Droht ein Polexit?
#16
(22.07.2021, 14:32)spotz schrieb: Da es hier aber um die Unabhängigkeit der Justiz geht, glaube ich schon das dies vor 18 Jahren den Ungarn und Polen bewusst war, das die eine dauerhafte Voraussetzung für einen EU Beitritt ist.

Bezog sich jetzt auch auf die Erwähnung Ungarns durch Schneemann.
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#17
Zitat:Ich denke nicht dass jeder Ungar der in der Volksabstimmung vor 18 Jahren für den EU-Beitritt gestimmt hat sich auch der gesamten Tragweite bewusst war.
Darum geht es aber nicht. Wann gibt es denn die Option in einer Demokratie, eine Entscheidung davon abhängig zu machen, was eine jede einzelne Person in einem Staat denkt, wenn es um den Abschluss eines nationalen oder supranationalen Vertrages oder um das Erlassen eines Gesetzes geht? Nie, weil ansonsten keine Entscheidungen mehr getroffen werden könnten; ein glorifiziertes liberum veto als vermeintliches Idealbild einer funktionierenden Demokratie darzustellen, ist also irreführend und letztlich unlogisch, ja führt das Demokratieverständnis in gewisser Weise ad absurdum, da die Demokratie immer im Sinne eines Mehrheitsentscheides der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes zu folgen hat (und im Rahmen dieser Mehrheitsfindung auch Kompromisse schließen muss). Nur weil sich also einzelne Personen vllt. nicht über die Tragweite der Regierungsentscheidungen bewusst waren - oder ihr nicht zustimmen -, heißt dies ja nicht, dass die demokratische Legitimierung fehlen würde.

Oder andersherum: Wenn mehr als 80% der Ungarn dem EU-Beitritt zustimmen (2004), darf dann der Beitritt abgelehnt werden, nur weil eine unbekannte Schätzgröße dagegen sein könnte? Natürlich nicht.

Schneemann.
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#18
Man sollte hier klar trennen: Die Gängelung und Kontrolle der Justiz ist definitiv ein Bereich, welcher der Grundkonzeption der EU zuwieder läuft.

Nationale Gesetzgebung in Bezug auf irgendwelche sexuellen Minderheiten (welche auch nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik durchaus diskriminiert werden dürften, ja selbst eine strafrechtliche Verfolgung wäre Grundgesetzkonform) sollte hingegen eine rein nationale Angelegenheit bleiben. Und es komme hier keiner mit der EU Menschenrechtskonvention als angeblicher Grundlage (welche in ihrer neuesten Ausführung von dieser Bundesrepublik noch nicht mal ratifiziert wurde und weder ein Recht auf Asyl noch auf beliebige sexuelle Abweichungen kennt). Die Kulturen in Europa sind verschieden und wenn die EU diese Unterschied nicht rechtlich abbilden kann, dann wird sie scheitern. Gerade deshalb soll EU Recht durchaus auch intentional ein lebendes Recht sein, weshalb gemäß dem Europäischen Menschengerichtshof der Grundsatz der praktischen Anwendbarkeit der gewährten Rechte gilt.

Beide Themenfelder sollten deshalb völlig getrennte Bereiche sein und bleiben. Sie werden aber gerade von dieser Bundesrepublik in unangebrachter Weise miteinander vermischt. Man könnte in Bezug auf viele Fragen sowohl in Polen wie auch in Ungarn wesentlich mehr erreichen, wenn man nicht immer alles auf einmal und alles miteinander (verwoben) in unerträglich arroganter Weise einfordern würde.
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#19
Das genaue Gegenteil, wenn einzelne Mitglieder der EU es nicht schaffen, ihr Recht hinsichtlich der persönlichen Freiheiten an das geforderte Maß anzupassen, muss die EU dafür sorgen, dass diese Länder scheitern. Das Argument der kulturellen Unterschiede ist doch nur ein absurder Vorwand für die Missachtung eines gemeinsamen Standards der Menschenrechte und keine Basis für die Mitgliedschaft in einer notwendigerweise in Zukunft geschlosseneren Gemeinschaft. Das gilt völlig unabhängig von Ungarn, Polen oder der Sexualität.

