Kunstgegenstände aus früheren Kolonien
#1
Das Thema ist seit einiger Zeit wieder aktuell geworden. Allerdings möchte ich gerne eine klare Abgrenzung vornehmen (zumal wir hier auch schon Threads über das British Empire und die Folgen des Kolonialismus, auch des deutschen, generell haben) dahingehend, dass hiermit speziell Schätze (im eigentlichen wie im kulturellen Sinne) gemeint sein sollen, die während der Herrschaft der europäischen Kolonialmächte aus den unterworfenen Gebieten abtransportiert und nach Europa verbracht wurden.

Abgrenzen möchte ich es insofern gerne von a) sogenannten archäologischen Raubgrabungen (sofern sie nicht von einer Kolonialmacht gezielt herbeigeführt und zu verantworten sind) und b) der sog. Beutekunst. Bedeutet: Die Räubereien eines Giovanni Battista Belzoni gehören hier nicht her, ebenso nicht die Schliemann'sche Gaunerei beim Abtransport des Schatzes des Priamos aus dem Osmanischen Reich. Und auch der Umstand, dass die Russen diesen Schatz dann 1945 in Deutschland kurzerhand geklaut haben, gehört nicht hierher.

Worum es geht, dürfte also klar sein...

Aktuell:
Zitat:Frankreich gibt Raubkunst zurück

"Es wird ein Vorher und ein Nachher geben"

In Paris wird heute Geschichte geschrieben: Erstmals nach Ende der Kolonialzeit gibt Frankreich bedeutende Raubkunst an Benin zurück. Konkret geht es um 26 Objekte - doch es ist nur ein erster Schritt. [...]

Insgesamt 26 Kunstobjekte gibt Frankreich offiziell an die westafrikanische Republik Benin zurück. Dabei handelt es sich um Artefakte aus den Schätzen des Königreichs Abomey. Darunter sind meterhohe Schutz-Statuen aus dem 19. Jahrhundert - halb Mensch, halb Tier -, zwei kunstvoll geschnitzte Throne sowie Holzpforten und kleine Altare. Sie wurden 1892, mitten im blutigen Kolonialkrieg, von französischen Soldaten nach Frankreich gebracht. [...]

Schätzungen zufolge befinden sich etwa 90.000 Kunstobjekte aus Afrika in französischen Museen, da mag eine Rückgabe von 26 Artefakten nach nicht viel klingen. "Es sind aber nicht irgendwelche Objekte", erklärt Savoy. "Das sind sehr große, sehr spektakuläre, sehr wichtige, königliche Objekte aus einem von den Franzosen plattgemachten Königreich. Und sie waren, seitdem sie in Frankreich waren, in der Mitte der Museen.“
https://www.tagesschau.de/ausland/europa...n-101.html

Und auch England wird um seine Vergangenheit nicht herumkommen:
Zitat:Britain can't decide whether it should send its looted treasures back to their rightful owners

Britain is once again reckoning with its imperial history during a week in which two ceremonies were held to mark the return of ancient looted artifacts to Nigeria from the UK. On Wednesday, a college at the University of Cambridge staged a ceremony acknowledging the official return of a bronze statue of a cockerel to Nigeria's National Commission for Museums and Monuments.

The cockerel, donated to the university in 1905 by the father of a student, is a Benin Bronze, looted during the 1897 British invasion of Benin city, in modern Nigeria, during which British forces burnt down the royal palace among other buildings and stole priceless artifacts. [...] Elsewhere in mainland Europe, France and Germany have also taken measures to repatriate similar objects. President Emmanuel Macron was present during an event on Wednesday at the Quai Branly museum in Paris where 26 artifacts were ceremoniously returned to Nigeria. [...]

These moves have put pressure on a number of academic and cultural institutions such as the British Museum, which is facing calls to return its enormous collection of bronzes, comprised of over 900 artifacts. [...] The British government believes that the museum is the right home for the bronzes as it makes them accessible to the largest number of people and, as a leading museum in one of the world's most global cities, has the best facilities for their upkeep.
https://edition.cnn.com/style/article/be...index.html

Schneemann
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#2
Diese Kulturschätze welche in vielen Fällen de facto durch uns gerettet wurden, und heute nicht mehr existieren würden, hätten wir sie nicht gesichert - nun einfach zurück zu geben ist primär zum Schaden derjenigen Völker welche sie einst hervor gebracht haben. Als ob die langfristig sich um diese wertvollen Kulturgüter kümmern könnten oder kümmern wollten oder kümmern werden.

