(Allgemein) Bundeswehr – quo vadis?
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Rekordverdächtige Liste für den Haushaltsausschuss: 27 Rüstungsprojekte in der letzten Sitzung
Veröffentlicht am 22.06.2021 von T.Wiegold

In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause – und damit faktisch in der voraussichtlich letzten wesentlichen Arbeitssitzung vor der Bundestagswahl – wird sich der Haushaltsausschuss des Bundestages am (morgigen) Mittwoch mit einer rekordverdächtigen Zahl an Rüstungsprojekten befassen: 27 Vorhaben hat das Verteidigungsministerium dem Gremium vorgelegt, mit einem Umfang von fast 20 Milliarden Euro. Das Geld wird allerdings großenteils erst in den kommenden Jahren fällig.

Das Ministerium hatte die teilweise schon länger vorliegenden Anträge bewusst auf diese letzte Sitzungswoche gelegt – und zuvor eine Einigung mit dem Bundesfinanzministerium über höhere Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren abgewartet: Nach den vorherigen Planungen galt ein Teil der Rüstungsprojekte als nicht finanziert.

Die Projekte sind so genannte 25Mio-Vorlagen – benannt nach der Regelung, dass jedes Rüstungsvorhaben mit einem Umfang von mehr als 25 Millionen Euro jeweils gesondert vom Parlament gebilligt werden muss.

Größter Posten ist die Entwicklung des deutsch-französisch-spanischen Luftkampfprojektes Future Combat Air System (FCAS). Außerdem stehen mehrere Marineprojekte, von Schiffen bis zu neuen Seefernaufklärern, und die Nachrüstung von Puma-Schützenpanzern des Heeres an. Die Übersicht über diese Vorlagen, sortiert nach der am 17.Juni veröffentlichten Tagesordnung des Haushaltsausschusses:

• TOP 45
Obsoleszenzbeseitigung Integrated Mine Countermeasure System Minenjagdboote der Klasse MJ332C
Finanzbedarf 44,1 Millionen Euro

• TOP 46
Kommunikationssystem zur Führung des Schadensabwehr- und Gefechtsdienstes (SAGD) an Bord seegehender Einheiten
Finanzbedarf 75,4 Millionen Euro

• TOP 47
Abschluss eines Vertrages über die Qualifikation, Herstellung und Lieferung von Annäherungszündern, einstellbar, für Sprenggeschosse Artillerie (155 mm) – eine Ergänzungsbeschaffung elektronisch programmierbarer Zünder für die Geschosse der Panzerhaubitze 2000
Finanzbedarf 52 Millionen Euro

• TOP 48
Rahmenvertrag über die Herstellung und Lieferung von bis zu 80Fahrzeugsystemen „Fahrzeugfamilie mittel Spezialkräfte (FzgFamSpezKr)“ bestehend aus Aufklärungs-und Gefechtsfahrzeugen (AGF2)und Unterstützungsfahrzeugen für das Kommando Spezialkräfte (UFK)
Finanzbedarf 50,2 Millionen Euro

• TOP 49
Vertrag über die Beschaffung einer Rezertifizierungs-und Instandsetzungsausstattung für den Seeziel-Lenkflugkörper RBS 15 Mk3, das Hauptwaffensystem der Korvetten
Finanzbedarf 35 Millionen Euro

• TOP 50
Bereitstellung eines gesicherten Zugangs zu strategischen Lufttransportkapazitäten für übergroße und überschwere Fracht für die Jahre 2022 bis 2026 – der Chartervertrag des SALIS-Programms für ukranische Großraumflugzeuge
Finanzbedarf rund 206 Millionen Euro

• TOP 51
Abschluss eines Vertrages über die konsolidierte Nachrüstung des Schützenpanzers(SPz) PUMA 1.Los und Beschaffung der „Streitkräftegemeinsamen Verbundfähigen Funkgeräteausstattung (SVFuA)“ für die Ausrüstung von 50 Führungsfahrzeugen SPz PUMA/Gepanzerte Transportkraftfahrzeuge (GTK) BOXER
Finanzbedarf insgesamt knapp 1,9 Milliarden Euro – im Wesentlichen ist vorgesehen, 150 bereits vorhandene Schützenpanzer Puma auf den technischen Stand der Fahrzeuge aufzurüsten, wie sie für die NATO-Speerspitze (Very High Readiness Joint Task Force, VJTF) vorgesehen sind und die als einsatztauglich gelten. Die so genannte S1-Version des Puma soll in Details noch über die VJTF-Pumas hinausgehen; in der Vorlage geht es auch um die Option der Funkausstattung – insbesondere, ob langfristig das bereits entwickelte digitale Funksystem SVFuA oder ein anderes digitales System genutzt werden soll.

• TOP 52
Rahmenvertrag Sichere Inter-Netzwerk Architektur (SINA)
Finanzbedarf 873,54 Millionen Euro

• TOP 53
Abschluss eines Rahmenvertrages über die Herstellung und Lieferung ungeschützter Verwundetentransportfahrzeuge, geländegängig, (LKW UVT gl) mit Festbeauftragung
Rettungstransport/Notarztwagen, Finanzbedarf insgesamt rund 252 Millionen Euro

• TOP 54
Herstellung und Lieferung von zwölf Systemen „Geschützter Verwundetentransportcontainer“
Finanzbedarf 39,5 Millionen Euro

• TOP 55
Beschaffungsvorhaben Radarnavigationssystem für diverse Klassen
Finanzbedarf 39,98 Millionen Euro

• TOP 56
Entwicklungs-und Beschaffungsvorhaben: NH90 „Tactical Transport Helicopter“ –Mustereinrüstung eines neuen Electronic Warfare Systems (EWS) sowie einer Satelliten-Kommunikations-anlage (SatCom)
Finanzbedarf 115,8 Millionen Euro

• TOP 57
Abrufe von Haupt-und Reservefallschirmen aus dem bestehenden Rahmenvertrag im trinationalen Beschaffungsvorhaben des Fallschirmsystems „Ensemble de Parachutage du Combattant“ (EPC)
Finanzbedarf 56,81 Millionen Euro

• TOP 58
Beschaffungsvorhaben Obsoleszenzbeseitigung beimWeitbereichssensor der Fregatten Klasse 124“
Finanzbedarf 238 Millionen Euro; dabei geht es u.a. auch die Erweiterung des Radargeräts für die Abwehr ballistischer Raketen

• TOP 59
Verträge über die „Fregatten der Klasse 123 –Sicherstellen der Einsatzverfügbarkeit(SdEv) –Anteile BASIC-Paket/SENSOR-Paket und Performance Based LogisticsLeistungen“
Finanzbedarf 482 Millionen Euro, es geht um die Ersatzbeschaffung taktischer Radare für diese – ältere – Fregattenklasse

• TOP 60
Entwicklungsvorhaben „Joint Fire Support Team, schwer (JFSTsw) -Nachweismuster“
Finanzbedarf 88,2 Millionen Euro; damit soll der Transportpanzer Boxer als Plattform für die Joint Fire Support Teams entwickelt werden

• TOP 61
Beschaffungsvorhaben Bau und Lieferung von zwei Erprobungsbooten im Vorhaben „Seeversuch Küste“
Finanzbedarf 95,08 Millionen Euro

• TOP 62
Herstellung und Lieferung von Hauptkampf-und Reflexvisier sowie Laserlichtmodulen für das System Sturmgewehr der Bundeswehr
Finanzbedarf 304,05 Millionen Euro – es geht um „waffenübergreifend nutzbare Laserlichtmodule und Visiere“, damit ist diese Beschaffung unabhängig von der noch ungeklärten Frage, welches Sturmgewehr als Nachfolger des G36 beschafft wird.

