(Land) Die Brigade Scorpion
#35
Zitat:"Der Gewinner ist derjenige, der schneller entscheidet"

Vernetzte Kriegsführung, insbesondere aber die Digitalisierung sind aber eben nicht per se schneller, sondern sie bieten nur dann Vorteile, wenn Doktrin, Befähigung der Soldaten und die Umstände dies gewährleisten. Deshalb überschätzt man meiner Ansicht nach den militärischen Wert der Digitalisierung und unterschätzt die Probleme welche sich aus ihr ergeben. Damit meine ich nicht die Gefahren eines Ausfalles, sondern wie negativ sich Vernetzung und Digitalisierung gerade eben auf die Befähigung zum schnellen entscheiden und handeln auswirken können.

Sehr leicht kann ein Verband durch diese Technologie sogar langsamer werden und aktuell ist es genau das was man beobachten kann in allen westlichen Streitkräften: dass wir heute langsamer sind als in Zeiten des Zweiten Weltkrieges. Das gilt selbst für Frankreich und ich bin äußerst gespannt ob mit dem System Scorpion diese Entwicklung durchbrochen werden kann.

Zitat:Infovalorisierung und Konnektivität sind zwei ....Begriffe, die im Zentrum der SCORPION-Logik stehen, deren Kombination jedoch sicherstellen soll, "dass wir die Reichweite vergrößern, weiter entfernt kämpfen, besser verstehen, was unser Feind vorhat, und Chancen besser nutzen können". Und letztlich die Entscheidungsschleife zu beschleunigen und den Feind zu überrumpeln.

Und auch das ist so eine Sache: nur weil es so sein kann, ist es eben nicht sicher gestellt, dass es immer so sein wird und dass man immer diese Zielsetzung erreichen kann. Und rein persönlich bin ich im Laufe der Jahre immer skeptischer geworden in Bezug auf die Idee der sogenannten Entscheidungsschleife und auch immer skeptischer in Bezug auf technologische Hochwert-Streitkräfte, deren Kampfkraft zu sehr von bestimmten Umständen abhängt und deren Kampfwert sich zu schnell verbraucht.

Wenn man es nun natürlich von einer französischen Warte aus betrachtet und den Fragestellungen assymetrischer Konflikte und der französischen Neokolonialeinsätze, dann macht so ein System natürlich sehr viel Sinn und wird sehr viel bringen. In einem großen konventionellen Krieg wird der Mehrwert hier jedoch meiner Meinung nach überschätzt.

Von daher ist Scorpion für die Franzosen absolut richtig, aber konzeptionell halt ein Spezialsystem für spezielle Anforderungen.

Zitat: "Dies erfordert einen hohen Durchsatz, da die Masse, die zirkuliert, groß ist", so General Seiler.

Eine größere Quantität der Daten ist im Krieg immer mehr ein Problem als eine Lösung. Die Frage die sich mir spezifisch in Bezug auf Scorpion stellt ist daher, wie man die Qualität der Daten erhöht? Denn qualitativ bessere Daten sind meiner Ansicht nach viel wesentlicher als quantiativ mehr Daten zu haben.

Wie wird dies im Scorpion System gelöst? Was ist die französische Idee dazu, statt vieler Daten die eine wesentliche und entscheidende Information zu generieren?

Zitat:"Diese Informationssysteme sind in gewisser Weise das Nervensystem eines Körpers. Wenn dieses Nervensystem ausfällt, kommt es zur allgemeinen Lähmung Ihrer Streitkräfte, also sind Sie tot", ergänzt General Seiler. Die Problematik der Robustheit, der Resilienz der Befehlskette ist für ihn "sehr, sehr klar".

Die Russen führen beispielsweise in der Ukraine täglich vor, wie man auch ohne Nervensystem kämpfen kann, und praktisch gesehen kämpft die russische Armee an sich als bloßer Körper weiter, obwohl sie hirntot ist. Das soll natürlich kein Vorbild sein, aber es sollte ein Hinweis darauf sein, dass man Strukturen braucht die auch bei einem Ausfall der Informationssysteme bedingt weiter funktionieren. Die Resilienz muss daher auch ohne Nervensystem und ohne Befehlskette gedacht werden.

