Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
@Quintus
Zitat:Wir betrachten im Westen TM Krieg viel zu sehr als eine bloße militärische Angelegenheit, und vernachlässigen bei allen militärischen Planungen die Zivilgesellschaft, die Wechselwirkungen mit der Kultur, der Wirtschaft, den Zivilisten, den verschiedenen Nicht-Militärischen Organisationen usw usw, kurz wir denken zu "militärisch" in dem Sinne, dass wir den Krieg zu sehr nur auf die Einheiten der Armee reduziert betrachten. Und wenn man dies kritisiert wird schnell empört mit dem Völkerrecht, dem Grundgesetz, rechtlichen Regelungen und Verordnungen und all diesem gewedelt.
Das ist leider immer eine zweischneidige Angelegenheit. Ich habe noch gut in Erinnerung, wie die deutsche Politiklandschaft wie die Katze um den heißen Brei herumgeschlichen ist, als es darum ging, ob man den deutschen Einsatz in Afghanistan als Krieg bezeichnen darf oder nicht. Dieses Verklausulieren hat man in erster Linie gemacht, weil man den Menschen im Lande es nicht zumuten wollte, dass Deutschland irgendwo Krieg führt (wenngleich auch auf niedrigem Niveau) und weil mancher Politiker auch Angst hatte, dass man ihm dies negativ auslegen könnte. Übrigens war es damals die Presse, auch die linksliberale, die dieses Herumlavieren böse kritisiert hat (so viel zum Thema "Systemmedien").

Das Ergebnis war, dass für die meisten Menschen in Deutschland - wenn es sie überhaupt interessierte - Afghanistan ein eher abstraktes Gebilde blieb, irgendwo in der weiten Ferne, wo unsere Soldaten eben irgendwie "bei den Amerikanern mithelfen". Mehr war aber auch nicht da, auch keine Identifizierung mit der Truppe oder dergleichen. Dies war ein Fehler, den man begangen hat - er war auch irgendwo verständlich, den man wollte Deutschland seitens der Politik aus dem Thema Krieg heraushalten (auch aus historischen Gründen).

Einerseits ist das durchaus nachvollziehbar, wenn man eine pazifistische Grundhaltung an den Tag legen will. Das ist auch zutiefst natürlich, denn niemand zieht gerne in den Krieg. Andererseits jedoch war es nicht immer - und das ist der Vorwurf meinerseits - rein dem Pazifismus (so pazifistisch ist Deutschland übrigens gar nicht) geschuldet, dass so gehandelt wurde, sondern es war (auch) der krampfhafte und durchaus eigennützige Versuch, Deutschland als eine "große Schweiz" darzustellen, die von allen irgendwie gemocht wird, es allen irgendwie recht macht und die deshalb zugleich von der Globalisierung wirtschaftlich profitieren kann. Und im Ergebnis wurde Deutschland nun 2022 teils von seiner eigenen Selbstbeweihräucherung, seinem Nicht-Erwachsen-Werden-Wollen und teils auch wirtschaftlichen Egozentrik eingeholt, besser gesagt: Von Herrn Putins Spinnereien vom hohen Ross geholt. Und jetzt ist es teils eben umso schwerer, die Menschen von der aktuellen Kriegslage zu über- oder eine Art von "Kampfbereitschaft" (wobei ich da bei solchen Begriffen auch immer zur Vorsicht rate, denn man kann sie auch böse missbrauchen) zu erzeugen. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass andere Länder teilweise von ähnlichen Sorgen umgetrieben werden.

In gewisser Weise hat also Putin Deutschland durch den Schulterwurf ins kalte Wasser gezwungen, "erwachsen" zu werden und Eigenverantwortung zu übernehmen und sich nicht immer hinter irgendwelchen Floskeln zu verstecken. Das ist insofern nicht schlecht, jetzt muss man das ganze Vorhaben allerdings nur noch verantwortungsbewusst kanalisieren und Deutschland zu einem Verantwortungsträger für sich selbst und für Europa formen (was übrigens unsere Verbündeten auch immer wieder gefordert hatten, sogar die Polen - und das will was heißen).
Zitat:Nur: das wird alles in einem ernsthaften Krieg rein gar nichts nützen, erst recht nicht gegen einen Gegner dem jedes Recht vollkommen egal ist.
Nicht unbedingt. Selbst dann, wenn ich einem Gegner gegenüberstehe, der sich nicht an gängiges Kriegs- oder Völkerrecht hält, heißt das nicht, dass ich mich ebenso verhalten muss wie er. Im Gegenteil - ich wäre gut beraten, wenn ich zeige, dass ich zwar entschlossen kämpfe, aber eben das Recht beachte. Denn: Wenn die gegnerischen Soldaten wissen, dass sie in der Gefangenschaft eben nicht misshandelt, sondern gut behandelt werden, so kann mir dies einen Sieg sogar erleichtern, da der Gegner eher zur Aufgabe bereit ist.

Schneemann
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