• TOP 63
Herstellung und Lieferung sowie Installation und Integration von 4 Großraum-radargeräten „Hughes Air Defence Radar Nachfolgesystem (HADR NF)“ zur Luftraumüberwachung
Finanzbedarf 200,2 Millionen Euro

• TOP 64
Beschaffung von fünf Flugzeugen des Typs P-8A Poseidon als Interimslösung P-3C Orion
Finanzbedarf 1,43 Milliarden Euro. Die P-8A wird als Interimslösung bezeichnet, weil langfristig gemeinsam mit Frankreich ein Maritime Airborne Weapons System (MAWS) entwickelt werden soll. Die US-Regierung hatte dem Kauf von fünf dieser Flugzeuge mit umfangreicher Ausstattung im März gebilligt.

• TOP 65
Konstruktion und Bau von drei Flottendienstbooten der Klasse 424 (FDB424) und einer Ausbildungs-und Referenzanlage Aufklärung (ARAA)
Finanzbedarf knapp 2,1 Milliarden Euro – der Haushaltsausschuss soll einen so genannten Vorratsbeschluss fassen, weil gegen die Vergabe, aufgrund der so genannten nationalen Schlüsseltechnologien ohne Ausschreibung, juristische Verfahren laufen

• TOP 66
Herstellung und Lieferung von zwei U-Booten der Klasse 212 Common Design (U212CD)
Finanzbedarf 2,79 Milliarden Euro; es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt mit Norwegen

• TOP 67
Entwicklung und Beschaffung des Systems Persistant German Airborne SurveillanceSystems (PEGASUS) zur Schließung der Fähigkeitslücke Signalerfassende Luftgestützte Weiträumige Überwachung (SLWÜA)
Finanzbedarf 866,02 Millionen Euro – für ein bemanntes Aufklärungssystem an Stelle der zuvor geplanten Groß-Drohnen

• TOP 68
Deutsch-Französisch-Spanische Kooperationsvereinbarung für Forschungs- und Technologieaktivitäten im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklung und Beschaffung eines zukünftigen Kampfflugzeugsystems „Next Generation Weapon System (NGWS)“ in einem „Future Combat Air System (FCAS)“ für den Zeitraum 2021 bis 2027
Finanzbedarf 4,468 Milliarden Euro; es geht um das so genannte Implementing Arrangement 3 zur Phase 1B/2, also um die Entwicklung. So weit bekannt, liegt den Abgeordneten die endgültige Kooperationsvereinbarung noch nicht vor

• TOP 69
Beschaffung zweier Marinebetriebsstoffversorger der Klasse 707
Finanzbedarf 914,3 Millionen Euro – auch hier ein Vorratsbeschluss, weil es gegen die geplante Vergabe eine laufende Klage gibt

• TOP 70
Herstellung und Beschaffung einer Flugsicherungsanlage, modular und luftverladbar
Finanzbedarf 67,2 Millionen Euro

• TOP 71
Abschluss eines Vertrages über die Herstellung und Lieferung von Lenkflugkörpern Naval Strike Missile Block 1A einschließlich des notwendigen Zubehörs
Finanzbedarf 512,2 Millionen Euro – die Beschaffung dieses Waffensystems für Fregatten zur Bekämpfung von Zielen auf See und an Land ist ebenfalls Teil einer Kooperationsvereinbarung mit Norwegen und im Zusammenhang mit den U-Booten zu sehen

Offen ist noch, ob und zu welchen Vorhaben der Haushaltsausschuss detaillierte Vorgaben machen wird, so genannte Maßgabebeschlüsse – damit kann zwar ein Projekt bewilligt werden; für die tatsächliche Umsetzung müssen allerdings diese Vorgaben erfüllt sein oder ggf. Mittel noch mal gesondert vom Ausschuss freigegeben werden.

Noch für die Statistik und im Zusammenhang mit der gesamten Haushaltsplanung: In dem Finanzvolumen von fast 19,1 Milliarden Euro für alle diese 27 Vorhaben sind 806 Millionen Euro so genannte überplanmäßige Ausgaben enthalten – aussagekräftiger jedoch: Es sind auch überplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen von 6,16 Milliarden Euro damit verbunden, also bislang nicht vorgesehene Ausgaben in den kommenden Jahren.

Interessant ist auch, was nicht dabei ist. Ein Großprojekt wie der Schwere Transporthubschrauber (STH) zum Beispiel, der die betagten CH53-Helikopter ablösen soll, wird erst in der kommenden Legislaturperiode zur Entscheidung anstehen. Aber auch kleinere Projekte sind von der Liste gefallen, wie die Suchzündermunition Artillerie (SMArt) – die betroffenen Unternehmen pochen darauf, dass sie eine Zusagen für dieses Vorhaben erhalten hätten, und schließen Entschädigungsforderungen nicht aus.

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Verteidigungshaushalt soll 2022 und danach stärker steigen als geplant – Erstmals über 50 Mrd Euro
Veröffentlicht am 22.06.2021 von T.Wiegold

Der deutsche Verteidigungshaushalt soll im kommenden Jahr stärker als bisher geplant und erstmals auf mehr als 50 Milliarden Euro steigen; für die Jahre nach 2022 ist ebenfalls ein höherer Wehretat als bislang vorgesehen. Damit soll Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mehrere neue große Rüstungsprojekte beginnen können. Allerdings werden damit auch die Rüstungsausgaben für den Haushalt des Wehrressorts in den nächsten Jahren vorbestimmt.

Den Entwurf des Bundeshaushalts 2022 und die Finanzplanung für die Jahre bis 2025 will das Bundeskabinett am (morgigen) Mittwoch beschließen und damit eine Fortschreibung der Eckwerte vornehmen, die die Bundesregierung im März beschlossen hatte. Die endgültige Entscheidung über den Haushalt des kommenden Jahres trifft der Bundestag – allerdings dann erst in voraussichtlich neuer Zusammensetzung nach der Wahl am 26. September.

