(Land) Regiments- vs. Bataillonsstruktur
#32
Bezüglich des Faktors "Personal" kann ich nicht ganz zustimmen. Der menschliche Faktor wird heute in der Kriegsführung meiner Meinung nach sogar zu weitgehend unterschätzt und zu sehr auf das bloße Material geblickt.

Natürlich ist es vorteilhaft, wenn eine Anzahl Soldaten n mehr Material hat als die gleiche Anzahl n beim Feind. Aber das hat auch Grenzen, man könnte hier in der Übertragung von wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen von einem abnehmenden Grenznutzen sprechen.

Und: die bloße Zahl n ist es eben nicht, die Frage ist auch die Qualität des Personals. Wenn ich fähige und hochmotivierte professionelle Soldaten habe, dann können diese das Material auch wesentlich besser nutzen, also erhöht sich der Wert des Materials im Verhältnis. Verhält es sich anders herum, sinkt der Wert der gleichen Menge an Material deutlich ab.

Das Material ist also kein Selbstzweck sondern steht in einer Wechselbeziehung zur Qualität der Bediener.

Dies könnte übrigens unter anderem auch ein Grund für diese Struktur bei den Russen sein. Man setzt mehr Material pro Menge Soldaten n an, gerade um damit die geringere Qualität der Soldaten auszugleichen.

Das heute das Personal nur noch hinreichend effektiv sein muss sehe ich daher nicht so. Ein lediglich hinreichend effektives Personal benötigt aber natürlich mehr und besseres Material, es ist also kriegswirtschaftlich gesehen ineffizienter. Gerade in der heutigen Zeit aber wird die Frage der Effizienz immer relevanter, sind doch die Kosten des modernen Krieges einfach extrem hoch geworden. Mehr mit weniger zu leisten sollte daher eine primäre Zielsetzung sein und dies geht nur durch ein möglichst weitgehend qualifiziertes Personal.

Deine Schlußanmerkung bezüglich der Zielsetzung primär die Kampfunterstützungstruppen anzugehen sollte man in diesem Kontext ebenfalls nochmal heraus stellen. Den eine BTG hat im Verhältnis zu wenig für die Eigensicherung geeignete Kampftruppe. Sie ist meiner Meinung nach zu sehr auf den Kampf gegen die Kampftruppe des Feindes hin konzentriert, und scheitert daher bei der Eigensicherung ihrer Kampfunterstützungselemente. Das ist durchaus intentional, sonst könnte sie nicht derart kompakt / klein ausfallen.

Im Ukrainekrieg flanschen die Russen aktuell an ihre BTG daher alle möglichen zusätzlichen Infanterie-Einheiten dran, beispielsweise Einheiten der Seperatisten, Kosakenverbände oder sonstige Nachzügler - aber denen fehlt ebenso das Können und vor allem die Mobilität und das Durchhaltevermögen. Sie werden dann oft mehr zu einer Belastung für die BTG und eignen sich auch nicht für mehr als für bloße Sicherungsaufgaben. Zudem läuft das natürlich völlig dem eigentlichen ursprünglichen Konzept zuwieder.

Das ganze ist daher meiner Ansicht nach ein gutes Beispiel dafür, dass man ähnlich wie beim USMC, ich würde sogar sagen in einer nochmals übersteigerten Form des Grundgedankes der Marines, auch die Kampfunterstützungstruppen so weit wie möglich zum Kampf qualifizieren muss, als mindestens benötigen sie eine vollumfängliche Infanterie-Ausbildung und eine komplette Bewaffnung mit allen notwendigen Schützenwaffen.

Ausbildung als Infanterie kostet in Wahrheit nicht viel, ist unaufwendiger als vieles andere, das gleiche gilt für die genannten Schützenwaffen. Wenn man eine solche Ausbildung frei von allem Firlefanz nur auf Effizienz und Effektivität hin ausrichten würde, könnte man sehr schnell alle Unterstützungs-Elemente zu vollwertiger Infanterie heran bilden.

Also eben nicht bloß ausreichend qualifizieren, sondern über die eigentliche Aufgabe hinaus qualifizieren. Dieser Qualitätsvorsprung würde sich gerade in einem modernen Krieg in der entscheidenden Eröffnungsphase deutlich bemerkbar machen (bevor er bei einem längeren Abnutzungskrieg durch die Verluste nivelliert würde). Da ein solcher langer Abnutzungskrieg von unseren Gesellschaften aber ohnehin nicht gestemmt werden könnte, erachte ich die Überqualifizierung des Personals für absolut wesentlich und sehe in der höheren Qualität des Menschenmaterials einen wesentlichen Faktor um möglichst frühzeitig entscheidende Weichen stellen zu können.

Den Hinkefuß der BTG würde ich daher über den Materialmangel (als spezifisch russischer Erscheinung, bei der VR China sähe das aufgrund der industriellen Kapazität ganz anders aus!) daher vor allem auch im Mangel beim Personal sehen. Man hätte mit den BTG sehr viel mehr ausrichten können, wären die Soldaten dieser Einheiten nur befähigter gewesen.

Gerade aber weil diese Soldaten ja eigentlich eine Auslese aus den Brigaden waren und sind, primär Berufs- und Zeitsoldaten war ich so überrascht von ihrem oft bewiesenen Mangel an militärischem Können, den als Auslese aus ihren Herkunftsverbänden hätte ich sie querschnittlich für besser eingestuft.

Der Mangel an Können und das Primat einfach nur ausreichend effektiv zu sein haben daher die BTG im aktuellen Krieg meiner Meinung nach weit unter ihren eigentlichen Möglichkeiten operieren lassen.
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Nachrichten in diesem Thema
Regiments- vs. Bataillonsstruktur - von 26er - 21.04.2021, 10:27
RE: Regiments- vs. Bataillonsstruktur - von Quintus Fabius - 25.04.2022, 09:40

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