Krieg im 21. Jahrhundert
#61
Mal ein theoretischer Ansatz:

Ich denke in diesem Zusammenhang, dass man für eine solche Fahrzeugfamilie auch die gute alte 80/20 Regel anwenden könnte. Wenn man davon ausgeht dass der Puma (wenn voll Funktionsfähig) die Spitze der Nahrungskette ausmacht und man hier für 100% Kosten 100% Leistung erhält, sollte man für 20% der Kosten 80% Leistung erhalten. Zusätzlich setzt dies dann die 5 fache Quantität frei. Man wäre hier dann wohl bei einem System wie dem Boxer.

Das ist natürlich sehr theoretisch. Der Kern daran ist aber sicher richtig. Um ein System zum Optimum zu bringen werden die Kosten für die letzten 20% extrem groß und lohnen wenig. Anderseits erhält man für nur 5% der Kosten nur noch 20% der Leistung. Dies kann man dann auch nicht mehr über die Masse ausgleichen. Hier ist man dann beim Kavallerie vergleich, wenn man die Systeme zu stark vereinfacht.
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#62
Jede dieser Theorien scheitert letztendlich an ihrer eigenen Unterkomplexität:
- Ersetzt man einen Kettenpanzer durch viele Radfahrzeuge, hat man in dem Moment verloren, wo Radfahrzeuge nicht mehr durchkommen, Kettenpanzer aber schon.
- Ersetzt man einen Panzer durch 1000 Jeeps, hat aber nur einen Fahrer, hat man im Endeffekt nur einen Jeep statt einem Panzer.
- uswusf.

Man kann es schlicht nicht so weit runter vereinfachen, ohne konkrete Szenarien zugrunde zu legen.
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#63
(05.12.2021, 11:14)ObiBiber schrieb: 10 JLTV schalten vermutlich problemlos 1 Puma aus
Mit welchen Verlusten einer personell dünnen Berufsarmee ohne nennenswerte Reserve?! Und in welchem Gelände kann ich 10 JLTV gegen einen Puma in Stellungen bringen und wirken lassen, oder passiert das nacheinander (siehe Verluste)? Bei den Briten ist Jackal MWMIK unter den Soldaten als eine Art Todesfalle unbeliebt.
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#64
Meiner Meinung nach wird die Diskussion hier jetzt zu sehr auf eine Art LOS Szenario hin geführt. Man setzt also auf x Fahrzeuge des Typ A mit x Maschinekanonen und n mal x Raketen gegen y Fahrzeuge des Typs BA mit y Maschinenkanonen n mal y Raketen - dass ist nicht nur Quartett in Reinform, es lässt auch den wesentlichsten Punkt außer Acht, nämlich dass im Krieg die größten Vorteile immer durch Assymetrien erzeugt werden, während man bei Symetrischen Verhältnissen sehr viel mehr Mühe hat sich durchzusetzen.

Nun ist hier in diesem Vergleich die einzige und primäre Assymetrie die Quantität. x ist also wesentlich größer als y. Das ist unzureichend. Jedes solche revolutionäre Konzept bedarf daher grundsätzlich weiterer Assyemtrien und müssen diese so radikal wie möglich exploriert werden. Über was wir hier konkret eigentlich diskutieren ist auch nicht neu. Es wurde im Prinzip schon durch die ganze RMA Theorie weitgehend behandelt und es müsste daher auch genau in diese Richtung gehen. Wozu also JLTV mit Maschinenkanonen und PALR gegen PUMA mit Maschinenkanonen und PALR setzen, wenn es auch ganz andere Bewaffnungskonzepte, ganz andere Einsatzkonzepte und eine ganz andere Vorgehensweise und grundsätzliche Doktrin gäbe welche man hier ebenfalls mit einführen kann.

Nehmen wir mal ObiBibers Beispiel und setzen 40 PUMA gegen 400 JLTV. Diese wenden aber nun pro Fahrzeug einen 98mm Mörser an und das Panzergrenadier-Bataillon (geringe Unterstärke) wird von 400 Mörsern eingedeckt. Schon hat man eine Assymetrie mit welcher die Schützenpanzer nicht mehr zurecht kommen. Oder man setzt 400 Loitering Munitions ein, oder man überschüttet die Schützenpanzer mit Minen welche als Streumunition mit einfachen Raketen nach vorne gebracht werden usw usf. Damit erübrigt sich auch zugleich eine ganze Reihe weiterer Fragestellungen wie die Querfeldeinbeweglichkeit, die Frage wie man Kräfte entwickelt, die Frage der durchschnittlichen Sicht- und damit Kampfentfernungen, die Größe und Verfügbarkeit des Raumes, usw. Oder man kämpft erst gar nicht gegen die PUMA sondern fährt einfach an denen vorbei und greift den rückwärtigen Raum der PUMA an, zerschlägt den Bataillonsversorgungspunkt, kappt die Treibstoffversorgung der PUMA dauerhaft, rast weiter einfach ins Hinterland des Gegners und vernichtet dessen rückwärtige Dienste bis das Schützenpanzer-Bataillon sich aufgrund dieser indirekten Wirkung einfach von selbst erledigt hat.

Es ist ja so ein Irrgedanke, dass man mechanisierten Kräften des Feindes überhaupt direkt entgegen treten muss. Wenn diese quantiativ mickerig sind, und dass ist zur Zeit überall der Fall, selbst bei den Russen, entstehen überall enorme Räume mit geringer, sehr geringer und extrem geringer Truppendichte. Wenn man diese richtig nutzen würde, dann könnte man den Gegner fast nach belieben schwindlig manövrieren. Wir müssen überhaupt weg von diesem Verband A kämpft gegen Verband B Denken und hin zu einer Kriegsführung welche die Grundlagen auf welchen Verband B überhaupt eingesetzt werden kann zuerst zerstört, womit die Kampfkraft von Verband B binnem kurzen irrelevant wird. Heute (aktuell) eine Aufgabe vor allem der Luftwaffe.

Aber genau das wird in einem großen konventionellen Krieg nicht mehr allein durch die Luftwaffe bewerkstelligbar sein. Weshalb sich die Frage stellt wie man ansonsten am Feind vorbei einfach in dessen Hinterland einfallen kann. Und umgekehrt sehe ich kein Problem darin dem Feind wenn er vorstößt fast nach Belieben Raum zu geben. Statt eine Art "Front" zu halten (was heute ohnehin nicht mehr möglich ist), lässt man ihn einfach immer weiter vordringen und nutzt ihn dabei Stück für Stück ab und wird hinter ihm wieder präsent. Die heutigen mechanisierten Verbände halten dass nicht mehr aus und werden dadurch ihres ganzen Fundamentes beraubt. Das hat auch seinen Grund darin, dass der größte Teil der Truppe eben nicht mehr Kampftruppe ist, bei keiner Armee, sondern aus Unterstützungs-Einheiten besteht.

Diese anzugreifen macht daher allein schon deshalb Sinn, weil man sie nicht nur leichter auftreiben kann (weil es viel mehr sind), sondern weil diese auch schwächer sind (man setzt also seine Stärke gegen die Schwäche des Feindes = weitere Assymetrie) und weil die feindlichen Kampfeinheiten viel abhängig von den Unterstützungseinheiten sind als es die von ObiBiber skizzierte Armee wäre. Die Kampftruppe des Feindes wäre daher nach kurzem nicht mehr in der Lage weiter vorzudringen, sie würde ihrer Basis beraubt irrelevant werden und was der Feind damit als Faustpfand gewonnen hat kann dann gegen das von uns gewonnene Faustpfand eingetauscht werden, andernfalls verliert der Feind seine konventionellen Streitkräfte komplett.
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#65
Leuco:

Zitat:Wenn man davon ausgeht dass der Puma (wenn voll Funktionsfähig) die Spitze der Nahrungskette ausmacht und man hier für 100% Kosten 100% Leistung erhält, sollte man für 20% der Kosten 80% Leistung erhalten. Zusätzlich setzt dies dann die 5 fache Quantität frei. Man wäre hier dann wohl bei einem System wie dem Boxer.

Man endet dann eher bei einem System wie dem JLTV - oder einem Eagle IV /V in 6x6 oder dergleichen.
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#66
Helios:

Meiner Meinung nach versteifst du dich zu sehr auf die Frage der Leistungssteigerung, weil Leistung ja kein Wert für sich ist, sondern im Verhältnis zu den Anforderungen betrachtet werden muss und das war doch eigentlich der Anfang unserer Diskussion: als du erklärt hast, dass die Leistung der von mir propagierten Fahrzeuge unzureichend sei, im Verhältnis zu dem Mehrgewicht welches die Bewaffnung darstellen würde.