Für den Einzelplan 14, den Verteidigungshaushalt, sieht der Entwurf eine Steigerung von 46,93 Milliarden Euro in diesem auf 50,33 Milliarden Euro im kommenden Jahr vor – ein Plus von 7,2 Prozent und gut eine Milliarde Euro mehr als die noch im März vorgesehenen 49,3 Milliarden.

Darüber hinaus soll sich auch die Planung für die Folgejahre ändern und nach 2022 mehr Geld im Wehretat bereitstehen. Die Erhöhungen im Vergleich zu den Eckwerten vom März:

2023: von 46,33 auf 47,34 Milliarden Euro
2024: von 46,15 auf 47,16 Milliarden Euro
2025: von 45,73 auf 46,74 Milliarden Euro

also pro Jahr gut eine Milliarde Euro zusätzlich, wenn auch die fallende Finanzlinie der Jahre nach 2022 bleibt.

Hauptgrund für die Anhebung sind mehrere Rüstungsprojekte, die die Bundesregierung insgesamt unterstützt – was schon im Kabinettsbeschluss im März festgeschrieben wurde und im neuen Entwurf ebenfalls festgehalten ist:

Die für den Verteidigungshaushalt vorgesehenen Ausgaben im Regierungsentwurf zum Haus­halt 2022 steigen gegenüber dem Finanzplanansatz um rund 3,5 Mrd. € auf rund 50,3 Mrd. €. Hierin enthalten sind rund 1,2 Mrd. € aus dem Konjunkturpaket 2020.
Damit wird dem aktuellen Bedarf im Jahr 2022 insbesondere in den Bereichen Rüstungsbe­schaffung und Digitalisierung Rechnung getragen und es werden gleichzeitig Konjunkturimpulse gesetzt.
Die Bundesregierung bekennt sich zu ihren Verpflichtungen gegenüber der NATO sowie innerhalb der Europäischen Union.
Es besteht weiterhin Einvernehmen innerhalb der Bundesregierung, dass bestimmte Großvor­haben zum Schließen von Fähigkeitslücken gemäß dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und damit zur Wahrnehmung bereits eingegangener internationaler Verpflichtungen finanziert werden und es dem Verteidigungshaushalt ermöglicht wird, die insoweit verabredeten Fähig­keitsziele zu erreichen. Die Umsetzung dieses Einvernehmens setzt die Vereinbarkeit mit den jeweiligen Möglichkeiten der jährlichen Haushaltsgesetze voraus.
Auf Basis des Regierungsentwurfs zum Haushalt 2022 können mit dem Future Combat Aircraft System ein Vorhaben der deutsch-französischen Rüstungskooperation und mit dem U-Boot Klasse 212 CD (Common Design) sowie dem Lenkflugkörper Naval Strike Missile Block 1A zwei Vorhaben im Rahmen einer deutsch-norwegischen Rüstungskooperation, sowie außerdem die Schließung der Fähigkeitslücke zur luftgestützten, signalerfassenden Aufklärung (PEGASUS), der Ersatz der veralteten Flottendienstboote sowie die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur U-Boot-Abwehr umgesetzt werden, die auch im Kabinettbeschluss vom 24. März 2021 benannt waren.

Damit war die Verteidigungsministerin mit ihren Verhandlungen – oder eher: mit ihrem Pokern? – erfolgreich: Sie hatte dem Haushaltsausschuss des Parlaments angekündigt, mehrere Rüstungsprojekte zur Billigung vorzulegen, auch wenn dafür keine Finanzierung im Haushalt absehbar war. Das hatte unter anderem zu Streit selbst mit Abgeordneten aus der Koalition geführt; letztendlich erhält Kramp-Karrenbauer aber nun nach der Planung für das kommende Jahr das Geld für diese bislang nicht finanzierten langfristigen Projekte.

Um die wird es ebenfalls am (morgigen) Mittwoch gehen: Dann steht die rekordverdächtige Zahl von 27 Rüstungsprojekten auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses (unter anderem der neue Seefernaufklärer für die Marine, s. Foto oben – mehr zu den Projekten hier). Mit den zusätzlichen Mitteln ist die Finanzierung auch der bislang als ungesichert angesehenen Vorhaben formal abgedeckt.

Allerdings: Mit den neuen Projekten, wenn sie vom Haushaltsausschuss gebilligt werden, ist der Verteidigungshaushalt auf Jahre hinaus zum Teil bereits verplant. Grund sind die so genannten Verpflichtungsermächtigungen, mit denen das Verteidigungsministerium Verträge abschließen kann, deren Kosten erst in den nächsten Jahren fällig werden.

Der Wehretat weist damit künftig die mit Abstand höchsten Verpflichtungsermächtigungen auf, weit mehr als zum Beispiel der Verkehrshaushalt, in dem ebenfalls langfristige Vorhaben über solche Ermächtigungen abgedeckt werden: Die Gesamtsumme der für das kommende Jahr einzugehenden Verpflichtungsermächtigungen im Verteidigungshaushalt beträgt nach der Übersicht des Finanzministeriums 24,8 Milliarden Euro, von denen bis 2025 pro Jahr bis zu vier Milliarden und nach 2025 dann 13,4 Milliarden Euro benötigt werden.

Zum Vergleich: Der Haushalt des Bundesministereriums für Verkehr und digitale Infrastruktur sieht 15,4 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen vor, von denen pro Jahr zwischen knapp zwei und knapp vier Milliarden ausgegeben werden sollen.

Die entsprechenden Verträge allerdings kann das Verteidigungsministerium schon in diesem Jahr schließen, sobald das Parlament zugestimmt hat – und die haben dann auch Einfluss auf den Spielraum, den ein künftiges Parlament und die künftige Bundesregierung im Verteidigungshaushalt der kommenden Jahre haben.
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@Broensen: Es liegt doch hoffentlich ebenso in Deinem Interesse als Deutscher und vor allem Steuerzahler, dass unsere Armee funktioniert und die beste Ausrüstung erhält, die im Einsatz besteht. Dass dies eben nicht der Tiger ist, dürfte mittlerweile bekannt sein. Airbus und ehemals Eurocopter sind im zivilen Segment „State of the Art“ mit vollen Auftragsbüchern. Im militärischen Bereich leider inkompetent und unverlässlich. Gerne erinnere ich in diesem Kontext an das peinliche P-3 Debakel. Und genau jenem Giganten werfen wir nun die FCAS Milliarden in den Rachen … Entwickeln kann jeder, ob das Produkt danach ausgereift ist oder eben nicht, macht den Unterschied. Wer dies nicht garantieren kann, trocknet eben aus. Das ist Marktwirtschaft.

