Polizeiausrüstung und -Einsatztaktik
#91
(25.03.2023, 20:44)Quintus Fabius schrieb: Ich will tatsächlich auf einen Typ von Stock hinaus für alles - also einen Generalisten - ...
Du hingegen willst auf Spezialisten hinaus, die in ihrem jeweiligen Spezialgebiet gesondert dem von mir präferierten Generalisten überlegen sind.

Wobei das nicht so einfach reduziert betrachtet werden kann. Denn eine Generalisten-Waffe, die man nicht hat, ist keine Waffe. Und Streifendienst in jeder Situation mit Tonfa oder starrem Stock am Gürtel wird es in Deutschland nicht geben. Dementsprechend ist der Teleskopstock ein Mittel, das jederzeit zur Verfügung steht, während der Tonfa bewusst in bestimmten Situationen vorab hinzu genommen wird.
Das ist also vergleichbar mit der Dienstpistole einerseits und Maschinenpistole/-karabiner oder einer Schrotflinte anderseits. Eins trägt man für den Notfall immer bei sich, mit dem anderen rüstet man sich für besondere Lagen.

Der Tonfa ist also genau so ein Generalist wie dein gerader Stock. Und beide hätte man gleichermaßen nicht zur Hand in den Situationen, in denen der Tele genutzt wird. (Ausnahme: Bewusste Entscheidung für Tele wegen verdecktem Tragen, z.B. in Verhandlungssituationen)
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#92
Zitat:Streifendienst in jeder Situation mit Tonfa oder starrem Stock am Gürtel wird es in Deutschland nicht geben.

Warum eigentlich?

Früher hatte auch jeder Polizeibeamte einen starren Schlagstock dabei. Und noch früher lief man damit den ganzen Tag herum und hatte ihn dabei ständig in der Hand. Das lief dann so ab, dass die Beamten nicht einmal eine Halterung am Gürtel dafür hatten, übrigens mit der Begründung, dass der Stock am Gürtel zu sperrig sei und zu sehr behindere. Entsprechend hatte man den Stock ununterbrochen in der Hand oder am Fangriemen über die Schulter gehängt wenn man etwas schreiben wollte etc. Das ging noch in den 50er und 60er Jahren so weit, dass man Beamten eine Stockhalterung am Gürtel verbot.

In Baltimore war das als Ausnahme sogar noch bis 1997 so, dass die mit Schlagstöcken aus schweren Tropenhölzern in der Hand herum liefen und keine Halterung dafür am Gürtel hatten. Die Schlagstöcke hatten dort 63 cm bis 73 cm Länge (nach Größe des Beamten), waren aus Puckholz und wogen um die 600 bis 700 Gramm. Im Auto steckten die einfach seitlich neben dem Sitz, beim Aussteigen hatte man den Stock in der Hand bzw. an der Fangschlinge.

Das wurde von den Straßenpolizisten dort als absolut überlegen und viel besser als jeder Tonfa oder Teleskopschlagstock betrachtet und in etlichen Situationen besser als die Pistole - und tatsächlich gab es kaum (waffenlose) Widerstände gegen Polizeibeamte dort, de facto lange Jahre sogar gar keine Waffenlosen Wiederstände, sondern allenfalls solche wo ein Messer oder eine andere Waffe eingesetzt wurde.

Mit der Abschaffung der starren Schlagstöcke in Baltimore schossen dann die Widerstandshandlungen gegen Polizeibeamte schnell und sehr weit hoch und insbesondere die waffenlosen Angriffe auf Polizisten.

Und interessantererweise kam es mit den dann eingeführten Tonfas zu wesentlich mehr und schwerwiegenderen Verletzungen beim Gegenüber und dies auch dann, wenn man diese Zahlen in Relation zur Erhöhung der Widerstände setzte.

Mit den Teleskopschlagstöcken nahmen die Verletzungen dann zwar wieder ab, aber diese wurden und werden von vielen Polizeibeamten als Nutzlos und/oder Wirkungslos angesehen. Während altgediente Kollegen und Erfahrungsberichte die extrem hohe Wirksamkeit der früheren starren Schlagstöcke hervor heben. Diesen Widerspruch zwischen zwei eigentlich so ähnlichen Schlagstöcken finde ich am verblüffendsten.

Daraus ergibt sich für mich die Ansicht, dass die starren Schlagstöcke noch weitere psychologische und praktische Vorteile haben müssen im Vergleich zu Tonfas, die über die bloße theoretische Betrachtung hinaus gehen. Ich vermute hier auch kulturelle Aspekte und andere Faktoren, höchstwahrscheinlich konnten die Beamten damals mit den starren Schlagstöcken einfach sehr viel besser umgehen und waren damit wesentlich fähiger als diese Pseudotrainierten Polizistis die heute so herum springen.
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#93
Durch die Möglichkeit, nicht-tödliche Gewalt anzuwenden, sind Schlagstöcke noch viel mehr als Dienstpistolen ein Symbol der Gewaltausübung. Das kann natürlich seine Vorteile im Dienst haben, speziell gegenüber gewaltbereiten Personen, da dies jedoch hierzulande nur einen Bruchteil der Polizeiarbeit ausmacht, gibt es da einen gesellschaftlichen Konsens, dass unsere Polizei im Alltag möglichst wenig Gewaltbereitschaft signalisieren soll. Dementsprechend sind Schlagstöcke möglichst verdeckt zu tragen und nur in Situationen mit erhöhtem Gewaltpotential wird präventiv der starre Schlagstock/Tonfa getragen.

Da bist du anderer Ansicht, das weiß ich, aber ich finde das so durchaus richtig und auch da werden wir nicht zusammenfinden.

(26.03.2023, 11:28)Quintus Fabius schrieb: Diesen Widerspruch zwischen zwei eigentlich so ähnlichen Schlagstöcken finde ich am verblüffendsten.

Der Unterschied zwischen den beiden Stöcken ist enorm. Der Tele ist in einer Auseinandersetzung sehr viel weniger sinnvoll als jeder starre Stock. Er hat nur den Vorteil des Überraschungsmomentes und der ständigen Verfügbarkeit. Da in deiner Betrachtung aber die Waffen von einer Polizei genutzt wurden, die offensichtlich den Schlagstock als ein normales Arbeitsgerät im Alltag ständig präsent verwendet, sind diese Vorteile irrelevant und der Tele kann nur schlecht abschneiden. Man sollte ja auch keine Hundertschaft beim Großeinsatz mit Teleskopstöcken ausstatten, das wäre äußerst kontraproduktiv. Ein Tele hat nur solange einen Vorteil, wie er noch unbemerkt ist. Kommt er erst zum Einsatz, hat er eigentlich nur noch Nachteile.

Dass der Tonfa hier mehr Verletzungen verursacht hat, kann ich mir so erklären, dass damit ja in verschiedener Weise deutlich effektiver gewirkt werden kann, gerade wenn es um Schläge gegen Gelenke aus der Distanz geht. Hinzu kommt, dass der Tonfa, wenn man ihn ohne eine gute Ausbildung nur als bloßes Schlaginstrument verwenden -also mMn zweckentfremden- will, tatsächlich nicht so gut geeignet ist, wie ein reiner "Knüppel". Dementsprechend wird jemand, der damit einfach nur "draufhaut" dies weniger gut dosieren können und im Zweifel eher mehr Schaden anrichten als mit einem einfach Stock. Zumal sie für diesen ausgebildet waren.

Ich weiß zu wenig über die Polizei von Baltimore und möchte ihnen jetzt nichts unrechtes tun, aber für mich klingt das doch sehr danach, dass die Polizeitaktik hier einfach eine war, die einen "Knüppel" erfordert und zu der entsprechend weder Tonfa noch Tele passen. Das ist dann aber ein Problem der Taktik, nicht der Waffe.
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#94
Ich denke wir haben in jedem Fall einen Konsens dahingehend, dass man die Waffe nicht für sich alleine betrachten kann, sondern dass es eben auf den Gesamtkontext ankommt: also die Verbindung der Eigenschaften der Waffe und der Ausbildung an derselben mit der jeweiligen Taktik im Kontext mit der Sozialkultur usw usf

Ebenso sind wir beide einheitlich der Ansicht, dass die Ausbildung der regulären Schutz-Polizei in Bezug auf jedwede Art von Schlagstock völlig unzureichend ist und gerade in Bezug auf den technisch aufwendigeren Tonfa deutlich umfangreicher sein müsste. Auch wenn es natürlich sicher immer wieder einzelne Polizisten gibt, die aufgrund Interesse, größeren Engagements und privaten Trainings hier sich deutlich vom Querschnitt unterscheiden.

Deine Idee den Tele und das Tonfa analog zu Pistole und MP zu betrachten gefällt mir und macht viel Sinn.

Aber mal komplett weg von den Stöcken, hin zu einer allgemeineren Frage:

Zitat:gibt es ..... einen gesellschaftlichen Konsens, dass unsere Polizei im Alltag möglichst wenig Gewaltbereitschaft signalisieren soll.

Du weißt ja schon, dass ich da anderer Meinung bin, aber ich will noch mal darauf eingehen warum: Egal welche Aufgaben man der Polizei sonst noch zuschreibt, so ist meiner Ansicht nach die Ausübung von Gewalt die eigentliche und primäre Aufgabe der Polizei und ist alles andere ein organisch über die Zeit dazugewachsenes Beiwerk, welches auf diesem eigentlichen Fundament aufgebaut ist.

Denn schlußendlich führt jedwede polizeiliche Maßnahme, auch eine einfache Verkehrskontrolle in einer Kausalkette der Eskalation immer zur Gewaltanwendung und wird im Kern auch nur durch diese potentielle / indirekte Androhung von Gewalt ermöglicht. Gerade eben weil die Polizei Gewalt anwenden kann und weil sie dies darf, ist sie handlungsfähig und kann überhaupt agieren.

Entsprechend verhindert meiner Meinung nach eine Polizei die im Alltag eine deutlich höhere Gewaltbereitschaft signalisiert die Gewaltausübung durch andere, weil diese unmittelbare Konsequenz der polizeilichen Gewalt viel wirksamer in Abschreckung und Einfluss auf das Verhalten ist als die polizeiliche Gewaltausübung so weitgehend wie möglich hinter der Maske des harmlosen, friedlichen, stets weiter redenden Opferpolizisti zu verstecken.