Natürlich kann durch die elektrische Motorsteuerung eine höhere Leistung erzielt werden, aber das viel relevantere Verhältnis von Leistung zu Gewicht kann auch auf andere Weise verbessert werden, beispielsweise indem man das Gewicht senkt. Man kommt dann auf das gleiche Leistungs / Gewichts Verhältnis.

Was man in Bezug auf die deutlich leistungsstärkeren Motoren heute stattdessen beobachtet ist genau dass, was mit Jarvins Paradox (ironischerweise bezog sich dieses ja explizit auf die Weiterentwicklung von Motoren) beobachtet werden kann, die Leistung wird mit Rebound-Phänomenen verschwendet.

Ich nannte ja schon den neuen französischen 4x4 der auf dem Ford Everest basiert. Nur dass dieser ca 1,8 Tonnen wiegt und das neue Armeefahrzeug stattdessen ca 3,5 Tonnen mindestens. Man baut also leistungstärkere Motoren die weniger Benzin verbrauchen und der Benzinverbrauch steigt und das Verhältnis von Leistung zu Gewicht wird ungünstiger weil das Gewicht so exorbitant mitsteigt. Genau der Grund warum heute so viele SUV überhaupt nichts taugen: wie hast du es so treffend geschrieben: Möchtegerns.

Ich will also gar nicht weiter auf der Frage der Motoren herum reiten, dass ist glaube ich völlig klar (und ich bin in Wahrheit auch gar nicht per se gegen Elektronik im Motor und insbesondere nicht gegen Härtung - sondern eigentlich bin ich nur gegen die Überelektrisierung der derzeitigen Fahrzeuge). Sondern ich will mal auf die Frage des Gewichtes zurück kommen - mit dem Ziel der Leistungssteigerung durch Gewichtsreduktion.

Das was heute so gebaut wird ist zu schwer. Und es könnte sowohl technisch deutlich vereinfacht werden als auch zugleich dadurch deutlich leichter sein. An jedem Fahrzeug gibt es immens viel für das Militär unnützes welches man "abschrauben" könnte. Man kann zwar darüber lächeln wenn ich schreibe, dasss man elektrische Fensterheber genau so wenig benötigt wie Airbags und vieles andere auch, aber an jedem Fahrzeug könnte man sofort um die 100 kg unnützes Zeug dieser Art heraus holen. Und ein 98mm Mörser wiegt gerade mal ca 100 kg.

Kommen wir also mal zum Gewicht der Bewaffnung: Ein Anhänger mit 8 Raketen darauf welche jede eine Reichweite von ca 15 km haben lässt sich insgesamt mit allem drum und dran für um die ca 500 kg machen. Diesen zieht ein entsprechendes Fahrzeug (wie von mir skizziert) recht problemlos. Aufgrund des angenommmen Kampfes auf Abstand ist hier auch das Problem der Querfeldeinbeweglichkeit nicht so gegegeben. Wenn man nun annimmt, dass 40 Schützenpanzer im weiteren 400 solcher Fahrzeuge gegenüber stehen und diese gesamt 3200 Raketen auf diese 40 Schützenpanzer abfeuern können, wird sofort offensichtlich, dass kein C-RAM, kein Hardkill-System und auch sonst nichts die vollständige Vernichtung dieses Bataillons verhindert.

Das ist natürlich wieder nur ein sehr plakatives Beispiel welches lediglich das zugrundeliegende Prinzip verdeutlichen soll. Es sind schlicht und einfach Waffen denkbar welche ausreichend wären um damit den Feind aus dem Felde zu schlagen und welche zugleich so leicht sind, dass sie die Leistung des Fahrzeuges eben nicht überfordern !

Zitat:Allerdings halte ich den Versuch, Extremismus mit Extremismus zu bekämpfen den völlig falschen Ansatz

Meine Idee, meine Zielsetzung hinter dieserm Ansatz wäre es zuvorderst bewusst stärkere Assymetrien zu erzeugen. Deshalb beispielsweise meine allgemeine Manie mit Panzerjägern anstelle von Kampfpanzern und anderen solchen Systemgegenüberstellungen.

Was mir konkret fehlt sind zum einen eine Szenarienvielfalt, insbesondere was die technischen und organisatorischen Anpassungen des Gegners angeht, und dann eine konkrete Skizze, wie in solchen Szenarien taktisch und strategisch von beiden Seiten agiert wird.

Man müsst ein Buch schreiben um das ausführlich genug darzustellen. Aber was ich da propagiere ist ja nicht grundsätzlich neu. Es gibt schon seit Dekaden Literatur in diese Richtung, sowohl was rein Defensive Ansätze angeht, als auch für eine offensivere Verwendung solcher Streitkräfte. Meiner Meinung nach ist die Zeit für den Durchbruch dieser schon länger propagierten Umbrüche gerade eben aufgrund der Technologie gekommen.

Meiner Ansicht nach könnte da auch ein Missverständnis zwischen uns bestehen, nämlich dass ich hier Technik-Feindlich rüber komme. Aber dem ist nicht so. Einen Motor durch elektronische Steuerung in der Leistung zu steigern ist gut, aber wirkliche Hochtechnologie wäre ein Motor mit nochmals mehr Leistung ohne eine solche Steuerung. Oder ein komplett anderes Motorkonzept, mit komplett anderen Antriebsstoffen, oder oder. Ich bin ganz im Gegenteil durchaus für Hochtechnologie, aber ich kann Überkomplexität nicht als Gipfel der Hochtechnologie ansehen, sondern wahre Hochtechnologie bedeuet, dass man die gleiche Leistung mit möglichst einfachen genialen schlichten und möglichst wenig komplexen Dingen erzielen kann, so wenig Komplexität wie möglich ist hier der Anspruch und gerade weil das so besonders schwierig ist, ist dass Hochtechnologie.

Zitat:Ersteres versuche ich hier im Forum schon seit Ewigkeiten klar zu machen, trotz aller modernen Technik, trotz aller Leistungssteigerungen, wird auch der nächste Krieg in weiten Teilen diffus sein. Gerade deshalb erachte ich aber die Aufklärung für enorm wichtig, das "wesentlichste" will ich nicht sagen, aber relevant genug, um ihr mehr Augenmerkt zu schenken als dies gemeinhin der Fall ist.

Da ist keinerlei Dissens zwischen uns. Sieh dir doch nur mal jede von mir jemals vorgestellte Struktur an und du wirst immer überproportinal viel Aufklärungs-Einheiten finden. Selbst in der aktuellen "realistischen" neuen Struktur für die Bundeswehr welche da Broensen und meine Wenigkeit angerissen haben ist ein Übermaß an Aufklärungseinheiten, von zwei Drohnen-Regimentern bis hin zu drei Panzerspäh-Regimentern auf Korps-Ebene, so viele ECR Flugzeuge dass selbst du die Zahl viel zu hoch findest usw

Das primäre Dreieck ist meiner Auffassung nach Tarnung - Aufklärung und Feuerkraft. Das wird im Bereich der Bodeneinheiten beispielsweise die bisherige Stellung von Mobilität - Panzerung und Feuerkraft ersetzen. Wer den anderen zuerst sieht wird in zuerst beschießen können und damit grundsätzlich im Vorteil sein. Eben auch das spricht meiner Ansicht nach für ein Konzept welches primär in der Defensive stark ist und zugleich nach dem bestimmte Umstände produziert werden konnten auch in der Offensive funktioniert. Unsere gegenwertigen Streitkräfte funktionieren aber in keinem Bereich mehr wirklich gut. Dafür fehlen ihnen im modernen Krieg die wesentlichsten Grundlagen.

Zitat:Und gebe eben zu bedenken, dass ich hier primär ein Szenario lese: der Angriff einer konventionellen Streitmacht. Für mich ist eine solche Betrachtung, vielleicht weil ich sie in der Tiefe nicht verstehe, viel zu eindimensional.

Ein guter Einwand. Die hier skizzierte Streitmacht wäre in der Defensive einer konventionellen Armee welche angreift deutlich überlegen. Diese müsste erst umgebaut werden um sich darauf einzustellen. Wie aber sieht es mit anderen Szenarien aus? Von einem Bürgerkrieg bis zu einem Einsatz in Übersee bis hin zu friedenserhaltenden Maßnahmen, bloßer Terroristenjagd oder was auch immer an aktuellen realen Einsätzen anfällt wäre die hier skizzierte Armee dem was ist ebenfalls deutlich überlegen. Es müsste eigentlich sofort selbsterklärend sein, dass zehntausende solcher Fahrzeuge und die dazugehörigen Infanterie-Pioniere sowohl strategisch sehr viel leichter verlegt werden können, als dass sie gegen die Feinde die man da real hat aufgrund ihrer Quantität deutlich besser geeignet sind und zugleich aufgrund der Quantität viel mehr Rotation von sehr viel mehr Einheiten stattfinden kann was die Einsatzbelastung zurück fährt und Freiräume für Übung und Modernisierung usw kreiiert.