Nehmen wir Benin: ein Land dass von Korruption und organisierter Kriminalität zerfressen ist. DIE Drehscheibe für den Menschenhandel in Afrika! In dem Raubgräber archäologische Stätten plündern um die Funde an reiche Weiße in den USA zu verkaufen, oder an Ölscheichs. Ein Land in dem ganz offen Sklaven gehandelt werden und Kinder in die Zwangsprostution verkauft werden, und dass auch in Nachbarländer.

Großartig ! einem solchen Land unersetzliche Kulturschätze zu geben, damit sie dann dort im Tropenklima kaputt gehen oder ins Ausland verhökert werden.
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#3
Zitat:Großartig ! einem solchen Land unersetzliche Kulturschätze zu geben, damit sie dann dort im Tropenklima kaputt gehen oder ins Ausland verhökert werden.

Mal wieder eine pauschale Aussage

Zitat:Zwei Kuratoren aus Benin sind seit mehr als einer Woche in Frankreich, um die Rückgabe der Werke zu organisieren, die "von Benin angefordert wurden", so Kasarhérou gegenüber AFP letzte Woche. In Benin werden sie zunächst "an einem Lagerort aufbewahrt und dann an anderen Orten dauerhaft ausgestellt: im ehemaligen portugiesischen Fort von Ouidah und im Haus des Gouverneurs, historischen Orten der Sklaverei und der europäischen Kolonisation, die sich an der Küste befinden, während man auf den Bau eines neuen Museums in Abomey wartet", im ehemaligen Königspalast der Könige von Dahomey, im Landesinneren.

Nach der Ankunft gibt es eine Akklimationszeit, und was allgemein das Tropenklima angeht, die Stücke kommen ja aus der Gegend.
Was verhökern angeht, eine lokale Regierung die die Sachen ins Ausland "verhökert", würde weltweit am Pranger stehen.
Hab Doch mal Vertrauen in die Menschheit, und Du kennst ja Teile von Afrika, die Anzahl von Touristen die in das kleinste lokale Museum strömen, ist ja erstaunlich.
Also ein Museum in Abomey kann ein Touristenmagnet werden, und der Tourismus in Afrika erlaubt die Bildung einer Mittelklasse von Bürgern.
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#4
Wenn jeder Afrikaner nur den Lebensstandard eines HartzIV Empfängers hierzulande hätte würden mehrere Erden nicht mehr reichen um dass von den Ressourcen her nachhaltig zu ermöglichen. Eine Mittelklasse von Bürgern welche durch den Tourismus entstanden ist und daher vollständig von diesem abhängig ist, kann sich ebenso nicht nachhaltig halten, zumal sie dann völlig abhängig ist von der Aufrechterhaltung unserer degenerierten Dekadenz.

Und es ist geradezu eine Ironie heute den Europäern Sklavenhandel vorzuhalten wo doch die Europäer es waren welche diesen als erste überhaupt bekämpften und schließlich abschafften und es gerade eben das Königreich Dahomey war, welches noch als letztes immer noch seine eigenen Untertanen in die Sklaverei verkaufte (nach Brasilien) zu einem Zeitpunkt wo die Europäer den Sklavenhandel ansonsten schon weltweit weitestgehend abschaffen konnten (mit Ausnahme der arabisch/islamischen Länder). Und das ausgerechnet Benin heute erklärt wir seien Schuld am Sklavenhandel wo es Dahomey selbst war welches systematisch Menschen jagte und fing um diese zu verkaufen damit die Könige dadurch ihr Luxusleben finanzieren konnten.

Und welch Ironie dann diese Kulturschätze welche wir erhalten haben in einem Sklavenfort auszustellen - mit dem impliziten Vorwurf gegen uns wo Benin auch heute wieder ein Zentrum des Sklavenhandels in Afrika ist und die Drehscheibe für Menschenhändler, Sexsklaverei und Organhandel.