Mit einer solchen Signalisierung von Gewaltbereitschaft meine ich übrigens nicht die aktuell sichtbare Militarisierung der Polizei (welche ich strikt ablehne), insbesondere in den BFE und BePo Einheiten, die Aufrüstung mit Sturmgewehren und ähnlichem meiner Meinung nach polizeifremden Unsinn, sondern eine Signalisierung von Gewaltbereitschaft durch die Schutzpolizei auf der Straße, durch die normalen Streifenbeamten, durch geeignete polizeiliche Einsatzmittel (Stock, Pepperball, Taser, Flinte und Granatpistole mit Nicht-Letaler Munition etc) entsprechendes Auftreten und entsprechendes Handeln.
Und damit dies möglich wird eine entsprechende Rückendeckung durch Justiz und Politik.

Die Polizei in dieser Bundesrepublik ist meiner Ansicht nach viel zu weitgehend ins andere Extrem verfallen und wirkt daher heute auf viele in keinster Weise mehr abschreckend. Gerade viele Streifenpolizisten werden von der eigentlich problematischen Klientel nur noch als Witzfiguren empfunden, in keinster Weise mehr ernst genommen und verachtet. Und entsprechend steigt nicht nur die Gewalt gegen die Polizisten fortwährend, sondern sind diese umgekehrt in immer größeren Flächen nicht mehr in der Lage die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.

Meine These ist daher, dass die normale Polizei wesentlich mehr Gewaltbereitschaft signalisieren sollte, dass sie aber zugleich eben keine Militarisierung betreiben sollte, was meiner Meinung nach eine Fehlentwicklung aufgrund der Terrorbedrohung ist. Man benötigt also mehr polizeiliche Gewalt / Gewaltbereitschaft, aber keine militarisierte / paramilitärische Gewalt, genau in diese letztgenannte Richtung aber läuft es zunehmend. Man beschafft Helme, SK4 Westen, Sturmgewehre, übt mit der Bundeswehr zusammmen den Betrieb robuster Kontrollstellen, führt diese unsäglichen Geotex Übungen durch, übt intensiv das Vorgehen gegen mit Kriegswaffen bewaffnete Terroristen, aber kann im Alltag auf der Straße sich selbst gegenüber irgendwelchen einfachen Jugendlichen nicht mehr durchsetzen und wird von diesen herumgestoßen, angespuckt und schließlich kann man dann nur noch mit erheblicher zahlenmässiger Übermacht so tun als ob man diese Problemstellung wirklich löst.

Beispielsweise haben mir bayerische Polizeibeamte berichtet, dass sie im Laufe der Jahre mehrere spezielle ganztätige und mehrtägige "Anti-Terror"-Trainings hatten, angeblich auf einem ehemaligen Bundeswehrgelände, richtig wie auf einem Truppenübungsplatz mit Häusern, Außenbereich, Geländehindernissen usw usf, um dort das Vorgehen gegen Terroristen mit Sprengstoffwesten, Handgranten und Kriegswaffen zu üben. In der gleichen Zeit (mehrere Jahre) hatten sie aber nur 1 (in Worten Ein) Training wie man mit gewöhnlicher einfacher körperlicher Gewalt aus Gruppen umgeht, wobei der Übungsteil in dem es um Waffenlose Techniken ging gerade mal zwei Stunden umfasste. Dazu kam dann noch ein "Training" mit dem Teleskopschlagstock, bei dem es nur darum ging, ein paar Mal auf einen hängenden Reifen zu schlagen.

Polizeiliche Gewalt sollte ungleich militärischer Gewalt sein, da der Auftrag zu verschieden ist. Man vernachlässigt meiner Überzeugung nach den Bereich der polizeilichen Gewalt und wendet sich ironischerweise dem Bereich der miitärischen Gewalt zu, obwohl diese im Endeffekt praktisch gesehen irrelevant ist weil auch hier der Ausbildungsaufwand und der Ausbildungsstand völlig unzureichend sind.

So beherrscht man am Ende keines von beidem, richtet sich aber gedanklich und von der inneren Polizeikultur her viel zu sehr auf diese Terroristenfrage ein, statt sich um das zu kümmern, was der eigentliche primäre Auftrag wäre, nämlich die zivile Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten.

Und entsprechend gelingt dies immer weniger - meiner Wahrnehmung nach weil es an der notwendigen Gewaltbereitschaft fehlt.

Nun kommt an dieser Stelle gerne das Gegenargument, dass die Kriminalität gemäß der Statistik ja abnimmt, und insbesondere die Gewaltkriminalität im Abnehmen begriffen sei. Deshalb sei die polizeiliche Gewaltbereitschaft so ja gar nicht mehr notwendig etc. ich sehe das aber genau umgekehrt (Henne - Ei Frage): die polizeiliche Gewaltbereitschaft und Gewaltfähigkeit nimmt meiner Meinung nach vor allem auch deshalb ab, weil in der Gesellschaft insgesamt die Gewalt abnimmt und insbesondere in den Bevölkerungsschichten aus welchen sich die Polizei rekrutiert und auch wie sie rekrutiert und ausgebildet wird, gerade junge Polizisten heute meiner Meinung nach querschnittlich viel zu wenig Gewaltfähig sind.

Dieser Mangel an Gewaltfähigkeit gefährdet aber in die Zukunft gedacht erheblich die Sicherheit, weil die Gesellschaft immer mehr auseinanderdriftet, immer mehr Parallelgesellschaften entstehen (ob Islamisten oder irgendwelche ausländischen Ethnien oder Clans oder Linksextremisten oder Reichsbürger spielt dafür keine Rolle).

Das die Gewalt zur Zeit abnimmt ist zudem kein Verdienst der Polizei, sondern nur eine Funktion des überbordenden Luxus, der überblähten Sozialsysteme und der aktuellen Dekadenz. Überspitzt könnte man sagen, wir erkaufen uns den sozialen Frieden. Dies ist aber zum einen so nicht auf Dauer refinanzierbar und entsprechend der soziale Friede so nicht aufrecht erhaltbar und noch darüber hinaus erstreckt sich diese Kultur der Schwäche und Gewaltlosigkeit ja nicht auf alle Gruppen innerhalb der gerade entstehenden Nicht-Gesellschaft, sondern nur auf gewisse Anteile derselben, insbesondere auf die Mehrheit der Deutschen.
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#95
Auch wenn ich das mit der Militarisierung noch nicht so wahrgenommen habe, möchte ich mich deinem Urteil dazu anschließen. Zumindest da haben wir Einigkeit.

(27.03.2023, 09:41)Quintus Fabius schrieb: Gerade eben weil die Polizei Gewalt anwenden kann und weil sie dies darf, ist sie handlungsfähig und kann überhaupt agieren.

Ich würde an diesen Punkt anders herangehen als du. Aber ich gebe dir Recht, dass die Gewaltanwendung real teilweise unzureichend ist und sich daraus Probleme ergeben. Nur muss man da mMn trotzdem unterscheiden zwischen dem generellen Auftreten bzw. einer permanent signalisierten Gewaltbereitschaft und der konsequenten Anwendung von Gewalt, sofern erforderlich.
Ich habe immer die Erfahrung gemacht, dass diejenigen im Sicherheitsumfeld agierenden, die keine permanente Gewaltbereitschaft offen signalisiert haben, den höheren Respekt des Gegenübers erhalten haben und dadurch auch seltener in die Notwendigkeit kamen, tatsächlich Gewalt anwenden zu müssen. Außerdem ist gegenüber den allermeisten Bürgern ein Auftreten ohne immanente Gewaltandrohung deutlich konstruktiver.
Die exemplarische Eskalation bei der Verkehrskontrolle wird durch ein entsprechendes Drohpotential auch nicht verhindert, eher im Gegenteil, denn meist entsteht sie aus einem Provokationsempfinden des Gegenübers.

Für die Personen, bei denen eine tatsächliche Gewaltanwendung sowie deren Androhung sinnvoll und notwendig ist, wirkt ein offen getragener Schlagstock jedoch keinesfalls abschreckend. Das ist ähnlich wie mit demjenigen, der bereits vor Beginn der Auseinandersetzung ein Messer zieht. Ein offen getragener Schlagstock signalisiert keineswegs, dass von dem Polizisten eine konsequentere Gewaltanwendung zu erwarten ist, vor allem dann nicht, wenn dies bei jedem Polizisten der Fall ist und das Gegenüber ggf. bereits Erfahrungen gemacht hat, bei denen ein Stock dann eben nicht konsequent oder mit unzureichender Qualifizierung eingesetzt wurde. Stattdessen weiß das Gegenüber direkt, mit welcher Form von Gewaltanwendung zu rechnen ist und kann sich darauf einstellen. Wohingegen verdeckt getragene Waffen (deren Präsenz eine problematische Klientel natürlich trotzdem wahrnimmt) wie der Teleskopstock eher noch signalisieren, dass der Träger ein Eskalationspotential vorhält und somit schwerer einzuschätzen ist.

Dementsprechend ist eine konsequente Anwendung von angemessener polizeilicher Gewalt deren immanenter Androhung absolut vorzuziehen, während letzteres sogar kontraproduktiv ist. (Besondere Lagen natürlich ausgenommen)
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#96
Natürlich hast du dahingehend recht, dass man den ganz normalen Bürgern gegenüber in keinster Weise permanent Gewaltbereitschaft signalisieren sollte, ganz im Gegenteil.

In diesem Kontext möchte ich zudem noch anführen, dass die Polizei heute meiner Meinung nach zu viele Aufgaben übernimmt und deshalb zu viel mit normalen Bürgern interagiert, man sollte vieles was die Polizei zur Zeit tut auf andere Stelle umverteilen, wodurch diese Arbeiten zugleich auch kostengünstiger (!) erledigt werden könnten, weil es für diesen Gros an Tätigkeiten keine so hohe Qualifikation benötigt. Es ist eigentlich abstrus Beamten des gehobenen Dienstes Strafzettel schreiben zu lassen, zu ermitteln welcher Fahrer wann im Haltverbot stand, und die Grünanlagenverordnung kontrollieren zu lassen usw usf. Die Polizei ist halt wie jede Bürokratie ausgeufert und hat sich selbst immer mehr Aufgaben beschafft die allesamt von den Beamten der Schutzpolizei übernommen werden.

In diesem Kontext wäre auch eine klarere Trennung / Aufteilung einer Verkehrspolizei mit einem einfachen Dienst (!) und einer Schutzpolizei vorteilhaft, so dass nicht die gleiche Polizei derart verschiedene Aufgaben mit den exakt gleichen, für einen Gros der Aufgaben heillos überqualifizierten Beamten erledigen muss. Dies wäre wesentlich effizienter.

Entsprechend würde sich die Polizei mehr auf die tatsächliche Kriminalitätsbekämpfung konzentrieren können, statt die Kriminalität nur bürokratisch zu verwalten, was meiner Wahrnehmung nach aktuell der Fall ist.