Es gibt keine Vorhersehbarkeit über der Unmittelbarkeit hinaus, wir wissen nicht, wie der Gegner tatsächlich reagieren wird, welche Systeme er entwickeln wird und wie gut wir darauf reagieren können. Wir können Vermutungen anstellen, und da sehe ich sehr viele und meines Erachtens zu viele positive Vorzeichen bei euren Überlegungen.

Zweifelsohne, für die negativen Vorzeichen sind ja die anderen zuständig. Und um das nochmal zu betonen, ich verteidige hier zwar Obibibers Konzept, dass aber nur aus kriegswissenschaftlicher Neugier. Wie ich es schon schrieb, wäre meine Idealvorstellung eine ganz andere und würde sich die Frage von Qualität vs Quantität so gar nicht stellen. Aber nichts könnte ferner der Realität sein und Obibibers Konzept ist zumindest dahin gehend reizvoll, als dass es in dieser Gesellschaft wie sie nun einmal ist zumindest theoretisch durchführbar wäre und zugleich Mittel frei machen würde.

Um diese Mittel dann dort zu investieren, wo sie wesentlicher sind und wo sie mehr gebraucht werden.
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#67
Zitat:Ich (@QF) nannte ja schon den neuen französischen 4x4 der auf dem Ford Everest basiert. Nur dass dieser ca 1,8 Tonnen wiegt und das neue Armeefahrzeug stattdessen ca 3,5 Tonnen mindestens.
Ich habe einen Fehler im Zeitungsartikel korrigiert
Zitat:Während ein Ford Everest 1800 kg wiegt, bringt die Militärversion 3,5 Tonnen (EDIT: Gesamtgewicht, mit 900 kg Nutzlast) auf die Waage.
Und 900 kg für (eher) 4 als 5 ausgerüstete Soldaten, Waffen, Funkeinheiten und 1 Tagessatz ist schon nicht viel.
Und selbst wenn der französische Soldat grundsätzlich optimistischer ist als "manche" Andere , ein bischen "rabiot" (Reserve, überschuss) muss schon sein, = Munition, Trinkwasser, eine Saucisson und etwas Rotwein.
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#68
(05.12.2021, 22:30)Quintus Fabius schrieb: Meiner Meinung nach versteifst du dich zu sehr auf die Frage der Leistungssteigerung, weil Leistung ja kein Wert für sich ist, sondern im Verhältnis zu den Anforderungen betrachtet werden muss und das war doch eigentlich der Anfang unserer Diskussion: als du erklärt hast, dass die Leistung der von mir propagierten Fahrzeuge unzureichend sei, im Verhältnis zu dem Mehrgewicht welches die Bewaffnung darstellen würde.

Es geht mir nicht um die Leistungssteigerung oder die Absolutleistung, es geht mir um das Leistungsgewicht und wiederum dessen Einfluss auf den Fahrzeugbau, also um genau das angesprochene Problem. Das Ziel ist es doch, eine bestimmte Last in einem bestimmten Gelände mit einer entsprechenden Robustheit möglichst effizient sowohl hinsichtlich Anschaffung wie auch Unterhalt zu bewegen. Wenn du dir dir durch einen möglichst einfachen Motor reduzierte Kosten bei höherer Robustheit erhoffst, darfst du dessen Nachteile hinsichtlich Größe und Gewicht nicht aus den Augen verlieren. Und die treten insbesondere beim Motor in nicht unerheblichem Maße auf, aber sie können auch darüber hinaus bei anderen Komponenten auftreten, selbst bei solchen, bei denen man das nicht unbedingt vermutet (bspw. beim Einsatz von Mechanik statt Aktuatoren). Selbst die von dir erwähnten elektrischen Fensterheber können in dem Zusammenhang sinnvoller sein als eine Mechanik, zum einen direkt, weil sie unter bestimmten Umständen tatsächlich leichter sind, zum anderen indirekt, weil sie die konstruktive Freiheit erhöht. Und das ist wiederum ein ganz anderer Aspekt, der mit Blick auf die Elektrifizierung eine Rolle spielt.
Was du als Überelektrifizierung beschreibst sollte besser Überfunktionalisierung heißen, denn auch wenn es da häufig um Elektronik geht, ist das eigentliche Problem ein Übermaß an unnötigen Funktionen. Und wenn man es so betrachtet, bin ich hinsichtlich militärischer Fahrzeuge bei dir. Gerade deswegen kann ich aber kaum modifizierten Zivilmodellen nur wenig abgewinnen, und das war ja der eigentliche Grund für meinen Beitrag.

Zitat:Meine Idee, meine Zielsetzung hinter dieserm Ansatz wäre es zuvorderst bewusst stärkere Assymetrien zu erzeugen. Deshalb beispielsweise meine allgemeine Manie mit Panzerjägern anstelle von Kampfpanzern und anderen solchen Systemgegenüberstellungen.

Die funktioniert halt nur, wenn der Gegner auch Panzer zum jagen hat. Das ist dann wieder die Frage, was passiert, wenn er sich darauf einstellt, wenn er also einen ähnlich radikalen Wandel vollzieht? Vielleicht sollte man das aus der anderen Perspektive betrachten, gehen wir mal davon aus, wir hätten nun eine solche Armee. Wie müssten die idealen Streitkräfte deiner Meinung nach aussehen, um eine solche Bundeswehr offensiv zu bekämpfen, völlig egal ob mit aktuell verfügbaren oder nur denkbaren Mitteln?

Zitat:Es gibt schon seit Dekaden Literatur in diese Richtung, sowohl was rein Defensive Ansätze angeht, als auch für eine offensivere Verwendung solcher Streitkräfte. Meiner Meinung nach ist die Zeit für den Durchbruch dieser schon länger propagierten Umbrüche gerade eben aufgrund der Technologie gekommen.

Falls du da Literaturempfehlungen für mich hast, gerne her damit!

Zitat:Meiner Ansicht nach könnte da auch ein Missverständnis zwischen uns bestehen, nämlich dass ich hier Technik-Feindlich rüber komme. Aber dem ist nicht so. Einen Motor durch elektronische Steuerung in der Leistung zu steigern ist gut, aber wirkliche Hochtechnologie wäre ein Motor mit nochmals mehr Leistung ohne eine solche Steuerung. Oder ein komplett anderes Motorkonzept, mit komplett anderen Antriebsstoffen, oder oder. Ich bin ganz im Gegenteil durchaus für Hochtechnologie, aber ich kann Überkomplexität nicht als Gipfel der Hochtechnologie ansehen, sondern wahre Hochtechnologie bedeuet, dass man die gleiche Leistung mit möglichst einfachen genialen schlichten und möglichst wenig komplexen Dingen erzielen kann, so wenig Komplexität wie möglich ist hier der Anspruch und gerade weil das so besonders schwierig ist, ist dass Hochtechnologie.

Da stimme ich dir ohne aber vollumfänglich zu.

Zitat:Aber nichts könnte ferner der Realität sein und Obibibers Konzept ist zumindest dahin gehend reizvoll, als dass es in dieser Gesellschaft wie sie nun einmal ist zumindest theoretisch durchführbar wäre und zugleich Mittel frei machen würde.

Weil du explizit die "Gesellschaft" nennst, gerade aufgrund dieser wäre sowas meines Erachtens tatsächlich nicht durchführbar, weil die reinen Verluste an Menschenleben bei einem tatsächlichen Einsatz höher wären und die Gesellschaft diese nicht akzeptieren würde. Und tatsächlicher Einsatz meint dann wirklich schon niederschwelligstes IKM, dass wiederum gesellschaftlich gefordert wird. Oder habe ich da komplett falsch verstanden?
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#69
Helios:

Zitat:Es geht mir nicht um die Leistungssteigerung oder die Absolutleistung, es geht mir um das Leistungsgewicht und wiederum dessen Einfluss auf den Fahrzeugbau, also um genau das angesprochene Problem. Das Ziel ist es doch, eine bestimmte Last in einem bestimmten Gelände mit einer entsprechenden Robustheit möglichst effizient sowohl hinsichtlich Anschaffung wie auch Unterhalt zu bewegen. Wenn du dir dir durch einen möglichst einfachen Motor reduzierte Kosten bei höherer Robustheit erhoffst, darfst du dessen Nachteile hinsichtlich Größe und Gewicht nicht aus den Augen verlieren.