Zitat:Hab Doch mal Vertrauen in die Menschheit

Das ist zweifelsohne mein Problem, da ich ja nicht einmal "uns" vertrauen kann, aber wer allen Ernstes diesen kaputten Staatskarikaturen in Afrika vertraut dem kann man wirklich nicht mehr helfen.
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#5
Zitat:Das ist zweifelsohne mein Problem, da ich ja nicht einmal "uns" vertrauen kann, aber wer allen Ernstes diesen kaputten Staatskarikaturen in Afrika vertraut dem kann man wirklich nicht mehr helfen.

Ich vertraue den Bürgern, und habe in meinem Leben schon einige Afrikaner kennengelernt. Und davon abgesehen gibt es keinen anderen Weg, abgesehen von Stacheldraht und Minenfelder an unseren Mittelmeerstränden

Zitat:Und das ausgerechnet Benin heute erklärt wir seien Schuld am Sklavenhandel wo es Dahomey selbst war welches systematisch Menschen jagte und fing um diese zu verkaufen damit die Könige dadurch ihr Luxusleben finanzieren konnten.

Der Versuch uns die Schuld für alles zu zuweisen die gibt ja oft. Sowas perlt an mir ab, und ich habe genug Geschichtskenntnisse um mit diskutieren zu können.

Aber ich lebe auch nicht mehr in Deutschland, das sich so gerne selber geisselt.
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#6
Ich denke einfach, dass die Europäer nicht umher kommen, ihre Verantwortung für die Kolonialzeit zu tragen und auch das dabei geschehene Unrecht (und die Wegnahme von Kulturgütern muss so gewertet werden) zu akzeptieren.

Dass die Europäer "ihren" Sklavenhandel nicht (zumindest nicht in dem Umfang) hätten bestreiten können, wenn sie nicht willfährige afrikanische Stämme und Sklavenjäger gehabt hätten - zumal sich die Europäer bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur sehr ungern nach Schwarzafrika hineinwagten -, ist unbestritten. Auch dass arabische Sklavenjäger vermutlich mehr Schwarze gen Osten verschleppten als Weiße sie nach Westen verbrachten, ist unbestritten.

Aber dadurch wird der fundamentale Umstand, dass man Kulturgüter aus fremden Kulturkreisen entwendet hat, teils auch mit Gewalt, eben nicht ungeschehen gemacht, egal ob dort nun untereinander Stammeskriege herrschten, Afrikaner oder Araber den Sklavenhandel unterstützten oder Kannibalen regierten.

Auch ist es letzten Endes zweitrangig von Gewicht, ob wir diesen Menschen zutrauen, sich um ihre Kulturgüter selbst kümmern zu können - sie stammen von dort. Zumal die Europäer ja oftmals fordern, dass die afrikanischen Staaten sich bitte endlich mal zusammenreißen, emanzipieren und "entwickeln" sollen. Dann ist es wenig hilfreich und noch weniger glaubwürdig, wenn man sich daneben hin stellt und mit dem obermoralisierenden Zeigefinger winkend droht, dass das "afrikanische Kind ja nicht auf seine Spielsachen aufpassen kann und wir diese deswegen weiterhin verschlossen halten."

Und selbst wenn diese Kulturgüter dann dort vergammeln sollten, so ist die Eigenverantwortung dieser Staaten, wenn man ihnen dann vorwerfen würde, dass sie nicht in der Lage sind, sich um ihr eigenes Erbe zu kümmern. Aber es ist eben nicht mehr die europäische Verantwortung (besser: das Umgehen der eigenen Verantwortung).

Schneemann
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#7
Die Kolonialzeit hat insgesamt den afrikanischen Völker wesentlich mehr genützt als geschadet, ungeachtet aller Kriege und ungeachtet aller Ungerechtigkeiten welche sie hervor brachte, schlicht und einfach weil die Zustände vorher noch wesentlich schlimmer waren, im Vergleich zur Kolonialzeit in weiten Teilen Afrikas im Prinzip einfach nur katastrophal waren. Von daher übernehme ich gerne die Verantwortung für die Kolonialzeit, von der Afrika in Wahrheit heute noch zehrt und deren Erbe es ist dass überhaupt dort irgend etwas positives enstehen ließ.

Die sogenannte "Raubkunst" - ein absurder Begriff den ich zutiefst ablehne - ist daher meinem Verständnis nach zuvorderst eine Leistung von uns für die Afrikaner gewesen, auch wenn das damals beide Seiten so nicht gesehen haben mögen und auch wenn das heute immer noch die meisten nicht verstehen.