Nehmen wir die von dir genannte Verkehrskontrolle: die Frage ist ja hier die der Zielsetzung ! Wenn ich in einem Problemviertel im Ruhrgebiet oder in Frankfurt oder Berlin einen höchstwertigen Wagen mit entsprechender Klientel kontrolliere, so ist ein ganz anderes Auftreten notwendig als wenn ich eine allgemeine Verkehrskontrolle auf dem Lande mache und dort nach Verbandskasten und Warndreieck frage. Entsprechend sollte die Schutzpolizei durch eine noch zu schaffende davon getrennte Verkehrspolizei von solchen Kontakten mit Normalbürgern entlastet werden.

Selbst Sondereinheiten wie beispielsweise BFE Einheiten mit hochspezialisierter Ausbildung und Ausrüstung fahren stattdessen Nächtens sinnlos in Spielstraßen und schreiben dort Strafzettel weil der Pkw nicht in der dafür markierten Parkfläche steht oder weil er 3,79 Meter vom Schnittpunkt der Kreuzung entfernt steht und dergleichenen Wahnsinn mehr. Ich weiß dies von einem ehemaligen Kameraden von mir aus Bundeswehrzeiten der heute in einer solchen "Sondereinheit" dient - nur um dann Strafzettel zu schreiben, dass ist absurd ! Während zugleich Kriminelle und Ausländische Straftäter mehr oder weniger tun und lassen können was immer sie wollen und zur Bekämpfung dieser Kriminalität viel zu viele Beamte fehlen.

Zitat:Für die Personen, bei denen eine tatsächliche Gewaltanwendung sowie deren Androhung sinnvoll und notwendig ist, wirkt ein offen getragener Schlagstock jedoch keinesfalls abschreckend.

Dazu gibt es meiner Erinnerung nach anderslautende Studien. Laut der Firma Bonowi die Schlagstöcke herstellt werden sogar mindestens 75 % aller Angriffe auf Polizeibeamte durch das bloße Vorzeigen eines Stockes verhindert. Abschreckung muss sichtbar und für einfache Geister verständlich sein, damit sie wirkt.

Zitat:Ein offen getragener Schlagstock signalisiert keineswegs, dass von dem Polizisten eine konsequentere Gewaltanwendung zu erwarten ist, vor allem dann nicht, wenn dies bei jedem Polizisten der Fall ist und das Gegenüber ggf. bereits Erfahrungen gemacht hat, bei denen ein Stock dann eben nicht konsequent oder mit unzureichender Qualifizierung eingesetzt wurde.

Das stimmt natürlich, aber wir sind uns ja beide einig, dass Polizeibeamte wesentlich mehr Nahkampfausbildung erhalten sollten. Die Gewaltfähigkeit muss natürlich in jedem Fall vorhanden sein. Abschreckung durch das Zeigen von Gewaltbereitschaft funktioniert natürlich nur und nur dann, wenn dahinter auch eine entsprechende Gewaltfäigkeit steht, da bin ich ganz bei dir.

Zitat:Dementsprechend ist eine konsequente Anwendung von angemessener polizeilicher Gewalt deren immanenter Androhung absolut vorzuziehen, während letzteres sogar kontraproduktiv ist.

Bezüglich der konsequenten Anwendung der Gewalt stimme ich dir zu, aber zu dieser gehört meiner Meinung nach eben auch die konsequente Androhung derselben. Die Frage ist natürlich in diesem Kontext der Addressat ! Gegenüber normalen Bürgern bei einer normalen Verkehrskontrolle mit Atemalkoholtest ist dies selbstverständlich genau so sinnlos und unangebracht, wie wenn das bloße Wegwerfen einer Glasflasche in einer Grünanlage angesprochen wird.

Aber um das nochmal zu betonen: all diese Aufgaben sollten nicht in dem aktuellen Ausmaß die Aufgabe der Schutzpolizei sein. Diese sollte viel konzentrierter und in einem Schwerpunkt auf echte ernsthafte Kriminalität konzentriert werden, stattdessen verkleckert man sie auf unendlich viele Nebenaufgaben. Das ist ineffizient und es bekämpft die Kriminellen nicht ausreichend.

Das gleiche gilt für viele polizeiliche Einsätze bei denen aufgrund eines Anrufes bei der 110 eine Streife geschickt wird. Beispielsweise terrorisiert ein Nachbar eines Bekannten von mir die örtliche Polizei mit Anhängern welche dann zu lange vor seinem Haus stehen und da wird allen Ernstes eine Polizeistreife hingeschickt. Das ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Die exakt gleichen Polizisten wurden auch geschickt als er einen Rentner meldete der während der Ausgangssperre allein im Freien auf einer Parkbank saß, und dass hatte eine Anzeige und hunderte von Euro Geldstrafe zur Folge ! Die gleichen feigen Untertanenfiguren von Polizistis (autoritären Charaktere) zogen aber sofort den Schwanz ein und kamen nicht (!), als Junge Männer besoffen herum randalierten und dabei mehrere gemeinschädliche Sachbeschädigungen begingen und eine Fensterscheibe mit einer leeren Wodkaflasche einwarfen.

Oder sie siezten Jugendliche (lächerlich!) und redeten und redeten und redeten auf diese ein, während sie von den Jugendlichen nur verarscht, verhöhnt und beleidigt wurden. Statt den Platzverweis einfach durchzusetzen.
Dergleiche Beispiele für die Feigheit der Polizei gegenüber ernsthaften Kriminellen und ihre Arroganz und ihr Fehlverhalten gegenüber ganz normalen Bürgern könnte man unzähliche anführen.

Ein Grund dafür ist meiner Vermutung nach die mangelnde Gewaltfähigkeit ! Entsprechend kann ich dir zustimmen, dass hinter jedem "Knüppel" den man zeigt auch die Befähigung stecken muss damit extrem hart, aber auch absolut gezielt und dosiert agieren zu können.
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#97
(01.04.2023, 13:51)Quintus Fabius schrieb: Laut der Firma Bonowi die Schlagstöcke herstellt werden sogar mindestens 75 % aller Angriffe auf Polizeibeamte durch das bloße Vorzeigen eines Stockes verhindert. Abschreckung muss sichtbar und für einfache Geister verständlich sein, damit sie wirkt.
Weswegen man in entsprechend relevante Situationen auch bereits mit Tonfa sichtbar hineingeht. Das ist etwas anderes als ihn IMMER offen zu tragen.

(01.04.2023, 13:51)Quintus Fabius schrieb: In diesem Kontext möchte ich zudem noch anführen, dass die Polizei heute meiner Meinung nach zu viele Aufgaben übernimmt und deshalb zu viel mit normalen Bürgern interagiert, man sollte vieles was die Polizei zur Zeit tut auf andere Stelle umverteilen, wodurch diese Arbeiten zugleich auch kostengünstiger (!) erledigt werden könnten, weil es für diesen Gros an Tätigkeiten keine so hohe Qualifikation benötigt. Es ist eigentlich abstrus Beamten des gehobenen Dienstes Strafzettel schreiben zu lassen, zu ermitteln welcher Fahrer wann im Haltverbot stand, und die Grünanlagenverordnung kontrollieren zu lassen usw usf.
Ich weiß ja -wie gesagt- nicht, wie Bayern das regelt, aber in NRW hat im Regelfall die Polizei nichts mit dem ruhenden Verkehr zu tun, dafür sind die Ordnungsämter zuständig. Und ich habe es auch noch nicht erlebt, dass die Polizei Tickets verteilt hätte. Nur bei groben Gefährdungen oder Störungen des Straßenverkehrs greift auch die Polizei ein. Insofern haben wir bereits eine solche Trennung, die auch funktioniert. (Zudem gibt es ja auch noch "oberhalb" der regulären Polizei die Bereitschaftspolizei für Großlagen.)

Auch Fußstreifen in den Innenstädten werden viel vom Ordnungsamt übernommen. Nun gibt es da aber häufig das Problem, dass es dabei zu Auseinandersetzungen kommt, für die das Amtspersonal nicht ausreichend ausgebildet und qualifiziert ist und die Polizei dann doch wieder Amtshilfe leisten muss. In einigen Städten ist man daher dazu übergangen, gemeinsame Streifen von Ordnungsamt und Polizei einzusetzen.

Ich persönlich bin da etwas unentschlossen und will daher nur ein paar Argumente anbringen:
Eine Trennung von Polizei/Ordnungsamt, wie bei uns praktiziert, funktioniert eigentlich recht gut, man darf nur vom Ordnungsamts-Personal nicht erwarten, dass sie Sicherheitsaufgaben übernehmen, denn dafür sind sie nicht ausgebildet. Ich könnte mir aber z.B. gut vorstellen, dass noch mehr Aufgaben in der Verkehrsüberwachung von den Ordnungsämtern übernommen werden könnten, gerade wenn es darum geht, Formaltäten wie Unfallberichte zu erledigen.
Eine darüber hinausgehende Auslagerung von einfachen Aufgaben aus der Polizei heraus führt aber im Endeffekt zu weniger Polizei. Wenn man nun z.B. die Verkehrspolizei heraus nimmt, dann fällt ein enorm großer Aufgabenbereich für die Schutzpolizei weg. Diese würde entsprechend reduziert, während die Verkehrspolizei bei Auseinandersetzungen dort Amtshilfe anfordern müsste. Es wären gleich viele Streifenwagen auf den Straßen unterwegs, aber nur ein kleiner Teil davon würde Schutzaufgaben übernehmen, während der Großteil nur auf den Verkehr schaut. Das würde letztendlich weniger Sicherheit generieren.

Die Kombination von ordnungsdienstlichen und Sicherheits-Aufgaben in einer gemeinsamen Polizei führt dazu, dass in beiden Bereichen mehr Kräfte zur Verfügung stehen, z.B.:
Zitat:Selbst Sondereinheiten wie beispielsweise BFE Einheiten mit hochspezialisierter Ausbildung und Ausrüstung fahren stattdessen Nächtens sinnlos in Spielstraßen und schreiben dort Strafzettel weil der Pkw nicht in der dafür markierten Parkfläche steht
Die BFE sind Teil der Einsatzhundertschaften, also der Bereitschaftspolizei. Diese haben hauptsächlich ihr Aufgabenfeld bei Großlagen. Um dort genug Personal zu haben, werden mehr Polizisten vorgehalten als im Alltag für diese Spezialaufgaben erforderlich sind. Dadurch stehen diese zeitweise, vor allem Werktags, für andere Tätigkeiten zur Verfügung. In der Gegend, in der ich früher tätig war, kamen regelmäßig zu "normalen" nächtlichen Polizeieinsätzen auch Kräfte der EHu hinzu. (Übrigens im Overall mit Tonfa.) Diese fuhren dort einfach auch nachts Streife im Rahmen ihrer Bereitschaft. Das ist eine gute Sache, weil sie die Sicherheit durch mehr Kräfte auf der Straße erhöht. Aber dann übernehmen die natürlich auch andere, banale Tätigkeiten, wenn sie "eh schon mal da sind". Da spricht auch nichts gegen.