Wir haben da gar keinen Dissens. Deshalb ja meine ausdrückliche Forderung nach sehr leichten Waffensystemen, nach möglichst einfachen Waffensystemen, nach einer Gewichtssenkung beim und im Fahrzeug in jedem sonstigen möglichen Bereich. Das reicht also auch auf die transportiere Ladung hinaus: Nehmen wir mal beispielsweise Schutzwesten VPAM9. Diese wiegen ca 12 kg je Soldat. Verzichtet man auf diese und transportiert man 10 Soldaten, ergibt dies bereits 120 kg. Ein kompletter 98mm Mörser ist bereits leichter.

Ich nannte auch konkrete Zahlen für spezifische Waffen. Und deshalb weiß ich auch, dass die geringere Leistung ausreichend wäre, weil Fahrzeuge wie Waffen so leicht wären, dass der Transport dieser Systeme eben kein Problem darstellt. Und beschließend ist es vor allem ein Argument gewesen um - um das ganze grundsätzliche Konzept damit zu umreißen. Es ist also eine Illustration der allgemeinen dahinter stehenden Intention. In keinster Weise habe ich etwas gegen einen gewissen funktionalen Anteil von gehärteter Elektronik. Auch nicht in Motoren. Es geht mehr um das Gesamtprinzip, vor allem darum in welche Richtung man sich insgesamt entwickelt und du hast es von den Worten her deutlich besser als meine Wenigkeit umschrieben:

Zitat:Was du als Überelektrifizierung beschreibst sollte besser Überfunktionalisierung heißen, denn auch wenn es da häufig um Elektronik geht, ist das eigentliche Problem ein Übermaß an unnötigen Funktionen.

Exakt das meinte ich vor allem. Daraus folgt eine zu große Komplexität, damit einhergehend viel mehr Friktionen und Rebound-Phänomene und schlußendlich eine Leistungsminderung, wo die Leistung doch eigentlich durch das mehr an Funktionen erhöht werden sollte. Einfachheit, Minimalismus, handwerkliches Können (ich verwende durchaus bewusst immer intentional den Begriff Handwerk), schlichte Eleganz in der Kriegsführung sind das Fundament auf denen die Kriegsfähigkeit beruht.

Zitat:Die funktioniert halt nur, wenn der Gegner auch Panzer zum jagen hat.

Im Prinzip gibt es hier zwei grundsätzlich gegenüber stehende Pole: zum einen teure Systeme welche vergleichsweise günstige Munition verschießen, zum anderen günstige Systeme welche vergleichsweise teure Munition verschießen. Natürlich nehmen die meisten Systeme nicht absolut die eine oder die andere Form an, aber sie lassen sich doch recht weitgehend in diese beiden Schubladen kategorisieren.

Nun lassen sich die günstigen Plattformen aufgrund ihrer grundsätzlichen Konzeption eher an neue Herausforderungen anpassen, indem man die Munition wechselt. Panzerjäger könnten daher auch genau so gut Raketen mit Streumunition, mit Streuminen oder Thermobarischen Sprengköpfen von erheblicher Flächenwirkung verschießen. Auch die Kampfwertsteigerung ist deutlich einfacher und das gleiche Wirkmittel kann auch von anderen Plattformen aus verwendet werden, von Hubschraubern über feste Installationen welche man im Boden verbirgt bis hin zu Schiffen und Drohnen. Während es sehr schwer ist die gleiche Munition der teuren Plattform zugleich für mehrere andere Systeme zu verwenden (man nehme beispielsweise eine 155mm Haubitze, auf einem Schiff eventuell noch denkbar (ga ja entsprechende Experiemte), aber das war es dann auch schon).

Du selbst hast ja dankenswerterweise früh in dieser Diskussion darauf hingewiesen, dass wir zu viel über Plattformen, und zu wenig über Wirkmittel diskutieren. Und dass die Frage der Wirkmittel in Wahrheit in vielen Aspekten die entscheidendere ist. Das von mir hier propagierte Konzept geht nun in genau diese Richtung: es stellt das Wirkmittel selbst in den Vordergrund. Damit gelingt auch die Kampfwertsteigerung leichter, muss für diese doch sehr viel weniger oder sogar nichts an der eigentlichen Plattform geändert werden.

Ich schrieb ja schon, dass die Innovationszyklen immer kürzer werden, entsprechend wird sich nicht nur der Feind plötzlich auf uns einstellen und dann läuft uns schon wieder die Zeit davon, sondern auch das was man hat wird immer schneller veralten und irrelevant werden. Man benötigt also eine Struktur und Ausrüstung welche den schnelleren und kürzeren Innovationszyklen eher entspricht. Verändert dann der Gegner wiederum ebenfalls alles (in Reaktion), kann man selber ebenso wieder schneller als im anderen Fall umstellen und somit den Gegner fortwährend zum Reagierenden machen und dadurch verdammen. Es ist auch die Frage ob jeder Feind überhaupt dazu in der Lage sein wird, gerade weil Militärs stärker als andere Gruppen strukturkonservativ sind.

Zitat:Vielleicht sollte man das aus der anderen Perspektive betrachten, gehen wir mal davon aus, wir hätten nun eine solche Armee. Wie müssten die idealen Streitkräfte deiner Meinung nach aussehen, um eine solche Bundeswehr offensiv zu bekämpfen, völlig egal ob mit aktuell verfügbaren oder nur denkbaren Mitteln?

Das ist eine interessante Fragestellung und es gibt da schlicht immens viele Möglichkeiten. Ich selbst hatte hier ja schon ein paar wenige angerissen, beispielsweise dass man Nuklearwaffen über dem eigenen Territorium als Luftexplosion zündet (als niedrigere Eskalationsstufe eines sich abzeichnenden Atomkrieges) um damit die vordringenden feindlichen Verbände durch die entstehende EMP ihrer Vernetzung und vieler ihrer Systeme und Grundlagen zu berauben. Statt aber nun solche anekdotischen Einzelfälle abzuklappern will ich es mal grundsätzlich und allgemeiner versuchen:

In der Verteidigung gegen eine solche Armee wäre beispielsweise sowohl ein (etwas modifiziertes) Konzept der Raumverteidigung wie es beispielsweise Spannocchi für Österreich entwickelt hat sehr brauchbar, wie auch die ähnlichen Vorschläge von Brossollet (Essai sur la non-bataille) und Boserup oder in Deutschland von Eckart Afheldt und Uhle-Wettler. Du hast grundsätzliche Gedanken in diese Richtung ja auch schon angerissen, als du beispielsweise von der massenweisen Verteilung einfacher kostengünstiger Abwehr-Mittel geschrieben hast.

Man lässt den Gegner also durchaus passieren, während die eigenen Verbände in dem Raum bleiben in dem sie jeweilig sind. Man kontert also eine solche Massenarmee entsprechend durch Masse. Angesichts der heutigen Technologien und ihrer Möglichkeiten werden hier Feuer und Truppen in vielen Fällen austauschbar sein. Das spricht dafür eine möglichst leistungsstarke, quantitativ möglichst große Artillerie zu haben. Aus den bereits oben ausgeführten Gründen macht hier Raketenartillerie mehr Sinn. Aufgrund der Kostenfrage (Raketenartillerie sehr hoher Reichweite ist sehr teuer und aufwendig) macht sozusagen lokale Raketenartillerie beschränkter Reichweite hier mehr Sinn und ersetzt entsprechend in vielen Situationen dann Truppen. Der Gegner verfängt sich dann beim weiteren Vordringen regelrecht in einem Netz unserer Streikräfte, bis er darin so verfangen ist, dass dadurch derartige Nachteile für ihn entstehen, dass er relativ leicht geworfen werden kann. Eine solche Struktur wäre aktuell auch sehr gut geeignet um konventionelle schwere mechanisierte Verbände zu schlagen (das war ja mal der Grundgedanke der Raumverteidigung in Österreich). Solche konventionellen Offensivkräfte wären sogar noch deutlich schlechter dran im Vergleich zu der hier skizzierten Armee. Zugleich würde eine solche Verteidigung genau wie hier skizzierte Struktur erhebliche Mittel frei machen welche man dann an anderer Stelle zur Bildung eines Schwerpunktes einsetzen kann.

In der Offensive gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten: die einge wäre die für die Defensive eingesetzten leichten Verbände welche im Jagdkampf besonders geschult sind offensiv einzusetzen, also den eigenen Truppen sehr viele Antijagdkampfverbände voraus zu schicken. Diese treiben dann sozusagen die Einheiten der beschriebenen Struktur auf, woraufhin schnelle operativ hochbewegliche Einheiten welche diesen Verbänden zunächst folgen, sich aber dann primär über diesen aufhalten diese zerschlagen können. Aufgrund der Größe des Kampfraumes gerade in Osteuropa ist es meiner Meinung nach unwahrscheinlich, dass diese Jäger-Funktion welche da an die Seite der "Treiber" tritt von mechanisierten Großkampfverbänden geleistet werden kann. Hier muss erhebliche Feuerkraft sehr schnell sehr weiträumig (hinter oder über den eigenen Truppen verlegt werden). Das spricht meiner Meinung nach für eine Luftmechanisierung (im allerweitesten Sinn), wobei diese keineswegs nur in der Form heutiger Kampfhubschrauber gedacht werden sollte. Das könnten auch ganz andere Systeme sein, von Drohnen bis hin zu spezifischen Erdkampfflugzeugen.

