(Sonstiges) Was ist D-LBO, der "Deutsche Skorpion"?
#1
Zitat:Teilantwort auf eine Frage von @QF für die deutsch/französische Brigade. Ich weiss aber nicht ob es der richtige Platz ist, oder wie weit das mit dem BattleManagement System zu tun hat. In jedem Fall hakt es wohl aber bei den Funkgeräten

Was ist D-LBO, der "Deutsche Skorpion"?
Nathan Gain 26. Mai 2020
FOB (französisch)
Was ist D-LBO, der "Deutsche Skorpion"?
[Bild: https://forcesoperations.com/wp-content/...0x383.jpeg]
Künstlerische Darstellung der im Rahmen des D-LBO-Programms angestrebten Digitalisierung des Gefechtsfeldes (Credits: Rheinmetall AG)


Zu den Zielen der Studie, die letzte Woche im Rahmen des MGCS-Programms angemeldet wurde, gehört die Bewertung der Wirksamkeit und Kompatibilität des Systems mit Scorpion und seinem deutschen Pendant, dem Programm "Digitalisierung Landbasierter Operationen" (D-LBO). Die in Frankreich wenig bekannte D-LBO dürfte in diesem Jahr mit der Integration des SVFuA-Softwarefunks in rund 50 SPz Puma und GTK Boxer ihren ersten großen Meilenstein erreichen.

Skorpions "Cousin ersten Grades"?

Obwohl die Anliegen der Programme Skorpion und D-LBO ähnlich sind, unterscheidet sich der von Deutschland eingeschlagene Weg erheblich. Während die Armee einen "globalen" Ansatz verfolgt, der die Erneuerung der Plattformen und die Optimierung der Unterstützung umfasst, konzentriert sich die D-LBO ausschließlich auf die digitale Transformation des Gefechtsraums. Es schließt sich damit dem in Deutschland vorherrschenden Ansatz an, wonach sich mehrere Programme in "durchlässigen Silos" entwickeln. Die Digitalisierung betrifft jedoch alle Bereiche und erfordert daher eine starke Kohärenz zwischen den großen nationalen Programmen. Sie zielt auch auf die Interoperabilität zwischen gleichwertigen Systemen in den Partnerländern ab.

In Deutschland sind derzeit nur die oberen Etagen des Unternehmens digitalisiert. Ziel ist es also, ein integriertes, mobiles Netz zu schaffen, das bis zum abgesessenen Soldaten reicht. Wie Scorpion zielt auch D-LBO darauf ab, die Effizienz von Landstreitkräften zu erhöhen, indem es unter anderem das Situationsbewusstsein in einem hohen Einsatztempo verbessert. Die wichtigste Entwicklung wird die Kombination von Sensoren und Waffensystemen sein, die durch die Vernetzung mit den neuen Technologien von D-LBO ermöglicht wird, um die Zeit zwischen Erkennung und Verarbeitung von Zielen zu verkürzen. Dazu will die Bundeswehr auch neue Informations- und Kommunikationstechnologien sowie künstliche Intelligenz und Big Data nutzen.

Hinter D-LBO, MoTaKo und MoTIV Land

D-LBO ist im Wesentlichen eine Kombination aus zwei Teilprogrammen, die sich auf die mobile taktische Kommunikation (MoTaKo) und die mobile taktische Informationsverarbeitung (MoTIV Land) beziehen. MoTaKo fasst die technischen Mittel (Funkgeräte, Mobilfunk- und Satellitennetze, Kommunikationsknoten) zusammen, die die mobile Infrastruktur für die Verbindung der verschiedenen Einheiten und Führungsebenen bilden. MoTIV Land ähnelt einem Battlefield Management System (BMS), das für die Analyse und Synthese von Daten aus dem taktischen Führungsnetz konzipiert ist.

Diese Programme beruhen auf der Notwendigkeit, so weit wie technisch möglich Standardgeräte zu erwerben. Thales und Atos haben sofort auf diese Anforderung reagiert, erstere mit den Systemen SYNAPS (oder CONTACT in Frankreich), System 21 und NEXIUM und letztere mit dem Bull BMS, das die funktionelle und technische Grundlage des Scorpion SICS-Systems bildet. Um die Entwicklungs- und Betriebskosten weiter zu senken, setzt die Bundeswehr auch auf das europäische Entwicklungsprojekt ESSOR für softwaredefinierte Funkgeräte, dem sich Deutschland im Dezember 2019 und seit kurzem auch Rohde & Schwarz angeschlossen haben. Unter der Leitung des französischen Gemeinschaftsunternehmens a4ESSOR SAS ist dieses Programm in eine neue OC1-Phase (Operational Capability 1) eingetreten, die 63 Monate dauert und 100 Millionen Euro kostet.

Im Gegensatz dazu sollen teure Komponenten nur in geringem Umfang und nur für bestimmte technische Anforderungen eingesetzt werden, z. B. mobile Kommunikationsknoten. Eine Handvoll Technologien wird daher unter dem Siegel der nationalen Souveränität bleiben. Dies ist der Fall bei der SVFuA-Funksoftware, deren speziell für D-LBO entwickelte Verschlüsselungsschlüssel 2016 als geheim eingestuft wurden, "was zum Erhalt des nationalen Know-hows in diesem Bereich beiträgt", begründet das Verteidigungsministerium.