Kann natürlich trotzdem sein, dass manche Polizeien das aus anderen Gründen machen und ihr Kapital einfach "verheizen", ich kann da nur aus meinen Erfahrungen berichten.


MMn sollten möglichst viele Aufgaben bei der Polizei konzentriert bleiben, weil mehr Aufgaben auch mehr Personal für den Ernstfall generieren können. Aber was ich sehr wohl für sinnvoll erachten würde, wäre eine Rückkehr zu den Dienstlaufbahnen des einfachen und mittleren Polizeidienstes. Das würde das Bewerberpotential deutlich erhöhen und man könnte die entsprechenden Aufgaben innerhalb der Polizei anders verteilen, ohne das Gesamtpotential zu verringern. Nur verursacht das einen hohen Organisationsbedarf und würde sicher auch innerhalb der vorhandenen Polizei aus einem elitären Selbstverständnis heraus nicht so gern gesehen werden.
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#98
https://nitter.net/BvMorgenstern/status/...8213642438 (Leider habe ich das Video nur von unsäglichen Accounts gepostet gefunden und die Kommentare sind entsprechend daneben. Ebenso hat der ursprüngliche Verbreiter hier erst von einem Ausländer gesprochen, um das dann direkt wieder korrigieren zu müssen. Also bitte nur das Video beachten und nicht die Kommentare dazu.)


Ein Einsatz in Rudolstadt, bei dem fünf Polizisten einen aggressiven Mann mit Messer in einem Straßenabschnitt zwischen zwei Einsatzfahrzeugen eingekreist haben und versuchen, ihn zum Ablegen des Messers zu bewegen, begleitet von lautstarker Kritik der Schaulustigen, die Schusswaffengebrauch einfordern und sich über die Unfähigkeit der Polizisten aufregen. Beendet wird die Lage nach Eintreffen einer Fahrzeugbesatzung der Bereitschaftspolizei, die mit zusätzlicher Schutzausrüstung unter vorhergehendem Pfeffersprayeinsatz den Mann entwaffnen und überwältigen.

Meine fachliche Meinung: Ausnahmsweise alles richtig gemacht. Der Bewaffnete war in einem Abschnitt gefangen, in dem er niemandem außer den Polizisten gefährlich werden konnte und es waren keine Solidarisierungen der Umstehenden zu erwarten. Dementsprechend lag hier keine Gefährdung Dritter und auch kein Zeitdruck vor, so dass man sich komplett auf die Abwägung zwischen Eigen- und Tätergefährdung konzentrieren konnte. Und das habe die Polizisten auch gut gemacht, es ist zu erkennen, dass sie mit Zurückweichen, Ablenken und Zurückdrängen den Angreifer recht gut auf Distanz halten können und jederzeit die Möglichkeit hatten, einen tatsächlichen Angriff noch durch Schusswaffengebrauch zu verhindern.
Zur Beendigung wurde dann schließlich durch das Pfefferspray im richtigen Moment kurz die Orientierung genommen und durch den folgenden gleichzeitigen Zugriff aus zwei Richtungen dem Gegenüber die Möglichkeit genommen, gezielt eine Abwehr durchzuführen, so dass die Entwaffnung und Überwältigung möglich wurde.
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#99
Meiner nicht-fachlichen Meinung nach ist das in manchen Aspekten kein besonders gutes Vorgehen gewesen:

Die Beamten stehen vor dem Eintreffen der Verstärkung mehrfach eindeutig zu Nahe an dem Bewaffneten. Der Abstand ist viel zu kurz um mit der Feuerwaffe hier eine ausreichende Eigensicherung bei einem Angriff noch sicher gewährleisten zu können. Das wahrscheinlichste Ergebnis wäre dann ein Abtausch von Schuss gegen Stich und bei der Länge des hier verwendeten Messers wäre dies extrem problematisch.

Das Argument, dass hier keine Gefährdung für andere außer den Polizeibeamten bestand finde ich fragwürdig. Zum einen sind Polizeibeamte nicht weniger wert als andere (ich weiß ! dass hast du nicht einmal implizieren wollen) - die Gefährdung der Polizeibeamten ist daher nicht anders zu gewichten als die von anderen, darüber hinaus aber befinden sich hinter dem Bewaffneten mehrere Häuser mit Hauseingängen. Es könnte sowohl dort jemand heraus kommen, der dann auch noch in der potentiellen Schusslinie hinter dem Bewaffneten steht, als auch umgekehrt: könnte auch der Bewaffnete plötzlich umdrehen und in das Haus hinein gehen.

Wenn man schon beschließt nicht zu schießen und auf Pfefferspray zu setzen, vor allem um den Täter zu blenden, hätten auch die Beamten welche schon vor Ort waren ihre Pfefferspray einsetzen können, insbesondere da hier mehrere Beamte zusammen hätten wirken können. Warum hier also darauf warten, dass die Verstärkung von der Bereitschaftspolizei eintrifft?

Dies führt gleich zur nächsten Problemstellung: je länger ein solcher Einsatz andauert, desto mehr steigt das Risiko und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation oder einer unvorhergesehenen Lage, auch die Wahrscheinlichkeit für Friktionen erhöht sich. Ich kann dir zustimmen, dass hier aufgrund der Umstehenden (keine Solidarisierung) kein gesonderter Zeitdruck besteht, aber Zeit ist immer kritisch und Geschwindigkeit immer ein Vorteil. Je länger man wartet, desto taktisch ungünstiger ist es meistens.

Dann schreibst du, dass Verstärkung eintrifft, welche dann zusätzliche Schutzausrüstung hat. Ich sehe da kein Kettenhemd (was eine geeignete Schutzausrüstung wäre), sondern nur eine Art Schild (ist dass eine rollbare ballistische Schutzmatte?). Ansonsten tragen die Beamten die dann eintreffen auch nur die üblichen Westen, welche keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Schutz gegen Messer bieten.

Dem folgend setzt man also eine große Pfefferspray ein und blendet damit anscheinend den Täter. Dem folgt der Zugriff indem zuerst vor allem die Arme gegriffen werden. Auch das ist höchst risikoreich, selbst wenn der Täter nichts mehr sieht. Man hätte durchaus noch etwas weiter abwarten können, ob das Pfefferspray dann nach kurzem noch eine stärkere - eventuell ausschaltende Wirkung zeigt. Ein Taser - welchen die Bereitschaftspolizei auf ihren Fahrzeugen haben dürfte - wäre gerade weil der Oberkörper nackt war hier statt dem Pfeffer ein besonders geeignetes Einsatzmittel gewesen.

Man hätte auch nochmal nachsprühen können. Kurz und einfach: man muss nicht so schnell und so unmittelbar nach dem Einsatz des Pfeffer den Zugriff durchführen. Das ist meiner Meinung nach einfach taktisch falsch und erhöht das Risiko erheblich, selbst beim Greifen einen Stich mit dem Messer abzubekommen, mit etwaig tödlichen Folgen. Stattdessen hätte man nochmal nachsprühen und etwas warten können, damit etwaig noch mehr Wirkung einsetzt.

Das Pfeffer stellt im weiteren in der großen Menge auch eine Gefährdung bzw. ein Problem für die Beamten dar welche dann den Zugriff durchführen. Sie können leicht mit Pfeffer kontaminiert werden und im schlimmsten Fall (Nebel, Ausdünstungen) werden sie selbst von dem Pfeffer in der Sicht beeinträchtigt oder sogar in ihrer Handlungsfähigkeit (durch Schmerzreiz etc) und scheitern dann genau deswegen beim Zugriff und werden von dem Täter bei welchem noch überhaupt nicht klar ist, ob er überhaupt auf das Pfefferspray reagiert mit dem Messer abgestochen. Da der Täter hier höchstwahrscheinlich psychisch krank ist, könnte es sein, dass er gar nicht auf das Pfeffer reagiert, die Kollegen aber diesem durch den engen körperlichen Zugriff zum Opfer fallen.

Meiner Meinung nach wäre es besser gewesen, hier mit dem Tonfa mit aller Gewalt nach der Messerhand des Täters zu schlagen nachdem dieser von dem Strahl erkennbar geblendet wurde. Dadurch hält man mehr Abstand, könnte etwaig bei einem (blinden) Stich noch wegspringen und durch die Zerstörung der Messerhand fällt dieses zu Boden. Dem folgend könnte man dann den Täter gezielt umrennen sobald das Messer weg ist. Stattdessen greifen mehrere Beamten von allen Seiten her zu und ziehen den Täter zu Boden während er das Messer noch in der Hand hat.

Im weiteren ist bloßes Schießen auch nicht gleich Schießen, es kommt ja sehr stark darauf an wohin genau man schießt. Auf die kurze Distanz wäre ich mit einer Maschinenpistole durchaus in der Lage, gezielt das Knie oder sogar die Messerhand des Täters mit einem Schuss sicher zu treffen. Gegen den Einsatz der Feuerwaffe sprechen hier meiner Meinung nach eher Fragen wie die Hintergrundgefährdung, die Frage von Querschlägern und natürlich die anscheinend oft nicht so gute Befähigung von Polizeibeamten mit ihren Feuerwaffen.

Schlussendlich wäre es daher meiner Meinung nach besser gewesen, wenn die Beamten schon vor dem Eintreffen der Verstärkung ihr eigenes Pfefferspray eingesetzt hätten - es waren ja bereits vorher mehrere Beamte da und dem folgend man mit dem Tonfa gegen die Messerhand gewirkt hätte. An dieser Stelle noch etwas zur Haltung des Messer durch den Täter: dieser hält es interessantererweise ja oft hinten bzw. hinter dem Rücken, womit man natürlich mit einem Schlag nicht an dieses heran kommt. Nach einem Pfeffersprayeinsatz durch mehrere Beamte gleichzeitig hätte sich aber höchstwahrscheinlich eine Chance zum Schlag gegen den Messerarm ergeben.