Die andere Möglichkeit wäre ein erheblicher Schwerpunkt am Boden in Form von mechanisierten Großkampfverbänden von erheblicher Quantität, da sich diese im Kampf gegen die beschriebene Struktur schon durchsetzen würden, wären sie nur zahlreich genug. Dazu bedürfte es meiner Meinung nach zum einen einer Art Einheits-Panzer, welcher prinzipiell eine Art leichter Kampfpanzer mit einer gewissen geringen Transportkapazität sein müsste, diese "leichten Panzer" führen dann primär den Kampf am Boden als Bewegungskrieg. Und man benötigt eine gewisse geringe Zahl schwerer Verbände für das Zerschlagen von feindlichen Stellungssystemen wo diese gesichert an einem Fleck verbleiben (müssen) und deren Zerschlagung notwendig ist. Wobei diese "schweren Panzer" zugleich dazu dienen können "Korridore" in die feindlichen Streitkräfte zu schlagen welche dann die leichten Panzer für die Operation in die Tiefe nutzen können.

Auch wenn Konzepte wie die Raumverteidigung explizit vorsehen dass dies genau so geschieht, ist heute die Frage, ab welchem Punkt der Verlust von Territorium für uns politisch inakzeptabel wird und welche Flächen wir also überhaupt aufgeben könnten. Umgekehrt kann gerade Russland viel eher in einem defensiven Konzept immense Flächen an Raum für vordringende Truppen öffnen. Entsprechend wäre das beschriebene Konzept für die Russen sogar besser geeignet als das was sie jetzt verfolgen. Den sobald die NATO sich in der Luft durchgesetzt hat, spielt es keine Rolle mehr, ob die verbliebenen russischen Einheiten schwere Kampfpanzer sind oder leichte ungepanzerte Fahrzeuge, sie würden allesamt bei weiterem Vordringen ganz genau gleich der Luftwaffe zum Opfer fallen.

Beschließend sollte man vielleicht noch anmerken, dass jede denkbare Variante immer die Grundfrage aufwirft: habe ich die Lufthoheit oder nicht und/oder ist der Luftraum umkämpft. Es ist völlig müssig darüber nachzudenken offensiv irgendwo vorzustoßen solange man die Lufthoheit nicht hat. Und umgekehrt ist eine solche sehr leichte Armee viel eher in der Lage in der Defensive bei feindlicher Lufthoheit zu überdauern bis diese zurück gewonnen werden kann. Schwere mechanisierte Verbände hingegen fallen sowohl bei der Defensive wie bei der Offensive der Luftwaffe zum Opfer, und kommen erst dann zur Wirkung wenn man die Lufthoheit hat - haben aber heute eben nicht mehr die ausreichende Quantität und fallen daher dem Äquivalent moderner berittener Bogenschützen zum Opfer (Deshalb ja als Option 2 bei der Offensive die Widerherstellung der Quantität in diesem Bereich als Antwort auf eine solche leichte Armee).

Zitat:Falls du da Literaturempfehlungen für mich hast, gerne her damit!

Ich bin sehr stark von den Schriften von Richard E. Simpkin beeinflusst (Antitank war das erste Buch zu Militärischen Fragen überhaupt dass ich gelesen habe), insbesondere aber von seinem Buch Race to the Swift. Das kombiniert mit den Schlußfolgerungen des Buches Military Power von Stephen Biddle ist immer noch ziemlich oft die Grundlage von Ausführungen und Überlegungen meinerseits. Race to the Swift habe ich x-mal gelesen, von daher wäre das meine zuvorderste Empfehlung. Wahrscheinlich aber kennst du es schon ?!

Zitat:Weil du explizit die "Gesellschaft" nennst, gerade aufgrund dieser wäre sowas meines Erachtens tatsächlich nicht durchführbar, weil die reinen Verluste an Menschenleben bei einem tatsächlichen Einsatz höher wären und die Gesellschaft diese nicht akzeptieren würde.

Unsere aktuelle Gesellschaft würde aktuell überhaupt gar keinen echten Krieg aushalten, gleich welcher Form, ungeachtet der Frage mit was für Armeen er geführt wird - wir könnten die Bundeswehr daher genau genommen auch auflösen.

Zitat:Und tatsächlicher Einsatz meint dann wirklich schon niederschwelligstes IKM, dass wiederum gesellschaftlich gefordert wird. Oder habe ich da komplett falsch verstanden?

Was meinst du konkret mit dieser Frage? Ich befürchte dass ich sie falsch verstehe. Prinzipiell wäre eine Armee wie die von ObiBiber skizzierte für Einsätze wie in Mali deutlich besser geeignet als die jetzige Bundeswehr. Die basiert ja primär auf leichten MRAP und hätte viel mehr davon, mit einer Bewaffnung welche gerade zu ideal für diese Art von Einsätzen ist.
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#70
Machen wir weiter mit Anti-Obibiber-Konzepten:

Eine weitere vielversprechende Option wäre eine "Artillerie-Armee". Und auch das entspricht im Prinzip Konzepten welche Simpkin schon ausführlich theoretisch ausgearbeitet hatte. Da Truppen und Feuer auswechselbar sind, könnte man auch mit einer deutlich kleineren Armee die größere ultraleichte Streitmacht von ObiBiber schlagen, wenn man überall da wo sich diesen leichten Einheiten keine eigenen Einheiten entgegen stellen entsprechend Feuerkraft entgegen stellt. Entsprechend sehr hoch müsste der prozentuale Anteil der Artillerie sein.

Nun stellt sich aber die Frage, wie diese Artillerie gegen direkte Angriffe geschützt werden soll? Den jede Sicherungstruppe (Simpkin sah beispielsweise deshalb immer mindestens 1 Panzergrenadier-Bataillon pro 1 Artillerie-Brigade vor), entzieht in Wahrheit der Artillerie Einheiten und Mannzahl. Die Antwort kann meiner Auffassung nach nur in einem Mehrzweck-Sturmgeschütz liegen, wie ich es hier im Forum ja auch schon öfter skizziert habe. Damit kann man auch eine Massenarmee leichter Kampfpanzer und das Konzept einer Artillerie-Armee vereinen. Durch die Umrüstung in eine Sturmartillerie wird die Artillerie-Armee in die Lage versetzt sich sehr weitgehend selbst zu sichern und damit benötigt sie wesentlich weniger oder sogar keine eigenen zusätzlichen Sicherungsverbände.

Ein solcher leichterer Panzer wäre mit einer 105mm Mehrzweckkanone ausgerüstet, mit welcher er sowohl im direkten Feuer schießen kann, als auch indirekt wie eine Haubitze. Es wäre sogar denkbar moderne Hochdruckkanonen dieses Typs (welche es seit Jahren gibt) zugleich für die Luftabwehr, insbesondere beispielsweise gegen Drohnen zu verwenden. Mit einem solchen Einheits-Panzer (de facto einziges neues Panzerfahrzeug - ein Einheitstyp) könnte man eine ausreichend große Stückzahl erzielen, dass entweder den leichten Einheiten diese Sturmgeschütze direkt entgegen treten (was sie aufgrund Panzerung und Feuerkraft gewinnen) und/oder indem sie die leichten Einheiten indirekt im Bogenfeuer beschießen. Das hätte auch den Vorteil, dass jede Einheit welche keine Sichtlinie zum Kampfgeschehen hat trotzdem auf der Stelle mitwirken kann und man so immer, auch wenn der Gegner irgendwo plötzlich in zahlenmässiger Überlegenheit auftaucht eine deutliche Feuerüberlegenheit generieren könnte.

Zugleich wäre eine solche Sturmgeschütz 2.0 Armee auch die Antwort auf viele Problemstellungen welche Drohnen heute verursachen - wobei ich ohnehin davon ausgehe dass beide Armeen Drohnen verwenden. Sie wäre zudem im gleichen Maße für die Defensive wie die Offensive geeignet und auch für bestimmte IKM Szenarien sogar besser geeignet als die auf leichten MRAP und leichteren Fahrzeugen abgestützte Massenarmee.

