Kombatanten kampfunfähig macht, würde nach unserem Rechtsverständnis folglich ebenfalls nicht wegen einem Kriegsverbrechen angeklagt werden, da offenbar nach rechtlicher Prüfung die Arglosigkeit per se bei Kampfhandlungen immanent ist (Drohnen, Scharfschützen).
Dass Menschen, gerade wenn sie Amtsträger sind, hier im Tod eines Menschen eine gewisse Situationskomik sehen oder das ganze ernsthaft amüsant finden, zeugt meines Erachtens jedoch lediglich von Unprofessionalität und emotionaler Unreife.

Meine Schilderungen sind nüchterne Tatsachenbeschreibungen der geltenden Rechtsordnung in unserem Land, die völlig uneitel auf Grund meines Studiums aus einem tieferen Rechtsverständnis herrühren und völlig unabhängig von meiner persönlichen Auffassung sind.
Dieses Verständnis hat u.a. den Vorteil, dass bei mir z.b. keine intellektuelle Verwirrung auftritt, wenn die Auswertung einer Drohne die über einen Truppenübungsplatz fliegt, hierzulande allen voran durch Strafverfolgungsbehörden durchgeführt wird und nicht durch das Militär (auch Feldjäger sind keine Strafverfolgungsbehörde) oder gar durch Nachrichtendienste.
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