Und auch wenn es komplett im Gegensatz zu dir steht: ich halte den Einsatz der Feuerwaffe hier für zielführender und weit besser als den Zugriff mit bloßen Händen nach einem Pfeffersprayeinsatz - und die Schlussfolgerung für mich aus diesem Beispiel wäre, die Schießfähigkeiten bei der Polizei zu verbessern, so dass sie dazu befähigt sind gezielt zu schießen ohne dadurch sofort zu töten. Und auch wenn das oft lapidar abgetan wird, dass ginge ja gar nicht: es ginge sehr wohl und geht nur deshalb nicht, weil sehr viele Polizeibeamte einfach schlechte Schützen sind.

Als Ideallösung würde ich hier den Taser ansehen. Wenn natürlich kein solcher zur Verfügung steht, kann man auch keinen einsetzen, ist klar, aber gerade eben deshalb wäre es erneut meine Schlußfolgerung daraus, dass in jedem Streifenwagen ein Taser sein müsste.
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(16.10.2023, 13:08)Quintus Fabius schrieb: Meiner nicht-fachlichen Meinung nach ist das in manchen Aspekten kein besonders gutes Vorgehen gewesen:
Was zu erwarten war. Big Grin
Zitat:Die Beamten stehen vor dem Eintreffen der Verstärkung mehrfach eindeutig zu Nahe an dem Bewaffneten.
Der Abstand wäre idealerweise größer gewesen, ja, hier sprach jedoch die rückwärtige Begrenzung dagegen, weil man sonst keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, noch einem Angriff auszuweichen, insofern war die Abwägung hier richtig, einen kürzeren Abstand zu riskieren, um sich den Ausweichraum zu erhalten. Distanz und Ausweichmöglichkeiten müssen hier zusammen betrachtet werden.
Zitat:darüber hinaus aber befinden sich hinter dem Bewaffneten mehrere Häuser mit Hauseingängen. Es könnte sowohl dort jemand heraus kommen, der dann auch noch in der potentiellen Schusslinie hinter dem Bewaffneten steht, als auch umgekehrt: könnte auch der Bewaffnete plötzlich umdrehen und in das Haus hinein gehen.
Zum einen kennen wir hier die Hintergründe nicht, es kann also gut möglich sein, dass das ausgeschlossen werden konnte. Zudem würde aber auch das bloße Risiko, dass dort jemand auftauchen könnte, in der Abwägung nicht den Schusswaffengebrauch rechtfertigen.
Zitat:Wenn man schon beschließt nicht zu schießen und auf Pfefferspray zu setzen, vor allem um den Täter zu blenden, hätten auch die Beamten welche schon vor Ort waren ihre Pfefferspray einsetzen können, insbesondere da hier mehrere Beamte zusammen hätten wirken können. Warum hier also darauf warten, dass die Verstärkung von der Bereitschaftspolizei eintrifft?
Zum einen war die Anzahl der Beamten hier zu gering, um alle notwendigen Aspekte gleichzeitig abzudecken. Hier mussten mindestens zwei der Beamten mit Schusswaffe bereitstehen, um notfalls wirken zu können, einer alleine hätte ggf. in einen falschen Schusswinkel geraten können, so er nicht schnell genug hätte wirken können. Somit blieben maximal drei Beamte für den Zugriff. Zum anderen hätte Pfeffersprayeinsatz hier vermutlich nur mit den kleinen RSG erfolgen können, den großen "Feuerlöscher" dürften sie nicht zur Hand gehabt haben. Bei einem solchen Ansatz gegen ein Gegenüber, das sich so zeigt wie hier, ist in aller Regel mit einer unmittelbaren Angriffsreaktion des Getroffenen zu rechnen, so dass ein Zugriff zur Entwaffnung zwingend erforderlich geworden wäre. Dafür hätten dann jedoch maximal noch zwei Beamte zur Verfügung gestanden, die vermutlich auch nicht mit ausreichendem Schnittschutz ausgestattet waren. Die Eigengefährdung wäre zu einem früheren Zeitpunkt somit deutlich höher gewesen aufgrund der geringeren Anzahl von Einsatzkräften und deren verfügbaren Mitteln.
Zitat:Je länger man wartet, desto taktisch ungünstiger ist es meistens.
Wir müssen davon ausgehen, dass den Beamten bewusst war, dass ihre Verstärkung sehr zeitnah eintrifft. (Bereits bei Sekunde 10 des Videos hört man die Sirene des Mannschaftswagens) Dementsprechend gab es diesen Zeitdruck so nicht. Die absehbare Verbesserung der taktischen Voraussetzungen durch die zusätzlichen Einsatzkräfte und -mittel war hier höher zu bewerten als das zunehmende Risiko einer Eskalation.
Zitat:Dann schreibst du, dass Verstärkung eintrifft, welche dann zusätzliche Schutzausrüstung hat. Ich sehe da kein Kettenhemd (was eine geeignete Schutzausrüstung wäre), sondern nur eine Art Schild (ist dass eine rollbare ballistische Schutzmatte?). Ansonsten tragen die Beamten die dann eintreffen auch nur die üblichen Westen, welche keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Schutz gegen Messer bieten.
Es ist nicht zu erkennen, inwieweit hier die Bereitschaftskräfte verdeckt mit entsprechenden Kettenhandschuhen und Armschonern ausgestattet waren, was bei dem gezeigten Zugriff auch ein geeignetes Schutzniveau dargestellt hätte. Ich gehe zumindest davon aus, dass sie diesbezüglich bessere Voraussetzungen mitgebracht haben als die ursprünglich anwesenden regulären Kräfte, von den die meisten noch nicht einmal Handschuhe trugen, mit Ausnahme desjenigen, der schlussendlich auch am Zugriff teilnahm.
Aber ich gebe dir recht: Hier hätte man bessere Ausrüstungsmittel zur Hand haben können, allerdings wissen wir nicht, wie vorbereitet diese Wagenbesatzung auf den Einsatz war. Es scheint sich ja nicht um spezialisierte oder zumindest mit minimaler Vorbereitungszeit gezielt herangeführte Kräfte zu handeln, sondern schlicht die zeitnah verfügbare Fahrzeugbesatzung, die vermutlich schon in der Nähe im Einsatz oder auf Streife war, sonst wären bereits mehr einfache Streifenwagen vor Ort gewesen bevor die Bereitschaftspolizei eintrifft. Insofern gehe ich nicht davon aus, dass hier eine Vorbereitung auf die Einsatzlage möglich war.
Man könnte das aber natürlich zum Anlass nehmen, um die Ausstattung der Fahrzeuge zu überdenken. Ggf. könnte es sinnvoll sein, alle Mannschaftstransporter der Bereitschaftspolizei regulär mit einer Messerabwehrausstattung zu bestücken, da diese Einsatzlagen häufiger werden und meist schnelles Handeln erfordern.
Zitat:Dem folgend setzt man also eine große Pfefferspray ein und blendet damit anscheinend den Täter. Dem folgt der Zugriff indem zuerst vor allem die Arme gegriffen werden. Auch das ist höchst risikoreich, selbst wenn der Täter nichts mehr sieht. Man hätte durchaus noch etwas weiter abwarten können, ob das Pfefferspray dann nach kurzem noch eine stärkere - eventuell ausschaltende Wirkung zeigt.
Nein, auf keinen Fall! Die Wirkung von Pfefferspray auf eine Person mit dem gezeigten Aggressionslevel ist meist nur von sehr kurzer Dauer. Es ist vielmehr der Überraschungseffekt und die kurzzeitige Verwirrung, die hier genutzt werden kann als die mittelfristige Zunahme der Wirkung. Man kann zwar Glück haben, dass auch die eigentliche Wirkung des Sprays ihren Beitrag leistet, aber keinesfalls sollte man sich darauf verlassen. Dementsprechend ist der Pfeffereinsatz immer ein Eskalationspunkt, an dem umgehend gehandelt werden muss in dem Moment, in dem die Verwirrung des Gegenüber am größten ist und das ist etwa 1-3 Sekunden nach dem RSG-Einsatz. Folgt in dem Zeitraum kein unmittelbarer Zugriff, erhöht sich die Gefahr eines Gegenangriffs enorm und man gibt die Initiative aus der Hand. Das Pfefferspray dient dabei weniger der Ausschaltung des Täters als vielmehr seiner kurzzeitigen Ablenkung.
Zudem scheint es mir so, als hätten die Beamten konkret die Reaktion des Gegenüber auf das Pfefferspray genau beobachtet und erst im richtigen Moment zugegriffen, als für sie erkennbar war, dass seine Orientierung kurz ausgesetzt hatte.
Zitat:Ein Taser - welchen die Bereitschaftspolizei auf ihren Fahrzeugen haben dürfte - wäre gerade weil der Oberkörper nackt war hier statt dem Pfeffer ein besonders geeignetes Einsatzmittel gewesen.
Ich halte extrem wenig von Tasern, zu oft führen diese nur zur Eskalation einer Situation, ohne tatsächlich Wirkung zu zeigen. Gegen Messer würde ich sie nie einsetzen, höchstens gegen Hiebwaffen. Beim Messerangriff kann man kinetisch oder ballistisch wirken, außerdem mit kontrolliertem manuellen Eingriff unter bestimmten Voraussetzungen, aber Taser sind hier keine gute Wahl, weil ihre Wirkung zu unzuverlässig ist.
Zitat:Das Pfeffer stellt im weiteren in der großen Menge auch eine Gefährdung bzw. ein Problem für die Beamten dar welche dann den Zugriff durchführen.
Nicht in der hier gezeigten Geschwindigkeit des Zugriffs. Selbst wenn hier Beamte etwas von dem Pfefferspray abbekommen sollten, dann wirkt dieses bei ihnen erst nach dem ersten Zugriff, bzw. vor allem nach der Entwaffnung des Täters, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Ausfall einzelner Beamten zu keiner ernsthaften Gefährdung mehr führen würde. Dieses Risiko kann vernachlässigt werden.
Zitat:Meiner Meinung nach wäre es besser gewesen, hier mit dem Tonfa mit aller Gewalt nach der Messerhand des Täters zu schlagen nachdem dieser von dem Strahl erkennbar geblendet wurde.
Bei einem gut am Tonfa ausgebildeten Polizisten würde ich dem durchaus zustimmen. Das wäre jedoch nur ein anderes technisches Mittel beim gleichen taktischen Vorgehen gewesen. Beides kann Vor- und Nachteile haben und auch anhand des persönlichen Könnens der eingesetzten Polizisten ausgewählt werden.
Zitat:Stattdessen greifen mehrere Beamten von allen Seiten her zu und ziehen den Täter zu Boden während er das Messer noch in der Hand hat.
Die Videoqualität ist recht bescheiden, aber ich meine zu erkennen, dass es sogar der eine Streifenpolizist mit (Kevlar-?)Handschuhen ist, der hier den Zugriff auf den Messer-führenden Arm vornimmt. Und es ist nicht zu erkennen, ob das Gegenüber zu diesem Zeitpunkt das Messer überhaupt noch hält, aber es scheint mir so, dass der Beamte weiter rechts ihn frontal ablenkt, so dass der Zugriff von schräg hinten in dem Moment vergleichsweise sicher durchgeführt werden kann. Die weiteren Kräfte greifen erst ein, als der Arm bereits fixiert ist und zu Boden gebracht wird er auch erst, als er gesichert kein Messer mehr hält.
Zitat:Im weiteren ist bloßes Schießen auch nicht gleich Schießen, es kommt ja sehr stark darauf an wohin genau man schießt.
Das ist erstmal egal, solange es mildere, vertretbare Mittel gibt, was der Verlauf der Situation hier bestätigt hat.
Zitat:Auf die kurze Distanz wäre ich mit einer Maschinenpistole durchaus in der Lage, gezielt das Knie oder sogar die Messerhand des Täters mit einem Schuss sicher zu treffen.
Das könnte in einer geringfügig anders gelagerten Situation auch durchaus das richtige Mittel sein, hier war es nicht angemessen, zumindest wenn wir davon ausgehen, dass eine Gefährdung von bspw. Hausbewohnern durch den Messerführenden ausgeschlossen werden konnte, was wir allerdings nicht wissen.
Zitat:Schlussendlich wäre es daher meiner Meinung nach besser gewesen, wenn die Beamten schon vor dem Eintreffen der Verstärkung ihr eigenes Pfefferspray eingesetzt hätten - es waren ja bereits vorher mehrere Beamte da und dem folgend man mit dem Tonfa gegen die Messerhand gewirkt hätte.
In dem Dortmunder Fall, den wir hier vor einiger Zeit besprochen haben, hatte ich ja ähnliches angeführt. In diesem hier musste man aber die damit einhergehende Gefährdung nicht eingehen, da weitere Kräfte hinzukamen und keine Solidarisierungsgefahr bestand. Hinzu kommt insbesondere folgende Tatsache:
Zitat:An dieser Stelle noch etwas zur Haltung des Messer durch den Täter: dieser hält es interessantererweise ja oft hinten bzw. hinter dem Rücken, womit man natürlich mit einem Schlag nicht an dieses heran kommt. Nach einem Pfeffersprayeinsatz durch mehrere Beamte gleichzeitig hätte sich aber höchstwahrscheinlich eine Chance zum Schlag gegen den Messerarm ergeben.
Er hält das Messer vor allem so, dass man davon ausgehen muss, dass er sowas nicht zum ersten mal tut. Da ist dann erhöhte Aufmerksamkeit gefordert und es ist mMn ganz und gar nicht damit zu rechnen, dass er bei einem Pfeffersprayeinsatz durch die kleinen RSG der Streifenkräfte das Messer so geführt hätte, dass ein Schlag oder sonstiger Zugriff möglich geworden wäre, zumal die zuvor bereits erwähnte geringe Zahl von 1-2 dazu einsetzbaren Beamten auch nur einen begrenzten Aktionsraum ermöglicht hätte. Die Chance für einen erfolgreichen Stockeinsatz gegen das Messer wäre bei einem früheren RSG-Einsatz mit geringeren Kräften vor Ort deutlich geringer gewesen und somit wäre das Risiko größer gewesen, dass eine Situation entsteht, die nur mit der Schusswaffe zu klären gewesen wäre. Und das dann auch nicht mehr kontrolliert, sondern im Rahmen einer direkten Abwehr eines Messerangriffs gegen einen der Polizisten, vermutlich sogar denjenigen, der das RSG eingesetzt hätte und somit in dem Moment vermutlich selbst seine Schusswaffe nicht entsprechend schnell und präzise hätte verwenden können. Er wäre somit auf die Deckung eines Kollegen angewiesen gewesen, der wiederum auf die andere hätte Rücksicht nehmen müssen, die für einen Stockschlag bereit standen. DAS wären unkontrollierbare Friktionen gewesen.