Selbstverständlich dauert diese Sanierung Jahre und muss vor allem von innen heraus von wichtigen Säulen getragen werden. Zunächst einmal funktionieren „Boots on the ground“ erstmal, wenn Helme, Nachtsichgeräte, Panzer & Co. flächendeckend in Deutschland ausreichend zur Verfügung stehen, und nicht überall zusammengekratzt werden müssen. Die Moral und Motivation des einzelnen Soldaten sind Messgrößen, die nur durch nicht greifbare Faktoren gesteuert werden können. Das beginnt bereits bei der Rekrutierung.

Selbstverständlich benötigen unsere Truppen Luftnahunterstützung, aber diese Doktrin wird von unserer Politik nicht geteilt. Kampfhubschrauber, COIN, Drohnen und schwere Bodenangriffsflugzeuge sind Angriffswaffen und werden von unserer politischen Führung fast schon geächtet. Dass der Tiger und die PzH2000 mal ran durften, lag wohl an dem sensationellen Erfolg des Karfreitagsgefechts. Ohne US-Unterstützung sind wir in komplexen und mittelschweren Gefechtssituationen sowas von verloren, weil wir keine Feuerkraft im Gefecht abbilden können, da uns die passende Ausrüstung fehlt. Eigene Apaches, Reaper und ne kleine Flotte an Super Tucanos wären im Hier und Jetzt eine sinnvolle Investition gewesen. Selbstverständlich werden durch einen Wegfall von FCAS Mittel frei, um andere Projekte und Beschaffung zu realisieren.

Neben der funktionierenden Ausrüstung benötigen wir aber auch die Bereitschaft, diese Waffen einzusetzen. Beide Positionen kollidierten aktuell und schwächen damit die Kampfkraft und Kriegstauglichkeit.

Natürlich gehen mit der Beschaffung auch Anpassungen und Modifikationen einher. Das Beispiel des Eurofighters bezog sich auf den Eurofighter, dessen Entwicklung Jahrzehnte zurückliegt. Meine These ist doch recht verständlich; hätten wir 1990 200 F-16 gekauft, hätten wir heute eine potentere Luftwaffe. Investitionsbereitschaft, Modernisierungen und volle Waffendepots vorausgesetzt. Und ich bin mir sicher, dass der erste Abwurf einer JDAM von einer deutschen F-16 nicht im Jahr 2010+ stattgefunden hätte. Wie gesagt, wir hinken mit unseren eigenen Entwicklungen so weit hinterher, dass es schwer zu glauben ist, dass wir auf einmal ein Flugzeug der 6. Generation entwickeln könnten.
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spotz:

Zitat:In den Berichten dazu wurde immer der "bruchfreie" also lückenlose Übergang der Fähigkeit zu ECR betont. Dieses Versprechen wollte die Regierung gegenüber der NATO halten.

Bei beiden Fähigkeiten geht es um die deutsche Zuverlässigkeit gegenüber seinen Verbündeten. Gerade weil Deutschland in anderen Bereichen seine Versprechen und Zusagen nicht erfüllte, gilt es umso mehr zumindest die noch erfüllbaren Zusagen unbedingt einzuhalten, um seine eigene Glaubwürdigkeit zu untermauern bzw den eigenen guten Willen zu zeigen.

Meiner Einschätzung nach wird es so oder so hier (ECR) zu einer Lücke kommen und besser diese entsteht jetzt und wird bis spätestens Ende des Jahrzehntes geschlossen, als dass sie später entsteht, den jetzt ist die Lage insgesamt noch überschaubar. Die Bundesrepublik steht im Weiteren in der NATO ohnehin schon nicht sehr gut dar, und wenn wir Zuverlässigkeit beweisen wollen, dann geht das nicht über die krampfhafte durchgehende Aufrechterhaltung der ECR Fähigkeit, sondern indem wir ganz allgemein endlich eine tatsächliche Wende einleiten und zuvorderst indem wir das symbolische 2% Ziel auf der Stelle umsetzen.

Ganz allgemein ist das Ansehen der Bundeswehr wie der Bundesrepublik in anderen Ländern in militärischen Fragen gelinde gesagt nicht gut. Bodentruppen und Infanterie haben in Europa nun genug andere kleinere EU Länder, aber gerade diese können sich sehr aufwendige und teure Systeme nicht leisten. Im Rahmen einer sinnvollen europäischen militärischen Arbeitsteilung wäre es daher sinnvoll wenn die Bundesrepublik gezielt die Fähigkeiten rüsten würde, welche diese Länder so nicht bereit stellen können und das wäre primär bei der Luftwaffe und leistungsfähiger Luftraumverteidigung der Fall.

Hier stellt sich mir die Frage, ob man da nicht extreme Schritte gehen sollte und sowohl den Tornado, wie auch den EF, wie auch das geplante FCAS hiermit aufgeben und stattdessen fließend und ohne Lücke alle genannten Systeme durch F-35 ersetzt. Statt einem besseren Kampfflugzeug irgendwann 2050 ff und in kleineren Stückzahlen hätten wir zeitnah ein sehr gutes Kampfflugzeug in größeren Stückzahlen welches zugleich mit dem vieler anderer NATO Partner wie anderer Verbündeter des Westens identisch wäre. Zudem würde so auch die nukleare Teilhabe (reiner Symbolismus, aber was solls) erhalten.

Statt die Tornado bis zum St Nimmerleinstag weiter zu quälen, unzureichende EF zu haben und irgendwann zu spät und zu wenig FCAS zu haben, könnte man viel zeitnäher 200+ Kampfflugzeuge des Typs F-35 haben, was eine erhebliche Steigerung unserer militärischen Leistungsfähigkeit wäre und genau das was die Bodenstreitkräfte der Osteuropäer von uns als Ergänzung benötigen würden.

Rein persönlich würde ich das FCAS bevorzugen, aber wenn man es halt wirklich realistisch betrachtet und sich die realen praktischen Umstände ansieht, dann wäre eine starke Luftwaffe welche auf die F-35 abgestützt wird die einzig sinnvolle Lösung. Da aber militärisch sinnvolle Lösungen in dieser Bundesrepublik niemand interessieren, sondern es allein darum geht Steuergelder an Großkonzerne umzuverteilen und die "Eliten" zu berreichern, ist das natürlich genau so illusorisch wie die Annahme wir würden irgendwann das FCAS hinkriegen.

