(Sonstiges) Munition: 6 mm Optimum
#1
6mm Optimum

6mm (exakt: 6,17mm) als ein So-gut-wie—Universal-Kaliber. Ist das, von politischer Machbarkeit abgesehen, bloß Utopie?

Hier ein Link dazu:
https://www.g2mil.com/6mm_optimum_cartridge.htm
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#2
Was heißt Utopie? Das ist im Prinzip eine ganz normale Patrone welche halt wie viele Kaliber in diesem Bereich "besser" ist als die derzeit vorherrschenden NATO Kaliber. Es gibt eine ganze Reihe von Patronen in diesem Bereich, manche sogar noch mal deutlich leistungsfähiger (geringerer Rückstoß, bessere Ballistik, höhere effektive Reichweite, bessere Mannstoppwirkung usw usf Den die 6mm Optimum ist nun auch schon 2 Dekaten alt, siehe hier:

https://en.wikipedia.org/wiki/6mm_Optimum

Patronen mit 6,x mm Kaliber wären rein von der Leistung her die bessere Wahl für eine Universal-Patrone. Aber die Leistung ist nicht alles. Dazu kommen Kostenfragen, Logistische Fragen, Gewichtsfragen (bei einem intelligenten Mix von Kalibern sinkt beispielsweise insgesamt das Gewicht bei gleicher Schusszahl usw)

Es hat also nicht nur "politische" Gründe warum diese Kaliber sich nicht durchsetzen, es gibt auch ganz handfeste Argumente gegen ein solches Universalkaliber. Und ebenso auch sehr gute Gründe dafür. Rein technisch sind wie aber eigentlich längst weiter und bräuchten keine konventionellen Patronen mehr und auch im 6mm Bereich gibt es seit 1999 eine Menge noch besserer Neuentwicklungen.

Nimm zum Beispiel mal das neue 6,8mm Kaliber von SIG SAUER:

https://esut.de/2020/01/meldungen/ruestu...mcx-spear/

Und die dazugehörige Waffenfamilie welche DMR/Stgw und lMG mit Gurt umfasst die dann alle die gleiche Munition verwenden.

https://strategie-technik.blogspot.com/2...auers.html

https://en.wikipedia.org/wiki/.277_FURY


Oder beispielsweise wird innerhalb der US SOCOM inzwischen sehr weitgehend die 6,5mm Creedmoor verwendet, und es gibt sowohl StGw als auch lMG in diesem Kaliber welche bei diesen Einheiten verwendet werden !

https://www.thedrive.com/the-war-zone/28...achine-gun

Mk48mod2 in 6,5mm Creedmoor ist also Realität. So viel zu Politik.
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#3
Vorweg, vielen herzlichen Dank für die prompte und dann auch noch wirklich erschöpfende Erwiderung!

Zitat:Was heißt Utopie? Das ist im Prinzip eine ganz normale Patrone welche halt wie viele Kaliber in diesem Bereich "besser" ist als die derzeit vorherrschenden NATO Kaliber.

Utopie in dem Sinne, daß (über das bloße Potential hinaus) eine solche Patrone tatsächlich die nämlichen 5.56mm und 7.62mm ersetzt.
Ich müsste mich irren, aber es existiert noch keine Truppe, die die Waffenleiter Sturmgewehr - Maschinengewehr - Scharfschützengewehr mit einem einzigen Kaliber rauf und runter klettert.

Und hier sollte ich vielleicht dezidierter werden: Ich meine nur das Kaliber, nicht etwa eine spezielle Patrone. So wie die Russen früher ihr "3 Linien" Kaliber hatten und dieses in unterschiedlichen Patronen einsetzten:

• 7,62×54 mm R
• 7,62×39 mm
• 7,62× 38 mm Nagant
• 7,62×25 mm Tokarew


Zitat:Patronen mit 6,x mm Kaliber wären rein von der Leistung her die bessere Wahl für eine Universal-Patrone. Aber die Leistung ist nicht alles. Dazu kommen Kostenfragen, Logistische Fragen, Gewichtsfragen (bei einem intelligenten Mix von Kalibern sinkt beispielsweise insgesamt das Gewicht bei gleicher Schusszahl usw)

Das ist der für mich gewinnendste Aspekt am 6mm: der logistische Sprung! Bei kaum 10% weniger Leistung der kleineren 6mm zu 6.8mm schlägt sie andererseits logistisch um 30% ganz vorteilhaft zu Buche.


