(Allgemein) Traditionserlass der Bundeswehr
#16
(22.04.2021, 11:56)Broensen schrieb: Klar, vor Iowa, Virginia, Los Angeles etc. hatte ja auch nie jemand Respekt. Dodgy

Doch, weil seinerzeit das modernste Schlachtschiff, einer der damals besten schweren Kreuzer und das Atom U-Boot schlechthin. Mitunter Schiffe der stärksten jemals aufgestellten Seestreitkräfte.

Finde ich bemerkenswert, dass Du die Bayern und Hessen in demselben Club siehst.
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#17
(22.04.2021, 12:16)GermanMilitaryPower schrieb: Finde ich bemerkenswert, dass Du die Bayern und Hessen in demselben Club siehst.

Das habe ich nicht gesagt. Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass die Benennung eines Schiffs oder einer Klasse nach Orten und Ländern nicht zwingend den von dir genannten "Respekt" schmälern, wie du es impliziert hattest.
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#18
(22.04.2021, 11:13)26er schrieb: Die Frage ist für mich ist die, ob man im heutigen Deutschland bereit ist, eine militärische Liegenschaft, ein Boot/ Schiff o.Ä. nach einem Soldaten zu benennen, der sein Soldaten(-Handwerk) ausgeführt hat?

Auf die Frage gibt es doch ein klares Ja. Tatsächlich geht es allerdings um die Frage, ob rein militärische Leistungen allein ausreichen, um als Namensgeber für eine Liegenschaft, Einheit, etc. zu dienen. Und da ist die Antwort ebenso klar Nein.

Zitat:Gibt es andere Verbände, die auch eine solche Historie zurückschauen können?

Das ist wieder eine Frage des Verständnisses von Kontinuität, und die trifft gleichermaßen auf die Marine genauso wie auf das Heer oder die Luftwaffe zu. Das ist aber nicht mein Argument. Deutschland war nie eine Seemacht, es gibt keine organisch gewachsene, kontinuierliche Marinetradition außerhalb der künstlichen Strukturen seit der Kaiserlichen Marine. Und welchen Maritimen Hintergrund hatten die Personen, die für bei Sinnstiftung bei eben dieser als relevant angesehen wurden? Entweder erwuchsen sie der primär preußischen Heerestradition, oder es waren Persönlichkeiten aus dem Adlig-Politischen Umfeld. Gerade dein Beispiel mit den Namen aus der Mythologie verdeutlicht dieses Problem.
Dabei bietet die kleine deutsche Marinegeschichte durchaus genug Namen, die für eine Belebung der Tradition herhalten könnten. Aber auch das wäre letztenendes nur ein Kunstprodukt.

Zitat:Darf man hier Werbung für ein Buch machen?

Sofern du nicht persönlich davon profitierst (bspw. Affiliate-Links), darf jedes weiterführende Material hier genannt werden.

(22.04.2021, 11:14)aramiso schrieb: Es ging mir auch weniger darum festzustellen, ob bei der Umbenennung von Tirpitz und Scheer ein Formfehler begangen wurde. Gewiss nicht.

Natürlich geht es nicht um Formfehler, aber um die Frage, was an den im Traditionserlaß genannten Grundsätzen konkret auszusetzen ist? Denn daran muss sich doch letztlich die allgemeine Kritik orientieren.

(22.04.2021, 11:44)GermanMilitaryPower schrieb: Bspw. Hindenburg, Tirpitz, Langsdorff, Adenauer, Bismarck, Schmidt, Yorck, Hipper, von Clausewitz, Prinz Eugen, Roon, Siegfried, (Ägir), Gneisenau, Scharnhorst, Friedrich II. (Friedrich der Große), Friedrich Wilhelm (Großer Kurfürst) ...

Na da bin ich ja froh, dass du nicht für die Vergabe von Schiffsnamen zuständig bist, immerhin haben es zur Ehrenrettung noch Langsdorff und zwei Bundeskanzler auf die Liste geschafft. Wink Die deutschen Marinen hatten lustigerweise immer ein Problem mit den ganzen preußischen Heeresführern, nach denen die Schiffe benannt wurden, zurecht, wie ich meine. Das zeigt allerdings auch, wie problematisch Tradition und Werte letztlich sind.
Davon abgesehen:
Zitat: Obrige Namen tragen unsere militärischen und politischen Erfolge in die Welt und erzeugen Respekt und Anerkennung.