Eine gute alternative Vorgehensweise hätten -bei entsprechender Verfügbarkeit- z.B. Pepper-Balls sein können. In dem Fall hätten die Bereitschaftskräfte die Schaulustigen entfernen müssen und in der Folge hätte man die Distanz zum Messerführenden erhöhen und ihn daraufhin massiv mit Pfeffer beschießen können. Womit wir wieder beim Thema Ausstattung mit nicht-letalen Wirkmitteln wären.
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Broensen:

Vorab vielen Dank für diese äußerst lehrreichen und hochinteressanten Ausführungen! Ich fange ja gerade erst an mich mit Polizeitaktiken zu beschäftigen (genau genommen erst aus dem Kontext unserer Diskussion über Dortmund heraus), da diese für mich in vielen Aspekten völlig kontraintuitiv sind (ich würde sofort schießen). Gerade die Idee, einen bewaffneten Gegner lebendig gefangen zu nehmen und ihn dabei auch noch so wenig wie möglich zu verletzen macht das ganze so spannend und extrem komplex / anspruchsvoll. Absolut faszinierend.

Zitat:Zum einen kennen wir hier die Hintergründe nicht, es kann also gut möglich sein, dass das ausgeschlossen werden konnte.

Natürlich fehlt uns hier einiges an Wissen über die Umstände. Eventuell kannten die Beamten den Täter schon, eventuell ist er bereits mehrfach so aufgefallen, natürlich kennen wir die Hintergründe nicht. Dessen ungeachtet kann man aber meiner Ansicht nach trotzdem die bloße Taktik für sich allein bewerten, auch wenn man nicht alle Umstände kennt.

Zitat:Der Abstand wäre idealerweise größer gewesen, ja, hier sprach jedoch die rückwärtige Begrenzung dagegen, weil man sonst keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, noch einem Angriff auszuweichen, insofern war die Abwägung hier richtig, einen kürzeren Abstand zu riskieren, um sich den Ausweichraum zu erhalten. Distanz und Ausweichmöglichkeiten müssen hier zusammen betrachtet werden.

Diese Aussage kann ich aufgrund meiner rein persönlichen Erfahrung in Bezug auf Nahkampf so nicht teilen. Man kommt einfach rückwärts nicht so schnell weg wie der andere vorwärts stürmen kann. Man muss schon extrem schnell sein um rückwärts einem Angreifer wegspringen zu können, wenn dieser ernsthaft nach vorne geht, dass können nur wenige. Damit ist der Ausweichraum irrelevant in Bezug auf die Frage des Abstandes. Der Abstand war daher bei einigen der Beamten einfach grundsätzlich viel zu gering. Hätte der Messerangreifer es darauf angelegt, hätte er zumindest einen der Beamten genau deshalb - und nur deswegen - erledigen können.

Desweiteren hatten die gleichen Beamten welche hier keinen ausreichenden Abstand einhielten ihre Waffen nicht richtig im Anschlag. Beispielsweise hielt der große glatzköpfige Beamte mit Sonnenbrille seine Maschinenpistole mehrfach nicht im Schulteranschlag, obwohl der Angreifer praktisch gesehen in Reichweite für einen Messerangriff war. Stattdessen schwebte die einziehbare Schulterstütze neben der Schulter in der freien Luft. Damit wäre dann nicht sicher gewährleistet, den Messerangreifer bei einem Sturmangriff überhaupt ausschalten zu können und gerade bei Pistolenmunition hängt ein Großteil der Mannstoppwirkung von der exakten Trefferlage ab.

Aber abgesehen von solchen Fehlern war der Abstand meiner Überzeugung nach in jedem Fall zu gering, mehrfach. Entsprechend hätte die Sache für einen, sogar für mehrere Beamte tödlich ausgehen können. Ich selbst hätte gewusst wie ich sogar mehrere Beamte töte bevor ich selbst kampfunfähig und dann tot bin.

Zitat:Zudem würde aber auch das bloße Risiko, dass dort jemand auftauchen könnte, in der Abwägung nicht den Schusswaffengebrauch rechtfertigen.

Der Schusswaffengebrauch ist allein schon dadurch gerechtfertigt, dass der Täter mit einem Messer aggressiv hin und her läuft und dabei auch mehrfach auf Beamte zuläuft und sich ihnen annähert. Rein rechtmäßig wäre es daher hier meiner Überzeugung nach in jedem Fall möglich zu schießen. Es ist aber natürlich taktisch und auch sonst viel interessanter dies nicht zu tun und die Fragestellung wie man die ganze Situation ohne Schusswaffengebrauch lösen könnte ist ja die welche ich hier gerne diskutieren würde um davon zu lernen und meinen Horizont zu weiten.

Ansonsten wäre der Fall taktisch gesehen ja höchst einfach: ich sehe den Täter, ich schieße ihn nieder. Ende der Geschichte. Rein rechtmäßig meiner Überzeugung nach absolut möglich und problemlos. Taktisch natürlich viel faszinierender und herausfordernder es anders zu machen und insgesamt polizeilich / gesellschaftlich gesehen natürlich die bessere Variante im Vergleich. Diesen Punkt hatten wir ja schon ausführlich und da hast du mich schon überzeugt, dass es sinnvoller sein kann den Täter wenn möglich lebendig zu fangen.

Zitat:Zum einen war die Anzahl der Beamten hier zu gering, um alle notwendigen Aspekte gleichzeitig abzudecken. ……Die Eigengefährdung wäre zu einem früheren Zeitpunkt somit deutlich höher gewesen aufgrund der geringeren Anzahl von Einsatzkräften und deren verfügbaren Mitteln.

Das leuchtet ein. Womit wir wieder bei der Frage der verfügbaren Einsatzmittel wären.

Zitat:Ggf. könnte es sinnvoll sein, alle Mannschaftstransporter der Bereitschaftspolizei regulär mit einer Messerabwehrausstattung zu bestücken, da diese Einsatzlagen häufiger werden und meist schnelles Handeln erfordern.

Zustimmung. Darüber hinaus könnte man andenken, die Einsatzjacken bzw. die Einsatzkleidung der Polizeibeamten an sich als Schnittschutzkleidung zu gestalten. Damit wäre sie zugleich auch reißfester und robuster. Eine entsprechende Schnittschutzjacke und Stichschutzeinlagen für die Weste wären hier sicher sehr vorteilhaft und würden sich auch sonst im Streifendienst bewähren, da sie gegenüber Kratzen, Beißen etc. auch einen Schutz bieten.