Wobei ich die 6mm nicht in Konkurrenz zur 6.8mm sehe. Beide subsummiere ich unter die 6mm-Gruppe und ebendiese soll aber in Konkurrenz stehen zu den beiden "etablierten", 5.56mm und 7.62mm.
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#4
Zitat:Utopie in dem Sinne, daß (über das bloße Potential hinaus) eine solche Patrone tatsächlich die nämlichen 5.56mm und 7.62mm ersetzt.

Beim US SOCOM ersetzt die 6,5mm Creedmoor zur Zeit die genannten Kaliber. Und trotzdem werden diese und auch noch ganz andere Ost-Kaliber paralell weiter verwendet, je nach Umfeld und Auftrag.

Du wirst immer einen gewisssen Munitionsmix haben, einfach weil das insgesamt vorteilhaft ist. Von daher könnte man also von Utopie sprechen. Andererseits aber ist die Frage wie du Vereinheitlichung überhaupt definierst? Wenn also sagen wir 90% der verwendeten Waffen das gleiche Kaliber haben, ist dass dann Einheitlich genug? Und wo ist da die Grenze ab der wir nicht mehr von Vereinheitlichgung sprechen?

Logistik und Vereinheitlichung sollten hier aber auch kein Selbstzweck sein, insbesondere nicht die Logistik. Wenn man die logistischen Vorteile zu sehr in den Vorderpunkt stellt, dann leiden wieder andere ebenso wesentliche Aspekte und man muss das daher immer ganzheitlich betrachten.

Die ganze Diskussion um ein Einheitskaliber ist ja uralt und ich führe sie im Endeffekt seit es Militärforen gibt und führte sie schon davor als ich bei den Streitkräften anfing und es noch nicht mal Internet gab. Und da hatten wir ja die 7,62 noch als "Einheitskaliber".

Zitat:Ich müsste mich irren, aber es existiert noch keine Truppe, die die Waffenleiter Sturmgewehr - Maschinengewehr - Scharfschützengewehr mit einem einzigen Kaliber rauf und runter klettert.

Gab es und gibt es und gibt es wieder. Nehmen wir mal die Bundeswehr bis 98: G3, G3ZF, MG3. Alle das gleiche Kaliber und da die ganze ZF Geschichte ziemlich stiefmütterlich behandelt wurde sogar die gleiche Patrone. Und heute beim US SOCOM gibt es StGw, MG und Scharfschützengewehre alle in 6,5mm Creedmoor.

Man könnte übrigens durchaus die gleiche Patrone für DMR und StGw/MG andenken. Es schadet keineswegs wenn StGw und MG präziser sind, ganz im Gegenteil. Die Frage ist sogar, ob man nicht jedes StGw durch eine DMR bzw. ein lMG ersetzen sollte und dafür das StGw Konzept aufgibt.

Zitat:Das ist der für mich gewinnendste Aspekt am 6mm: der logistische Sprung! Bei kaum 10% weniger Leistung der kleineren 6mm zu 6.8mm schlägt sie andererseits logistisch um 30% ganz vorteilhaft zu Buche.

Und eine hülsenlose Flechette Munition wäre nochmal immens viel leistungsfähiger bei noch viel größeren logistischen Einsparungen. Oder man geht zu Flüssigtreibladungen und/oder einer Trennung von Treibladung und Geschoss über. Nochmal mehr Leistung und nochmal viel mehr logistische Einsparung. Es gibt noch viele andere mögliche Technologien welche zugleich die Waffen deutlich weniger störanfällig, zuverlässiger und leistungsfähiger und leichter machen.

Solche 6mm Kaliber sind im Prinzip einfach NUR der evolutionäre Endpunkt konventioneller Patronen und stellen dann deren höchste Entwicklungsstufe dar. Und trotzdem sind sie ein Weg der nicht weiter führt wenn man sieht was hier technisch möglich wäre.