Bei wem denn? Der Öffentlichkeit hierzulande sagen die meisten Namen schon nichts, geschweige denn jener der Welt, und militärische Feinde und Freunde interessieren sich nicht für die Namensgebung der Einheiten. Von wem sollten wir "Anerkennung" bekommen für ein Marineschiff der Bundesrepublik Deutschland, das nach einem preußischen Herzog oder einem österreichischen (sic!) Prinzen und Feldherrn benannt ist? Eine deutsche Fregatte "Bismarck" erzeugt nun großen Respekt? Die Namensgebung spielt in der Hinsicht eine weit weniger wichtige Rolle, als du annimmst.
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#19
Ich habe aus den Beiträgen ein neues Thema mit passendem Titel abgetrennt.
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#20
(22.04.2021, 13:56)Helios schrieb: Na da bin ich ja froh, dass du nicht für die Vergabe von Schiffsnamen zuständig bist, immerhin haben es zur Ehrenrettung noch Langsdorff und zwei Bundeskanzler auf die Liste geschafft. Wink Die deutschen Marinen hatten lustigerweise immer ein Problem mit den ganzen preußischen Heeresführern, nach denen die Schiffe benannt wurden, zurecht, wie ich meine. Das zeigt allerdings auch, wie problematisch Tradition und Werte letztlich sind.

Na dann erläutere mir doch bitte mal Deine subjektive und objektive Meinung, wieso meine Potpourri-Ansammlung an Namen so fehlerhaft ist. Deine Argumentation (in diesem Fall) ist mir zu wenig tiefgründig. Immerhin diskreditierst Du einige der größten militärischen Figuren unserer Geschichte. Wink
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#21
(22.04.2021, 11:44)GermanMilitaryPower schrieb: Das sind Namen, die für etwas stehen.

Mal abgesehen von vielleicht noch Langsdorff sehe ich da keine Namen, die eine irgendwie im Bezug auf Werte des Traditionserlasses entfernt kompatible relevante Historie mit Marinekontext vorweisen. Das gilt auch für die beiden Bundeskanzler (warum übrigens ausgerechnet Schmidt?).

Und dass die Bewertung von Langsdorff selbst in der Bundeswehr und der Marine umstritten und nicht allzu einfach ist, sollte bekannt sein.
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#22
Helios:

Zitat:Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die nun getroffene Wahl wirklich passend ist - aber das ist dann schon wieder eine inhaltliche Diskussion, und keine über die Umbenennung selbst.

Weshalb ich die Diskussion allgemeiner führen will und eben nicht um spezifische Personalien.

Zitat:Die Namen sind nicht "gottgegeben", sie wurden irgendwann genauso willkürlich Vergeben wie nun ihre Ersetzung erfolgt.

Sie wurden keineswegs willkürlich und irgendwann vergeben: sie wurden zu Beginn der Bundeswehr so festgelegt. Sie verweisen damit auf die Anfänge dieser Armee. Sie zu behalten bedeutet also Kontinuität von den Anfängen der Bundeswehr bis jetzt und sie wurden damals auch aus ganz bestimmten Gründen ausgewählt, weil sie nach damaligem Verständnis für militärische Leistungsfähigkeit standen. Und da sind wir am entscheidenden Punkt: ich nehme allgemein eine Tendenz weg von der reinen militärischen Leistung hin zu anderen Parametern wahr. Deshalb meine Ansicht, dass die Namen selbst nicht so relevant sind, sondern der Geist aus welchem sie entspringen.

Die Frage der militärischen Kultur innerhalb der Armee ist meine Meinung nach die alles entscheidende: und solche Namen sind zweifelsohne ein Teil eben dieser militärischen Kultur. Will man also einen kriegerischen Geist befördern, mit dem Ziel und Zweck so die Kampfkraft durch psychologische Einflüsse zu steigern - so muss auch die Sprache sich diesem militärischen Ziel unterordnen. Namen im Lauf der Zeit zu ersetzen ist daher für mich durchaus denkbar, aber nur wenn man diese durch "kriegerische" Namen ersetzt.

