(Land) Main Ground Combat System (MGCS) // Leopard 3
(03.02.2024, 09:27)Helios schrieb: Für mich ist tatsächlich der Sinn nicht greifbar, einen kastrierten Flak-Panzer zu bauen, nur damit der Arbeitsaufwand nicht zu groß wird und um einer vermeintlichen "Überfunktionalität" entgegen zu wirken, damit auf eine wirklich effektive operationsnahe Flugabwehr zu verzichten, und stattdessen den Weg über eine in wichtigen Teilbereichen ineffektivere Lösung aus der Distanz zu setzen.
Ausgehend von der aktuellen Planung hinsichtlich der Flugabwehr würde ich ja gar nichts reduzieren. Im Gegenteil, ich würde zusätzlich ein System zwischen der APS/FLW-basierten Selbstverteidigungsfähigkeit eines MBT mit BK und dem klassisches Flakpanzer einführen, weil ich die Bedrohungslage hinsichtlich kleinerer Ziele, insbesondere aus der Luft, für zu hoch bewerte, um diese Lücke nicht mit einem spezialisierten System zu füllen. MMn wird die klassische Flugabwehr -wie bisher geplant- keineswegs in einer mechanisierten Gefechtsführung ausreichen, während die Fliegerabwehrfähigkeiten von Systemen mit anderen Aufgaben aufgrund der Schwierigkeiten in der Detektion insbesondere kleinerer Luftziele ebenfalls unzureichend sind. Gerade wenn wir davon ausgehen müssen, dass wir Gegnern gegenüberstehen, die mehr Masse ins Feld bringen werden als wir.

Nun könnte man einfach Flakpanzer nach vorne holen, ohne diese in den MBT-Verbund zu integrieren und taktisch mit diesem zu vereinen. Die Konsequenz wäre dann aber, dass der MBT als Kern der mechanisierten Gefechtsführung weiterhin alles am Boden zu bekämpfen hätte, egal ob sich für das jeweilige Ziel eins seiner wenigen 130/140mm-Geschosse lohnt und eignet oder nicht. Außerdem fehlt ihm die Sensorleistung des FlakPz, die eben auch Bodenziele mit aufklären könnte, ohne dass man dem MBT mit BK auch ein Radar verpassen muss. Da ein solches leicht aufklärbar ist, bietet es sich natürlich an, es nur einzusetzen auf einem Fahrzeug, das über überdurchschnittliche Fähigkeiten zur Selbstverteidigung verfügt.

Bisher nutzt man für dieses Zielspektrum dann die MK der Schützenpanzer. Da diese aber nicht das Schutzniveau der MBT teilen, ist das mMn keine Lösung mehr für das MGCS. Da sollten alle bemannten Komponenten das gleiche Schutzniveau haben, um sich gleichermaßen exponieren zu können. Denn nur, weil man einen Gegner auch ohne großkaliberige BK ausschalten kann, heißt das ja nicht, dass es umgekehrt auch so ist. Die Vorstellung, dass KPz und SPs sich nur jeweils gegenseitig bekämpfen, halte ich für überholt.
Somit fällt für mich diese Option flach und der Schützenpanzer im MGCS-Verbund kann nicht Teile des LOS-Gefechts führen. Da der schwere FlakPanzer das aber aufgrund seiner Bewaffnung und Sensorik sowie des Schutzniveaus bereits beherrscht, kann man ihn doch auch dafür einsetzen. Er bekommt nur ein erweitertes Zielspektrum, eben auch Bodenziele (wird ja auch häufig schon so praktiziert, nur halt nicht intentional). Das entlastet und ergänzt den MBT mit BK, z.B. auch durch die Möglichkeiten, gegnerische MBT mit einer Kombination von MK und BK bekämpfen zu können, um ein Mittel gegen APS zu finden.