Und das bloße Gewicht ist nicht alles in Fragen der Logistik. Da bleibt auch die Frage der Kosten, die Frage wie leicht man eine solche Patrone in bestehenden Systemen nutzen kann und wieweit man diese dafür umbauen müsste ohne komplett neue Waffen zu beschaffen etc

Ebenso ist eine sehr hohe Leistung nicht ein Selbstzweck. Wenn 50% der Leistung reichen - warum sollte man dann so viel mehr Leistung benötigen ? Die Leistung in Sachen Reichweite, durchgehender Visierbereich, Energieabgabe im Ziel usw usf möglichst hochzujagen ist ebenfalls kein Selbstzweck.

Aber mal nicht so kompliziert:

Aktuell gibt es (immer noch) Armeen welche entsprechend hier die 7,62 einsetzen, beispielsweise die türkische Armee oder auch die Griechen, nur um mal zwei aktuell Beispiele zu verwenden. Langfristig werden Armeen welche dieses Konzept aufrecht erhalten wollen oder die dieses Konzept verwenden wollen auf ein 6,x mm Kaliber umsteigen. Bei bestimmten Vorreitern geschieht dies bereits hier und heute.

Die US Army wird bspw eventuell bald auf ein solches Konzept mit einem 6,xmm Kaliber umsteigen.

Die Bundeswehr wird dies meiner Überzeugung nach nicht tun. Für uns ist das also Utopie. In den USA könnte es in Kürze Realität werden, aber nicht mit der 6mm Optimum, sondern eben einem neuen noch besseren 6+ Kaliber.
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#5
Zitat:Die Frage ist sogar, ob man nicht jedes StGw durch eine DMR bzw. ein lMG ersetzen sollte und dafür das StGw Konzept aufgibt.

Meine volle Zustimmung. Abhängig vom jeweiligen Betrachtungsfeld kommt man zum Ergebnis, daß die Tötungsrate lediglich zu 2% und höchstens zu 10% durch Kleinwaffen zustande kommt. Das sage ich jedoch nicht, ohne darauf hinzuweisen, daß das Ausschalten feindlicher Kombattanten (=Tötung) nicht der alleinige Zweck der Kleinwaffen ist (Niederhalten ist etwa die zweithäufigste Nutzung). Andererseits ist jeder Kleinwaffeneinsatz rein situativ immer höchst prekär. Denn dabei ist man naturgemäß nahe/nächst am Feind. Eine Unzuverlässigkeit der Handwaffe, oder schlimmer noch des Projektils (=Zielwirkung), lässt dem (womöglich stürmenden) Schützen nur noch Sekunden - im allerbesten Fall.
Von daher sind etwaige Frontsoldaten soviel mehr eingenommen von Fragen zu Kaliber-, Patronen- und Schützenwaffen, verglichen mit Beschaffungsämtern und Stabsstellen weit weg von jedem Einsatz.

Zitat:Oder man geht zu Flüssigtreibladungen und/oder einer Trennung von Treibladung und Geschoss über.

Ist es möglich, darüber weiterführende Informationen zu erhalten?


Zitat:Es gibt noch viele andere mögliche Technologien welche zugleich die Waffen deutlich weniger störanfällig, zuverlässiger und leistungsfähiger und leichter machen.

Nichts, was mich mehr interessieren würde! Ich bitte um Erhellung.
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#6
Zitat: daß die Tötungsrate lediglich zu 2% und höchstens zu 10% durch Kleinwaffen zustande kommt.

Solche Zahlen sind ebenfalls völlig sinnfrei, da weder definiert ist was Kleinwaffen sind noch von welchem Szenario wir hier reden, und die Umstände diktieren in erheblichem Umfang welche Waffe relevant ist. Beispielsweise wären in einem tropischen dichten Dschungel Handgranaten die Kleinwaffe mit der größten Wirkung während in Afghanistan auf dem Land außerhalb von Ortschaften Handgranaten nur einen sehr geringen Anteil haben. Während beispielsweise im Orts- und Häuserkampf kurze kompakte Mikrosturmgewehre oder Maschinenpistolen relevant sind, leisten diese in Mali de facto nichts. etc