Zitat:Wenn der Begriff "Tradition" nur dazu verwendet wird, unreflektiert weiterzuführen was immer schon da war verkommt er zu einer leeren Hülle, die nur mehr Rechtfertigungsgründen dienen kann.

Völlig richtig, keine Frage. Als Futurist hänge ich auch nicht unbedingt zwingend an irgendwelchen Traditionen, wenn diese überkommen sind und ihrem Zweck nicht mehr dienen sollte man sie ohne jedes Zögern und sofort einfach über Bord werfen. Jedoch:

Zitat:Dabei ist es doch völlig normal, dass sich mit dem Wandel der Zeiten auch die Ansichten zu bestimmten Personen und Ereignissen wandeln, hier wäre es eher zu kritisieren, wenn solch eine Neubewertung nicht stattfinden würde (wie das leider viel zu häufig praktiziert wird). Oder welchen Sinn hat es, Personen durch die Bundeswehr zu ehren, die nicht dem Wertebild der Bundeswehr entsprechen?

Das sich seit Jahren zunehmend und massiv ändernde Wertebild der Bundeswehr ist ein (militärisches) Problem, weil es nicht mehr den Anforderungen des Krieges genügt. Das möchte ich frei von jedweder moralisch-ethischer Überlegung als rein praktisch relevanten nüchternen Mechanismus verstanden wissen.

Wie sich die Ansichten in der Bundeswehr wandeln und allein schon seit meiner aktiven Zeit gewandelt haben senkt zunehmend die Kampfkraft, sowohl direkt als auch indirekt. Viele Missstände in der Bundeswehr sind daher meiner Ansicht nach auf diesen Wandel der Zeiten und damit Wandel der Ansichten zurück zu führen.
Und selbst scheinbar kleine Eingriffe wie eine Namensumbenennung befördern diesen rein militärisch gesehen negativen Wandel noch weiter statt ihn zu mindern oder umzukehren.

Wir müssen daher nicht "die Tradition" erhalten, sondern wir sollten und müssten über das Bild der (sdcheinbaren) Tradition alles versuchen diese Armee in Bezug auf Ideelle Werte wiederherzustellen und ihr dadurch wieder eine Militärische Seele zu verleihen. Das könnte durchaus auch durch Namensänderungen und andere solche Maßnahmen geschehen, nur müssen diese viel mehr auf eine möglichst weitgehend kriegerische Tradition hin ausgerichtet werden und bei der Bundeswehr ist der Trend genau das Gegenteil.

Das reicht weit über bloße Namen hinaus und da der Strang: Traditionserlass heißt: ich würde auch die Uniformen ändern, die militärischen Rituale ändern und ja, auch Namen ändern, aber immer mit der Zielsetzung der Stärkung militärischer Kampfkraft und mit keiner anderen.
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#23
Ich habe jetzt ein wenig zur Causa Umbenennung der Kasernen mit den Namen "Lent" und Marseille" recherchiert. Jetzt werden die Sachverhalte klarer. Von Helmut Lent war mir in Erinnerung geblieben, dass er vielleicht kein klassischer Parteigänger der Braunen war, aber auch kein Gegner und immerhin zum fanatischen Kampf bis zum letzten aufgerufen hat. Bei Hans-Joachim Marseille war ich sicher, dass er nichts mit dem Regime am Hut hatte. Stimmt auch. Sein Fehler war ein anderer. Ich zitiere aus dem Skript einer NDR-Sendung von Julia Weigelt vom 13.05.2020 über den Rummel, den die NS-Führung um den Piloten gemacht hat:

"Und wie hat der junge Pilot (Marseille) den Rummel um seine Person selbst gesehen? Für Oberstleutnant Thomas Schmitz, Militärhistoriker im Kommando Luftwaffe der Bundeswehr, hat sich Marseille vermutlich darüber gar keine Gedanken gemacht, weil für ihn nur das Fliegen gezählt habe. Aber genau das wolle man in der Bundeswehr nicht. "Wir wollen ja, dass der Soldat sich Gedanken darüber macht, wofür er kämpft. Und das ist bei ihm eben nicht erkennbar gewesen. Und das können wir als Namensgeber und für unsere Traditionspflege der Luftwaffe nicht mehr nutzen." und weiter: "Namensgeber müssen sich durch ihr gesamtes Wirken oder eine herausragende Tat um Freiheit und Recht verdient gemacht haben. Auf Marseille trifft das nicht zu. Eine Einsicht, die Jahrzehnte später auch im Verteidigungsministerium angekommen ist."

