Umfrage: Welches Kaliber sollte Rohrartillerie haben?
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105mm
14.29%
1 14.29%
155mm
71.43%
5 71.43%
127mm
14.29%
1 14.29%
Gesamt 7 Stimme(n) 100%
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Zukunft der Artillerie
#9
Broensen:

Zitat:Das mit der Aufhängung Brigade/Division seh' ich auch so, aber immer wenn ich das anspreche, wird mir erzählt, es sein gar nicht so, dass die DivArt weiter weg stünde und die Einsatzräume seien die gleichen wie bei der BrigArt.

Wenn die im whq forum das dir so sagen, dann kannst du davon ausgehen, dass es tatsächlich die Meinung der Bundeswehr ist. Andere Armeen können dazu natürlich ganz andere Meinungen haben. Wie kato aber auch schon angeführt hat ist das Problem heute dergestalt, dass es keine wirklichen rückwärtigen Räume auf Divisionsebene mehr gibt. Im Idealfall (der aber in einem großen Krieg so auch oft nicht sein wird) bildet die Division eine Art Insel in einem Raum in welchem ansonsten eine sehr geringe Truppendichte vorherrscht und welchen der Feind dazu benutzt im Prinzip aus jedweder Richtung kommen zu können. Das hat kato ja auch schon gut beschrieben, ich will es aber noch um einen weiteren Aspekt ergänzen:

In einem ernsthaften Krieg werden wir aufgrund der elektronischen Kriegsführung und der hohen Reichweiten und Vordringtiefen feindlicher Systeme immer mehr das Problem haben, dass wir Kommunikationsverbindungen über größere Distanzen nicht werden aufrecht erhalten können. Gerade das aber wäre notwendig, um Artillerie sehr hoher Reichweite disloziert einsetzen zu können. Die vernetzte Kriegsführung welche man heute einfach als Grundvoraussetzung annimmt, wird in weiten Teilen nicht stattfinden weil die dafür notwendige Vernetzung ständig gestört wird, ausfallen wird oder sonstige Kommunikationsprobleme auftreten werden. Man wird schlicht und einfach das Artilleriefeuer aus großer Distanz gar nicht abgreifen können weil man oft über besagte Distanzen gar nicht wird funken können.

Man benötigt also entsprechende Relais, eine dezentrale Kommunikation und entsprechende dezentrale Kommunikationsinfrastruktur, entsprechende Gegenmaßnahmen (ECCM etc) und schlußendlich muss man näher an der Artillerie bleiben, da wird gar kein Weg dran vorbei führen. Und damit kommen wir wieder zum Punkt:

Zitat:Die Divisionsartillerie dann aber noch zur Schwerpunktbildung mit dem gleichen System auszustatten, halte ich nicht für angemessen. Wenn die Artillerie in den Brigaden durch den Wechsel auf 105mm schon hinsichtlich Reichweite und Wirkung beschnitten wird, dann muss die Division da einfach mehr bieten.

Mal abgesehen von der Frage, ob man auf Divisionsebene überhaupt noch Rohrartillerie vorhalten sollte oder diese ohnehin nur Brigadeebene sein sollte (aus den oben genannten Gründen) und ob man überhaupt eine Ebene der Division benötigt, möchte ich dir konkret die Gegenfrage stellen: Warum? Warum muss die Division "mehr" bieten und was soll dieses mehr sein?

In Bezug auf Gewicht und Volumen der Munition bietet die 105mm im Prinzip eine effizientere Leistung. Man kann so tatsächlich mehr Fläche bestreichen statt weniger. Verbleibt die Reichweite:

Ist dir bekannt, dass es hier und heute Haubitzen im 105mm Kaliber gibt, welche de facto die gleiche Reichweite wie 155mm Haubitzen erzielen? Beispielsweise hat Denel mit der G7 Haubitze in diesem Kaliber eine Reichweite von 32 km. Das ist mehr als mit vielen 155mm Haubitzen. Es gibt zudem inzwischen 105mm Artilleriegranaten welche von der Flächenwirkung her normale 155mm Granaten übertreffen, auch wenig bekannt. Natürlich kann man nun auch die Leistung der 155mm steigern, aber erneut die Frage: Wozu? Die oben genannten Aspekte sprechen klar dagegen und auch eine Divisions-Rohrartillerie braucht in Wahrheit keine größere effektive Reichweite.