Am Ende werden wir weder das FCAS haben noch ECR noch die nukleare Teilhabe. Meiner Meinung nach wird das genau so kommen.
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(23.06.2021, 07:52)Quintus Fabius schrieb: Da aber militärisch sinnvolle Lösungen in dieser Bundesrepublik niemand interessieren, sondern es allein darum geht Steuergelder an Großkonzerne umzuverteilen und die "Eliten" zu berreichern, ist das natürlich genau so illusorisch wie die Annahme wir würden irgendwann das FCAS hinkriegen.
Wäre es denkbar, die Absolutheit dieser Aussage einzuschränken, oder ist sie genau so zu 100% tatsächlich korrekt? Talking about Fatalismus und die Lust am Untergang…
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Natürlich ist das polemisch und wenn es deinem Seelenheil zuträglich ist, schränke ich es gerne ein. Dessen ungeachtet ist es keine Lust am Untergang festzustellen, dass in dieser Bundesrepublik für eine absolute Mehrheit der hier lebenden Menschen militärische Belange an letzter Stelle kommen. Das ist einfach Fakt, und es ist ein Problem.
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(23.06.2021, 07:52)Quintus Fabius schrieb: Am Ende werden wir weder das FCAS haben noch ECR noch die nukleare Teilhabe. Meiner Meinung nach wird das genau so kommen.
Mal ehrlich: Warum? Mir kommt es so vor, als spricht aus dir eine tiefe Enttäuschung.

Ich kenne mich nicht gut mit Militär aus, aber ich wüsste nicht warum der E/A und F/A 18 später über ECR oder der Fähigkeit zur nuklearen Teilhabe verfügen sollten, als der F-35. Im Gegenteil meine ich mich erinnern zu können, dass das Verteidigungsministerium der Meinung war das beim Eurofighter und F-35 ein größeres Risiko besteht, das diese Fähigkeiten rechtzeitig zur Verfügung stünden.

Du selbst schreibst zweimal das der Ruf Deutschlands bei der militärischen Zuverlässigkeit ganz schön gelitten hat. Dein Vorschlag erinnert mich in dem Zusammenhang ein wenig an das Sprichwort: Ist der Ruf erst einmal ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert. Wink Sollten wir deinem Vorschlag folgen, würden wir wieder mehrere Verbündete vor dem Kopf stoßen, weil wir bestehende Zusagen einfach nicht einhalten. Angefangen von Frankreich beim FCAS, bis zu den Eurofighter Ländern. Das kann es nicht sein und würde jede weitere internationale Kooperation Deutschlands wiederum erschweren, weil wir unseren eigenen Ruf selbst beschädigen.

Politisch ist seit der Krim Krise, Trump usw. unser Ziel einer vertieften europäischen Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik. Dein Vorschlag läuft dem massiv zuwider. Wir wollen mit deutscher Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit gegenüber unseren Partnern werben. Daher macht es aus meiner Sicht mehr Sinn was die derzeitige Bundesregierung vorhat, als dein Vorschlag.

Ich bin absolut deiner Meinung das Deutschland gezielt in teure und seltene Ausrüstung investieren sollte. Ausrüstung, die sich die meisten unserer europäischen Verbündeten nicht leisten können. Ich glaube jedoch nicht das dies der F-35 ist. Über den verfügen schon einige europäische Verbündete wie Belgien, Dänemark, Italien, Niederlande, Norwegen, Polen und das Vereinigte Königreich. Ich sehe keinen Mehrwert darin, wenn sich Deutschland auch noch da mit einreiht. FCAS jedoch wäre eine Bereicherung in der europäischen Luftverteidigung.
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(22.06.2021, 20:47)Quintus Fabius schrieb: Und gerade weil es nur bis zum Ende des Jahrzehntes dauern würde bis ein EF ECR einsatzbereit zur Verfügung steht wäre dies meiner Meinung nach die richtige Option. Eine gewisse Lücke ist hier unvermeidlich, der Grund dafür unser viel zu langes Zögern in dieser Sache. Man sollte hier daher den Mut zur Lücke haben.

Für mich wäre das kein Mut, sondern Verzweiflung, und absolut nicht nachvollziehbar. Völlig losgelöst von der hier bereits thematisierten Zusage an die NATO, eine Fähigkeit jetzt aufzugeben bedeutet den Erfahrungsverlust und den damit einhergehenden Aufwand zur Wiederbefähigung in Kauf zu nehmen, keine Kontinuität in der Fähigkeitsfortentwicklung zu haben und damit auch die zukünftige Fähigkeit absehbar zu schwächen, nur um Kosten zu sparen. Letztlich geht dabei exakt das, was man für Geld eben nicht kaufen kann, verloren.
Genau das ist meines Erachtens eines der fundamentalen Probleme unserer Bundeswehr, dass vorhandene Fähigkeiten entweder durch kurzsichtige Sparvorhaben abgeschafft oder durch mangelnde Laufzeitunterstützung der Systeme immer weiter verkommen bis sie militärische irrelevant werden, um anschließend für viel Geld wieder aufgebaut werden zu müssen. Siehe Flugabwehr, siehe MPA, siehe...

(22.06.2021, 22:27)GermanMilitaryPower schrieb: @Helios: Kannst Du den besagten Waffeneinsatz deutscher Kampfflugzeuge bitte näher spezifizieren. Seit dem Kosovokrieg, bei dem unsere Tornados HARM eingesetzt haben, ist mir kein weiterer Kampfeinsatz bekannt. Allerdings ist der Einsatz über 20 Jahre her und bietet daher heute keine notwendige Einsatzerfahrung mehr, da der Großteil unserer heutigen Piloten zur besagten Zeit noch im Kindergarten war.

War das denn kein Kampfeinsatz? Und ein großer Teil derer, die damals Einsätze flogen, sind auch noch heute aktiv, teilweise auch als Ausbilder. Der Fähigkeitserhalt in diesem Bereich klappt. Aber nochmal die Frage: worauf willst du mit dieser Argumentation hinaus, und warum beschränkst du das exklusiv auf die Luftwaffe?

Zitat:Die Bundeswehr ist trotz Afghanistan und Mali, qualitativ und quantitativ so weit von einer adäquaten Wehr- / Kriegsfähigkeit entfernt, wie nie zuvor. Dass daran eben nicht nur der monetäre Aspekt Schuld ist, haben wir bereits zur Genüge diskutiert. Das Problem liegt vor allem in dem von mir erwähnten, total außer Kontrolle geratenen Mix zwischen Quantität und Qualität.

Nein, das ursprüngliche Problem liegt im fehlenden Willen der Gesellschaft (und in Folge der Politik), Krieg als ein politisches Mittel zu verstehen. Daraus ergeben sich all die weiteren Probleme, der Unwille, militärisch aktiv zu werden, die fehlende Finanzierung von Rüstungsvorhaben, selbst der übertriebene Sicherheitsgedanke, der dazu führt, dass Qualität in jeglicher Hinsicht über Quantität gestellt wird. Solange aber das ursprüngliche Problem nicht gelöst wird, ändert das herumdoktern an den sich daraus ergebenen Problemen nichts ändern.

Zitat:Mit dem Wissen von heute betrachte ich den Eurofighter als eine massive Fehlentscheidung, da die Hauptaufgabe des Flugzeugs das Ausgeben von Geld (Wirtschaftssubvention) war und ist.