Und im übrigen, hier in Deutschland wurden sexuelle Minderheiten diskriminiert und kriminalisiert, was, wie die neuere Rechtsprechung zeigt, nicht Grundgesetzkonform ist. Wie du auf die Idee kommst, dass überhaupt jemand nach dem Grundgesetz diskriminiert werden darf, erschließt sich mir auch nicht. Artikel 3 Absatz 1 ist dahingehend eindeutig, die Auflistung in Absatz 3 nur Symbolhaft, genau deswegen gibt es ja überhaupt die zwei Positionen zur Aufnahme der sexuellen Identität (genau die gleichen Positionen übrigens wie früher um die Aufnahme von "Behinderungen").
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#20
Aber war das denn bei Beitritt Ungarn das "geforderte Maß" oder haben sich die Mehrheit der EU-Staaten erst danach in die Richtung entwickelt? Die Möglichkeit für Homosexuelle eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen wurde in Ungarn erst einige Jahre nach dem Beitritt zur EU per Gesetz ermöglicht. Zum EU-Beitritt kann es also kein Hindernis gewesen sein, dass es dies damals noch nicht gab.
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#21
Der Status Quo der Gesetzgebung spielt keine Rolle, jeder Staat der EU verpflichtet sich auch zur Einhaltung der Kopenhagener Kriterien, die im Zweifel vom EuGH interpretiert werden, was wiederum anerkannt werden muss. Ein Rückschritt stellt da immer ein Problem dar, und es wäre absolut unlogisch und unzweckmäßig, wenn nicht die Fortentwicklung der Gemeinschaft mitgetragen werden müsste, weil das wie bereits gesagt zwangsläufig zu einem Zerfall führen würde. Davon abgesehen ist diese Fokussierung auf Gesetzgebungen hinsichtlich der Sexualität medialer Populismus, die Vorwürfe der EU hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeitsverletzungen Ungarns gehen deutlich weiter und tiefer, ähnlich wie das in Polen auch der Fall ist.
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#22
Wörtlich übersetzt bedeuten diese aber dass man sie einhalten muss um EU-Mitglied zu werden und nicht um EU-Mitglied zu bleiben. Gerade deshalb ist es ja auch aus juristischer Sicht ein so interessantes Thema.
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#23
Die Kopenhagener Kriterien wurden als Bewertungsmaßstab für neue Beitrittskandidaten aufgestellt, mit der Anerkennung des gemeinsamen Besitzstandes und der Integration der politischen Kriterien in den EU-Vertrag sind sie selbst und ihre zukünftigen Veränderungen aber maßgebend für alle Mitglieder. Aus dem Grund wurde gleichzeitig ja auch die Möglichkeit der Suspendierung der Mitgliedschaft bei schwerwiegendem Verstoß gegen Artikel 2 geschaffen. Juristisch interessant ist es meines Erachtens vor allem deshalb, weil natürlich eine Rechtsinterpretation erfolgen muss.
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#24
@Helios