Ein weiteres Konzept wäre eine weitgehend auf Drohnen und Loitering Munitions abgestützte Armee. Nun hätte aufgrund der enormen Anzahl von Maschinenkanonen, leichten Raketenwerfern, Fliegerfäusten usw die von Obibiber skizzierte Armee eine erhebliche Verteidigungskraft auch gegen eine sehr große Anzahl von Drohnen. Zudem gehe ich ja davon aus, dass auch die ultraleichte Massenarmee selbst in großer Zahl Drohnen einsetzt, und auch Drohnen gegen andere Drohnen kämpfen. Mit im großindustriellen Maßstab hergestellten möglichst autonomen Drohnen könnte man dennoch die Abwehr einer solchen Streitmacht übersättigen. Die erforderlichen gewaltigen Anzahlen, dass Problem dass viele (insbesondere die kleineren Drohnen) nicht ausreichend gehärtet werden können und die Möglichkeiten der EloKa heute machen das Konzept der Drohnenarmee meiner Einschätzung nach deutlich risikoreicher als andere Ansätze.

Gleichgültig was für eine Art von Bewaffnung und Struktur man nun annimmt, könnte man auch überlegen gegen eine solche Armee vor allem anderen einen indirekten Ansatz zu verfolgen, also gar nicht so sehr direkt gegen diese zu kämpfen, sondern ganz andere Bereiche des Gegners anzugreifen, ihm den Strom zu kappen, ihm die ganze Gesellschaft zu zerstören so dass der Feind den Krieg verliert obwohl seine leichte Massenstreitmacht noch gar nicht geschlagen ist. Ein solcher indirekter Ansatz, eingeleitet mit massiven Cyberangriffen, Sabotage, Zerstörung der Infrastruktur, Agieren mit Agenten, Sondereinheiten, vorher infiltrierten Kräften usw könnte angesichts unserer Abhängigkeiten und Schwächen dazu führen, dass wir den Krieg verlieren obwohl unsere Streitmacht selbst noch nicht mal richtig angegangen wurde. Wenn man dann entsprechend militärisch zurück schlagen will könnte man sich auf die Position stellen, dass man ja noch gar nichts invasiert hat, alles bis dato indirekt war und dann sogleich Eskalationsstufen überspringen, die nukleare Karte ziehen und damit einen Verhandlungsfrieden erzwingen. Man hätte so den Gegner weitgehend geschädigt, ohne dass die beschriebene Streitmacht überhaupt irgendeinen Nutzen gehabt, oder irgend etwas verteidigt hätte. Der Zusammenbruch der Gesellschaft würde dann indirekt auch den Zusammenbruch der Streitkräfte zur Folge haben.

weiteres folgt (hab grad leider nur wenig Zeit)
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#71
@Quintus:
Ganz vergessen, danke für die Ausführungen und die Literaturempfehlen, letztere werde ich bei Gelegenheit mal näher betrachten. Ersteres würde ich gern kommentieren, da ich einige Punkte doch etwas anders sehe (was auch an meinem begrenzten Einsatzhorizont liegen kann), leider fehlt mir da absolut die Zeit für. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.

Kurz zur Technik noch, um das abzuschließen, wie bereits erwähnt ging es mir die ganze Zeit um den Einsatz von Technicals, den ich abseits von Sonderaufgaben in einer Massenform aus den genannten Gründen für völlig verkehrt halte. Demgegenüber bin ich durch ein Freund der MRAPs, die allerdings gleichzeitig auch wieder deutlich größer, schwerer und teurer sind. Auch meine Aussagen zum IKM bezogen sich auf den Einsatz von zivilen Basisfahrzeugen, nicht von leichten Kräften insgesamt.

Womit ich argumentativ noch etwas ein Problem habe, und vielleicht verstehe ich dich da falsch, ist dieser Punkt:

Zitat:Im Prinzip gibt es hier zwei grundsätzlich gegenüber stehende Pole: zum einen teure Systeme welche vergleichsweise günstige Munition verschießen, zum anderen günstige Systeme welche vergleichsweise teure Munition verschießen. Natürlich nehmen die meisten Systeme nicht absolut die eine oder die andere Form an, aber sie lassen sich doch recht weitgehend in diese beiden Schubladen kategorisieren.

Ich bestreite nicht, dass es diese Pole gibt, gebe aber zu bedenken, dass die Kosten für die Plattform und die Kosten für die Bewaffnung zwei voneinander zu trennende Aspekte sind. Natürlich ist beispielsweise ein Geschütz teurer als der Startkanister einer Rakete, aber deshalb muss dieses Geschütz nicht zwingend auf einer teuren Plattform sitzen. Ich kann es sowohl auf einer Panzerhaubitze, genauso gut aber auch auf einem relativ günstigen "Standard-LKW" platzieren. Ich denke, der Punkt ist auch dir klar, aber ich wollte es wegen dem folgenden noch einmal explizit erwähnen:

Zitat:Nun lassen sich die günstigen Plattformen aufgrund ihrer grundsätzlichen Konzeption eher an neue Herausforderungen anpassen, indem man die Munition wechselt. Panzerjäger könnten daher auch genau so gut Raketen mit Streumunition, mit Streuminen oder Thermobarischen Sprengköpfen von erheblicher Flächenwirkung verschießen. Auch die Kampfwertsteigerung ist deutlich einfacher und das gleiche Wirkmittel kann auch von anderen Plattformen aus verwendet werden, von Hubschraubern über feste Installationen welche man im Boden verbirgt bis hin zu Schiffen und Drohnen. Während es sehr schwer ist die gleiche Munition der teuren Plattform zugleich für mehrere andere Systeme zu verwenden (man nehme beispielsweise eine 155mm Haubitze, auf einem Schiff eventuell noch denkbar (ga ja entsprechende Experiemte), aber das war es dann auch schon).

Zumindest zum Teil widerspricht sich diese Aussage selbst. Natürlich sind Anpassungen an der Plattform umso einfacher möglich, je einfacher diese selbst konstruiert ist. Aber gerade weil die Munition im Verhältnis zur Plattform bei solchen einheiten relativ teuer ist kann diese eben nicht besonders einfach und günstig ausgetauscht werden, obwohl die Plattform dies erlaubt. Im Endeffekt landen wir also bei einer solchen bipolaren Betrachtung nur aus unterschiedlichen Richtungen bei dem gleichen Problem. Um das Ziel einer höhen Quantität zu erreichen muss also aus der bipolaren Betrachtung ausgebrochen die Kombination aus günstiger Plattform und günstiger Munition angestrebt werden. Und das bei unverminderter Kampfkraft, denn es nützt ja nichts, eine Einfachheit zu erreichen, wenn diese wiederum die reale Kampfkraft reduziert.
Ja, ich betone es immer wieder, dass mehr über Wirkmittel (und damit meine ich sowohl Effektoren wie auch die zum Einsatz notwendige Sensorik) statt über Plattformen gesprochen werden sollte. Das dann aber auch konsequent und losgelöst voneinander. Nun hast du dafür einige sehr gute Beispiele gebracht (bspw. ein Einheitsgeschütz), andere wiederum finde ich problematischer mit Blick auf möglichst hohe Quantitäten (bspw. Raketen).
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#72
Helios:

Man sollte an der Stelle auch nochmal einhaken und explizit betonen, dass ObiBiber ausdrücklich eine Armee von leichten MRAPs vorgestellt hat, und nicht eine die auf Technicals aufbaut. Ob das nun JLTV sind, oder man für die Bundeswehr das ganze auf Duro, Yak, Eagle IV und V aufzieht, ist dabei völlig gleich. Und ich selbst habe eigentlich vor allem die auf dem Duro aufgebaute Fahrzeugfamilie als mögliche Plattform hier genannt und favorisiert. Technicals wären hier daher nur eine Ergänzung dieser "Basisplattform".

Zitat:Im Endeffekt landen wir also bei einer solchen bipolaren Betrachtung nur aus unterschiedlichen Richtungen bei dem gleichen Problem. Um das Ziel einer höhen Quantität zu erreichen muss also aus der bipolaren Betrachtung ausgebrochen die Kombination aus günstiger Plattform und günstiger Munition angestrebt werden. Und das bei unverminderter Kampfkraft, denn es nützt ja nichts, eine Einfachheit zu erreichen, wenn diese wiederum die reale Kampfkraft reduziert.