Du beschreibst damit das inhärente Paradoxon von Streitkräfte und Militärtechnik, abseits vom konkreten Einsatz sind Beschaffung und Unterhalt immer eine massive Fehlentscheidung, im konkreten Einsatz wäre der Verzicht auf Beschaffung und Unterhalt eine massive Fehlentscheidung, und das eine begünstigt immer das andere. Das betrifft nicht nur den Eurofighter, sondern nahezu alles andere auch und insbesondere die Bundeswehr selbst als ganzes.
Rein technisch war und ist der Eurofighter ja keine massive Fehlentscheidung, im Gegenteil handelt es sich um ein auch im internationalen Vergleich sehr leistungsfähiges Kampfflugzeug. Das politische Ziel einer unabhängigen europäischen Entwicklung hat er ebenfalls erfüllt. Als Werkzeug primär für einen symmetrischen Krieg ist er für viele tatsächliche Einsätze der heutigen Zeit überqualifiziert, das wäre er aber auch dann, wenn die politischen Rahmenbedingungen hinsichtlich militärischer Interventionen anders ausfallen würden. Und genau darauf will ich hinaus, ich verstehe deine Argumentation an dem Punkt nicht, denn das gilt für jegliche Ausrüstung, die primär für symmetrische Zwecke ausgelegt ist. Das ist auch kein bundeswehrspezifisches Problem, sondern bei allen Streitkräften weltweit anzutreffen. Die logische Konsequenz dieser Überlegung hätte die gleichen Folgen wie die Transformation der Bundeswehr der 90er und 2000er Jahre. Das kann man natürlich wollen, ich will das nicht, und deshalb sehe ich auch kein Grund zur Resignation.

Zitat:Aus diesem Grund betrachte ich FCAS als weiteren Sargnagel der deutschen militärischen Einsatzfähigkeit. Wir entwickeln ein extrem teures Kampfflugzeug, dessen Erfolg nicht garantiert ist, das frühestens 2040 zuläuft, und gleichzeitig fehlen uns im Hier und Jetzt Helme, Munition, Bomben, Panzer, Soldaten, etc. Das passt nicht zusammen und kann auch von Dir nicht bestritten werden, da diese Ausgangslage Realität ist.

Erfolg kann man nicht garantieren, niemals. Und der aktuelle Ausrüstungsmangel wird nicht durch den Verzicht auf Großprojekte reduziert, sondern einzig und allein durch den politischen Willen diesen Mangel abzustellen. Denn, und das ist für mich der entscheidende Faktor, wir können uns eine sehr gut ausgestattete Bundeswehr in der aktuellen Größe leisten, es ist also einzig die Frage, ob wir sie uns leisten wollen? Letzteres war bisher nicht der Fall, wenn das aber das Fall wäre, könnte man sowohl die Bundeswehr kurzfristig einsatztauglich machen und trotzdem langfristige Projekte finanzieren. Ist das auch dauerhaft nicht der Fall, dann nützt die Aufgabe von Großprojekten nichts, weil das Geld schlicht nicht umgeschichtet werden würde.

Zitat:Wir brauchen neben der Bereitschaft unser Portfolio an Waffen im Bedarfsfall einzusetzen, genauso Waffensysteme, die die Schlagkraft unserer Truppe (vor allem hier und jetzt, spätestens zeitnah) erhöhen, ohne den Kostenrahmen zu sprengen.

Richtig, gleichzeitig darf man aber auch das Gesamtbild nicht außer acht lassen. Denn der Wille, diese Waffen im Bedarfsfall auch einzusetzen sollte den eigenen Motiven und damit einer unabhängigen, zumindest europäischen Sicherheitspolitik entspringen. Diese ist aber in letzter Konsequenz nur gewährleistet, wenn es auch eine entsprechend unabhängige, zumindest europäische Rüstungsindustrie gibt. Und die muss natürlich durch staatliche Aufträge finanziert werden.
Auch das ist ein Punkt, auf den wir nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen werden. Die Beschaffung bereits erprobter Technik aus dem Ausland ist bei dir ja ein häufiger Lösungsansatz für die vorhandenen Probleme mit hiesiger Technik, ignoriert aber meines Erachtens völlig die sich daraus ergebene Konsequenz: wir werden sicherheits- und damit außenpolitisch dauerhaft abhängig von der USA bleiben (denn von dort kommen ja in der Regel die gewünschten Systeme). Das ist für mich kein erstrebenswerter Zustand.

(23.06.2021, 07:36)GermanMilitaryPower schrieb: Im militärischen Bereich leider inkompetent und unverlässlich.

Wenn man mal die von Außen in die jeweiligen Projekte eingebrachten Probleme herausrechnet wird schnell deutlich, dass Airbus weder grundsätzlich inkompetenter noch unzuverlässiger als andere Rüstungskonzerne ist. Vielmehr ist es die große Zahl verschiedener Interessen, die in die jeweiligen Projekte hinein spielen, die zu der Situation führen, dass insbesondere Großprojekte immer und immer wieder unterhalb ihrer Möglichkeiten bleiben.

Natürlich kann man dem entgehen, indem man schlicht und einfach nur fertig entwickelte, ausgereifte Systeme anschafft. Ich kann sogar verstehen, dass du das aufgrund der Vielzahl an Problemen aktuell bevorzugst. Aber zwei Dinge müssen dabei zwingend berücksichtigt werden: sofern dies nicht nur punktuell erfolgt, sondern die Basis für Beschaffungsvorhaben bildet, wird eine unabhängige europäische Außen- und Sicherheitspolitik dadurch zunehmend verhindert, weil der Weg zurück zu eigenen Rüstungsvorhaben ebenso zunehmend aufwändiger wird (sofern er überhaupt noch mit vertretbarem Aufwand möglich ist). Zudem löst man so etwaige Probleme einer werksseitig geringen Einsatzreife der Systeme, das (meines Erachtens) eigentliche Hauptproblem, die fehlende Lebenszeitunterstützung im Dienst der Bundeswehr wird dadurch aber keinesfalls reduziert. Unter Umständen verschlimmert es sich noch, wenn etwa dafür ebenso ausländisches Know-How eingekauft werden muss.

Zitat:Investitionsbereitschaft, Modernisierungen und volle Waffendepots vorausgesetzt.

Aha, warum setzt du diese bei Fremdmustern voraus, wenn doch all das bei den Eigenentwicklungen nicht in ausreichendem Maße gegeben ist? Und um bei deinem konkreten Beispiel zu bleiben, der Tornado lief in den achtziger Jahren für die Luft-Boden-Rolle zu, die ECR-Maschinen kamen sogar erst Anfang der neunziger Jahre. Auch bei einem Fremdmuster als Ersatz für die Phantom gibt es keinen Grund anzunehmen, dass man diese nicht konsequent für die Jagdrolle beschafft und ausgerüstet hätte (übrigens eher die F/A-18 als die F-16), um sie erst später auf weitere Fähigkeiten zu erweitern (und die notwendige Bewaffnung bereit zu stellen). Deine These ist aus dem Grund für mich schlicht nicht haltbar.

