Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
#25
https://warontherocks.com/2022/03/insigh...inian-war/

Eine Pro-USMC-Reform Argumentation:

1. Das Zeitalter der vielen, kleinen, schnellen, beweglichen und vielen (de facto ObiBibers Argumentation):

Zitat:Mounted on light tactical vehicles such as Polaris’ MRZR, these Marine units could employ substantial numbers of vehicle and shoulder-fired anti-tank and anti-air weapons combined with a family of small, medium, and large loitering munitions. This would provide a potent force

2. Leichte Infanterie kann angeblich ohne Luftüberlegenheit:

Zitat:The Ukrainian military has shown that small, widely distributed infantry formations equipped with precision-guided munitions can operate effectively against armor and mechanized forces without air superiority, or even a traditional air force.

Und dem will ich mal komplett widersprechen: Leichte Infanterie ist ein primäres Ziel der Schlachtfliegerei und geht gegen eine ernsthafte Schachtfliegerei unter. Dazu muss diese aber eine ausreichende Quantität haben. Das ist mit den aktuellen modernen Kampfflugzeugen nicht bewerkstelligbar, weil die Kosten pro Einheit dafür zu hoch sind. Es ist aber mit Drohnen bewerkstelligbar. Da die gleichen Drohnen darüber hinaus auch noch sowohl die Augen als auch die Zielmarkierung für immer weiter reichende Artillerie darstellen, bedeutet dies zwingend, dass leichte Infanterie hier ein erhebliches und rasant größer werdendes Problem hat. Sie wird von den Drohnen als neuer Schlachtfliegerei und weitreichender Artillerie zerlegt.

Zitat:Force Design 2030 suggests the need for a roughly 50/50 mix of manned to unmanned aircraft. The Marine Corps is planning for six squadrons of medium altitude long endurance drones, while providing smaller drones to all infantry battalions, companies, platoons, and squads.

Drohnen auf der eigenen Seite ermöglichen zwar genau das gleiche, insbesondere in Verbindung mit eigener weitreichender Artillerie, beantworten aber die Frage nicht, wie man auf den feindlichen Drohnen - Artillerieverband reagieren soll. Dies wird selbst mit leistungsstarker bodengebundener Luftabwehr nicht bewältigbar sein. Die Lösung sind eigene Luftüberlegenheitsdrohnen, welche spezifisch die feindlichen Drohnen jagen.

3. Loitering Munitions als Schnittstelle zwischen Drohnen und konventioneller Munition sind DAS Mittel

Zitat:As I described in a past article in War on the Rocks, “loitering munitions will impact the character of warfare more substantially than the introduction of the machine gun.

Das sehe ich auch. Das wirft aber auch die Frage der effektiven Reichweite auf. Gerade kleinere Typen von Loitering Munition sind effektiver weil sie schwerer bekämpft werden können - insbesondere weil sie schwerer aufgeklärt werden können, dafür aber fehlt diesen größenbedingt die Reichweite. Die Lösung ist hier die Zusammenfassung von Artillerie im weiteren Sinne mit Loitering Muntion und dass diese von entsprechenden Systemen aus verschossen wird, wodurch ihre Reichweite erheblich erhöht wird. Das reicht hinunter bis zu kleinen Systemen die man aus Mörsern verschießt und dadurch deren Reichweite deutlich erhöht. Beispielsweise hat aus einem ultraleichten 81mm Mörser verschossene Loitering Munition eine Reichweite von 24 km erzielt. Dadurch ergeben sich ganz neue Möglichkeiten für die Artillerie an sich, da die gleiche Munition auch noch zur Zielaufklärung verwendet werden kann und man extrem leichte Systeme auf eine immens hohe Reichweite bringen kann - und diese uneingeschränkt querfeldeinbeweglich sind und daher leicht von leichter Infanterie in Stellung gebracht werden können.

4. Smartphones und Internet

Zitat:The impact of ubiquitous smartphones and network connectivity, which is becoming increasingly robust with space-based redundancy provided by systems like Starlink, has been much discussed, but the current conflict demonstrates, in stark terms, the strategic significance of these technologies.

