Kunstgegenstände aus früheren Kolonien
#9
Zitat:Die Kolonialzeit hat insgesamt den afrikanischen Völker wesentlich mehr genützt als geschadet, ungeachtet aller Kriege und ungeachtet aller Ungerechtigkeiten welche sie hervor brachte, schlicht und einfach weil die Zustände vorher noch wesentlich schlimmer waren, im Vergleich zur Kolonialzeit in weiten Teilen Afrikas im Prinzip einfach nur katastrophal waren.

Ich neige hier zur Zurückhaltung. Über die "Zustände davor" gibt es nur wenige sichere Aufzeichnungen, da man nicht vergessen darf, dass zwar die Sahara und Nordafrika bzw. auch Ägypten von Europäern schon recht früh durchquert wurden - grob Ägypten seit Napoleon, Nordwestafrika wurde von Frankreich ab 1830 schrittweise erobert -, aber Schwarzafrika selbst lange ein "weißer Fleck" blieb, also von Europäern nur sehr selten betreten wurde, ja geradezu gemieden wurde, da man sich schlicht fürchtete vor den dunklen und feuchten Regenwäldern, Fieberkrankheiten, Kannibalen und wilden Tieren. D. h. vor ca. 1860 gab es quasi kein direktes, d. h. unmittelbares landesinternes Einwirken der Europäer und kaum eine direkte Erfassung der Ereignisse. Alles was man danach über Fulbe, Kanem, Hausa, Ghana, Simbabwe, Mosambik, Benin etc. zusammentrug, sind oft rekonstruierte, vielfach auf mündlichen Überlieferungen basierende Verläufe, die nur vage Bilder übermitteln.

Und ja, selbst wenn diese vagen Bilder stimmen, so wird deutlich, dass auch in Afrika die dortigen Reiche munter ihren Eroberungen frönten und ihre Nachbarn unterwarfen, und das dabei auch Sklaverei, Raub und Mord und Totschlag geschahen. Genau genommen könnte man sich nun hinstellen und sagen, dass die dortigen Reiche eben schlicht Pech hatten, da irgendwann ein Eroberer, also die Europäer, von außen kam, der ihnen organisatorisch und waffentechnisch mit dem Maxim-MG eben überlegen war. Shit happens.

Aber: Zu sagen, dass der Nutzen den Schaden überwog, ist etwas zu euphemistisch, wenn man bedenkt, dass die Folgen der Politik der Europäer in kürzester Zeit ein Vielfaches an Opfern in Afrika verursachten als die eigene "afrikanische Politik" zuvor. Alleine im Kongo starben ja Millionen von Menschen, was man nicht mit Eisenbahnen oder Schulenbau ungeschehen machen kann. Insofern stellt sich schon die Frage, welche Verantwortung wir zu übernehmen gedenken, und darüber zu reden, dort entwendete Kulturgüter zurückzugeben, gehört auch dazu.
Zitat:Heute wissen viele Afrikaner vor Ort weniger von ihrer Geschichte und ihren früheren Sitten als dies Gelehrte in Europa tun. Ab wann gehört einem etwas? Soll Venedig die Marmorlöwen nach Athen zurück transportieren und die Gebeine des heiligen Markus nach Alexandria? Soll ich dafür sorgen dass eine Kirche in Deutschland ihren Splitter des heiligen Kreuzes nach Istanbul bringt weil meine Vorfahren ihn dort im vierten Kreuzzug raubten? Wo will man da die Grenze ziehen, welche zeitliche Grenze soll da gelten?! Mit welchem Recht untersuchen Archäologen beispielsweise Gräber mit der Begründung dies sei wissenschaftlich geboten? [...] Wann gehört ein Kulturgut jemandem anderen?! Wenn wir also Kunstwerke eines vor Dekaden untergegangenen Volkes retten und erhalten konnten, dann gehören sie heute völlig anderen Völkern nur weil diese rein zufällig jetzt im gleichen Raum leben, obwohl diese keinerlei kulturellen oder sonstigen Bezug zu denen hatten welche diese Kunst einst hergestellt haben?!
Das sind nun etwas überspitzte Beispiele. Nehmen wir doch mal Ägypten: Es wurden dort über rund ein Jahrhundert hinweg Mumien und andere Gegenstände, bis hin zu ganzen Obelisken, abtransportiert. Die Ägypter monieren da schon lange herum und fordern die Rückgabe. Kann man es ablehnen, nur weil das Land über fast 2.000 Jahre hinweg fremdbeherrscht war?

Schneemann
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RE: Koloniale Raubkunst - von Quintus Fabius - 01.11.2021, 10:37
RE: Koloniale Raubkunst - von voyageur - 01.11.2021, 11:06
RE: Koloniale Raubkunst - von Quintus Fabius - 01.11.2021, 11:32
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RE: Koloniale Raubkunst - von Schneemann - 02.11.2021, 11:25

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