(Land) Regiments- vs. Bataillonsstruktur
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Auch die Brigaden der Bundeswehr beherrschen hier und heute das Gefecht der verbundenen Waffen nicht - dass geben weder Struktur noch Ausrüstung her. Um eine Brigade für das Gefecht der verbundenen Waffen tatsächlich einzusetzen müsste man Einheiten und Material aus mehreren Brigaden überhaupt erstmal zusammen stellen. Und umgekehrt gab es früher bei der Bundeswehr durchaus solche gemischten Verbände, gerade in Bezug auf Panzer und Panzergrenadiere, auf Bataillonsebene (Heeresstruktur IV, 1er Bataillone).

Bevor wir aber im weiteren über Vor- und Nachteile sprechen, über Regimentskampfgruppen (welche die Bundeswehr so als Konzept nie verfolgte) hin zur Frage was die Brigaden der Bundeswehr früher sein sollten (nämlich Mini-Divisionen) bis hin zur Frage was sie werden sollen müsste man überhaupt erstmal über Definitionen reden.

Im klassischen Sinne sind Regimenter Truppengattungsreine Einheiten welche sich wiederum aus Bataillonen (oder in bestimmten Ausnahmefällen direkt aus Kompanien) zusammen setzen. Bataillone sind damit genau genommen im klassischen Sinne und der üblichen Definition eine Untereinheit eines Regimentes. Wenn man diese klassische Definition anlegt, dann sind Bataillone kleiner und kompakter, Regimenter hingegen größer und ausladender. Der Vorteil einer Bataillonsstruktur in einer Brigade ist dann, dass diese insgesamt damit schlanker, beweglicher und besser versorgbar wird und zugleich man in der Brigade mehr Untereinheiten hat und dadurch flexibler wird, mehr Aufgabgen zugleich erfüllen kann usw. Natürlich könnte man gerade die letztgenannten Punkte auch dadurch erreichen, indem man die Bataillone der Regimenter dafür verwendet und exakt dass ist im Zweiten Weltkrieg auch so geschehen und von daher kam diese Entwicklung weg vom Regiment hin zum Bataillon da man sich so eine Führungsebene einsparen konnte und man ohnehin die Bataillone einsetzte und immer seltener komplette Regimenter.

Heute nun sind diese Begriffe allesamt schwammig geworden. Es gibt Bataillone die de facto Regimenter sind, es gibt Bataillone die größer sind als Regimenter und sehr kleine Regimenter die de facto Bataillone sind usw usf Diese Ungenauigkeit erschwert es erheblich hier klare Aussagen zu treffen und eben weil die Definition heute de facto unklar ist, gerade deshalb sollte man sich einfach von diesen Begriffen lösen. Man sollte stattdessen einfach die ungefähre Einheitsgröße und die Zahl der Untereinheiten und deren Untereinheiten angeben. Das schafft mehr Klarheit - während die Verwendung von Begriffen wie Bataillon etc. immer auch ein bestimmtes Bild transportiert. Rein militärwissenschaftlich also sollte man von Regimentern als einer zusätzlichen Ebene zwischen Bataillon und Brigade mit einem bestimmten Größenbereich und so und soviel unterstellten Bataillonen (Kompanien) sprechen.

Regimentskampfgruppen sind in früheren Zeiten vor allem von der US Amerikanischen Armee als organische Verbände von Grund auf aufgestellt worden, es gab sie natürlich in allen Armeen mehr oder weniger, aber nicht so von Grund auf als Konzept organisch zusammen gestellt. Am interessantesten fand ich hier immer die aus der US Kavallerie hervor gegangenen RCTs (Regimental Combat Teams), welche immer grundsätzlich aus einem HQ Element, zwei Bataillonen, einem Artillerie-Bataillon und einem Versorgungs-Element bestanden. Diese RCT waren im Kampfeinsatz oft deutlich schneller, beweglicher, und kampfstärker als größere RCTs die mehr Kampf-Truppen Bataillone hatten. Das waren meiner Kenntnis nach die ersten westlichen ™ Verbände welche gezielt auch die triangulare Struktur unterliefen, und dies zeitgleich wo diese die bis dahin vorherrschende Karree-Struktur ablöste. Sie nahmen dabei vorweg was die USA viele Dekaden später mit der Struktur für das FCS vorsahen, nämlich nur noch zwei Kampftruppen-Bataillone pro Großkampfverband einzusetzen, diese allerdings waren dann als Brigaden angedacht. Von daher ist auch hier wieder ein gewisser Bereich von Unschärfe zwischen größeren leistungsstärkeren Regiments-Kampfgruppen und tatsächlichen echten Brigaden zu sehen.