(23.06.2021, 07:52)Quintus Fabius schrieb: Meiner Einschätzung nach wird es so oder so hier (ECR) zu einer Lücke kommen und besser diese entsteht jetzt und wird bis spätestens Ende des Jahrzehntes geschlossen, als dass sie später entsteht, den jetzt ist die Lage insgesamt noch überschaubar.

Es gibt überhaupt keinen Grund anzunehmen, dass sich die Entwicklung des Eurofighter ECR beschleunigt, nur weil der Tornado ECR außer Dienst gestellt wird. Die Gefahr ist daher meines Erachtens weniger, dass die potenziell entstehende Lücke lediglich zeitlich vorgezogen ist, als vielmehr, dass sie sich zeitlich ausdehnt. Mit all den damit einhergehenden negativen Effekten. Tendenziell wäre insofern eher zu überlegen, ob es wirklich ein Zwischenmuster (Growler) braucht. Aber dazu habe ich mich ausführlicher bereits im Tornado-Nachfolge-Strang geäußert und will das hier nicht alles wiederholen. Zur F-35 sage ich hier nichts mehr, die Diskussion haben wir in dem Forum wirklich oft genug geführt. Wink
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Über die F-35 schreib ich noch ein paar Antworten im Strang über dieses System. Der wesentlichste Punkt ist, dass die F-35 bereits hier und heute für den Einsatz von Nuklearwaffen vorgesehen und entsprechend abgenommen wurde. Es fanden schon entsprechende Testabwürfe vor einiger Zeit statt, dass System ermöglicht also im Gegensatz zu den genannten Alternativen die Erhaltung der sogenannten Nuklearen Teilhabe (als abstruser Symbolpolitik).

Spezifisch zur elektronischen Kampfaufklärung wird es ja hier immer so dargestellt, als sei da der Tornado ECR irgendwie gut. Tatsächlich aber ist er für diese Aufgabe hier und heute im Prinzip in jedem Aspekt veraltet und/oder unzureichend. Da fehlt es an sehr vielem, insbesondere im Vergleich zu dem was tatsächlich der aktuelle Stand der Dinge ist. Genau genommen würden die Tornado ECR schlicht und einfach untergehen, wenn man sie mit modernen russischen Luftraumverteidigungs-Systemen konfrontiert. Und um entsprechende Fähigkeiten rein von der menschlichen Seite des ganzen her zu erhalten könnte man mit Leichtigkeit deutsche Piloten in entsprechende US Einheiten einziehen, wo sie genau diese Fähigkeiten weiter erhalten als Bedingung dafür, dass man mehrere hundert F-35 abnimmt. Die würden sich darauf einlassen. Es entstünde also rein von der menschlichen Seite her keine Fähigkeitslücke, würde man so vorgehen. Die Piloten könnten für die USA dann auch in Kampfeinsätzen wesentlich mehr Erfahrung sammeln als dies in dieser Bundeswehr jemals möglich wäre. Es gäbe so viele Möglichkeiten.

Und wir könnten seit Jahren schon einen EF ECR haben, dass wurde schon am 08.07.2015 (!) in einem Strategiepapier als sofort anzugehende Fähigkeit gefordert, und dort festgestellt, dass man wenn man die Sache jetzt ab 2016 angehen würde im Jahr 2021 den EF ECR einsatzbereit hätte. Soviel dazu.

Spezifisch zu bewaffneten Drohnen möchte ich noch anmerken, dass meiner Meinung nach diese Bundesregierung keine solchen Drohnen in ausreichender Anzahl beschaffen wird. COIN Flugzeuge könnten aber ein bemanntes Substitut dafür sein, so dass man die Grundlagen der Drohnenkriegsführung mit diesen schon mal einüben und entsprechende Grundstrukturen aufstellen könnte, welche dann später mit Drohnen nachgerüstet werden. Dann hätte man schon mal die Einheiten und mit den Piloten der COIN Flugzeuge / Erdkampfflugzeuge auch eine ausreichende Zahl besonders geeigneter Drohnen-Piloten. Deshalb mein Vorschlag solche bemannten Flugzeuge als Interims-Lösung zu verwenden bis sich in der Drohnen-Frage mal etwas ändert. Bemannte COIN Flugzeuge würden also der Bildung eines entsprechenden Fundamentes von Piloten und Technikern dienen, welche dann später irgendwann bewaffnete Drohnen erhalten würden, beispielsweise dann als Teil des FCAS.
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Natürlich ist der Tornado ECR da "irgendwie gut", besser als viele Alternativen (wenn ich da etwa an die verschiedenen F-16-Varianten für SEAD denke) und auch heute noch durchaus einsatztauglich - wenn auch mit Abstrichen, die sich schlicht aus dem Alter ergeben. Die Hauptschwäche ist aber eigentlich schon seit zwei Jahrzehnten und insbesondere gegen moderne Flugabwehrsysteme die Bewaffnung, mit dem Zulauf der AGM-88E wird sich zumindest das vorerst erledigt haben.
Natürlich könnten wir schon seit Jahren einen Eurofighter ECR haben, genauso wie wir auch schon seit Jahren ein breites Arsenal an Luft-Boden-Effektoren haben könnten - diese Erkenntnis nützt uns nur nicht viel.

Was die "Leichtigkeit" angeht, mit der man Fähigkeiten erhalten könnte, ist das meines Erachtens eine Utopie. Zum einen geht es nicht nur um das Personal, sondern auch um die kontinuierliche Techniknutzung, zum anderen gibt es in dem Bereich genauso wie etwa bei den MPAs doch einige Sicherheitshürden selbst innerhalb der NATO, was etwa den Zugriff auf die Datenbanken angeht.

Generell würde ich mir aber wünschen, dass wir hier in diesem Strang von Diskussionen zu konkreten Mustern weg kommen und den Blick auf allgemeinere Maßstäbe richten.
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@GMP:

Helios hat eigentlich schon alles gesagt, da spare ich mir jetzt mal, das alles zu wiederholen.