Laut Artikel 7 (2) muss der EU-Rat einstimmig beschließen dass eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung vorliegt. Bedeutet im Endeffekt dass sich zwei Staaten gegenseitig davor schützen können. Im konkreten Fall wohl Ungarn/Polen.
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#25
Zitat:Ein Rückschritt stellt da immer ein Problem dar, und es wäre absolut unlogisch und unzweckmäßig, wenn nicht die Fortentwicklung der Gemeinschaft mitgetragen werden müsste, weil das wie bereits gesagt zwangsläufig zu einem Zerfall führen würde.
Einverstanden für Rückschritte, aber es gibt kein zwangsläufig. Weiterentwicklungen sind ein politisches, und kein juristsches Problem. Die Wähler müssen mitziehen.
In 2013 hatten wir in Frankreich das Gesetzt "Mariage pour tous"
Zitat:Die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts in Frankreich, auch gleichgeschlechtliche Ehe oder „Ehe für alle“ 1 genannt, ist seit dem 17. Mai 2013 gesetzlich erlaubt. Sie besteht in der Möglichkeit für ein Paar von zwei Männern oder zwei Frauen einen Vertrag einzugehen, eine standesamtliche Eheschließung, die bisher einem Mann und einer Frau vorbehalten war.
Ein echtes Psychodrame, Strassendemonstrationen,lange Nächte in den Parlamenten, heisse Diskussionen. Und eine Entscheidung der Politik, Regierung, Assemblée nationale und Senat.
Noch einige Jahre später wurde nachgetreten, "alles ändern nach den nächsten Wahlen", in 2017 neuer Président, nichts geändert.
Und dieses Jahr gibt es erweiterungen der Rechte für Adoptionen, für Künstliche Befruchtungen, und abgesehen von den üblichen Kathos aus der Vendee, werden die Diskussion flach gehalten,, keiner der gewählt werden will, will die Gesetze anullieren.
Ok wir sind weit von den deutschen Genderdiskussionen entfernt, aber wenn heute in einer Quizsendung in der TV die Frage nach dem Partner kommt, die Antwort "Männlein oder Weiblein" schockiert keinen mehr.
Und für die Wahlen 2022 ist das kein Thema mehr, ausser vielleicht für die Vendee Kathos
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#26
Helios:

Allgemein und nicht bezogen auf irgendwelche Personen mit einer Sexualpräferenzstörung: wenn nach dem Grundgesetz absolut niemand diskriminiert werden dürfte, dann würde es gar keine Aufzählung im Grundgesetz geben, denn dann bräuchte man eine solche nicht. Es würe dann da einfach stehen: Niemand darf diskriminiert werden. Das steht dort aber nicht. Im Umkehrschluss ist Diskriminierung in bestimmten Fällen durchaus Grundgesetzkonform.

Es wäre deshalb auch heute noch absolut Grundgesetzkonform, gerade deshalb fordern entsprechende Kreise hier seit Jahren schon eine Grundgesetzänderung. Und sexuelle Abweichungen sind nicht gleich Menschenrechte, es wäre traurig um die Menschenrechte bestellt, wäre dem so. Der gemeinsame Standard für Menschenrechte ist die EMRK. Diese wird auch von Ungarn und Polen durchaus eingehalten und im Gegensatz zu dieser Bundesrepublik haben Ungarn und Polen das 12. Protokoll zur EMRK sogar ratifiziert, was Deutschland bis heute noch nicht hat. Das deutsche Selbstbild und die Realität klaffen auch hier mal wieder weitgehend auseinander.

Eine größere Geschlossenheit dieses Staatenbundes in den alles entscheidenden Fragen (Außen- Sicherheits- und Wirtschaftspolitik) wird es zudem nicht geben, wenn man nicht in bestimmten anderen weniger wichtigen Fragen mehr Unterschiede zulässt und die einzigen die in der EU damit ein Problem haben sind diese Bundesrepublik und vielleicht noch ein paar wenige weitere kleinere Länder Westeuropas TM. Eine Mehrheit der EU Staaten hätte damit eben kein Problem.

Ohne die Beachtung der tatsächlichen realen kulturellen Unterschiede - und diese unterschätzt du meiner Ansicht nach erheblich - wird eine größere Geschlossenheit der EU nicht real erreichbar sein und die EU insgesamt scheitern. Wir müssen daher klar zwischen wesentlichen Fragen und absoluten Belanglosigkeiten unterscheiden und gerade dieser Bereich welcher in Osteuropa so viel Ablehung erzeugt ist in Wahrheit eine absolute Belanglosigkeit. Deshalb will ich auch gar nicht weiter oder genauer darauf eingehen.