Merke: gegnerische Flugzeuge zu Dutzenden abzuschießen, ist nichts, womit man prahlen sollte. Das schmutzige Kriegshandwerk von einst ist auch kein wirkliches Vorbild in unserer Zeit. Aber sich Gedanken zu machen, ob man kämpfen sollte und warum, wenn es denn sein muss - nämlich für Freiheit und Recht - das unterscheidet den guten Soldaten vom schlechten.

Ein Militärhistoriker bringt es weiter unten dann auf den Punkt: "Sie blenden leider aus, dass unsere Republik heute andere Aufgaben hat als Kriege zu führen. Es gibt ein Friedensgebot des Grundgesetzes, und damit haben Marseille & Co wenig zu tun, gar nichts zu tun."

Selbstverständlich kann eine Armee, die heute andere Aufgaben hat, als Krieg zu führen, mit solchen Vorbildern absolut nichts anfangen. Man sollte sich dann aber auch klar darüber sein, dass eine solche Armee dann weder materiell (aktuell) noch mental (dauerhaft) in der Lage sein wird, einen richtigen Krieg zu führen.

Und noch einmal, damit durch den beißenden Sarkasmus kein falscher Eindruck entsteht: Natürlich muss man sich zu Namen kritisch äußern dürfen. Und natürlich müssen Namen nicht für alle Ewigkeit die Kasernen der Bundeswehr schmücken, wenn sie keinen Sinn mehr machen. Doch nicht ohne Grund hat Frau v. d. Leyen im Zusammenhang mit den Traditionen der Bundeswehr von Säuberungen (!!!) gesprochen. Es geht nicht darum, dass man Haufenweise üble Schurken aus Versehen (oder rechter Gesinnung) zu Namensgebern der Bundeswehr gemacht hätte. Die Namensänderung an sich ist nicht wirklich das Entscheidende an diesen Vorgängen, sondern der Geist des Misstrauens, der hinter den Namensänderungen steht.
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#24
(22.04.2021, 14:54)GermanMilitaryPower schrieb: Immerhin diskreditierst Du einige der größten militärischen Figuren unserer Geschichte. Wink

Indem ich sage, dass ein preußischer Feldherr nicht unbedingt als Traditionsname für ein bundesdeutsches Kriegsschiff taugt? Selbst für die Kaiserliche Marine stellte diese Namenvergabe ein Affront dar, über den schon im damaligen Kaiserreich diskutiert wurde. Insofern ist es zunächst eine reine Feststellung mit maritimem Auge, dass dem Großteil der genannten Personen die Qualifikation als Identifikationsfigur der deutschen Marine fehlt. Und die ist meines Erachtens maßgeblich dafür, eine Namensvergabe überhaupt in Erwägung zu ziehen. Gleiches gilt im übrigen auch für die Namen Rommel oder Mölders (Lütjens auch, aber aus anderen Gründen).
Den beiden Bundeskanzlern kann man zumindest noch eine Vertretung der bundesdeutschen Ideale und Werte zu Gute halten, einen maritimen Bezug haben aber auch sie nicht.
Der ist bei Tirpitz und Hipper vorhanden, und während letzterer immerhin ein aktiver und guter Marineführer war (der allerdings aufgrund seines gezielten Angriffs auf Zivilisten als Wertefigur kaum in Frage kommt), ist ersterer alles andere als eine der "größten militärischen Figuren unserer Geschichte", sondern ein Schreibtischadmiral, dessen Ruhm sich aus einer völlig sinnlosen und maßlos überheblichen Aufrüstung der kaiserlichen Marine speist. Er ist dabei nicht nur eine Symbolfigur für die Idee des deutschen Größenwahns des Kaisers und (indirekt) dem Dritten Reich, sondern als direkter Unterstützer rassistischer und antisemitischer Politik Wegbereiter der Nationalsozialisten.