Dein Ansatz zielt auf Symptome, nicht auf Ursachen. Nicht die deutsche Rüstungsindustrie ist Schuld am schlechten Ausrüstungsstand der Bundeswehr. Und auf diese Industrie zu verzichten, würde einfach nichts ändern. Außer dass wir halt keine eigene Rüstungsindustrie mehr hätten. Kann man so wollen. Ich will das nicht.
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Allgemeiner:

Meine konkrete Idee dazu wäre, die Tornado komplett aufzugeben und die Piloten den USA zur Verfügung zu stellen - in entsprechenden Einheiten für Elektronische Kampfaufklärung, als Gegenleistung kaufen wir die F-35 in größerer Stückzahl ein. Meiner Meinung nach würden die USA einem solchen Deal zustimmen. Damit bleiben die Fähigkeiten was die menschliche Seite angeht erhalten, es bleiben Piloten erhalten und wir können die freiwerdenden Mittel in die Modernisierung der Luftwaffe investieren (ohne hier konkrete Systeme zu benennen).
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Was für freiwerdende Mittel? Die Beschaffung einer größeren Zahl F-35 würde deutlich mehr Kosten als der Weiterbetrieb der Tornado, und damit eher Ressourcen blockieren, die in Zukunft für den Aufbau des FCAS benötigt werden - in das sich die F-35 wiederum nicht so tief integrieren lässt, wie das etwa beim Eurofighter der Fall wäre. Davon abgesehen müsste man bei der von dir genannten Stückzahl bezahlte Maschinen ausmustern, um teuer neue einzukaufen, die in relevanten Bereichen nicht einmal mehr leisten (nur um in anderen zu glänzen, die für uns aber eine untergeordnete Rolle spielen).

Davon abgesehen, wie schon im Beitrag zuvor erwähnt, teile ich nicht deine Einschätzung, dass die USA einem solchen Deal zustimmen würden, sofern der relevante verwertbare Informationen beinhalten würde. Und nur dann ergibt er von unserer Seite aus Sinn, denn wenn das nicht der Fall ist, könnte man auch "einfach" und "kurzfristig" das HTS und die AGM-88 in den Eurofighter integrieren, das kommt dann auf das gleiche hinaus.
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Die Mittel welcher der Betrieb der Tornado jetzt und die folgende Dekade aufwärts verschlingen wird. Mittel die wir für ein System ausgeben welches im modernen Krieg nicht mehr einsetzbar ist und damit völlig wertlos.

Natürlich kostet ein neues Kampfflugzeug deutlich mehr, aber es ist im Gegensatz zu den Tornado immerhin militärisch von Nutzen. Und die Einsparung refinanziert zumindest einen kleinen Teil und viele kleine Einsparungen schließlich einen Teil der Kosten. Das sollte man nicht so einfach abtun, Kleinvieh macht auch Mist und viel Kleinvieh macht viel Mist.

Meine Argumentation beruht im Weiteren auf drei Annahmen:

1 Wir benötigen zwingend zeitnah ein leistungsfähiges Kampfflugzeug, welches Stealth hat und im Ideallfall für den Abwurf von Atombomben vorgesehen ist um die nukleare Teilhabe zu erhalten. Weder der EF noch das FCAS können dies leisten und werden dies auf Jahrzehnte hinaus nicht leisten können denn:

2 das FCAS System wird meiner Meinung nach in keinem denkbaren Fall 2040 fertig sein. Darauf gehe ich jede Wette ein. Es wird länger dauern. Damit entsteht eine Lücke welche durch ein Interims-System geschlossen werden muss. Für dieses Interims-System eignet sich der EF nur sehr bedingt, der Tornado gar nicht. Zugleich muss dieses System so schnell wie möglich zulaufen und die unter 1 genannten Eigenschaften haben, weil es sonst militärisch weitgehend wertlos ist.

3 Die Fähigkeiten (oder Nicht-Fähigkeiten) der deutschen Luftwaffe sind für die LV/BV von entscheidender Bedeutung, hier muss der Schwerpunkt der Gelder hinfließen und nicht in irgendwelche sinnfreien Kriegsschiffe oder andere Projekte. Die Luftwaffe muss daher als erste Teilstreitkraft vor allen anderen so kriegsfähig wie möglich gemacht werden. Denn ansonsten können wir uns - wie du es selbst auch schon geschrieben hast - die Armee komplett sparen und die Verteidigung einfach mit ein paar Guerilla / Milizstrukturen und stärkerer Bundespolizei abdecken.

Die Luftwaffe so schnell wie möglich kriegsfähig und leistungstärker als die aller anderen NATO Staaten unterhalb der USA zu machen und zur stärksten in Europa wäre ein sehr starkes Signal dass die Bundesrepublik ihre Verpflichtungen nun endlich ernst nimmt und im Rahmen unserer Bündnisse genau die Fähigkeiten beisteuert welche allein wir in der EU tatsächlich finanzieren könnten.

Dabei möchte ich diesen Ansatz bitte nicht allein auf die Frage welches Kampfflugzeug Verwendung finden soll verstanden wissen, sondern auf die komplette Luftwaffe. Das reicht von COIN Flugzeugen hin zu aus diesen erwachsenden Drohnenverbänden, von Logistik-Regimentern hin zu erheblichen Vorräten an Wirkmitteln, von Satelliten hin zur bodengestützten Luftraumverteidigung.

Aktuell überlege ich sogar, ob man nicht das KSK und die gesamte DSK aus dem Heer heraus lösen und der Luftwaffe unterstellen sollte. Das würde diese luftbeweglichen Einheiten von vielerlei Einschränkungen befreien, und würde der Luftwaffe insgesamt weiteres Gewicht geben, was ja für die Frage des Einfluss auf den Erhalt von Mitteln immer Relevant ist.

Wenn wir stattdessen mit absolut kriegsuntauglichen Tornados und dem EF herumgurken, können wir uns im Endeffekt die Sache insgesamt gleich sparen, denn dann sind unsere Bodentruppen einfach nur weitere Opfer. Den Luftraum über Osteuropa frühzeitig in den Griff zu bekommen und schließlich die gegnerischen Bodentruppen in diesem Raum aus der Luft zerschlagen zu können ist von die LV/BV die Schlüsselfähigkeit. Je länger der Luftraum auch nur umkämpft sein wird, desto eher wird die Sache hier mit einem Sieg des Feindes enden.

Bis FCAS irgendwann (vielleicht) ab 2050 bis 2060 ff kommt, können wir nicht so weiter machen wie bisher. Das heißt auch, dass jede deutliche Erhöhung des Wehretat zuerst in die Luftwaffe gesteckt werden muss. So weit meine strategische These. Irgendwelche Grenadier-Brigaden auf Radpanzern könnten andere kleinere Länder in Europa ausreichend selbst stellen.
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Der Tornado ist nicht kriegsuntauglich, er ist nach wie vor nutzbringend und sinnvoll und hat noch immer interessante Fähigkeiten.
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(24.06.2021, 12:04)Ottone schrieb: Der Tornado ist nicht kriegsuntauglich, er ist nach wie vor nutzbringend und sinnvoll und hat noch immer interessante Fähigkeiten.

Könntest Du das etwas weiter ausführen? Es ist nicht ganz einfach, eine aktuelle Bewertung des Systems Tornado im Netz zu finden.
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