Kampfkraft muss auch immer relativ zum Feind gesehen werden. Und wie ich es schon schrieb ist die Realität eben keineswegs so bipolar, sondern bewegt sich das meiste was ist nicht an diesen extremen Polen sondern irgendwo dazwischen. So gibt es genauso extrem teure Artilleriegranaten wie auch extrem günstige Raketen. Bei den Plattformen das gleiche und dies selbst innerhalb sehr ähnlicher Systeme. Wie der "Preis" ausfällt, hängt von den Anforderungen an das System ab. Einen Aspekt haben wir hier ja schon diskutiert und du hast ihn so passend benannt: Überfunktionalität. Das andere ist eine extreme Leistungsfähigkeit in bestimmten Aspekten, beispielsweise in Reichweite, Durchschlagskraft, Flächenwirkung, Resistenz gegen EloKa etc

Wenn man nun bewusst in bestimmten Teilaspekten eine geringere Leistung akzeptiert, weil diese aufgrund von Konzeption und Doktrin auch gar nicht benötigt wird, wenn man im weiteren sich auch auf sogenannte Technologiekiller konzentriert, dann kann man auch die Kosten der Wirkmittel bei sehr günstigen Plattformen weitgehend drücken. Die Wirkung der Wirkmittel wird ja in der bipolaren Betrachtung entweder von der Plattform erbracht (ad extremum nur durch diese) oder sie wird vom Wirkmittel selbst erbracht. Entsprechend müssen die Teilaspekte dessen was Leistung ist von der Plattform oder vom Wirkmittel erbracht werden. Dem folgend bedeutet der bewusste Leistungsverzicht auf spezifische Teilaspekte dessen was die Leistung ausmacht sofort eine Kostenreduzierung auch bei den Wirkmitteln.

Zitat:Nun hast du dafür einige sehr gute Beispiele gebracht (bspw. ein Einheitsgeschütz), andere wiederum finde ich problematischer mit Blick auf möglichst hohe Quantitäten (bspw. Raketen).

Ein praktisches Beispiel: Nehmen wir eine leichte Raketenartillerie auf einer möglichst billigen Plattform. Man könnte so weit gehen so ein System einfach auf einem Dreibein zu installlieren. Wenn man nun bewusst beispielsweise auf eine hohe Reichweite verzichtet, kann so ein System extrem kompakt und leicht gebaut werden und hätte dennoch eine hohe Wirkung im Ziel. Nun ist so ein System natürlich in vielen Szenarien kaum zu gebrauchen, es muss also schon zur grundsätzlichen Ausrichtung und zur Doktrin passen. Wenn wir nun im weiteren annehmen, man würde einen solchen leichten Raketenwerfer in immenser Stückzahl herstellen, wären die Kosten so gering, dass man mehrere zehntausend Stück davon für den Preis eines einzigen Kampfflugzeuges herstellen kann. Nehmen wir im weiteren an, wir beschaffen statt 10 Kampfflugzeugen nun eine immense Zahl solcher einfacher Werfer kurzer Reichweite und es seien dann um die 100.000 Stück. Nehmen wir im weiteren an, die Erfolgswahrscheinlichkeit wäre nur 5% (aufgrund vieler feindlicher Gegenmaßnahmen wie dem Einsatz von Multispektralnebel, präventiven Beschießen von Gelände mit Artillerie, Hardkillsysteme, abgesessene Infanterie welche das Gelände sichert, Reaktivpanzerung, hohe Geschwindigkeit usw usw), dann bedeutet dies die Zerstörung von 5000 Panzern des Gegners, oder um es anders auszudrücken, seine mechanisierten Großkampfverbände wären weitgehend zerschlagen. Da wir ja gerne über das Baltikum sprechen: was wäre nutzbringender dort um einen russischen Angriff abzuschlagen oder effektiv abzuschrecken? 10 Kampfflugzeuge oder 100.000 Einheiten leichte Raketenartillerie welche 5000 feindliche Panzer zerstören ?! Natürlich müssen der geographische Raum, die Umstände, die grundsätzliche Strategie, die Doktrin und die Wehrkultur dazu passen.

Es gibt hier also keine Axiome, da andere Umstände jeweils auch andere spezifische Lösungen erfordern. Das gerade ausgeführte Beispiel soll daher nur als Illustration des grundsätzlichen Konzeptes an sich dienen.
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#73
(17.12.2021, 14:20)Quintus Fabius schrieb: Man sollte an der Stelle auch nochmal einhaken und explizit betonen, dass ObiBiber ausdrücklich eine Armee von leichten MRAPs vorgestellt hat, und nicht eine die auf Technicals aufbaut.

Das ist mir absolut klar, aber du hast angeführt, dass man den Gedanken mit Technicals noch weiterführen könnte, und darauf habe ich reagiert. Dass die Diskussion immer wieder auch auf MRAPs und ähnliches bezogen wurde war nie meine Absicht, im Gegenteil finde ich diese Fahrzeugkategorie gerade in der Bundeswehr unterrepräsentiert und unterschätzt.

Zitat:Und wie ich es schon schrieb ist die Realität eben keineswegs so bipolar, sondern bewegt sich das meiste was ist nicht an diesen extremen Polen sondern irgendwo dazwischen.

Auch darauf wollte ich aber hinaus. Natürlich gibt es bestimmte Pole, und wenn man sich die Bundeswehr anschaut auch eine gewisse Bipolarität (bspw. im Bereich Steilfeuerwaffen), aber wenn man deine Definition anlegt, geht es um die gleichen Probleme aus unterschiedlichen Richtungen. Umgekehrt sehen wir auch eine andere Linearität, etwa das Ansteigen der Kosten der Bewaffnung mit dem Ansteigen der Kosten der Plattform, was im Extremen auch zu zwei Polen führen kann: hohe Quantität bei geringer Qualität und hohe Qualität bei geringer Quantität (dabei ist Qualität immer im Bereich der Einzelfähigkeiten zu verorten). Diese Aussage gehe ich daher durchaus mit:
"Wenn man nun bewusst in bestimmten Teilaspekten eine geringere Leistung akzeptiert, weil diese aufgrund von Konzeption und Doktrin auch gar nicht benötigt wird, wenn man im weiteren sich auch auf sogenannte Technologiekiller konzentriert, dann kann man auch die Kosten der Wirkmittel bei sehr günstigen Plattformen weitgehend drücken."
Ich halte es durchaus für problematisch, dass die Ökonomie des Krieges heute in der Realität zumindest in großen Teilen keine Rolle mehr spielt. Der Umkehrschluss darf aber nicht sein, dass der Leistungsverzicht in bestimmten Teilaspekten willkürlich erfolgen kann, insbesondere nicht in der Gesamtheit der Streitkräfte. Und das ist ja mein zweites Argument seit dem Beginn der Diskussion (und eigentlich schon seit Jahren), weil es hier primär um eine Reduktion des Heeres auf eine hohe Quantität leichter Kräfte abzielt (die in der Radikalität für mich keinen Sinn ergibt) und Vorteile nur in Bezug auf einen in seiner Entwicklung stagnierenden Gegner angeführt wurden. Dein folgendes Beispiel macht beispielsweise genau das ebenfalls.

Zitat:Ein praktisches Beispiel: (...)

Der erste Punkt wäre für mich wieder, dass deine Zahlen nicht stimmen, worauf du vermutlich wieder kontern wirst, dass es nicht um genaue Zahlen geht. Und das ist meines Erachtens schon falsch, weil genauere Zahlen durchaus wichtig sind. Wenn es nämlich nicht 100.000 sind, sondern nur 10.000, und die Erfolgswahrscheinlichkeit nicht bei 5% liegt, sondern nur bei 2%, dann sprechen wir schon nicht mehr über 5.000 Panzer, sondern "nur" noch über 200. Klar wird das Prinzip weiterhin deutlich, und selbst ökonomisch würde das noch Sinn ergeben, aber es zeichnet insgesamt ein völlig anderes Bild von der tatsächlich erzielbaren Kampfkraft. Und um diese geht es ja letztlich.

Der zweite Punkt ist aber wieder die Frage, warum der Gegner überhaupt mechanisierte Großkampfverbände verwenden sollte? Ich würde das in einem solchen Fall nicht tun und andere Mittel einsetzen, gegebenenfalls auch völlig unkonventionelle militärische oder sogar gar keine militärischen. Letzteres kann man vielleicht schon als Erfolg werten, ersteres eher nicht, denn die Alternativen gibt es ja, und wenn sich entsprechende Schwachstellen zeigen, dann muss man annehmen, dass der Gegner sie auch ausnutzt.
Damit komme ich wieder auf mein hier zuvor schon erwähntes Argument zurück, diskutiert wurde hier eine völlige Veränderung der Kriegsführung und damit eine grundlegende Reformation des Heeres hin zu einer Armee der hohen Quantitäten, und diesen radikalen Schritt kann ich in Anbetracht der vielen Gegenargumente nicht mitgehen. Umgekehrt steht für mich die Aussage, dass wir in gewissen Bereichen eine Reduktion der "Qualität" (im zuvor erwähnten Kontext) für wesentlich höhere Quantitäten vornehmen sollten absolut nicht in Frage.
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#74
Zitat:Der erste Punkt wäre für mich wieder, dass deine Zahlen nicht stimmen, worauf du vermutlich wieder kontern wirst, dass es nicht um genaue Zahlen geht. Und das ist meines Erachtens schon falsch, weil genauere Zahlen durchaus wichtig sind. Wenn es nämlich nicht 100.000 sind, sondern nur 10.000, und die Erfolgswahrscheinlichkeit nicht bei 5% liegt, sondern nur bei 2%, dann sprechen wir schon nicht mehr über 5.000 Panzer, sondern "nur" noch über 200.