Das ist ja einer der wesentlichen Kritikpunkte an der 6mm Optimum gewesen: das je nach den Umständen ganz verschiedene Waffen und damit ganz verschiedene Kaliber deutlich überlegen sind. Es ist genau genommen ganz einfach: ein spezialisiertes Werkzeug ist einem Generalisten in seiner jeweiligen Spezialverwendung immer deutlich überlegen. Und die logistischen Vorteile eines Einheitskalibers sind demgegenüber gar nicht so groß. Die Logistik wird vor allem anderen durch ganz andere System belastet, beispielsweise durch die Artillerie. Der Bedarf an Patronen wird ganz locker nebenbei bewerkstellligt und belastet die Versorgungskette bis zur kämpfenden Einheit nicht.

Ein primäres Argument aber dafür ist die Versorgung vor Ort innerhalb der kämpfenden Einheit - also auf der taktischen Ebene: Und dass ist der meiner Überzeugung nach der entscheidende Punkt und der Grund warum ich ebenfalls ein Freund eines Einheitskalibers bin: nicht weil dieses besser wäre als die bestehenden NATO Kaliber, nicht weil die Versorgung oder die Kosten geringer wären, sondern primär und allein aus taktischen Gründen. Eine Einheit in der alle nur ein Kugel-Kaliber haben (und ganz allgemein möglichst wenige für alle identische Wirkmittel) kann untereinander im Gefecht die Munitionsvorräte ausgleichen. Und das ist tatsächlich ein wesentlicher und relevanter Vorteil.

Der zweite entscheidende Punkt ist, dass die bestehenden Kaliber in Bezug auf gegnerische Schutzwesten (SK4 breitet sich zunehmend aus) ausgereizt sind und selbst AP Munition hier zunehmend scheitert. Ein 6,xmm Kaliber hätte das Potential mit entsprechenden Geschossen jede SK4 zu durchschlagen. Und auch das ist absolut relevant.

Der dritte Punkt ist die effektive Reichweite welche insgesamt ansteigt und mit dieser eng verbunden der durchgehende Visierbereich. Mit einem solchen rasanten 6,xmm Kaliber kann ich von 0 bis yyy Meter mit nur einer Visiereinstellung schießen da die Flugbahn so gestreckt ist. Bei schnell wechselnden Distanzen und dem geringen Zeitfenster in welchem überhaupt eine Bekämpfung möglich wird ist auch das ein wesentlicher Vorteil. Und im Gegensatz zur 5,56 habe ich diese Eigenschaft dann eben auch auf größere Distanzen.

Verbleibt noch die Ablenkung der Geschosse durch Vegetation welche vermindert wird, die geringere Winddrift auf größere Distanzen etc etc etc

Wie man also sieht sprechen vor allem taktische Gründe für ein solches Einheitskaliber. In keinster Weise aber die Logistik oder die Kosten.

Zitat:Eine Unzuverlässigkeit der Handwaffe, oder schlimmer noch des Projektils (=Zielwirkung), lässt dem (womöglich stürmenden) Schützen nur noch Sekunden - im allerbesten Fall.

Der Schütze ist ja nicht allein, befindet sich in Deckung und weitere Soldaten wirken ebenfalls auf das Ziel. Wenn die Umstände so sind, dass ein Versagen der Kugelwaffe für den Schützen tatsächlich ein Problem darstellt, dann läuft ohnehin insgesamt etwas katastrophal. Die realen praktischen Fälle in denen man bei einer Hemmung oder mangelnder Wirkung "im Regen" steht sind absolute extreme Ausnahmen und für diese extrem seltenen Sonderfälle einen großen Aufwand zu betreiben ist sinnfrei.

Zitat:Von daher sind etwaige Frontsoldaten soviel mehr eingenommen von Fragen zu Kaliber-, Patronen- und Schützenwaffen, verglichen mit Beschaffungsämtern und Stabsstellen weit weg von jedem Einsatz.

Die sind mehr eingenommen vom Mangel an Flächenwaffen. Den der reale Kampf wird sehr stark von Flächenwaffen dominiert und die Infanterie verfügt über zu wenig solcher Waffen.

