Krieg im 21. Jahrhundert
#77
Broensen:

Es ist genau umgekehrt: Städte die verteidigt werden, werden zerstört.

Städte die der Gegner einnimmt kann man hingegen auch sehr leicht zu einem erheblichen Problem für ihn gestalten. Sie bieten viel mehr Potential dem Gegner Schäden zuzufügen als wenn man versuchen würde sie zu halten. Mit sehr wenigen Kämpfern kann man dann in diesen Städten erhebliche Mengen feindlicher Truppen binden und dort erstaunlich weitgehend abnutzen. Ungmenge Urbane Scharfschützen, Sprengfallen aller Art, Angriffe mit ferngesteuerten VBIED, systematische Brandstiftung, mit Kohlenmonoxid geflutete Räume und Keller, die Zerstörung von Strom und Trinkwasserversorgung, die systematische Verunmöglichung der Versorgung für die gegnerischen Truppen und die Unzahl von Zivilisten welche dann dem Gegner "auf der Tasche liegen" und ihn zugleich auch noch schlecht aussehen lassen, das Netz der Armee ohne Schwerpunkt kappt dann um die Stadt herum die Versorgung sowohl der Truppen in der Stadt wie auch die der Zivilbevölkerung. Allein daraus entsteht ein immenses Problem. Der Gegner muss dann erhebliche Truppenmengen festlegen um die Stadt selbst zu halten, als auch um die Nachschubwege in die Stadt zu sichern. Entsprechend dünnt seine Truppe sonst überall aus und wird damit anfälliger für die Armee ohne Schwerpunkt. Panische Massen die nichts zu trinken haben und zu zehntausenden auf der Straße sind kann man zudem nur mit extremster Gewalt gegen diese aufhalten bzw. hindern. Dies kann wiederum politisch wie militärisch exploriert werden. Flüchtlingsströme aus der Stadt heraus verstopfen die Straßen auf welche der Gegner sowohl in seiner Bewegung als auch insbesondere in seinem Nachschub angewiesen ist. Das sind alles derartige Vorteile, dass es geradezu sinnvoll erscheint bei so einem Armeekonzept ohne Schwerpunkt den Gegner regelrecht in die Städte hinein zu locken.

Auf gar keinen Fall aber darf man eine solche Armee ohne Schwerpunkt konzentrieren, selbst noch so geeignete Sperren und Räume dürfen nicht zu einer Verdichtung führen - dass ganze Grundkonzept ist ja ein ganz anderes und nicht an spezifische Sperren gebunden.

Helios:

Eine Armee ohne Schwerpunkt mit einem Primat leichter und ultraleichter Kräfte ist aus der Luft viel weniger greifbar, sie bietet gar keine sinnvollen Ziele und jedes Ziel das zerstört wird kostet mehr an Aufwand als das Ziel selbst wert ist. Damit wird die Bekämpfung dieser Armee aus der Luft kriegsökonomisch zu einer Abnutzung des Feindes. Sie benötigt aber deshalb auch zugleich an sich viel weniger Luftraumverteidigung. Daher wird diese für andere Aufgaben frei gemacht. Man schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe: der Mangel an Systemen der Luftraumverteidigung wird gemindert und diese kann verstärkt dort eingesetzt werden wo sie noch notwendiger ist als zum Schutz von irgendwelchen Heereseinheiten.

Die von dir genannten Schwerpunkte welche ja unabhängig von der Frage der Heereseinheiten weiter bestehen (beispielsweise und insbesondere Luftwaffeninfrastruktur) werden durch die Armee ohne Schwerpunkt eben nicht direkt verteidigt. Der Gegner wird jedoch durch das Netz der Truppen welches er durchquert und welches hinter ihm weiter intakt ist erheblich geschwächt. Er ist dann auch kaum noch durchhaltefähig, kappt das Netz doch hinter ihm die Versorgung und geht seine rückwärtigen Einheiten an. Daher reichen deutlich geringere Kräfte für den Schutz dieser Schwerpunkte. Vor allem müssen diese durch eine geeignete geographische Positionierung, und durch Ausweichstellungen geschützt werden. Das ist ohnehin ratsam, da sie ansonsten auch feindlichen Systemen welche auf große Distanzen wirken können zum Opfer fallen würden. Den es macht ja gar keine Rolle ob ein Luftwaffenstützpunkt einfach mit Raketen / Marschflugkörpern ausgeschaltet wird oder ob mechanisierte Verbände bis zu ihm vordringen und ihn ausschalten. Er ist in jedem Fall höchst verletzlich. Daher muss unsere Luftwaffe eigentlich durchgehend weiter westlich stationiert werden und ständig auf dem Sprung nach weiter hinten sein.

Zudem sollte man bedenken, dass in einem solchen Krieg die Option eines Einsatzes taktischer Nuklearwaffen ja nicht vom Tisch ist. Der Feind kann daher auch schwer gesicherte und stark verteidigte Schwerpunkt-Ziele einfach mit taktischen Nuklearwaffen zerstören. Es macht allein schon deshalb keinen Sinn diese rigide halten zu wollen. Fluidität ist auch hier der bessere Schutz. Umgekehrt kann die Armee ohne Schwerpunkt mit taktischen Nuklearwaffen nicht sinnvoll bekämpft werden, und bieten umgekehrt die mechanisierten Großkampfverbände des Feindes dann gerade eben perfekte Ziele für unsere taktischen Nuklearwaffen.

Bezüglich PARL sollte man noch anmerken, dass die heutigen PALR nicht gerade optimal sind, dass sie in vielerlei Hinsicht falsche Konzepte verfolgen und (Stichwort Überfunktionalität) zu sehr mit Elektronik überladen sind. Selbst die Spike sind ja keineswegs modern und würden heute an russischen Hardkill, Softkillsystemen und Reaktipanzerung weitgehend scheitern. Was wir benötigen sind PALR welche schlußendlich mit einem KEP (Kinetische Energie Penetrator) wirken. Dazu müssen sie Hochgeschwindigkeitsraketen sein - welche zugleich das Problem von Hardkill lösen und solche Raketen gibt es theoretisch ja schon seit Dekaden. Dennoch wurde diese entscheidende Technologie nicht exploriert. Im LOS Bereich kann eine solche Rakete nun einfach in direkter Linie auf das Ziel abgefeuert werden. Weder benötigt sie einen Man-in-the-loop noch sonst irgendeine aufwendige elektronische Steuerung die ohnehin nur gestört wird und/oder eine Schwachstelle darstellt in welche der Feind einhaken wird. Je einfacher, desto besser. Die Überlegenheit resultiert dann primär aus der Geschwindigkeit selbst. Wenn man zukünftige PALR so gestaltet, werden sie deutlich kostengünstiger, günstiger als es heutige Systeme sind.

Eine Ebene darunter kann man neue kreative Wege gehen um schon bestehende günstige Systeme besser einzusetzen. (folgt)
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Krieg im 21. Jahrhundert - von Quintus Fabius - 27.04.2021, 21:38
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