Wenn du nun schreibst, dass einzelne Mitglieder der EU ihr Recht nicht so anpassen, wie diese Bundesrepublik es als Maß persönlicher Freiheit fordert (eine feine Ironie wenn man sich vor Augen hält dass in vielen Bereichen die persönliche Freiheit in der Bundesrepublik drastisch eingeschränkt ist und man weniger frei ist als in vielen anderen Ländern der EU und in Bezug auf das Maß an persönlicher Freiheit weniger von dieser hat als im Gros der Welt) dass dann die EU dafür sorgen soll, dass diese Länder "scheitern" (was genau soll dies überhaupt bedeuten!), dann ist das genau jene Haltung welche die EU scheitern lassen wird, dann wird es auf Dauer gar keine funktionierende EU mehr geben. Den die Ansichten dieser Bundesrepublik was die EU alles tun soll und durchsetzen soll und dass was andere dazu meinen unterscheiden sich. Diese realen Unterschiede nicht berücksichtigen zu wollen ist politisch falsch.
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#27
(23.07.2021, 14:15)voyageur schrieb: Einverstanden für Rückschritte, aber es gibt kein zwangsläufig. Weiterentwicklungen sind ein politisches, und kein juristsches Problem.

Entweder hast du mich, oder ich dich nicht verstanden. In der Diskussion ging es zunächst um die juristische Dimension, und da bedeutet die Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft natürlich auch notwendigerweise einen Zwang zur individuellen Weiterentwicklung im Rahmen der Gesamtentwicklung, weil ansonsten über kurz oder lang die Gemeinschaft keine mehr ist. Wie diese Weiterentwicklung individuell ausgestaltet wird ist natürlich jeweils ein politisches Problem, dass es hierbei unterschiedliche Geschwindigkeiten gibt ist im europäischen Gesamtkontext nachvollziehbar.

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@Quintus:

Wie bereits bei einer anderen Diskussion erwähnt bringt es wenig, wenn wir hier als juristische Laien beispielsweise in das Grundgesetz hineininterpretieren, wie es zu verstehen sei. Dafür gibt es die entsprechenden juristischen Kommentare, und die zeigen recht eindeutig, dass Artikel 3 Absatz 3 nicht abschließend zu verstehen ist. Es gibt auch gute Gründe, bestimmte Umstände explizit und andere wiederum nicht explizit im Grundgesetz zu nennen, auch abseits der sprachlichen Eleganz beispielsweise mit Blick auf die Justiziabilität. Das gleiche trifft im übrigen auch auf die EMRK zu, bei der das sogar explizit beabsichtigt ist.
Wenn ich mir übrigens diese Aufstellung anschaue, dann hat entgegen deiner Aussage Ungarn genauso wie Deutschland das 12. Protokoll nicht ratifiziert, sondern lediglich gezeichnet, während Polen es weder gezeichnet noch ratifiziert hat. Und ja, auch die sexuelle Orientierung gehört zu den Menschenrechten, wie der EGMR in verschiedenen Fällen auch explizit festgestellt hat. Damit ist der Schutz vor Diskriminierung aufgrund eben dieser auch teil der EMRK, insofern ist es gut wenn du diese als gemeinsamen Standard akzeptierst.

Ich unterschätze die kulturellen Unterschiede nicht, ich behaupte nur, dass ein Kulturbegriff nichts wert ist, wenn er zur Rechtfertigung von willkürlichen, individuellen Unfreiheiten dient. Es geht bei der Frage überhaupt nicht um Kultur, kein bisschen, sondern nur um einen aus (primär religiösen) Vorprägungen entstandenen Willen, andere Menschen dafür zu diskriminieren und kriminalisieren, wer sie sind.

Wie du auf die Idee kommst, dass ich die Bundesrepublik in der Diskussion als irgendeinen Maßstab betrachte, erschließt sich mir nicht.
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#28
Helios:

Zitat:bedeutet die Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft natürlich auch notwendigerweise einen Zwang zur individuellen Weiterentwicklung im Rahmen der Gesamtentwicklung, weil ansonsten über kurz oder lang die Gemeinschaft keine mehr ist.