Ich würde rein persönlich beispielsweise jederzeit eine Granatpistole mit ausreichend Granaten unterschiedlicher Typen und eine MP7 als Kombination einem Sturmgewehr vorziehen, gleichgültig was für ein Kaliber dieses hat.

Zitat:Nichts, was mich mehr interessieren würde!

Ich mach dazu in Kürze einen eigenen neuen Strang auf, da es hier ja um die 6mm Kaliber gehen soll. Wird dann Schützenwaffen Heute heißen (die zwei gleichnamigen Bücher kann ich dir übrigens sehr empfehlen, auch wenn sie etwas älter sind. Ist auch vieles über Kaliber und Entwicklung drin in einer Qualität die man so im Internet heute nicht mehr findet).

https://www.amazon.de/Sch%C3%BCtzenwaffe...3894880570
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#7
Zitat:Solche Zahlen sind ebenfalls völlig sinnfrei, da weder definiert ist was Kleinwaffen sind noch von welchem Szenario wir hier reden, und die Umstände diktieren in erheblichem Umfang welche Waffe relevant ist.

Schludrig, nicht sinnfrei. Ich werde mich um Eindeutigkeit bemühen.

Die Relevanz jeder Waffe nahe am Feind ist eine permanente, nur in veränderlicher Dringlichkeit.



Zitat:Die Logistik wird vor allem anderen durch ganz andere System belastet, beispielsweise durch die Artillerie. Der Bedarf an Patronen wird ganz locker nebenbei bewerkstellligt und belastet die Versorgungskette bis zur kämpfenden Einheit nicht.

Das trifft auf eine reguläre Armee mehr zu als auf so etwas wie Freischärler.



Zitat:Eine Einheit in der alle nur ein Kugel-Kaliber haben (und ganz allgemein möglichst wenige für alle identische Wirkmittel) kann untereinander im Gefecht die Munitionsvorräte ausgleichen. Und das ist tatsächlich ein wesentlicher und relevanter Vorteil.

Das war während meiner Jahre beim Militär eine ständige Gefechtsdienst-Erfahrung. Darüber hinaus war ein erklärtes Ausbildungsziel prinzipiell "unterbrochenen" Nachschub zu antizipieren.

Eine skurrile Anekdote dazu:
Auf der Wienerwald-Patrouille hat einmal ein amerikanisches Team aufgegeben (!!) , weil bei einem von ihnen der Träger des Rucksacks gerissen ist.



Zitat:EIGENZITAT: Von daher sind etwaige Frontsoldaten soviel mehr eingenommen von Fragen zu Kaliber-, Patronen- und Schützenwaffen, verglichen mit Beschaffungsämtern und Stabsstellen weit weg von jedem Einsatz.

In einer 5-Jahres-Evaluierung (2003—2008) der US-Armee bezüglich gefechtsevozierte Verletzungen (inkl. letale Verletzungen) bei amerikanischen Truppen im Irak war zu beziffern: 76 Prozent aller Verwundungen und Tötungen geschehen durch Granate/Bombe/Rakete (insonderheit IED).
Auf der Gegenseite war dieser Anteil sogar noch höher.

Ich postuliere demnach: Spreng- und Splitterwirkung vor Kugelwirkung!

Naturgemäß sind die so politischen rüstungsbeauftragte Stellen wenig angetrieben "ihre" Ressourcen in Richtung Kugelwaffen zu schieben, wenn diese doch so wenig kriegsentscheidend und profilierend sind. Anders natürlich beim Soldaten im Infanteriekampf, der um seine hohe Abhängigkeit von seinem Gewehr weiß.



Zitat:Der Schütze ist ja nicht allein, befindet sich in Deckung und weitere Soldaten wirken ebenfalls auf das Ziel. Wenn die Umstände so sind, dass ein Versagen der Kugelwaffe für den Schützen tatsächlich ein Problem darstellt, dann läuft ohnehin insgesamt etwas katastrophal.

Absolut!



Zitat:Ich würde rein persönlich beispielsweise jederzeit eine Granatpistole mit ausreichend Granaten unterschiedlicher Typen und eine MP7 als Kombination einem Sturmgewehr vorziehen, gleichgültig was für ein Kaliber dieses hat.