Als Infanteriekomponente kann man dann einen HAPC integrieren, der nur die Aufgabe des Infanterietransports übernimmt, ggf. ergänzt um solche Dinge wie den Kleindrohneneinsatz durch die aufgesessenen Grenadiere oder auch den Einsatz von PALR, wo dieser sinnvoll erscheint. Exponieren muss sich dieses Fahrzeug also nur dann, wenn es darum geht, die aufgesessene Infanterie zum Einsatz zu bringen und dabei mit der "kleinen" MK auf FLW direkt zu unterstützen. Denkbar wäre es auch, auf diesem Fahrzeug die Bedienerplätze für ggf. angebundene unbemannte Systeme vorzusehen, um die Besatzung der anderen Varianten möglichst klein zu halten. Das schafft auch mehr Spielraum bei der Auslegung dieses HAPC, als es das bisherige SPz-Konzept erlaubt hat, das immer mehr auch Elemente der nicht-infanteristischen Gefechtsführung inkludieren musste, ohne dafür das erforderliche Schutzniveau zu haben.
So ein HAPC könnte dann letztlich auch bspw. nur einen Spähtrupp als Absitzkomponente haben, jedoch zugleich den Zugführer und einen Drohnenoperator beherbergen. Das hängt natürlich sehr davon ab, wie man die Heereskräfte insgesamt aufstellen möchte. Mit Blick auf das konkrete MGCS halte ich diese Vorstellung allerdings für sehr sinnvoll, da mit VBCI und GTK bereits sehr leistungsstarke Infanteriefahrzeuge zur Verfügung stehen, die ergänzende Infanterie tragen können, sofern die schwere Komponente bereits eine gewisse eigene Absitzkomponente vorhält, um den Bedarf an unmittelbar begleitender Infanterie sicherzustellen und in besonders exponierten Situationen auch einen Infanterietransport zu ermöglichen.
Zitat:Man hat mehr Fahrzeuge, mehr Personal, aber gleichzeitig eine ineffizientere Gesamtkampfkraft (abseits vielleicht von quantitativen Erwägungen, bloß nutzen mehr Waffen nichts, wenn man sie schlechter einsetzen kann). Wo soll der Vorteil einer solchen Lösung konkret liegen, was übersehe ich deiner Meinung nach?
Es geht hier ja um das MGCS, dessen Grundgedanke es ist, den MBT abzulösen durch einen Verbund mehrerer Panzer mit spezialisierterer Bewaffnung. Es wird also auf jeden Fall mehr verschiedene Panzer geben als vorher. Man teilt ja den MBT auf in 2 oder 3 Fahrzeuge und hat dann zusätzlich noch SPz und FlakPz im gleichen Umfeld agierend.
Das halte ich für zu kurz gedacht. SPz und FlakPz müssen mMn unbedingt mitgedacht bzw. sogar integriert werden, da sie zwingend mit diesem MBT-Nachfolger gemeinsam im gleichen Raum agieren müssen und sich daraus auch wieder weitere Vorteile ableiten lassen.
Also sieht die reale Planung vor, dass es 5 bis 6 Systeme in diesem Umfeld geben soll, während ich dort weiterhin nur 3 vorsehe, die insgesamt über eine stärkere Bewaffnung als bisher (130-140mm BK + 35-76mm MK + 25-30mm FLW) verfügen. Lediglich beim Fla-LFK setze ich auf etwas weniger Reichweite zugunsten einer größeren Zahl von einsatzbereiten FK und ich verzichte auf den Ausbau der FK-Verwendung. Wobei die SADM auch Optionen eröffnen könnte, ohne großen Aufwand auch andere Wirkmittel auf Enforcer-Basis zu integrieren, so dass diese bei Bedarf auftragsspezifisch zum Einsatz gebracht werden könnten. Das wäre aber vermutlich ein ganz anderes Wirkspektrum als bisher für den FK-Träger des MGCS vorgesehen.

Ich gestehe halt dem PALR weniger Bedeutung zu als es die MGCS-Planer tun, dafür lege ich mehr Wert darauf, ein breites Spektrum an Zielen auch ausdauernd bekämpfen zu können und organisiere die panzerbegleitende Infanteriekomponente anders. Ich sehe einfach den NLOS-Aspekt stärker außerhalb des MGCS in einer artilleristischen Form und lege dafür innerhalb des MGCS mehr Wert auf die LOS-Bewaffnung und deren Leistungsfähigkeit durch eigene Aufklärung und flexible Einsatzformen wie bspw. Präzisions-PzK- und Mittelkaliber Airburst-Munition.
Zitat:Du kannst keine Nahbereichsflugabwehr aus der Distanz durchführen.
Nö, deswegen ergänze ich ja auch die vulnerable Flugabwehr durch ein stärker geschütztes System, das direkt in der vordersten Reihe integriert werden kann, weil es im Gegensatz zum GTK Skyranger ein dafür geeignetes Mobilitäts- und Schutzniveau aufweist. Da in diesem Raum aber mMn die Gefährdung ein wenig von der allgemeinen Bedrohungslage abweicht, halte ich hier mehr kleinere LFK für besser geeignet als wenige weiterreichende. Und wir reden da ja auch gar nicht über so große Reichweiten-Unterschiede, wenn statt Stinger dann SADM eingesetzt werden. Zumal eine leistungsstarke Mittelkaliber-MK gegen größere Luftziele dann auch nochmal Vorteile hat.
Dieses "Flak-MGCS" hätte also einfach etwas weniger Reichweite, dafür innerhalb dieser mehr Potential und würde ein breiteres Zielspektrum abdecken. Dafür wäre es weniger direkt in den Luftabwehrverbund eingebunden, sondern unmittelbar im MGCS integriert, also der schweren mechanischen Gefechtsführung. Es würde die Flugabwehr insgesamt aber nicht schwächen, sondern lediglich im Bereich der unmittelbar die mechanisierten Kampftruppen begleitenden Flugabwehr mit einem darauf spezialisierten System ergänzen.
Das wiederum ermöglicht es auch, die allgemeine Flugabwehr entsprechend mehr auf den raumdeckenden Einsatz hin auszurichten, eben weil es für die Schlammzone ein separates System gibt.