Und ein solches positives Erbe dieser Zeit ist, dass wir vielen Völkern dort ihr kulturelles Erbe gerettet haben, dass geht ja viel weiter als nur diese Kunstwerke welche evakuiert wurden, da wurden auch Sprachen, Sitten, Gebräuche, Lieder, Volkssagen, Überlieferiungen und vieles mehr gesammelt und so erhalten. Heute wissen viele Afrikaner vor Ort weniger von ihrer Geschichte und ihren früheren Sitten als dies Gelehrte in Europa tun. Ab wann gehört einem etwas? Soll Venedig die Marmorlöwen nach Athen zurück transportieren und die Gebeine des heiligen Markus nach Alexandria? Soll ich dafür sorgen dass eine Kirche in Deutschland ihren Splitter des heiligen Kreuzes nach Istanbul bringt weil meine Vorfahren ihn dort im vierten Kreuzzug raubten? Wo will man da die Grenze ziehen, welche zeitliche Grenze soll da gelten?! Mit welchem Recht untersuchen Archäologen beispielsweise Gräber mit der Begründung dies sei wissenschaftlich geboten?

Wann gehört ein Kulturgut jemandem anderen?! Wenn wir also Kunstwerke eines vor Dekaden untergegangenen Volkes retten und erhalten konnten, dann gehören sie heute völlig anderen Völkern nur weil diese rein zufällig jetzt im gleichen Raum leben, obwohl diese keinerlei kulturellen oder sonstigen Bezug zu denen hatten welche diese Kunst einst hergestellt haben?! Das ist genau so abstrus wie beispielsweise den Namib in Namibia als Staatsvolk Milliarden zu zahlen weil wir den Tod vieler Herero verschuldet haben - und ausgerechnet diese kriegen dann kaum etwas von diesen Zahlungen ab. Zu Recht (!) empören sich deshalb die Herero über dieses ebenso verlogenene wie scheinheilige europäische Schauspiel, welches in Wahrheit nur unseren eigenen Interessen dient.

Ebenso mit dieser sogenannten Raubkunst: es wird ja keineswegs in relevanter Menge zurück gegeben - sondern da wird Politik betrieben indem man einige wenige ausgewählte Stücke zurück gibt und dass politisch ausnützt. In keinster Weise ist da irgendeine Ehrlichkeit, nur pharisäerhafte Verlogenheit.

Zitat:Ich .....habe in meinem Leben schon einige Afrikaner kennengelernt.

Damit man mich nicht falsch versteht: ich liebe Afrika und die Zustände in zu vielen Teilen dieses Kontinentes sind ein Trauerspiel ohnegleichen. Sie wurden aber nicht durch unseren Kolonialismus verursacht, sondern weil wir nachdem wir die Kolonien in die Unabhängigkeit entließen dort in katastrophaler Weise hinein gewirkt haben ohne für die Folgen die Verantwortung zu übernehmen, es war so ja auch viel bequemer, die Kosten geringer, der Aufwand reduziert und alles was man wollte bekam man auch so ohne direkt die Bürde der Regierung dort ausüben zu müssen. Die aktuellen Missstände sind daher ein Produkt unserer Ignoranz welche dem Kolonialismus folgte.

Und genau eine solche Ignoranz gegenüber der Realität in weiten Teilen Afrikas wäre es hier und heute unersetzliche Kulturschätze einfach irgendwem zu geben nur weil dieser dass fordert und behauptet sie stünden ihm zu. Zuerst also beuteten wir die Afrikaner aus, dann ließen wir sie aus Ignoranz im Stich und lenkten sie indirekt nach Belieben ins Verderben, dem folgend sollen wir es also zulassen dass ihre kulturellen Schätze aus der gleichen Ignoranz gegenüber ihrem Wert nun einfach auch noch kaputt gehen ?! Das entschließt sich mir nicht.
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#8
Zitat:Und genau eine solche Ignoranz gegenüber der Realität in weiten Teilen Afrikas wäre es hier und heute unersetzliche Kulturschätze einfach irgendwem zu geben nur weil dieser dass fordert und behauptet sie stünden ihm zu.