Da Krieg ein Kampf zweier Willen gegeneinander ist, so hat natürlich alles was auf den Willen einwirkt einen militärischen Wert. Aber auch hier denkt man meiner Meinung nach zu sehr über die Frage nach wie man das selbst für die eigenen Zwecke einsetzt (natürlich absolut richtig), und zu wenig (im Verhältnis dazu), wie man die eigene Gesellschaft davor schützt und damit meine ich nicht technische Maßnahmen, Gegen-Propaganda etc. sondern einen ganz grundsätzlichen sozialkulturellen Schutz welcher die Gesellschaft wie eine Impfung weitgehend gegen die Wirkung und Einflussnahme immunisiert. Wenn die Botschaft nicht ankommt, dann wird sie irrelevant, aber da jede Hürde und jeder Zaun genommen werden kann, und die Botschaft damit in jedem Fall ankommen wird sollte eher die Frage sein, was man tun kann um zu verhindern dass die Botschaft überhaupt wahrgenommen wird.

5. Die Zukunft des Panzers

Zitat:Ukrainian forces equipped with shoulder-fired anti-armor weapons, loitering munitions, and armed drones demonstrate the increasing vulnerability of armor and mechanized vehicles — including Russia’s most advanced models.

Mit einem Wort: Unfug. Hätten die Russen tatsächlich ihre am meisten entwickelten Systeme gehabt, und zwar so wie diese theoretisch verfügbar wären, dann hätte die ukrainische Infanterie mit dem was sie real hat und wie sie real vorgegangen ist rein gar nichts gegen diese Panzer erreicht.

Zitat:Importantly, these protective systems add substantial weight, making a protected main battle tank too heavy

Stimm so auch nicht, weil man das Gewicht von Kampfpanzern ganz leicht drastisch reduzieren könnte und Hardkillsysteme demgegenüber gar nicht so schwer sind. Insgesamt wird man leichtere Kampfpanzer bauen können, selbst wenn diese eine 120mm+ BK haben (so man den dieses Konzept an sich weiter verfolgen will).

Zitat:Mobility and maneuver are important factors on any battlefield, and constraints on mobility are many, varied, and growing. Russian armored and mechanized forces have largely been constrained to highways, whereas foot-mobile Ukrainian infantry commuting to the battlefield in their personal vehicles have been able to successfully ambush their road-bound convoys.

Und das versteht der Autor anscheinend nicht richtig: die Ukrainer sind eben nicht mit ihren persönlichen Fahrzeugen an die Straßen heran gefahren, sie waren stattdessen lokal schon dort. Die ukrainischen Einheiten waren teilweise dezidierte Stay Behind Truppen welche vor Ort bleibend einen ganz normalen Jagdkampf führten, und dazu verwendeten sie gerade eben keine Fahrzeuge in größerem Stil.

Im weiteren ist es ja gerade eben der eigentliche Sinn von mechanisierten Streitkräften eben nicht Straßengebunden zu agieren, sondern abseits der Straße Kampfkraft quer durchs Gelände zu bewegen. Das dies in der Ukraine nicht möglich war, hatte eine ganze Reihe von Faktoren, aber keiner davon lässt diese Schlußfolgerung zu.

Zitat:Further in the future, exoskeletons will allow infantry to cover substantial distances by foot.

Und da wird es nun endgültig lächerlich. Und man benötigt überhaupt keine Exoskelette um zur Fuß erhebliche Distanzen zurück zu legen. Beispielsweise gibt es in den USA gefertigte verbesserte Versionen der RPG-7, welche nur noch 3,5 kg wiegen. Man nehme einen ultraleichten Maschinenkarabiner unter 3 kg und eine solche RPG-7 Variante und verzichte auf Helm und Weste und man kann problemlos jeden Tag mindestens 30 km damit zurück legen (querschnittlich). Bei einer Kriegsdauer von 40 Tagen wären das nicht weniger als 1200 km. Und querschnittlich wäre man damit schneller als die mechanisierten Einheiten oder die rückwärtigen Dienste die hier wesentlich langsamer vorrückten. Deutsche Infanterie ist im zweiten Weltkrieg übrigens deutlich längere Strecken über deutlich größere Zeiträume marschiert.