Zweifelsohne benötigt man Gemeinsamkeiten und auch eine gewisse gemeinsame Entwicklung. Aber nicht in jedem Bereich und in Bezug auf alles, ganz im Gegenteil. Die Vielfalt in Europa durch eine de facto bundesdeutsche "europäische" Einheitskultur ersetzen zu wollen ist nicht nur gefährlich für den Bestand der EU, gerade der regelrechte Zwang in eine solche Vereinheitlichung hinein zerstört die Gemeinschaft, weil er keinerlei Pluralität mehr zulässt. Entsprechend ist die ganze Debatte gerade hierzulande auch so sehr ideologisiert und lässt keine anderen Auffassungen mehr zu, weil man ja scheinbar weiß, dass man allein im Besitz der einzigen absoluten Wahrheit in Bezug auf alles ist.

Wir benötigen in vielen Bereichen eben keinen Zwang zur individuellen Weiterentwicklung im Rahmen einer Gesamtentwicklung den weder gibt in diesen Bereichen eine solche Gesamtentwicklung, noch fördert dies die Gemeinschaft, noch ist es überhaupt notwendig. Wir zerstören die EU ohne Sinn und ohne Not für Nichtigkeiten und verschwenden unsere begrenzte Zeit damit sie für eben solche Bereiche zu vergeuden, die schlicht und einfach irrelevant sind.

Aus bloßer Ideologie heraus zerstört hier aktiv diese Bundesrepublik die EU und erkennt es noch nicht mal. Und eine solche ideologische Ausschließlichkeit welche unter dem Deckmäntelchen von Menschenrechten daher kommend alles einebnen und Bundesdeutsch machen will (am Deutschen Wesen allein soll erneut die Welt genesen) kann keine funktionierende Gemeinschaft tragen.

Zitat:Wie bereits bei einer anderen Diskussion erwähnt bringt es wenig, wenn wir hier als juristische Laien beispielsweise in das Grundgesetz hineininterpretieren, wie es zu verstehen sei.

Und wie schon früher kann ich nur erwiedern, dass dieses Argument mir zu sehr eine Argumentation mit Autoritäten ist. Völlig unabhängig von juristischer Bildung kann man nämlich durchaus logische Kausalketten bilden und feststellen, dass eine Aufzählung (auch wenn sie nicht abschließend ist) eben zwingend bedeutet, dass Diskriminierung gegen bestimmte Gruppen möglich sein muss, da ansonsten jede Art von Aufzählung sinnlos ist. Das gebietet einfach die Logik. Den sonst wäre der Text anders formuliert und ansonsten bedürfte es auch gar keiner Aufzählung.

Man könnte auch noch anmerken, dass aller Überhöhung des Grundgesetz und der Menschenrechte zum Trotz gerade in auch in dieser Bundesrepublik ständig massiv in die Menschenrechte und scheinbaren Grundrechte eingegriffen wird, einfach aufgrund von Gesetzen und Verordnungen. Ständig verstößt der Staat in allen Bereichen gegen die ach so heiligen Menschenrechte. Es kann auch gar nicht anders sein. Denn anders könnten weder der Staat noch die Gesellschaft überhaupt praktisch real funktionieren. Diese ganze Überhöhung ist also zum einen nur Propaganda, zum anderen auch Ideologie und ideologische Überzeugung, mit der man sich selbst das eigene Handeln legitimiert.

Zitat:ich behaupte nur, dass ein Kulturbegriff nichts wert ist, wenn er zur Rechtfertigung von willkürlichen, individuellen Unfreiheiten dient.