Das ist doch für den Benin, nicht der Fall. Hier gab es monatelange Vorarbeiten, und den Versuch ein gemeinschaftliches Konzept und eine langfristige Zusammenarbeit aufzubauen.

Ansonsten ist es wie oft, Deine Argumente sind schon in Betracht zu ziehen, bloss die Form des ersten Ansatzes erlaubt es nicht die Feinheiten Deiner Analyse zu verstehen.
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#9
Zitat:Die Kolonialzeit hat insgesamt den afrikanischen Völker wesentlich mehr genützt als geschadet, ungeachtet aller Kriege und ungeachtet aller Ungerechtigkeiten welche sie hervor brachte, schlicht und einfach weil die Zustände vorher noch wesentlich schlimmer waren, im Vergleich zur Kolonialzeit in weiten Teilen Afrikas im Prinzip einfach nur katastrophal waren.

Ich neige hier zur Zurückhaltung. Über die "Zustände davor" gibt es nur wenige sichere Aufzeichnungen, da man nicht vergessen darf, dass zwar die Sahara und Nordafrika bzw. auch Ägypten von Europäern schon recht früh durchquert wurden - grob Ägypten seit Napoleon, Nordwestafrika wurde von Frankreich ab 1830 schrittweise erobert -, aber Schwarzafrika selbst lange ein "weißer Fleck" blieb, also von Europäern nur sehr selten betreten wurde, ja geradezu gemieden wurde, da man sich schlicht fürchtete vor den dunklen und feuchten Regenwäldern, Fieberkrankheiten, Kannibalen und wilden Tieren. D. h. vor ca. 1860 gab es quasi kein direktes, d. h. unmittelbares landesinternes Einwirken der Europäer und kaum eine direkte Erfassung der Ereignisse. Alles was man danach über Fulbe, Kanem, Hausa, Ghana, Simbabwe, Mosambik, Benin etc. zusammentrug, sind oft rekonstruierte, vielfach auf mündlichen Überlieferungen basierende Verläufe, die nur vage Bilder übermitteln.

Und ja, selbst wenn diese vagen Bilder stimmen, so wird deutlich, dass auch in Afrika die dortigen Reiche munter ihren Eroberungen frönten und ihre Nachbarn unterwarfen, und das dabei auch Sklaverei, Raub und Mord und Totschlag geschahen. Genau genommen könnte man sich nun hinstellen und sagen, dass die dortigen Reiche eben schlicht Pech hatten, da irgendwann ein Eroberer, also die Europäer, von außen kam, der ihnen organisatorisch und waffentechnisch mit dem Maxim-MG eben überlegen war. Shit happens.

Aber: Zu sagen, dass der Nutzen den Schaden überwog, ist etwas zu euphemistisch, wenn man bedenkt, dass die Folgen der Politik der Europäer in kürzester Zeit ein Vielfaches an Opfern in Afrika verursachten als die eigene "afrikanische Politik" zuvor. Alleine im Kongo starben ja Millionen von Menschen, was man nicht mit Eisenbahnen oder Schulenbau ungeschehen machen kann. Insofern stellt sich schon die Frage, welche Verantwortung wir zu übernehmen gedenken, und darüber zu reden, dort entwendete Kulturgüter zurückzugeben, gehört auch dazu.
Zitat:Heute wissen viele Afrikaner vor Ort weniger von ihrer Geschichte und ihren früheren Sitten als dies Gelehrte in Europa tun. Ab wann gehört einem etwas? Soll Venedig die Marmorlöwen nach Athen zurück transportieren und die Gebeine des heiligen Markus nach Alexandria? Soll ich dafür sorgen dass eine Kirche in Deutschland ihren Splitter des heiligen Kreuzes nach Istanbul bringt weil meine Vorfahren ihn dort im vierten Kreuzzug raubten? Wo will man da die Grenze ziehen, welche zeitliche Grenze soll da gelten?! Mit welchem Recht untersuchen Archäologen beispielsweise Gräber mit der Begründung dies sei wissenschaftlich geboten? [...] Wann gehört ein Kulturgut jemandem anderen?! Wenn wir also Kunstwerke eines vor Dekaden untergegangenen Volkes retten und erhalten konnten, dann gehören sie heute völlig anderen Völkern nur weil diese rein zufällig jetzt im gleichen Raum leben, obwohl diese keinerlei kulturellen oder sonstigen Bezug zu denen hatten welche diese Kunst einst hergestellt haben?!
Das sind nun etwas überspitzte Beispiele. Nehmen wir doch mal Ägypten: Es wurden dort über rund ein Jahrhundert hinweg Mumien und andere Gegenstände, bis hin zu ganzen Obelisken, abtransportiert. Die Ägypter monieren da schon lange herum und fordern die Rückgabe. Kann man es ablehnen, nur weil das Land über fast 2.000 Jahre hinweg fremdbeherrscht war?