Technisch könnte man hier beim MGCS auch darüber nachdenken, auf diesem Weg einen weiteren D/F-Konflikt aufzulösen, indem man dieses System bewusst nicht auf dem Skyranger aufbaut, sondern von französischer Seite entwickeln lässt, z.b. basierend auf Technologien aus dem RAPIDFire-Projekt, mit dem Ziel, zwei unterschiedlich spezialisierte Systeme zu erhalten, die dann in beiden Streitkräften zum Einsatz kommen. Auch Frankreich wird im Bereich der Flugabwehr zukünftig noch mehr tun müssen und man könnte sich so hervorragend ergänzen, ohne nationale Rüstungsbelange zu unterschlagen. Das brächte z.B. auch die Möglichkeit, die Sensorik dieses Flak-MBTs von vornherein auf das duale Zielspektrum Luft/Boden auszulegen und ggf. unter Inkaufnahme einer gewissen Reichweiteneinschränkung einen besseren Schutz vor gegnerischer Aufklärung zu erlangen. Bei den Wirkmitteln käme dann einerseits die Paarung von 30mm KCE und Mistral 3 sowie andererseits 40mm CTA und SADM zum Einsatz, also jeweils eine binationale Kombination, passend zum jeweiligen Einsatzspektrum. Den deutschen Skyranger-Turm könnte man für Frankreich auf dem Jaguar oder VBCI integrieren, während dann im MGCS einheitlich ein französischer Turm integriert würde.
Zitat:Generell die Frage, wenn du von "weiter hinten" sprichst, was wäre deiner Ansicht nach konkret damit gemeint? Über welche Distanzen sprechen wir hier, und welche Unterschiede gibt es dabei defensiv und offensiv?
Wir reden da von ganz wenigen Kilometern. "Weiter vorne" ist hier der Bereich, in dem nur schwer geschützte (MBT), unbemannte (UGV) oder hoch mobile, signaturarme Elemente (Inf/AGF/ATV) agieren, aber eben keine Systeme auf Basis eines TPz, GFF o.ä.
Zitat:Die Gesamtfrage für mich ist tatsächlich, was gewinnt man bei einer solchen Lösung effektiv im Bodenkampf, dass derartige Einschränkungen lohnenswert macht?
Ich kann keine Einschränkung erkennen. Dafür müsste es erstmal einen Gegenvorschlag geben, der eben eine andere Nachfolge für die aktuell vorhandene Kombination von KPz, SPz und radbasiertem FlaPz vorsieht. Die bisherigen Vorschläge für das MGCS gehen aber alle nicht soweit, sondern liefern lediglich quasi eine "erweiterte Nischenfähigkeit KPz-Duell" mit zusätzlichen Technikspielereien. Ich sehe da zu sehr den Versuch, das aktuelle MBT-Konzept krampfhaft weiter zu führen, indem man die Duell-Fähigkeit immer weiter erhöht, um einem real nicht existierenden Armata nach althergebrachter Weise im Fulda-Gap entgegentreten zu können.
Ja, das war jetzt völlig überpolemisiert formuliert, aber im Kern geht es mir darum, dass man mMn nicht genug auf die operativen Zusammenhänge und Bedürfnisse schaut, sondern primär technische Neuerungen in alte Konzepte zu integrieren versucht. Das führt dann dazu, dass man im Endeffekt ein extrem Ressourcen-fressendes Premiumsystem für eine Nischenfähigkeit aufstellen wird, anstatt auf einen effizienten Einsatz der vorhandenen Mittel in der Breite zu setzen und somit eine insgesamt effektiviere Gefechtsführung zu ermöglichen.
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