Es bleibt also tatsächlich nur, wie von mir erwähnt, Langsdorff - dessen Vermächtnis ihn allerdings zu einem schwierigen Namensgeber macht.

(22.04.2021, 15:59)Quintus Fabius schrieb: Sie wurden keineswegs willkürlich und irgendwann vergeben: sie wurden zu Beginn der Bundeswehr so festgelegt. Sie verweisen damit auf die Anfänge dieser Armee. Sie zu behalten bedeutet also Kontinuität von den Anfängen der Bundeswehr bis jetzt und sie wurden damals auch aus ganz bestimmten Gründen ausgewählt, weil sie nach damaligem Verständnis für militärische Leistungsfähigkeit standen.

Bloß stimmt das nicht. Den Tirpitzhafen und die Tirpitzmole (auch wenn damit damals noch die heutige Scheermole gemeint war) gibt es schon seit Mitte der dreißiger Jahre, als die Nationalsozialisten angefangen haben aufbauend auf den maritimen Erfolgen der Kaiserzeit eine künstliche Marinetradition zu erschaffen. Aus dem gleichen Grund wurden auch die Becken des Marinehafens Wilhelmshaven umbenannt. Die ebenfalls hier im Thema erwähnte Marseille-Kaserne wurde erst in den siebziger Jahren, also über 20 Jahre nach Gründung der Bundeswehr umbenannt, und das augenscheinlich völlig willkürlich, denn Marseille hatte mit dem Standort meines Wissens nichts zu tun.
Selbst in den Fällen, in denen die Namensvergabe tatsächlich mit der Gründung der Bundeswehr erfolgte darf man meiner Meinung nach nicht so "betriebsblind" sein zu glauben, dass diese ausschließlich dem damaligen Verständnis für militärische Leistungsfähigkeit entsprachen. Denn auch wenn es wohl in den seltensten Fällen (wenn überhaupt) um eine bewusste Herstellung der Kontinuität zur Wehrmacht ging, so ließen sich damals und lassen sich erst recht nicht heute andere Aspekte, die mit einer solchen Namensvergabe einher gehen, ignorieren.

Zitat:Und da sind wir am entscheidenden Punkt: ich nehme allgemein eine Tendenz weg von der reinen militärischen Leistung hin zu anderen Parametern wahr. Deshalb meine Ansicht, dass die Namen selbst nicht so relevant sind, sondern der Geist aus welchem sie entspringen.

Diese Tendenz ist aber nicht neu, im Gegenteil sollte sie von Anfang an Teil des Selbstverständnisses der Bundeswehr sein, Stichwort Innere Führung. Dass sie es hinsichtlich der Traditionspflege zum Teil nicht ist liegt auch an der beständigen Weigerung mancher Personen und Ebenen, eine differenzierte Betrachtung der eigenen Geschichte zu erlauben. Die internen Kämpfe, die beispielsweise Baudissin gegen entsprechend antiquierte (aus Sicht der Verfechter des neuen Stils) Vorstellungen ausfechten musste sind dahingehend ganz aufschlussreich. Insofern darf man sich durchaus auch die Frage stellen, ob jede Entscheidung hinsichtlich Traditionspflege wirklich mit Blick auf das Werteverständnis der Bundeswehr getroffen wurde. Bei der Marseille-Kaserne beispielsweise kann man das wohl recht eindeutig verneinen (umso erstaunlicher, dass die Umbenennung nicht schon spätestens 1982 erfolgte).

Zitat:Das sich seit Jahren zunehmend und massiv ändernde Wertebild der Bundeswehr ist ein (militärisches) Problem, weil es nicht mehr den Anforderungen des Krieges genügt. Das möchte ich frei von jedweder moralisch-ethischer Überlegung als rein praktisch relevanten nüchternen Mechanismus verstanden wissen.