Ich bin schon recht zuversichtlich, dass das Missverhältnis nicht so groß wäre und keinesfalls einen Faktor von 10 hätte. Ob es aber 90.000 oder 70.000 oder 110.000 sind, ist tatsächlich irrelevant. Das Missverhältnis dürfte nur nicht so extrem sein, also um einen Faktor 10 und mehr. Und da kann man schon davon ausgehen, dass dem nicht der Fall sein wird.

Zitat:m Gegenteil finde ich diese Fahrzeugkategorie gerade in der Bundeswehr unterrepräsentiert und unterschätzt.

Da sind wir durchaus einer Meinung. Heute werden diese Fahrzeug leider zu sehr aus dem Blickwinkel bloßer Auslandseinsätze betrachtet und daher auf diese "reduziert". Man erklärt dann, dass außerhalb solcher assymetrischer Bedrohungen die Eigenheiten und Fähigkeiten dieser Fahrzeuge keinen Wert hätten, was meiner Meinung nach eine Fehleinschätzung ist.

Zitat:.....Reduktion des Heeres auf eine hohe Quantität leichter Kräfte abzielt (die in der Radikalität für mich keinen Sinn ergibt) und Vorteile nur in Bezug auf einen in seiner Entwicklung stagnierenden Gegner angeführt wurden.

Genau genommen wollte ich nicht auf eine solcherart verengte Betrachtung dieser Frage hinaus. Die Reduktion des Heeres sollte ja ausdrücklich vor allem auch Mittel frei machen, die man dann in andere Bereiche investiert, gerade eben damit bei uns keine Stagnation einkehrt und wir in Konfrontation mit einen Gegner der eben nicht in Stagnation verfällt weiter reagieren können. Daher war und ist für mich die Frage, wie man eine solche Mittelverschiebung überhaupt bewerkstelligen könnte und wie man sie so ausführt, dass dadurch temporär (also als Interimslösung) die Kampfkraft gegenüber dem was der Gegner real hat und haben wird nicht zu sehr abfällt, sondern dass dieser auch in den Bereichen in denen eine Reduktion stattfindet noch weiter erfolgreich bekämpft werden kann.

Zitat:Der zweite Punkt ist aber wieder die Frage, warum der Gegner überhaupt mechanisierte Großkampfverbände verwenden sollte? Ich würde das in einem solchen Fall nicht tun und andere Mittel einsetzen,

Und genau das wäre durchaus eine Zielsetzung einer solchen Rüstung und es wäre ein Erfolg. Den schwere mechanisierte Großkampfverbände sind aktuell gerade im Baltikum und in Osteuropa die Problemstellung vor der wir real stehen. Wenn diese durch eine vergleichsweise kostengünstige Umrüstung beseitigt werden kann, dann umso besser. Der Gegner wird damit zudem zum reagierenden. Er reagiert auf unser agieren hin und wir versetzen uns allein dadurch bereits in eine vorteilhafte Position. Wesentlich ist es dann natürlich, nicht auf diesem Stand stehen zu bleiben, also nicht bei dieser Interimslösung zu verharren, sondern erneut zu agieren und damit die Reaktion des Gegners zu entwerten. Die Reduktion bietet nun genau das, indem sie Mittel für weiteres agieren frei setzt.

Aktuell sind meiner Überzeugung nach es nämlich vor allem wir die stagnieren. Die Bundeswehr mit ihrer Überbetonung der Duellfähigkeit bei schweren Kampfpanzern ist im Prinzip genau das was du hier mit Stagnation beschreibst.

Auch wenn du sicher recht hast, dass ein zuviel an Umbrüchen und revolutionäre Veränderungen nicht nur risikoreich sind, sondern sehr leicht auch dazu führen können, dass man militärisch erhebliche Nachteile erleidet, sehe ich gerade bei unseren Streitkräften eher das genaue Gegenteil und eine zunehmende Erstarrung im Denken, kurz und einfach: Stagnation. Ein Musterbeispiel sei die aktuelle Debatte um mittlere Kräfte bei denen man jetzt nachziehen will, in Bezug auf Entwicklungen die bei anderen Mächten schon Dekaden alt sind. Die Gefahr dass wir zu innovativ, zu revolutionär und zu risikoreich agieren sehe ich daher nicht ansatzweise. Radikale Gedanken einzubringen um auch nur ansatzweise und in geringen Anteilen die aktuelle Stagnation aufzubrechen ist daher meiner Überzeugung nach exakt das was zur Zeit notwendig wäre.

Ich habe es ja schon mal angerissen: wir experimentieren zu wenig. Meiner Meinung nach sollte man eine komplette Brigade einfach nur dafür abstellen, solche Versuche mit neuen radikalen Konzepten zu unternehmen und daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Ein solcher Experimentalverband könnte zugleich auch als Feinddarstellung für andere Einheiten dienen und wäre daher auch für das dringendst notwendige Mehr an Übungen ein großer Gewinn. Natürlich würden sich viele radikale Konzepte dann als falsch, problematisch oder nicht ansatzweise so gut wie gedacht heraus stellen. Aber um dies schlußendlich mit Sicherheit feststellen zu können, müsste man sehr viel mehr praktisch bei möglichst realistischen Übungen ausprobieren und diese Experimentierfreudigkeit ist genau das was heute in dieser Bundeswehr so weitgehend fehlt.
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#75
(20.12.2021, 15:10)Quintus Fabius schrieb: Ich bin schon recht zuversichtlich, dass das Missverhältnis nicht so groß wäre und keinesfalls einen Faktor von 10 hätte.

Ich nicht, wenn ich mir die typischen Kosten für Kampfflugzeuge und solche für gängige PALR anschaue, dann wäre der Faktor 10 meines Erachtens schon ein berechtigter Ansatzpunkt. Und PALR werden ja schon in "Großserie" gefertigt, ich bezweifle, dass da bei nochmals deutlich höheren Stückzahlen so extreme Kostensenkungen möglich wären.

Zitat:Daher war und ist für mich die Frage, wie man eine solche Mittelverschiebung überhaupt bewerkstelligen könnte und wie man sie so ausführt, dass dadurch temporär (also als Interimslösung) die Kampfkraft gegenüber dem was der Gegner real hat und haben wird nicht zu sehr abfällt, sondern dass dieser auch in den Bereichen in denen eine Reduktion stattfindet noch weiter erfolgreich bekämpft werden kann.

Völlig berechtigt und notwendig, aber was hier gerade auch von dir angesprochen wurde klang zum Teil deutlich anders. Ein Argument für eine "Armee der leichten Kräfte", um sie mal so zu nennen, war etwa die Auflösung von Schwerpunkten, was ein probates Gegenmittel gegen mechanisierte Großverbände darstellt, denen somit die klaren Ziele fehlen (während sie gleichzeitig ihre Kräfte über ihre Möglichkeiten streuen müssten). Wenn es hingegen eine Mittelverschiebung gibt, etwa zu den von dir ja auch immer als besonders wichtig genannten Einheiten zur Luftraumverteidigung, dann ergibt sich daraus zwangsläufig eine Schwerpunktbildung, weil eine solche umfassende Flugabwehr nicht ausschließlich mit leichten und hochmobilen Kräften zu erreichen ist. Die nächste Frage wäre dann, ob die leichten Kräfte in der Lage wären, solche Schwerpunkte effektiv und effizient zu verteidigen? Und das ist meines Erachtens aufgrund der begrenzten Reichweiten nicht der Fall. Umso mehr man diese Kette jedoch weiterverfolgt, umso stärker müssen die leichten Kräfte wieder reduziert werden für schwerere Einheiten.
Am Ende wird dann irgendwo eine Struktur stehen, in denen diese leichten Kräfte tatsächlich noch immer eine nennenswerte Zahl darstellen, aber es eben keine "Armee der leichten Kräfte" in der hier propagierten Form mehr wäre. Und die Zahl der leichten Kräfte zu erhöhen, da bin ich generell völlig bei dir/euch.

Zitat:Aktuell sind meiner Überzeugung nach es nämlich vor allem wir die stagnieren. Die Bundeswehr mit ihrer Überbetonung der Duellfähigkeit bei schweren Kampfpanzern ist im Prinzip genau das was du hier mit Stagnation beschreibst.

Da stimme ich dir wieder zu, auch wenn das leicht erklärbar ist, denn Innovation entsteht fast immer aus der Not heraus. Und aktuell will man eine Not nicht sehen, es "lebt" sich viel zu gut mit dem Elend (politisch und gesellschaftlich).
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