Zitat:als die ursprünglich anwesenden regulären Kräfte, von den die meisten noch nicht einmal Handschuhe trugen, mit Ausnahme desjenigen, der schlussendlich auch am Zugriff teilnahm.

Das ist mir auch aufgefallen. Warum tragen die keine Handschuhe? Eine Erklärung könnte sein, dass sie sich mit den Handschuhen mit ihren Feuerwaffen unsicherer fühlen bzw. glauben dann nicht gut genug schießen zu können. Viele können mit Handschuhen nicht so gut schießen, gerade mit Pistolen nicht. Das müsste entsprechend auch mehr trainiert werden (gilt für Polizei wie Militär). Und auch dies leitet über zur Frage, ob die bei der Polizei verwendeten Feuerwaffen überhaupt die richtigen sind. Die Beamten hier hatten ja Pistolen und Maschinenpistolen.

Wie schon bei der Diskussion im Dortmund kann ich da nur erneut feststellen, dass halbautomatische Flinten hier die viel besser Bewaffnung wären. Den damit könnten Beeinträchtigungen der Treffsicherheit durch Handschuhe, Angst, mangelnde Schießkenntnisse eben sehr leicht durch die Flächenwirkung der Flinte ausgeglichen werden. Auch wäre die Hintergrundgefährdung geringer, die Frage von Querschlägern wurde sich so nicht stellen, die Mannstoppwirkung wäre querschnittlich höher, man könnte sehr zuverlässig gegen die Beine wirken und diese sicher treffen und schließlich wäre auch die psychologische Wirkung auf den Feind durch den größeren Laufdurchmesser erheblich größer etc

Kurz und einfach: auch dieser Fall bestärkt mich erheblich in meiner Auffassung, dass die Polizei Flinten haben sollte und mit Flinten wesentlich besser aufgestellt wäre als mit den Maschinenpistolen. Mit Flinten kann ja sogar nicht-letale Munition verschossen werden, von Gummigeschossen über CS-Gas Geschosse bis hin zu Tasergeschossen.

Zitat:Ich halte extrem wenig von Tasern, zu oft führen diese nur zur Eskalation einer Situation, ohne tatsächlich Wirkung zu zeigen.

Hochinteressant. Warum zeigen Taser keine Wirkung!? Meinem Verständnis nach sollten sie, wenn sie gut treffen sogar sehr stark wirken, stärker als Kugeln. Auch die Filme aus den USA von Tasereinsätzen finde ich eher überzeugend in Bezug auf die Wirkung. Natürlich geht das nicht immer, aber das gilt für alles. Selbst ein Kopfschuss stoppt nicht 100%. So weit ich es gelesen habe fordern aber gerade die Polizeien / Gewerkschaften usw. sehr oft den Taser. Wie erklärst du diese Forderungen? Gerade die Filme aus den USA zeigen doch eher, dass Taser sehr gut wirken, oder ?!

Meiner Meinung nach aber wäre es am besten, anstelle von Tasern und Maschinenpistolen, Pepperball und was sonst noch schlicht und einfach Flinten zu verwenden (siehe oben).

Zitat:
Zitat:Zitat:Im weiteren ist bloßes Schießen auch nicht gleich Schießen, es kommt ja sehr stark darauf an wohin genau man schießt.
Das ist erstmal egal, solange es mildere, vertretbare Mittel gibt, was der Verlauf der Situation hier bestätigt hat.

Wie schon geschrieben kann man Gegner durch Schüsse auch kampfunfähig machen, ohne sie zu töten. Eine Schrotgarbe aus einer Flinte würde dies natürlich nochmal erheblich erleichtern, da damit der Schuss in die Beine selbst bei einem sich bewegenden Gegner recht problemlos möglich ist.

Zitat:Eine gute alternative Vorgehensweise hätten -bei entsprechender Verfügbarkeit- z.B. Pepper-Balls sein können. In dem Fall hätten die Bereitschaftskräfte die Schaulustigen entfernen müssen und in der Folge hätte man die Distanz zum Messerführenden erhöhen und ihn daraufhin massiv mit Pfeffer beschießen können. Womit wir wieder beim Thema Ausstattung mit nicht-letalen Wirkmitteln wären.

Und Flinten können auch nicht-letale Munition verschießen, zudem gibt es Flinten mit Magazin, entsprechend könnte man mit diesen die Munition sehr leicht und schnell jeweils wechseln. Statt also Pistole und Maschinenpistole und Pepperball dabei zu haben, hätte man einfach eine Flinte und verschiedene Munition. Wie ich es ja schon mal geschrieben habe sind Flinten zudem Ideal um Türen aufzuschießen, man könnte sie auch sehr gut gegen verletzte Tiere einsetzen die man erlösen will und vieles weitere mehr.

Für mich ist die Schlußfolgerung aus den Diskussionen mit dir immer mehr und immer fester sich vertiefend, dass eine Ausrüstung der Polizei mit Flinten die beste Lösung für viele Problemstellungen darstellen würde, und es ermöglichen würde sehr viele Täter lebendig zu fangen, ohne sie töten zu müssen.

Je mehr ich über die Diskussion mit dir nachdenke, desto mehr erscheinen mit magazingefütterte halbautomatische Flinten als die Antwort auf die Fragen welche sich mit solchen Tätern zunehmend stellen. Wie siehst du dies ?
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PS: Noch drei Vorschläge / Ideen welche ich deiner fachkundigen Ansicht zur Prüfung vorlegen möchte:

1. Hunde einsetzen. Wenn ich schon die Sache nicht so zeitkritisch sehe, könnte man einen oder noch bessere mehrere Polizeihunde zugleich gegen den Messerangreifer einsetzen. Etwaig führt der Hund als psychologisches Drohmittel im Gegensatz zur Schußwaffe sogar dazu, dass der Täter hier das Messer weglässt.

2. Mit dem Auto umfahren / anfahren. Ein Polizist könnte am Steuer bleiben, die Türen von innen verschließen und dann während die anderen ihn ablenken ihn mit dem Auto einfach umfahren. Oder man fährt den Täter bereits bei der Anfahrt einfach mit dem Dienstwagen einfach um. Dies könnte höchst effektiv sein und wird wahrscheinlich nicht mit dem Tod des Täters enden, sondern ihm nur die Beine brechen und ihn zu Sturz bringen.

3. Einsatz von privat beschafften Pfeffersprays mit wesentlich höherer Wirkstoffkonzentration anstelle des kleinen RSG der normalen Beamten. Durch die viel höhere Konzentration des Wirkstoffs, insbesondere beispielsweise bei Pfeffergel etc ist die Wirkung wesentlich höher als selbst bei dem großen Feuerlöscherartigen Pfeffer und die Kontamination der Umgebung durch Dämpfe, Rückschlag usw ist ebenfalls nicht gegeben.

4. Warnschuss abgeben. Als psychologisches Druckmittel, ich muss ja dem folgend nicht zwingend schießen, aber etwaig führt der Schussknall und die Realisierung das jetzt tatsächlich real geschossen wurde zu einem anderen Verhalten des Täters.
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Taeser ist in Thüringen nur beim SEK im Einsatz . Vielleicht hätte es gereicht wenn jeder seinen einsatzstock dabei gehabt hätte. Außerhalb der Bereitschaftspolizei sieht man diesen selten obwohl es viele Einsatzlagen entschärfen würde. Was wohl daran liegt das den meisten Beamten überhaupt nicht bekannt ist was für Möglichkeiten zum Einsatz man mit dieser Waffe hart.

Die Umrüstung mit Flinten würde nichts bringen. Man ist ja nicht mal in der Lage die Beamten an ihrer Standart Waffe richtig auszubilden und zu sensibilisieren.

Die Verstärkung durch Bereitschaftspolizei ist in diesem Fall einzig und allein dem Umstand geschuldet das der zweite Standort in Thüringen nach Erfurt Rudolstadt ist .
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alphall31:

Zitat:Die Umrüstung mit Flinten würde nichts bringen. Man ist ja nicht mal in der Lage die Beamten an ihrer Standart Waffe richtig auszubilden und zu sensibilisieren.

Exakt deswegen (!) wären Flinten die bessere Bewaffnung, also genau deshalb, weil man die Beamten nicht ausreichend ausbildet wäre die Flinte die bessere Waffe als die Maschinenpistole.

Zitat:Vielleicht hätte es gereicht wenn jeder seinen einsatzstock dabei gehabt hätte. Außerhalb der Bereitschaftspolizei sieht man diesen selten obwohl es viele Einsatzlagen entschärfen würde. Was wohl daran liegt das den meisten Beamten überhaupt nicht bekannt ist was für Möglichkeiten zum Einsatz man mit dieser Waffe hart.

Die normalen Beamten haben einen Teleskopschlagstock. Und die hier im Film gezeigten Beamten hatten diesen teilweise ausgefahren zur Hand, man sieht sogar ganz am Schluss wie einer der Beamten ihn wieder einfährt.

Und nein, dass hätte hier in diesem spezifischen Fall nicht gereicht wenn die stattdessen Tonfa dabei gehabt hätten, denn damit muss man auch umgehen können. Das ist aufwendiger als der Umgang mit der Feuerwaffe und wird bei den meisten Polizeibeamten meiner Ansicht nach noch weniger trainiert als der Umgang mit der Feuerwaffe. Tatsächlich ist das Können selbst mit dem Teleskopschlagstock ziemlich unzureichend, mit dem Tonfa hingegen kaum vorhanden.

Mit einem solchen mangelhaften Können gegen einen Messerangreifer vorzugehen ist daher einfach nur suizidial und auf das schärfste abzulehnen.