Vor- und Nachteile gibt es immer in jeder Form von Struktur. Das Problem ist in Wahrheit, dass man für bestimmte Strukturen welche im Krieg deutlich leistungsfähiger wären einen deutlich höheren Aufwand permanent vorhalten muss und dies wiederum andere relevante Bereiche beeinträchtigt, beispielsweise die Frage der Modernisierung oder die Frage von Auslandseinsätzen etc. Eine Armee kann selbst bei sehr großen Mitteln unabhängig von der Finanzierungsfrage oft nur einen Teil der militärischen Bereiche zugleich richtig angehen, dass ist teilweise sogar unabhängig vom Geld. Es heißt oft (aus organisatorischen, technologischen, sozialen, politischen usw usw usf) Gründen ein Entweder / Oder.

Wenn ich nun solche organischen (wie du schreibst permanenten) Verbände aufstelle und durchgehend mit einer hohen Einsatzbereitschaft vorhalte, dann kostet dass nicht nur erheblich, es schränkt auch sonst ein, beispielsweise bei Fragen der Modernisierung oder von Auslandseinsätzen. Das ist grundsätzlich so. Historisch wurde (und wird) alles mögliche versucht um diese Quadratur des Kreises aufzulösen, aber es war nie von Erfolg gekrönt.

Ein interessantes Beispiel ist hier vielleicht die kaiserliche japanische Armee, die aus ständiger Überspannung ihrer widersprüchlichen Zielsetzungen zu einer Armee von lauter Pool-Einheiten wurde, die man dann für Einsätze von überallher zusammen stückelte. Das ist vielen gar nicht bekannt - bzw. gar nicht so klar, dass die Japaner im zweiten Weltkrieg lauter Einsatzgruppen verwendeten, die vor dem Einsatz in keinster Weise organisch als Verband bestanden hatten. Deshalb gab es in der japanischen Armee beispielsweise eine Unzahl selbstständiger Kompanien, selbstständiger Bataillone und selbstständiger Regimenter. Bei den Japanern stellte sich dies im Laufe der Zeit als Vorteil heraus, als der Krieg länger dauerte und die Verluste immens wurden. Da die Grundstruktur ohnehin in diese Richtung ging, konnten japanische Großkampfverbände auf diese Weise ihre Kampfkraft selbst unter widrigsten Bedingungen weitergehend erhalten.

Nun ist heute der moderne konventionelle Krieg einer, welcher nicht in diesem Ausmaß, über diese Zeiträume und mit diesen Verlusten und Verheerungen geführt werden kann, weil unsere Gesellschaften dass in dieser Abhängigkeit gar nicht mehr hergeben. Die Auftaktphase ist daher von alles entscheidender Bedeutung, der Krieg wird de facto mit der Eröffnung gewonnen oder verloren. Demfolgend wären organische Verbände "besser", weil sie zumindest in der Auftaktphase mehr Kampfkraft liefern könnten. Die "organische" Struktur lässt sich aber in keinem Krieg länger aufrecht erhalten, sie bricht durch Verluste und Notwendigkeiten alsbald zusammen. Solche Einheiten wie du sie hier andenkst daher grundsätzlich aufzustellen ist nur ein Vorteil für die Eröffnung, welchen man aber durchaus teuer erkaufen muss. Nun ist die Frage ob man das will. Und andererseits gibt es den assymetrischen Krieg (den man durchaus weiter denken muss, dass wird in Zukunft von organisierter Kriminalität (siehe Mexiko) bis zu Partisanen im eigenen Land reichen) - in welchem die Strukturen welche im konventionellen Bereich überlegen sind wiederum unterlegen sein können. Beispielsweise stellte sich die binäre Gliederung der US Streitkräfte im Irak anfangs als großer militärischer Vorteil heraus, aber im Laufe der Besatzung als Nachteil. Eine klassische Karree-Formation auf allen Ebenen ist beispielsweise in assymetrischen Konflikten deutlich besser als selbst eine triangulare Gliederung. Von daher gibt es hier keine einzelne richtige Antwort, die Frage ist also eine des Kontext.

Was ist der Kontext?

Strukturen für sich allein zu diskutieren, ohne diese alles entscheidende Frage dabei mitzubedenken macht daher keinen Sinn. Die Struktur muss daher eine Anpassung an die Umstände sein und diesen entsprechen. Von daher können Regimentskampfgruppen sinnvoll sein, oder eben auch nicht.

Die Struktur der beiden Fallschirmjägerregimenter wäre daher durchaus theoretisch auf andere Bereiche übertragbar, aber macht dass auch in Bezug auf den Kontext Sinn? Das ist dann die Frage die hier gestellt werden müsste.
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Nachrichten in diesem Thema
Regiments- vs. Bataillonsstruktur - von 26er - 21.04.2021, 10:27
RE: Regiments- vs. Bataillonsstruktur - von Quintus Fabius - 21.04.2021, 18:33

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