Ich schätze "Was wäre wenn" Szenarien ungemein, weil sie hochgradig verständnisfördernd sind. Ich würde ähnlich wählen: Ein Granatgewehr (der Schaft trifft!) und eine Kugelwaffe à la "Mekanika Uru" (besteht aus lediglich 17 [!!!] Teilen) in einem passenden Kaliber.



Zitat:Ich mach dazu in Kürze einen eigenen neuen Strang auf, da es hier ja um die 6mm Kaliber gehen soll. Wird dann Schützenwaffen Heute heißen

Exzellent!!



Zitat:... die zwei gleichnamigen Bücher kann ich dir übrigens sehr empfehlen ...

Die hast Du nicht umsonst empfohlen. Besten Dank dafür.
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#8
PS:
Zitat:... da weder definiert ist was Kleinwaffen sind noch ...
Mit Kleinwaffen sollten die benamten Kugelwaffen (5.56mm, 7.62mm) gemeint gewesen sein.
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#9
Aktuell ist die 6mm ARC Patrone hinreichend gut getestet (einschließlich von zivilen Sportschützen), sodaß man zu ersten nichtspekulativen Aussagen kommen kann. Sie trifft oder übertrifft den Forderungskatalog an eine 6mm Optimum.

Empirisch ist die Terminalballistik der gefechtsrelevante Faktor. Und in diesem Bereich ist die 6mm ARC einfach nur fesch.

Die Forderungen, die schließlich zur 5,56er geführt haben, folgten ja nicht allein strengen ballistischen Vorüberlegungen, sondern auch weniger handfestem ...

Bestimmt schon oft gehört: Verwunden ist besser als töten.
Die Logik dahinter: Ein toter Feind ist gut, aber ein verwundeter Feind ist besser. Denn dieser bindet dadurch zwei zusätzliche Männer, die ihn vom Feld tragen ...

Die Realität: Die Idee, daß das "Militär NICHT schießt, um zu töten", ist blanker Unsinn. Wenn es wahr wäre, würden die Armeen Zimmerstutzen ausgeben. Kampftruppen hören nicht auf zu kämpfen, um Verwundete zu versorgen. Das überlassen sie den Sanitätskräften. Nur in Filmen hört die ganze Aktion auf und alle Soldaten versammeln sich um den verwundeten Soldaten herum, um seine sterbenden Worte zu hören und seinen dramatischen Tod mitzuerleben.

Im militärischen Kontext sollte gerade die persönliche Bewaffnung nach nur sehr wenigen Punkten bewertet werden, und alle hätten irgendwie mit Zerstörungskraft zu tun. Zerstörungskraft ist kein militärischer Begriff, erspart aber die Punktaufzählung für Wundballistik, Barrierendurchdringung etc.
Die angegebene effektive Reichweite einer Patrone sagt eher etwas über den Streukreisradius aus als über die Distanz, in welcher "die Wirkung" erwartet werden kann. Wer eine Waffe einsetzt, will Wirkung sehen.
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#10
Verwundete retten ist heute durchaus eine Hauptbeschäftigung, vor allem weil es immer gleich mehreren erlaubt sich legal wie legitim nach hinten abzusetzen. Das würde ich sogar als spezifisch westliche "militärische Krankheit" dieser Tage benennen. Man muss das jungen Soldaten heute regelrecht abtrainieren, aber in der BW wie anderen Armeen wird es stattdesssen als Thema gerade umgekehrt immer mehr aufgebläht (Combat Medic et al)

Und verwunden kann auch Sinn machen um Gefangene zu erbeuten, und kleinere Kaliber können genau so töten. Die Russen setzten beispielsweise sehr erfolgreich .22 Kleinkalibergewehre im OHK ein als Scharfschützenwaffen und töteten damit hoch effektiv. Auf den Philliipinen wurden beispielsweise im Guerillakrieg im Dschungel ebenfalls Kleinkaliber mit hoher Tötungsrate eingesetzt etc

Das soll jetzt bitte nicht so verstanden werden, dass Kleinkaliber besser wären, es soll nur zeigen, dass alles viel komplexer ist als die meisten annehmen. Beispielsweise stellte man auf den Phillipinen fest, dass die Soldaten bei freier Wahl immer das größere Kaliber wählten, und dann auch immer aggressiver und offensiver kämpften und dies selbst da, wo das Kaliber im Nachteil war.