Ich habe zwar keine Ahnung von Polizeikampf und polizeilichen Einsatztechniken, aber ich beschäftige mich seit ca 30 Jahren mit bewaffneten Nahkampf jedweder Art. Die Idee mit einem Teleskopschlagstock gegen ein Messer vorzugehen, ebenso mit einem Tonfa - ist bei diesem niedrigen Ausbildungsstand und Können einfach von grund auf falsch.
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(17.10.2023, 16:11)Quintus Fabius schrieb: Desweiteren hatten die gleichen Beamten welche hier keinen ausreichenden Abstand einhielten ihre Waffen nicht richtig im Anschlag. Beispielsweise hielt der große glatzköpfige Beamte mit Sonnenbrille seine Maschinenpistole mehrfach nicht im Schulteranschlag, obwohl der Angreifer praktisch gesehen in Reichweite für einen Messerangriff war. Stattdessen schwebte die einziehbare Schulterstütze neben der Schulter in der freien Luft. Damit wäre dann nicht sicher gewährleistet, den Messerangreifer bei einem Sturmangriff überhaupt ausschalten zu können und gerade bei Pistolenmunition hängt ein Großteil der Mannstoppwirkung von der exakten Trefferlage ab.
Zur Handhabung der Schusswaffen kann ich mich nicht äußern, da ich keinerlei Erfahrungen dahingehend habe.
Zitat:Aber abgesehen von solchen Fehlern war der Abstand meiner Überzeugung nach in jedem Fall zu gering, mehrfach.
Gerade solche Einschätzungen können sehr individuell ausfallen, je nach eigenem Können und der konkreten Einschätzung des Gegenübers und dessen jeweiligen Einzelhandlungen. In den meisten Fällen haben solche Typen auch gar nicht vor, wirklich anzugreifen. Das ist auch etwas, wo man im militärischen Kontext ganz anders herangeht. Dort hast du tatsächliche Gegner/Feinde, die dich töten wollen. Im Polizeieinsatz handelt es aber eben nur um ein "Gegenüber", das dir zwar nicht wohlgesonnen ist, aber in den allerwenigsten Fällen ist es das erklärte Ziel des Gegenübers, einen Polizisten zu töten. Das wäre nur ein Mittel zum Zweck, dass man bereit ist, anzuwenden, falls nötig.
Du wirst auch z.B. feststellen, dass eine solche Vorgehensweise wie in diesem Video mit Sicherheit kein Polizist gegenüber einem terroristischen Angreifer anwenden würde.
Zitat:Der Schusswaffengebrauch ist allein schon dadurch gerechtfertigt, dass der Täter mit einem Messer aggressiv hin und her läuft und dabei auch mehrfach auf Beamte zuläuft und sich ihnen annähert. Rein rechtmäßig wäre es daher hier meiner Überzeugung nach in jedem Fall möglich zu schießen.
Ja, vermutlich wäre es das. Ein tödlicher Schuss jedoch würde mMn noch einen gegenwärtigen Angriff gegen einen der Polizisten erfordern, aber es gab im Verlauf des Videos durchaus den einen oder anderen Moment, in dem ein Schuss vertretbar gewesen wäre, wenn auch nicht zwingend erforderlich.
Zitat:Eine entsprechende Schnittschutzjacke und Stichschutzeinlagen für die Weste wären hier sicher sehr vorteilhaft und würden sich auch sonst im Streifendienst bewähren, da sie gegenüber Kratzen, Beißen etc. auch einen Schutz bieten.
Schnittschutz-Textilien sind sicher eine gute Sache, aber Stichschutzwesten/-einlagen sind tlw. fragwürdig. Sie können sehr einschränkend sein, aber vor allem sind sie auch nur sehr bedingt hilfreich, da die Varianten, die man regulär im Dienst regelmäßig tragen kann ohne größere Einschränkungen, zu viele Lücken im Schutz aufweisen, die ein halbwegs versierter und "motivierter" Angreifer problemlos ausnützen könnte. Daher bieten sie meistens eher eine trügerische Scheinsicherheit.
Zitat:Das ist mir auch aufgefallen. Warum tragen die keine Handschuhe?
Ich gehe davon aus, dass es keine bewusste Entscheidung war, sondern dass sich die Lage aus einer Situation heraus plötzlich entwickelt hat, in der Handschuhe z.B. beim Schreiben, telefonieren o.ä. gestört hätten und sie nach der Eskalation nicht mehr die Gelegenheit hatten, Handschuhe anzuziehen. Das Anlegen von Handschuhen mit Schnittschutz führt zu mehreren Sekunden Handlungsunfähigkeit. Das kann man nicht immer riskieren, zumal es für die Schusswaffenhandhabung auch nicht wichtig ist. Daher lieber ohne Handschuhe schussbereit bleiben, als die Waffe wegstecken und erstmal Handschuhe anziehen.
Aber das wäre auch ein Kritikpunkt von mir. In solch einer Situation gibt es eigentlich wenig Gründe dafür, dass die Mehrheit der Polizisten keine Handschuhe trägt, das ist ungewöhnlich.
Zitat:Warum zeigen Taser keine Wirkung!? Meinem Verständnis nach sollten sie, wenn sie gut treffen sogar sehr stark wirken, stärker als Kugeln.
Da ist der Knackpunkt. Es passiert einfach zu häufig, dass Taser nicht richtig wirken können. Und da die Schwelle zum Einsatz meiner Überzeugung nach recht hoch anzusetzen ist, ist ein scheiternder Tasereinsatz vergleichbar mit einem Schuss, der sein Ziel verfehlt. Mit dem Unterschied, dass Taser keine Magazine haben, sondern nur einmal schießen können. Deshalb sind sie nicht geeignet, um als finale Rettung eingesetzt zu werden, während sie für einen Einsatz als gewöhnliches Zwangsmittel viel zu gefährlich sind. Zum einen für das Gegenüber, aber auch dadurch, dass ein gescheiterter Tasereinsatz ein enormes Eskalationspotential in sich trägt. Daher halte ich das nur in wenigen Situationen für ein gutes Mittel im Polizeidienst, z.B. bei Großlagen, um einzelne Gewalttäter außer Gefecht setzen zu können, ohne übermäßig Gewalt einsetzen zu müssen. Da sind sie aber die Alternative zum Schlagstock und nicht zur Schusswaffe. Geht das dann schief, hat man immer noch Möglichkeiten, das zu kompensieren. Mehr Einsatzchancen sehe ich auch im Strafvollzug, weil sich dort häufiger Situationen ergeben können, die den Einsatz und das Risiko rechtfertigen, während zugleich ausreichende Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können, wohingegen die Friktionen "auf der Straße" deutlich größer sind.
Zitat:So weit ich es gelesen habe fordern aber gerade die Polizeien / Gewerkschaften usw. sehr oft den Taser. Wie erklärst du diese Forderungen?
Der Taser ist ein Mittel, dass es theoretisch ermöglichen kann, dass Polizisten seltener schießen müssen, was immer ein Anliegen der Gewerkschaften ist, da die Traumatisierung von Polizisten nach dem Schusswaffeneinsatz ein großes Thema in den Gewerkschaften ist. Ich persönlich sehe da allerdings eher den Bedarf, Polizisten besser darauf vorzubereiten und sie besser dafür auszubilden, statt dass man ihnen Taser gibt, um krampfhaft zu vermeiden, dass Täter auch mal getötet werden.
Zitat:Und Flinten können auch nicht-letale Munition verschießen, zudem gibt es Flinten mit Magazin, entsprechend könnte man mit diesen die Munition sehr leicht und schnell jeweils wechseln. Statt also Pistole und Maschinenpistole und Pepperball dabei zu haben, hätte man einfach eine Flinte und verschiedene Munition.
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Je mehr ich über die Diskussion mit dir nachdenke, desto mehr erscheinen mit magazingefütterte halbautomatische Flinten als die Antwort auf die Fragen welche sich mit solchen Tätern zunehmend stellen. Wie siehst du dies ?
Das stimme ich dir sogar zu. Und in diesem Fall hast du mich da überzeugt. Es bleibt für mich zwar ein Einsatzmittel für Ausnahmefälle und keinesfalls würde ich befürworten, wie die Hollywood-Sherriffs in jeden Einsatz direkt mit der Pumpgun reinzugehen, aber gerade die vielfältigen Wirkmittel und die hohe Mannstoppwirkung bei gleichzeitig halbwegs "regulierbarer" Letalität spricht sehr für diese Waffen. Gerade gegenüber Maschinenpistolen sind sie enorm im Vorteil, wenn man sich die tatsächlich im Einsatz auftretenden Gelegenheiten für Schusswaffengebrauch anschaut, zumindest in Deutschland. Es handelt sich fast immer um Einzelpersonen und letale Schüsse finden aus nächster Nähe statt, von SEK-Operationen mal abgesehen, aber da sind dann auch gleich Maschinenkarabiner gefragt, keine MPs.
(17.10.2023, 18:04)Quintus Fabius schrieb: 1. Hunde einsetzen.
Für mich schwierig, das wird aber daran liegen, dass mir Hunde meist mehr wert sind als Menschen und ich sie deshalb nicht in die Gefahr bringen würde.
Aber rein taktisch sicher eine gute Wahl, wenn man denn einen Hundeführer vor Ort hat.
Zitat:2. Mit dem Auto umfahren / anfahren.
In der Wirkung nur schwer kalkulierbar und entsprechend risikobehaftet. Sowas trainiert man ja nicht. Das kann sich mal als sinnvolles Mittel im Einsatz ergeben, dürfte sich aber auf zufällige Gelegenheiten beschränken und kann extrem kritisch in der Außenwirkung sein. Es gibt diverse Videos von US-Polizeifahrzeugen, die BLM- oder Klima-Aktivisten über den Haufen fahren, das kommt nicht gut zur Primetime.
Zitat:3. Einsatz von privat beschafften Pfeffersprays mit wesentlich höherer Wirkstoffkonzentration anstelle des kleinen RSG der normalen Beamten. Durch die viel höhere Konzentration des Wirkstoffs, insbesondere beispielsweise bei Pfeffergel etc ist die Wirkung wesentlich höher als selbst bei dem großen Feuerlöscherartigen Pfeffer und die Kontamination der Umgebung durch Dämpfe, Rückschlag usw ist ebenfalls nicht gegeben.
Das Problem bei den kleinen, streifendiensttauglichen RSG ist nicht die Reizstoffkonzentration. Sie sind mit ballistischem Strahl hervorragend gezielt anzuwenden, was mich selbst schon vorm Krankenhaus oder schlimmerem bewahrt hat. Das Problem ist die teilweise auftretende Resistenz des Gegenübers, die nur marginal mit der Wirkstoffkonzentration zu tun hat. Die Feuerlöscher hingegen wirken gerade durch die hohe Menge kurzzeitig blendend, wie bereits zum aktuellen Fall erläutert. Und Gel hat natürlich enorme Vorteile, gerade wenn man in einer Menschenmenge nur einzelne Personen treffen will.
Zitat:4. Warnschuss abgeben.
Hängt vom Täter ab. Kann man nach eigenem Ermessen versuchen, ist aber sicher kein Allheilmittel.

Zu den Stöcken: Diese können in bestimmten Konstellationen sehr sinnvoll eingesetzt werden, wie ich schon im Dortmunder Fall erläuterte. Hier jedoch waren die Voraussetzungen dafür mMn nicht gegeben, bzw. gab es bessere Alternativen, wobei die Entwaffnung nach dem Pfeffereinsatz durchaus auch gut, ggf. sogar sicherer mit dem Stock hätte passieren können.
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