Der neueste Prototyp einer 105mm Haubitze, das AMLAGC System soll bei unter 2500 kg eine Reichweite von 36 km aufweisen. Nun kann man behaupten, dass 36 km für eine Divisionartillerie zu wenig wären, aber meiner Ansicht nach ist diese Reichweite völlig ausreichend. Und man muss nun hier im Gegenzug dass immens geringe Gewicht und die geringeren Kosten bedenken. Man könnte so sehr viel mehr Rohre haben, zum gleichen Preis und mit geringerem Gewicht. Diese quantitativ viel größere Menge Artillerie kann dann gleichzeitig sehr viel mehr Wirkung ins Ziel transportieren und dies für weniger Geld und bei nur 2500 kg pro Einheit. Die strategische wie die taktische Beweglichkeit und Verlegbarkeit wären immens viel größer, die Artillerie könnte trotz ihrer "geringeren" Reichweite im Gelände wesentlich dislozierter eingesetzt werden und man könnte so tatsächlich die notwendigen Artillerie-Bataillone für die Brigaden aufstellen.

Und sehr spezielle reichweitengesteigerte Silberkugeln (155mm Vulcano etc) liefern zwar immense Reichweiten, sind aber zugleich sehr teuer. Bereits der Syrienkrieg hat gezeigt, dass einfacherer, technisch schlichterer Flächenbeschuss dem überteuerten Präzisions-Maximal-Reichweitenschießen überlegen sein kann.

Aber selbst bei konventioneller Munition hat man mit einem 105mm Kaliber bei gleichem Gewicht einfach mehr Schuss und ist das Geschütz zugleich auch noch viel leichter. Bei gleichem Gewicht wie eine 155mm auf dem HX3 hätte man so insgesamt wesentlich mehr Munition oder bereits ein weiteres Geschütz zusätzlich mit ebenfalls noch mehr Munition dabei. In keinem Fall gewinnt hier die 155mm.

Nehmen wir mal das vorgestellte System:

Das Gewicht des AGM selbst liegt bei 12,5 Tonnen, mit dem Lkw und der Munition dazu bei mindestens 38 Tonnen (laut vernetzten Artikeln). Man hat 60 Schuss dabei. Die Reichweite beträgt 40 km mit reichweitengesteigerter Munition und 30 km normal. Manchmal werden für das AGM auch 54 km angegeben und man kann natürlich auch Vulcano verschießen etc, aber ich spreche hier von der normalen Standard-Munition. Den entsprechende Silberkugeln kann man auch für die 105mm bauen.

Zum Vergleich soll das AMLAGC System selbst nur 2,5 Tonnen wiegen und kann daher natürlich auch auf wesentlich leichteren Fahrzeugen montiert werden. Nehmen wir hier mal an, dass man auf ungefähr 20 Tonnen gesamt kommt und die Reichweite beträgt 36 km mit reichweitengesteigerter Munition und 30 km normal.

Die Reichweite ist praktisch effektiv gleich, die Wirkung der 105mm (Fläche, Anzahl der Schüsse) in Wahrheit besser und man hat zwei Systeme anstelle von einem. Nun wird man mir vermutlich wieder Quartett vorwerfen oder dass die Daten so nicht ganz stimmen würden, dass ist mir durchaus bewusst. Mir geht es nur um die ganz grundsätzliche Tendenz:

Man kann recht sicher für den Preis und Regieaufwand von einer 155mm Haubitze auf HX3 (schwerer Lkw) zumindest zwei 105mm Haubitzen auf einem wesentlich leichteren Fahrzeug realisieren, welche praktisch die gleiche Reichweite haben, dafür aber mehr Schuss dabei und insgesamt mehr Flächenwirkung und die zugleich darüber hinaus auch noch geländegängiger sind und eine wesentlich höhere Querfeldeinbeweglichkeit aufweisen, womit die Dislozierung der Artillerie und ihre Verlegbarkeit um entsprechenden Gegenfeuer zu entgehen selbst in den kürzeren Distanzen wesentlich besser ist.

Kurz und einfach: die Wahrscheinlichkeit dass die 155mm auf schwerem Lkw aufgeklärt und vernichtet wird ist wesentlich höher als die Wahrscheinlichkeit dass die zwei 105mm auf leichteren Fahrzeugen beide vernichtet werden.

Insgesamt wäre daher die 105mm wesentlich besser.

Hier noch ein Artikel der ungefähr in eine ähnliche Richtung argumentiert:

https://corporalfrisk.com/tag/denel-g7/

Zitat:Overall, it is seldom recognised just how big a difference the smaller size makes for the whole logistical chain. It’s not just that the gun is smaller, but the vehicle towing it can be smaller as well (or, alternatively, go places where it couldn’t with a heavier towed cargo). The ammunition supply train can be lighter throughout, either translating into more rounds carried per supply run or by having lighter vehicles do the runs. This further brings down the operating cost, and yet again contributes to a smoother logistical flow, which is felt also indirectly in issues such as mobility (in the sense of where one can go with the battery and still have an adequate supply train).

Und dazu tritt die schon erwähnte Abwärtskompatiblität des 105mm Kalibers welche ich für wesentlicher erachte als irgendwelche praktisch irrelevanten Extremreichweiten:

https://www.youtube.com/watch?v=Y_3f-cv3rR4

https://en.wikipedia.org/wiki/OTO_Melara_Mod_56
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