Die Zerstörungskraft einer Waffe / eines Kalibers wirkt also in Wahrheit mehr auf der psychologischen Ebene, sowohl im Bereich Weapon Pull als auch Weapon Push und in Bezug auf das Niederhalten. Die Wirkung einer wesentlich tödlicheren Schützenwaffe ist aufgrund dieser Faktoren sogar primär eine psychologische. Der Feind zieht den Kopf mehr und länger ein und scheut es viel eher vorzugehen und umgekehrt rücken wir eher vor.
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#11
Gewiß, beabsichtigte Verwundung gibt es. Aber eine solche selbstauferlegte Letalitätsreduzierung ist militärisch nicht repräsentativ. Das Sturmgewehr als persönliche Waffe muß zuverlässig funktionieren. Und die zu verschießende Patrone muß zuverlässig wirken. Ansonsten wäre besonders der infanteristische Kampf nur fahrlässig.

Als man mit dieser Dreischuß-Feuerstoß-Begrenzung erste Truppentests machte, stellte man schnell fest, wie pekziert das eigentlich ist: Soldaten stürmen Feindstellungen nicht, wenn sie im Voraus wissen, daß das "Sturm"-Gewehr nach drei Schuß von selbst das Feuer einstellt. Das ist keine Frage der Argumentation, denn die Zaghaftigkeit ist keine Entscheidung. Und es tut mir weh Dir recht zu geben: Es ist tatsächlich fast vollständig eine Frage des Gefühls, des Eindrucks, der Augenblickspsychologie.

Im Vietnamkrieg hatte allein der Klang der sowjetischen 7.62er eine ausgesprochen einschüchternde Wirkung auf die Amerikaner. Sie wirkt ja "tödlicher", macht also irgendwie noch toter. Man sieht, mit Logik hat das ebensowenig zu tun wie mit irgendeiner Art von Rationalität. Andererseits ist es auch nicht dumm! Es gibt da einen Aspekt, der da auf psychologischer Ebene mitschwingt: Gefahrenvorzeichen.

Intuitiv wird eine Gefahr zur Bedrohung, wenn ihr eine hinreichende Anzahl von korrespondieren Symbolen vorausgeht. Das heißt, eine Gefahr wird erst dann bedrohlich, wenn sie als Gefahr überhaupt wahrgenommen werden kann. Und sie wird zu einer großen Bedrohung, wenn der Schweregrad mitvermittelt wird. Bei Schußwaffen im Allgemeinen sind das üblicherweise der Schußknall, resp. dessen Lautstärke. Oder der bloße Anblick einer weiten Mündung, weshalb gerade Schrotflinten so viel bedrohlicher wirken. Bei Schrotflinten wäre die sogenannte Pump gun ein besonders anschauliches Beispiel, denn da wirkt auf viele schon das charakteristische Geräusch des Lademechanismus ausgesprochen angsteinflößend. Bei Großkaliber Handfeuerwaffen, gerne als Monsterrevolver oder -pistole bezeichnet, wirkt ein kolossaler Mündungsblitz als imposant, obwohl er bloßer Ausdruck von Energieverlust ist. Bei Messern wiederum wirkt eine chromblitzende Klinge viel Furcht einjagender, psychologisch mit Kastrationsangst erklärt.

Und alle diese Eigenschaften haben eben eine Symbolkraft, die schreckliche Wirkung versprechen, noch ehe sie eintritt. Je mehr solcher Symbole registriert werden, umso bedrohlicher wird die Gefahr in ihrem Potenzial intuitiv eingeschätzt. Ein Auge für Gefahrenvorzeichen zu haben ist durchaus eine Frage der Lebenstüchtigkeit oder besser noch der Überlebensfähigkeit. Das ist nur eben keine Angelegenheit akademischer Logik. Deshalb sollte eine persönliche Waffe diese Instinkte nicht unadressiert lassen. Und wie wir alle wissen, hat keine Schußwaffe irgendwelche Wirkung - es ist die Patrone. Und die sollte dem Schützen Wirkung vorzeigen, nicht erklären (wie bei der 3-Schuß-Automatik). Der psychologische Effekt wird nicht ausbleiben.
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#12
Zitat:Bei Großkaliber Handfeuerwaffen, gerne als Monsterrevolver oder -pistole bezeichnet, wirkt ein kolossaler Mündungsblitz als imposant, obwohl er bloßer Ausdruck von Energieverlust ist.