Zitat: If the Ukrainians had small all-terrain vehicles like the MRZR

Fahrzeuge sind genau der Fehler in Bezug auf echte leichte Infanterie, selbst wenn es sich um solche sehr kleinne Fahrzeuge handelt. Stattdessen muss man die Infanterie komplett von Fahrzeugen befreien und damit setzt man eine Menge weiterer positiver Dinge frei. Und einer der Gründe für den Erfolg leichter ukrainischer Infanterie ist gerade eben der Verzicht auf Fahrzeuge gewesen.

6. Logistik

Zitat:We are seeing in the Russo-Ukrainian War that forces less reliant on heavy vehicles, armor, and fixed airbases are highly lethal and have a much-reduced aggregate logistics demand.

Grundsätzlich richtig, aber dafür können solche leichteren Einheiten die schweren Einheiten wiederum auch nicht aufhalten. Und steht man einer ernsthaften schweren Einheit gegenüber, die auf den aktuellen Stand der Dinge gerüstet ist, dann wird die leichte Einheit von ihr vernichtet.

Die leichten Einheiten können dann allenfalls indirekt auf die schweren Einheiten wirken, indem sie deren rückwärtige Dienste und deren Versorgungskette angreifen und diese dadurch indirekt lahmlegen.

Dagegen aber kann der Feind wiederum eigene leichte Einheiten einsetzen usw

Dadurch entsteht meiner Auffassung nach erneut eine Zweiteilung, gerade auch in Bezug auf Panzer, nämlich in schwere Durchbruchseinheiten - diese dienen dem Zerschlagen und Durchbrechen feindlicher Stellungssysteme und feindlicher Verbände und leichten Einheiten welche dies explorieren und die den Bewegungskrieg suchen, den frontalen Durchbruch aber immer vermeiden. Entsprechend benötigt man neue Typen von Panzerfahrzeugen, oder man bildet dies mit dem bestehenden ab: dann wären beispielsweise Kampfpanzer solche Durchbruchs-Einheiten und Panzerspäher die entsprechenden leichten Panzer für den Bewegungskrieg.

Wenn man das aber mal konzeptionell nachvollzieht, dann kann man entsprechend die bestehenden Kampfpanzer ganz anders rüsten, denn dann sollen und müssen diese ja den Bewegungskrieg eben nicht mehr führen. Entsprechend kann man sie dann konsequenter auf ihre neue begrenztere Rolle hin ausrichten, nochmal deutlich schwerer panzern etc

Zitat:infantry mounted in MRZRs or foot-mobile could contribute in significant ways to the joint force by being able to deploy rapidly, without the need for large logistics stores or support bases, while providing critical sensing, targeting, and fires for the joint force.

Mehr leichte Truppen dieser Art, insbesondere zur Fuß bewegliche zu haben reduziert natürlich den logistischen Aufwand, ist aber unzureichend. Das USMC lagert diese Fähigkeit dann halt auch einfach an die Army aus, welche diese Aufgaben übernimmt. Für andere Streitkräfte (die unsrigen) stellt sich aber dann die Frage, in welchem Verhältnis man welche Truppenteile haben sollte?

Wieviel leichte Truppen benötigt man? Wieviel wären zu viel? Wieviel schwere Truppen benötigt man im Verhältnis? Die Antwort auf diese Fragen hängt wiederum von der Frage ab, was für eine Art von Krieg man wo und gegen wen genau führen will. Sie lässt sich daher nicht pauschal beantworten.

Es kann für die eine Streitmacht vollkommen richtig sein massiv echte leichte Infanterie zu haben, beispielsweise für Polen, während es für uns nicht sinnvoll wäre, weil es zu viel Personal in dieser Truppe bindet dass wir für andere Zwecke benötigen würden und für uns diese leichte Infanterie keinen großen Mehrwert darstellt.

Die Frage die man sich also hier immer stellen sollte ist die des Kontext. Zu oft werden Streitkräfte einfach aus dem Kontext gerissen diskutiert. Das gilt auch für Kriege selbst, und insbesondere für den aktuellen Ukrainekrieg.
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