Dann ist unser Kulturbegriff auch nichts wert, denn er dient ganz genau so der Rechtfertigung von willkürlichen individuellen Unfreiheiten. Nehmen wir als Beispiel die Eingriffsrechte von Jugendämtern in dieser Bundesrepublik (war aktuell mal wieder Pro Jugendamt Propaganda in der SZ). Die gibt es so in keinem anderen Staat Europas in dieser Art und Weise und sie verstoßen eindeutig gegen die EMRK. Aber interessiert dass irgend jemanden hierzulande? Sogar im Gegenteil will man hier noch mehr staatliche Übergriffe. Ganz allgemein will man in der etatischen Grundkultur in dieser von der German Angst regierten Bundesrepublik nur immer noch mehr (Nanny)Staat der allumfassend alles regulieren soll, immer natürlich zum besten der Menschen. Mit Freiheit hat das nur noch wenig zu tun.

Zitat:Es geht bei der Frage überhaupt nicht um Kultur, kein bisschen, sondern nur um einen aus (primär religiösen) Vorprägungen entstandenen Willen, andere Menschen dafür zu diskriminieren und kriminalisieren, wer sie sind.

Wie ich es schrieb: erhebliche kulturelle Unterschiede. Und nun zum wesentlichen: eine Mehrheit der Menschen in diesen Ländern will es so, weil die Kultur einer Mehrheit genau so ist. Diese Diskriminierung und Kriminalisierung erfolgt aus einer breiten demokratischen Mehrheit heraus und diese ist weder durch Manipulation entstanden noch künstlich, sie spiegelt den realen Willen der Mehrheit der Menschen dort wieder. Genau so wie in der Bundesrepublik bis vor gar nicht so langer Zeit ebenso andere Menschen diskriminiert oder kriminalisiert wurden.

Jetzt aber zum wesentlichen: Es geht uns einfach mal rein gar nichts an. Wenn dort demokratisch legitimiert eine Mehrheit der Menschen andere Werte und Normen vertritt als die Bundesdeutschen, dann ist dem halt so. Ebenso wie umgekehrt die Ungarn und Polen es nichts angeht was hierzulande für erstrebenswert und richtig gehalten wird. Viel wesentlicher und wichtiger ist es, dass wir alle gemeinsam in den entscheidenden Fragen für die Zukunft geschlossen dastehen und dass werden wir nicht, wenn wir uns wegen Dingen entzweien, die allein eine rein nationale Angelegenheit sind und für das Funktionieren der EU in den entscheidenden Zukunftsfragen völlig belanglos sind.

Dann gibt es halt in der EU in bestimmten Bereichen Unterschiede. Dies ist keine Schwäche, es ist eine Stärke ! Das ist nämlich wahre Diversität. Und langfristig ist eine solche Vielfalt ein erheblicher Vorteil, und es war geschichtlich genau diese Vielfalt welche der primäre Vorteil Europas gegenüber anderen Räumen war.

Und diese Unterschiede schwächen nicht die Gemeinschaft, sie stärken sie in Wahrheit. Geschwächt wird sie allein durch die Forderung der Bundesrepublik dass alle so werden sollen wie die Mehrheit hierzulande es scheinbar geworden ist.

Wir gleiten hierzulande in Wahrheit zunehmend in einen moralischen Nihilismus ab, in welchem alles relativiert wird und nichts mehr gelten soll. Dass kann und wird nicht die Grundlage für geeintes Europa sein, da eine solche Geisteshaltung niemals ein idealistisches Konstrukt tragen kann. Entsprechend auch die zunehmende Europamüdigkeit in weiten Teilen Europas.

Zitat:andere Menschen dafür zu diskriminieren und kriminalisieren, wer sie sind.

Wo aber soll dann die Grenze sein? Wenn alle Grenzen schwimmend, fließend und realtiv sind, es keine absoluten Werte gibt, wo soll man dann aufhören? Wenn es aber eine Grenze gibt, dann wird immer irgend jemand diskriminiert werden.

In Wahrheit resultiert dieser Anti-Diskriminierungswahn meiner Ansicht nach aus einem spezifisch deutschen Selbsthass der uns befallen hat. Wir wenden uns jeder nur denkbaren irrelevanten Minderheit zu, und überhöhen diese und wollen das die ganze Gesellschaft sich um deren Ansichten dreht, weil wir unterbewusst in Wahrheit zum einen uns selbst so sehr hassen und zum anderen unterbewusst diese Minderheit gerade eben für minderwertig und unterlegen, für Opfer halten. Denn wären sie das nicht, wären sie ja auch nicht diskriminiert.