Auch ein gutes Beispiel: selbst wenn aufgrund kurzem Lauf und Kompensator die tatsächliche Wirkung deutlich geringer ist fällt die Mannstopwirkung aufgrund des bloßen Spektakel oft größer aus.

Zitat:Im Vietnamkrieg hatte allein der Klang der sowjetischen 7.62er eine ausgesprochen einschüchternde Wirkung auf die Amerikaner. Sie wirkt ja "tödlicher", macht also irgendwie noch toter.

Ein schönes Beispiel. Die 5,56mm der Amis war in Wahrheit letaler, aber aus psychologischen Gründen fürchtete man auf beiden Seiten das größere Kaliber. Beispielsweise zogen auch die Vietnamesen bei einer 7,62x51mm eher den Kopf ein und wurden niedergehalten, obwohl die 5,56mm in Vietnam nachgewiesenermaßen viel eher tötete und die vorherige 7,62mm NATO eher verwundete (bedingt durch den Aufbau der Geschosse, die kurzen Distanzen und die optimale Lauflänge der M16 für das kleinere Kaliber).

Oder beispielsweise wollten alle Amis dann CAR15 wenn irgendwie verfügbar weil die Spezialeinheiten diese verwendeten (Logik: Special Forces = tödlicher = Gut), obwohl die M16 definitiv sowohl zuverlässiger als auch deutlich letaler waren. Wie man sieht hat das alles oft nichts mehr mit Logik und realer Wirkung zu tun, und auch heute ist es immer noch gleich.
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#13
Spektakel! Das war das Wort, das es beschreibt. Spektakel als psychologisch relevanter Begleitungumstand für die Einschüchterungsqualität und dadurch in weiterer Folge dem Zutrauen zur Waffe (eigentlich Patrone).

Ich stand bis zu seinem überraschenden Tod letzten Jahres mit dem deutschen Superballistiker Lutz Möller (ein Physiker, der Munition für Scharfschützen verschiedener Armeen und auch das "Weltrekordgeschoß" für Lapua entwarf) über Jahre hinweg in sporadischem Emailverkehr. Er hat es einmal so ausgedrückt, daß 60 Prozent der letalen Potenzialität einer Patrone dem durchschnittlichen Schützen mangels Schießkönnen nicht zur Verfügung steht. Daß die Trefferlage der alles dominierende Faktor ist, ist zwar der Breite der Schützen durchaus bekannt und eingängig, findet aber letztlich keinen Niederschlag. Schlimmer noch, das Gegenteil wird eingeübt. Etwa der sogenannte Mozambique Drill. Von drei Schußabgaben ist nur der letzte ein wirkungsvoll gezielter. Andererseits, dieses Dublettieren ist ja auch ein Spektakel.
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#14
Interessant sind in diesem Kontext Schalldämpfer weil sie sowohl die Kampfbereitschaft der eigenen Soldaten erhöhen (Weapon Pull), als auch die der feindlichen Soldaten senken (Weapon Push) und zugleich die Präzision (bessere Trefferlage) erhöhen. (neben anderen Vorteilen wie verminderter Signatur, Ohrenschonung etc)

Ein weniger effektives Kaliber mit Schalldämpfer ist dann von der realen militärischen "Leistung" (Wirkung etc) her besser als ein besseres Kaliber ohne Schalldämpfer. Passt auch gut zu dieser Aussage.
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#15
In der Tat! Und das ist keine Milchmädchenrechnung. Ich verweise in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf die „Angepasste Technologie“ (appropriate technology) von Ernst Friedrich Schumacher. Ein Mann von tiefen Einsichten, wie ich finde.
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