Ziel 2035

Die Umsetzung der L-DBO in den Streitkräften, die sich über zwei Jahrzehnte erstreckt, ist nicht weniger ehrgeizig. Um im Jahr 2027 den Gegenwert einer Division und bis 2035 acht einsatzfähige Brigaden digitalisieren zu können, plant die Bundeswehr die Beschaffung von 90.000 Funksystemen zur Ausrüstung von abgesessenen Soldaten und fast 25.500 Fahrzeugen, darunter das künftige MGCS. Die D-LBO-Steine werden schrittweise eingesetzt, wobei die erste Brigade (Kräftedispositiv 1 - KD 1) bis 2023 für den Einsatz im Rahmen der NATO Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) ausgerüstet wird. "Um mit der Umsetzung von KD 1 gemäß dem Zeitplan des Programms beginnen zu können, sind die erforderlichen Mittel im Haushalt 2020 enthalten. (...) Voraussetzung für die Anpassung der KD 1 von 2023 bis 2024 ist die schrittweise Bereitstellung von Haushaltsmitteln entsprechend dem Lösungsvorschlag", heißt es in einem aktuellen Bericht des Verteidigungsministeriums zur Digitalisierung der Bundeswehr.

Mehrere Meilensteine sollten theoretisch noch in diesem Jahr erreicht werden, nachdem eine erste Tranche von Leistungen im Dezember 2019 unter Vertrag genommen wurde. Dies soll zunächst zur Integration des von Rohde & Schwarz entwickelten Software-definierten Funksystems SVFuA auf 27 GTK Boxern und 23 SPz Pumas führen. Der Rahmenvertrag wurde 2017 im Rahmen von MoTaKo abgeschlossen und sieht weitere Lieferungen über einen Zeitraum von sieben Jahren vor. Damit einher geht die Anschaffung eines neuen Gefechtsfeldmanagementsystems auf der Grundlage der Aktionslinie "BMS VJTF (L) 2023".

In einer Zeit, in der sich die Franzosen und Belgier dank Skorpion einander annähern, hat sich Deutschland für eine engere Zusammenarbeit mit den Niederlanden entschieden. Angesichts der Notwendigkeit der Digitalisierung ihrer Streitkräfte haben diese beschlossen, ihr nationales Programm FOXTROT mit dem deutschen Pendant zu verknüpfen. Diese Zusammenarbeit, die als "Tactical Edge Networking" (TEN) bezeichnet wird, wurde im Mai 2018 mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung eingeleitet und im Juni 2019 durch eine Absichtserklärung bekräftigt. Dies führte zur Einsetzung eines binationalen Lenkungsausschusses auf Ministerebene. Nach einer Anlaufphase sollte die FOXTROT-Komponente der TEN-Partnerschaft im Frühjahr 2020 zur Veröffentlichung einer Informationsanfrage führen.

Unvermeidliche Verzögerungen im Zeitplan

Einem am 18. Mai vom Verteidigungsministerium veröffentlichten Bericht zufolge ist die Durchführung des D-LBO-Programms nicht frei von Hindernissen, die erhebliche zeitliche Auswirkungen haben könnten, wenn sie nicht kurzfristig überwunden werden. Unter den etwa zehn genannten Risikofaktoren scheinen strategische, politische und Kostenmanagementfragen die problematischsten zu sein, da sie zu Verzögerungen bei der Lieferung bestimmter Komponenten beitragen.

Während die Integration einer ersten Charge von SVFuA-Fahrzeugfunkgeräten nominell voranschreitet, kommt es bei der Auftragsvergabe für das BMS-Element VJTF (L) 2023 zu "leichten Verzögerungen". Auch die Einrichtung einer ersten digitalen Brigade (KD 1) in Partnerschaft mit den Niederlanden erfordert "eine umfangreiche und daher zeitaufwändige Koordinierung (...), die wahrscheinlich zu Verzögerungen bei [der Einrichtung der] KD 1 führen wird". "Begleitende Maßnahmen müssen schnell umgesetzt werden, um die Veralterung der aktuellen Funkausrüstung zu vermeiden", betont das Verteidigungsministerium.
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#2
Ich versuche mich mal an einer Interpretation für den geneigten Laien:

Frankreich baut ein universelles System auf.
Deutschland harmonisiert zahlreiche Einzelsysteme.

Passt ja auch so ins Gesamtbild. Für Frankreich existiert eine mehr oder weniger geschlossen agierende, alle Bereiche abdeckende nationale Rüstungsindustrie, die somit in der Lage ist, ein ganzheitliches System zu erschaffen.
In Deutschland ist das ganze etwas diffuser und - mangels Zielvorstellung - weniger zielführend aufgestellt. Also muss man sich hier mit Standards und Normen behelfen, damit jede beliebige Lösung integriert werden kann.

Der französische Weg ist sicherlich der effizientere aus Sicht einer zentral gesteuerten Streitmacht, erfordert jedoch für eine internationale Anbindung dann - wie im Fall von Belgien - dass die Partner sich dem System als Ganzes anschließen, was nur in wenigen Fällen industriepolitisch funktionieren dürfte. Somit ist der deutsche Ansatz mMn für eine europäische Integration der realistisch zielführendere, allerdings müsste er natürlich viel massiver vorangetrieben werden als das real der Fall ist.

Für MGCS ergibt sich daraus die Fragestellung, inwieweit es hier möglich sein wird, dieses in Scorpion und das deutsche System gleichermaßen zu integrieren, ohne dass man hinterher zwei stark technisch abweichende MGCS-Versionen in Dienst stellt. Eventuell stellt das ja die einmalige Gelegenheit dar, Scorpion als Ganzes genauso in in die "D-LBO"-Umgebung zu integrieren wie andere Systeme und dadurch tatsächlich europäische Interoperabilität zu erzielen. (Natürlich werden wir auch diese Chance vermasseln...)
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#3
Über MGCS würde ich mir keine großen Sorgen machen. Da geht nichts mehr weiter und das Ganze wird stillschweigend bald in andere Projekte aufgehen - ähnlich wie das auch gemeinsam geplante Artillerieprojekt. Man will in FR eh was anderes wie in DEU.
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