Schneemann
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#10
Ich habe den Strang mal umbenannt, da der Begriff "Raubkunst", was Quintus ja schon bemängelte, durchaus etwas unglücklich gewählt war und doppeldeutig verstanden werden kann. Davon sollte die inhaltliche Ausrichtung des Threads bzw. die Thematik aber unberührt bleiben.

Schneemann
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#11
Benin
Die Ankunft in Bildern
[Video: https://youtu.be/mbG5ebacbFk]
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#12
Hab mich da jetzt speziell in den vorliegenden Fall in Benin eingelesen und ich muss mich da korrigieren. Das ist von Frankreich und Benin schon gut und sehr ausgefeilt geplant und durchgeführt worden. Von daher ist dieser Einzelfall ein gutes Beispiel dafür wie man so etwas richtig machen kann.
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#13
Zitat:KOLONIALES RAUBGUT

Deutschland gibt Benin-Bronzen an Nigeria zurück

Lange standen sie als Raubgut in deutschen Museen – nun sollen viele der aus Nigeria stammenden Benin-Bronzen zurückgegeben werden. Manche der Kunstwerke könnten aber auch als Leihgaben in Deutschland bleiben. [...]

Deutschland und Nigeria haben sich über den Umgang mit den als koloniales Raubgut geltenden Benin-Bronzen in deutschen Museen verständigt. Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (beide Grüne) werden nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Berlin mit ihren nigerianischen Amtskollegen eine Absichtserklärung unterzeichnen, die den Weg für die Eigentumsübertragungen der wertvollen Kunstobjekte freimacht. [...]

Zwei Bronzen sollen direkt im Anschluss übergeben werden. Die Stücke stammen nach dpa-Informationen aus Berliner Beständen. Etwa 1100 der kunstvollen Bronzen aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, sind in rund 20 deutschen Museen zu finden. Die Objekte stammen größtenteils aus den britischen Plünderungen des Jahres 1897.
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/k...35771.html

Schneemann
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#14
Zitat:Looted artefacts in Oxford museums could be returned to Nigeria

Almost 100 artefacts that were looted by British colonial forces in 1897, could be repatriated following a request from Nigeria. The objects were taken from Benin City and are currently held in the collections of Oxford's Pitt Rivers and Ashmolean museums.

Oxford University Council has decided to support a claim from Nigeria's museums commission. [...] In a statement the university confirmed the Pitt Rivers Museum had received a claim for the return of the 97 items, including bronzes, from Nigeria's National Commission for Museums and Monuments (NCMM). [...] As one of several UK museums that hold significant materials taken from Benin in 1897, the Pitt Rivers has been involved in long-term research and engagement projects in partnership with Nigerian stakeholders and representatives from the Royal Court of the Benin kingdom.
https://www.bbc.com/news/uk-england-oxfo...e-62361946

Schneemann
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#15
Die Region Biafra aus der die "Benin-Bronzen" stammen steht zwar unter Kontrolle Nigerias, aber nur weil sie den Unabhängigkeitskrieg verloren haben, was damals vor allem an der massiven Unterstützung der Sowjets für Nigeria lag. Gäbe es heute ein Referendum dann würde sich die Einwohner Biafras mit großer Mehrheit für die Unabhängigkeit von Nigeria entscheiden. Die Bronzen kommen also streng genommen gar nicht da hin wo sie eigentlich hin sollten. Insofern ähnelt dieser Fall den Verhandlungen mit Namibia und den dort unterdrückten Hereros. Scheinbar handelt man nach dem Prinzip: "Hauptsache zurück nach Afrika mit den Kunstgegenständen." ohne wirklich historisches Feingefühl dabei zu haben.
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