Ich bin wie dargelegt nicht der Meinung, dass sich das Wertebild der Bundeswehr großartig ändert oder geändert hat. Vielmehr ist es die Gesellschaft, die dieses ursprüngliche Wertebild nicht mehr als reines Lippenbekenntnis akzeptiert, sondern auch ein Handeln danach einfordert. Insofern ist deine Betrachtung, zumindest in der von dir hier genannten Form, durchaus legitim, aber unrealistisch.
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#25
Wird dann auch bald die Helmut Schmidt Universität der Bundeswehr umbenannt?

Zitat:Es soll nur kurz in Erinnerung gerufen werden, was die Kritikpunkte an Schmidt waren. Der Sozialdemokrat Helmut Schmidt biederte sich bereits in den 50er- und 60er-Jahren an die ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS an. Das ergab innerhalb der Sozialdemokratie heftige Debatten. Schmidt hielt 1953 bei der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Waffen SS« (HIAG), die circa 20.000 Mitglieder hatte, auf einer großen Versammlung in Hamburg vor über 1200 ehemaligen SS-Angehörigen einen Vortrag und beriet sich mit deren Vertretern.

Auch 1957 erklärte Helmut Schmidt auf einer Großveranstaltung des HIAG, er »habe selbst den Krieg im Osten als Oberleutnant in einer Heeresdivision mitgemacht«, und er müsse »ihnen, meinen Kameraden von der Waffen-SS«, ja nun nicht erklären, »wenn wir damals in Russland wussten, rechts oder links von uns, oder vor uns, liegt eine Division der Waffen-SS, dann konnten wir ruhig schlafen.« Von einem empörten Sozialdemokraten mit dieser fürchterlichen Aussage konfrontiert, notierte Helmut Schmidt 1965: »Nach wie vor meiner Meinung«.

...

1965 hatte der Bundestag es abgelehnt, Ansprüche der SS-Angehörigen auf sogenannte »Gleichbehandlung« mit den Angehörigen der Wehrmacht anzuerkennen. Helmut Schmidt passte das gar nicht. Er schrieb in einem Brief an seine ehemaligen »Kameraden« von der SS, der auf dem Jahrestreffen der HIAG verlesen wurde, er werde auch bei seiner »zukünftigen Arbeit im Bundestag versuchen, für gleichmäßige Gerechtigkeit zu Gunsten aller ehemaligen Soldaten zu wirken«.

Nun war Schmidt nicht der einzige, der lange vor Bitburg 1985 die Mitglieder der Waffen-SS als sogenannte »normale« einfache Soldaten ansah, obwohl die SS in den Nürnberger Prozessen zur »verbrecherischen Organisation« erklärt wurde. Auch CDU-Kanzler Konrad Adenauer hofierte den Mitgliedern dieser »verbrecherischen Organisation.« Erst 30 Jahre später, 1981, beschloss die SPD, dass HIAG-Angehörige nicht Mitglied der SPD sein können.

https://www.juedische-allgemeine.de/poli...m-fuehrer/
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#26
@lime
Zitat:Es wäre irgendwie auch komisch wenn die Bundeswehr irgendetwas nach einem der beiden deutschen Befehlshaber in der größten Seeschlacht des 1. Weltkrieges benennen würde, denn sie wäre aktuell ja gar nicht fähig überhaupt eine Seeschlacht zu führen.
Da sich das auf Scheer und Tirpitz bezogen hatte: Scheer ja, Tirpitz nein - er mag den Aufbau der Flotte vorangetrieben haben, hatte aber in der Skagerrak-Schlacht keine Funktion.

@GermanMilitaryPower
Zitat:Das sind Namen, die für etwas stehen. Stattdessen dümpelt unsere Flotte mit Namen von Bundesländern und Städten durch die Weltgeschichte. Obrige Namen tragen unsere militärischen und politischen Erfolge in die Welt und erzeugen Respekt und Anerkennung. Eine Bayern oder Hessen werden und können dies in diesem Ausmaß rein vom Namen auch gar nicht.