Eine Gesellschaft ohne jede Diskriminierung ist nicht nur keine Gesellschaft mehr, sondern eine zutiefst ablehnenswerte Karikatur menschlichen Daseins. Auch wenn es fast jedem kontraintiutiv erscheint: Diskriminierung ist die zwingende Grundvoraussetzung für Zivilisation, für technischen Fortschritt, für das Funktionieren einer Gesellschaft wie auch eines Staates. Jede Diskriminierung aufheben zu wollen ist daher im günstigsten Fall nur eine Phantasterei und in vielen anderen Fällen einfach nur der Weg in die Selbstvernichtung.

Nehmen wir mal nur die Staatsbürgerschaft als Ausschließlichkeitskriterium. Die einen sind Staatsbürger und dürfen wählen, die anderen nicht. Warum? Diskriminierung! Weg damit. Alle Menschis dürfen wählen egal wo auf der Welt sie sind, usw. Genau da führt diese Weg hin, in die Nicht-Funktionalität!
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#29
So viel Unsinn, in mein Augen gepaart mit mühsam kaschiertem Hass, kann ich heute wirklich nicht mehr verdauen, sorry. Normalerweise würde ich die Mods jetzt um eine Abkühlpause bitten, da sich hier aber 2 Mods batteln weiss ich nicht was die Alternative ist. Für eine „Mehrheit der Werte“ ist es wahrlich kein Gewinn, anderen Menschen das Leben zur Hölle zu machen.

Ungleiches muss nicht gleich behandelt werden: Wahlrecht gilt nur für Staatsbürger, nicht für Ausländer, und jeder hat „sein“ Land in dem er wählen kann – können sollte.
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#30
Ottone:

Inwiefern macht es einem das Leben hier in dieser Bundesrepublik zur Hölle wenn ein ganz anderer Staat beschließt, dass die Darstellung von Störungen der Sexualpräferenz nicht mehr im Unterricht in der Schule behandelt wird? Kommt dir deine Formulierung nicht selbst eigenartig vor? Das Leben wird also zur Hölle weil in einem völlig anderen Staat Schulbücher und Lehrplan geringfügig geändert werden. Ist das nicht bereits als Beweis dafür ausreichend was ich schrieb?

Zitat:Entsprechend ist die ganze Debatte gerade hierzulande auch so sehr ideologisiert und lässt keine anderen Auffassungen mehr zu, weil man ja scheinbar weiß, dass man allein im Besitz der einzigen absoluten Wahrheit in Bezug auf alles ist.

Oder bezieht es sich auf das Leben entsprechender Menschen in diesem Land? Deren Leben wird also zur Hölle, weil der Lehrplan geringfügig geändert wird? Ernsthaft?! Aber gleichzeitig verkauft diese ach so hochmoralische BRD Waffen und Technologie an verbrecherische Regime welche entsprechende Personen öffentlich hinrichten lassen, dass ist natürlich moralisch kein Problem. Gerade eben diese Scheinheiligkeit und Bigotterie der Bundesdeutschen wird in Osteuropa heute als sehr problematisch gesehen.

Und um die immer gleiche Frage noch einmal aufzuwerfen: Wo ist die Grenze?

Zitat:Ungleiches muss nicht gleich behandelt werden:

Wenn dem so ist, wo ist die Grenze? Den entscheidend sind nicht die absolut eindeutigen Fälle auf welche sich alle einigen können, sondern die Grenzfälle, der Graubereich. Und diese Grenzen werden seit ungefähr zwei Dekaden fortwährend verschoben, dies aber innerhalb der EU sehr uneinheitlich und aus dieser unterschiedlichen Entwicklung resultieren die vorliegenden Probleme.

Wenn Ungleiches eben nicht gleich behandelt werden muss, wo soll dann überhaupt das Problem sein?
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