Da Daten explodieren, geschützt werden und konvergieren müssen, wird die Divisionsebene von neuen Überlegungen begleitet, die den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Kampf-Clouds betreffen, die anfällige physische Server ersetzen können. Dieser globale Aspekt des Schutzes von Datenverbindungen und Informationen "ist eine der Herausforderungen, die noch vor uns liegen.

Das Grundproblem ist meiner Meinung nach die grundlegende Auffassung, dass Krieg eine Art Wissenschaft ist, welche man nach technisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten meistern kann. All das was in westlichen Streitkräften seit Jahrzehnten so läuft, geht in exakt diese Richtung, entspringt exakt dieser technisch-wissenschaftlichen Auffassung vom Krieg. Und ja natürlich, der industrielle Krieg mit seinen Hochtechnologiesystemen ist scheinbar immer weitergehender durch eine solche technische Sichtweise führbar bzw. erzeugt diese scheinbar erhebliche Vorteile. Das entspringt natürlich der ganzen sozialkulturellen Grundströmung unserer Hochtechnologie-Gesellschaften für die Wissenschaft die Grundlage ihrer Existenz darstellt.

Krieg ist aber meiner Überzeugung nach viel mehr als das. Er ist eine Kunst und für mich sogar eine Art lebendige Entinität die sich der bloßen wissenschaftlichen Analyse entzieht und entziehen muss, weil er als Gesamtsystem zu komplex und zu dynamisch ist. Die Frage der Kultur ist insgesamt gesehen daher genau so wesentlich wie die Frage der bloßen Technologie.

Die immense technische Überlegenheit der westlichen Industriestaaten hat diese daher zum einen auf der kulturellen Seite in die ritualisierte Kriegsführung geführt und Systeme wie Scorpion oder jedwede andere vernetzte Kriegsführung treiben die Ritualisierung des Krieges noch voran. Zum anderen erzeugt sie eine wissenschaftliche Auffassung vom Krieg, statt einer künstlerischen Auffassung vom Krieg. Schlussendlich aber dreht sich jeder Krieg allein darum, anderen Menschen seinen Willen aufzuzwingen durch organisierte Gewalt, insbesondere organisiertes Ermorden von Menschen. Diese absolute Basis wird in dem, wissenschaftlich-technologisch-ritualisierten Verständins vom Krieg in den westlichen Gesellschaften bereits so weit geleugnet, und verdrängt, dass keine noch so große technologische Überlegenheit uns noch zum Sieg verhelfen wird und dies selbst gegen unterlegene Gegner.

Der Natur des Krieges als Chaos wollen wir wissenschaftliche Gesetzmässigkeiten entgegen setzen, dass ist ein Widerspruch der uns nur zum Nachteil gereichen kann und der schlussendlich nur dadurch für uns in den letzten Jahrzehnten "funktioniert" hat, weil die bisherigen Feinde derart schwach und derart extrem unterlegen waren.

Von daher ist das Scorpion System eines welches sich zu sehr auf eben jene technologische und auch sonstige extreme Überlegenheit hin ausrichtet und versucht diese noch weiter zu explorieren. Wenn wir aber schon derart überlegen sind, warum siegen wir dann nicht? Also müssen die Gründe für die militärische Schwäche unserer westlichen europäischen Staaten an anderer Stelle liegen und sie sind also nicht das Resultat mangelnder Vernetzung und mangelnder Digitalisierung. Und umgekehrt könnte man also sehr viel mehr Kampfkraft auch ohne diese generieren.
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Die Brigade Scorpion - von voyageur - 18.10.2021, 13:38
RE: Das Programm Scorpion - von Quintus Fabius - 18.10.2021, 17:15
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