Hier kann ich wieder nur auf Japan verweisen, die sich vor ihrer Geschichte nicht in die Hose pinkeln. Izumo, Kaga, Maya, Atago, Kongo, Akizuki, Myoko ... Geschichtsträchtige „Landmark“-Namen, die identitätsstiftend für die japanische Marine sind.
Wir sollten uns hier nicht so sehr darauf konzentrieren, die Tradition an Namen von ehemaligen kaiserlichen (oder preußischen) Heerführern oder Herrschern zu knüpfen bzw. knüpfen zu wollen, schließlich hat auch die kaiserliche Marine genauso landesspezeifische Namen vergeben (z. B. Nassau oder Rheinland oder die alte, in zwei Weltkriegen bemühte Schleswig-Holstein [wenngleich diese auch noch kein Schlachtschiff im Dreadnought-Sinne war]). Hierdurch wurden diese Schiffe sicherlich nicht geschmälert in ihrem Wert betrachtet innerhalb der Flotte. Zumal manche Schiffe auch sehr allgemein benannt waren (König, Kronprinz etc.), was an Kreativität auch nicht überbordend war. (Was allerdings im Ausland genauso wenig sinnstiftend gehandhabt wurde, z. B. Monarch.)

Darüber hinaus, wie schon angemerkt, waren fast alle Großkampfschiffe der US Navy der Vor-Dreadnought- und Dreadnought-Phase auch z. B. nach US-Bundesstaaten oder Orten benannt. Die Hervorhebung - zumindest bei einem Teil der Schiffe - der Kriegsflotte mit Namen von Adligen oder von deren Heerführern war eine Marotte bei beinahe fast nur den europäischen Monarchien, von der sich die USA als demokratische Vormacht abgrenzen wollten. Und schlechter war die Navy sicher dadurch nicht...

Schneemann.
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#27
Ich finde es interessant, dass hier hauptsächlich über militärische Führer, d.h. Einzelpersonen diskutiert wird.

M.E. sind aber nicht in erster Linie Einzelpersonen traditionsstiftend, d.h. die Tradition der Bundeswehr gibt einiges mehr her. Hier einfach mal ein paar Beispiele, ohne allzu großen Bezug zur Wehrmacht:

- der Bezug der Jägertruppe zu den Befreiungskriegen
- die Traditionsnamen von Schiffen/ Boote hatte ich schon genannt
- Der Bezug der Marine zu Revolution von 1848
- Manche Traditionen sind wohl auch eher regional begründet, wie z.B. bei den Gebirgsjägern

Hier noch zwei Fragen:

- Gibt es Einheiten die einen Bezug zu früheren Einheiten haben, die schon vor der Bundeswehr existierten?
- Spielt der preußische Bewegungskrieg samt Auftragstaktik noch eine Rolle in der Bundeswehr bzw. kann das als Tradition angesehen werden?
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#28
Zitat:- Gibt es Einheiten die einen Bezug zu früheren Einheiten haben, die schon vor der Bundeswehr existierten?
Bezogen auf die Marine, würde mir ganz spontan ein Namen einfallen: Vermutlich war es das berühmteste und bei Freund wie Gegner auch bekannteste Schiff der kaiserlichen Marine - SMS Emden.

Es gab nicht nur diesen Kleinen Kreuzer, sondern auch einen Leichten Kreuzer aus der Weimarer Zeit (der dann im Zweiten Weltkrieg verloren ging) sowie zwei Fregatten der Bundesmarine, die diesen Namen trugen. Und jeder, der halbwegs was auf die Marine gibt, würde wohl zustimmen, dass dieser Namen nun wirklich ein Traditionsnamen ist - auch wenn es sich "nur" um einen Stadtnamen handelt. Wink

Schneemann.
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#29
Karlsruhe?
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#30
(26.04.2021, 14:40)26er schrieb: - Gibt es Einheiten die einen Bezug zu früheren Einheiten haben, die schon vor der Bundeswehr existierten?

Bayern
Panzerschiff der Sachsen-Klasse von 1878
Schlachtschiff von 1916

Sachsen
Panzerschiff von 1878

Baden
Panzerschiff von 1880

Württemberg
Panzerschiff von 1881

Cöln
Kleiner Kreuzer von 1908 und 1916

Hamburg
Radkorvette von 1848
Kleiner Kreuzer 1904

Bremen
Radkorvette 1848
Kleiner Kreuzer 1904

Und so kann man fast alle großen Städte und Länder was finden
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